Vorher Stellt Er Ihnen Nach - Блейк Пирс 4 стр.


„Sie stammen aus einem Pfandleihhaus. Der Besitzer scheint ziemlich cool zu sein. Er meinte, ich kann erneut vorbeikommen, wenn nötig, aber das Büro hat auch bereits eine Kopie der Überwachungsaufnahmen vorliegen.“

Mackenzie ging um Webbers Crown Vic herum und betrachtete den Parkplatz. „Weiß man, wie lange ihr Wagen hier war, bis er bewegt wurde?“, fragte sie.

„Die Stadt hat ihn gestern abgeschleppt. Die Forensiker haben ihn davor jedoch gründlich durchsucht. Der einzige, erwähnenswerte Fund war Torres‘ Blut am Türrahmen.“

Mackenzie beäugte den leeren Platz. Außer einigen alten Ölflecken und Zigarettenstummeln konnte sie nichts sehen. Kein Blut, keine Haare oder Fasern.

„Wir haben im Büro Zugang zur Videoüberwachung, nicht wahr?“

„Ja, und die upgedateten Fallakten. Wie du bestimmt weißt, kommen viele Infos erst nach Feierabend rein. Ich weiß nicht, wie aktuell die Infos waren, die du erhalten hast.“

Das breite Grinsen war zurück. Und obwohl er sie keinesfalls begaffte, betrachtete er sie doch mit undurchdringlichem Blick. Er ertappte sich dabei und schien eine Art Fluchtreflex abzuschütteln. Er schüttelte den Kopf, als wolle er sich einen klaren Kopf verschaffen.

„Tut mir leid. Ich … ähm, ich versuche immer noch, die Tatsache zu akzeptieren, dass du hier bist. Und ich mit dir arbeiten darf.“

„Es ist keine große Sache“, sagte Mackenzie. „Glaub mir.“

„Bescheiden. Ich verstehe. Aber ob es dir gefällt oder nicht – du bist eine Art Legende für all diejenigen, die in den letzten drei Jahren auf der Akademie waren.“

Seine Worte schmeichelten ihr. Egal, wie bescheiden jemand auch sein mochte, war es immer schön, positive Dinge über sich selbst zu hören. Es war auf jeden Fall ermutigend. Aber sie fühlte sich definitiv nicht wie eine Legende. Wenn Webber ihre Selbstzweifel oder Ängste, die immerzu in ihrem Herzen weilten, kennen würde, hätte er ein anderes Bild von ihr. Das war ihr Hauptgrund, ihn davon abzuhalten, ihr Loblied zu singen und stattdessen die Klappe zu halten.

„Ich würde gerne sehen, wo die Person auf dem Überwachsungsvideo gelaufen ist“, sagte sie.

„Sicher. Sollen wir fahren oder gehen? Es sind nur zwei Blocks.“

„Dann laufen wir.“

Webber schien kein Problem damit zu haben und entschied, mit seinem Wagen weiterhin den Tatort abzuschirmen. Die Agenten verließen das Parkhaus und traten hinaus ins Tageslicht. Webber brachte sie zum Pfandleihhaus, wo die Überwachungskamera positioniert war, die die Person in Regenjacke aufgenommen hatte.

Der Laden war zu so früher Stunde noch geschlossen, aber Mackenzie schien das nicht zu stören. Um ehrlich zu sein, würde sie das Video viel lieber an einem Laptop anschauen, den sie kontrollierte, statt im Pfandleihhaus, wo der Besitzer sich mit seinen Geräten besser auskannte als sie.

„Der Blickwinkel des Videos zeigt ziemlich gerade die Straße runter“, sagte Webber. „Das Parkhaus ist außer Sichtweite, wir sehen also nicht, wie er es betritt.“

Sie gingen langsam die Straße entlang. Mackenzie sah sich auf dem Gehweg um und betrachtete die Schaufenster, unsicher, wonach sie suchte. Sie entdeckte eine Seitengasse, doch die war abgesperrt. Sie drehte sich um und suchte nach anderen Orten, wo die Person sich hätte verstecken können.

Als könne er ihre Gedanken lesen, zeigte Webber auf eine Stelle drei Häuser weiter. „Dort drüben gibt es eine Seitengasse. Die habe ich mir gestern angesehen. Ich habe nichts gefunden, aber unser Täter hat möglicherweise dort auf Ms. Torres gewartet.“

Gemeinsam gingen sie zum ‚Sixteenth Street Diner‘. Vom vorderen Eingang aus war das Parkhaus gut sichtbar; es lag lediglich einen Häuserblock entfernt. Mackenzie betrachtete die Tür des Imbisses. Der schwere Geruch von Speck und Kaffee wehte in ihre Richtung.

„Hattest du die Gelegenheit, dich mit ihren Arbeitskollegen zu unterhalten?“, fragte Mackenzie. Sie verspürte den Drang, den Diner zu betreten, um selbst nach Informationen zu suchen, aber sie hatte noch nie befürwortet, eine Arbeit zwei Mal zu erledigen. Wenn Webber zufriedenstellende Arbeit geleistet hatte, gab es keinen Grund für sie, die Befragung zu wiederholen.

„Ja. Vier Angestellte inklusive ihres Vorgesetzten. Steht alles in den Notizen. Ehrlich gesagt kam dabei aber nur wenig raus. In einigen Fällen mussten ein paar Typen wegen unangemessenen Grapschens aus dem Imbiss geleitet werden. Niemand redet schlecht von Ms. Torres, aber es war klar, dass einige ihrer Kolleginnen neidisch auf sie waren. Eine hat sogar behauptet, sich immer Sorgen um einen solchen Vorfall gemacht zu haben. Anscheinend hat Ms. Torres ihr ausladendes Dekolleté und ihre kurzen Lederröcke eingesetzt, um gutes Trinkgeld zu kassieren. In Establishments wie diesem ist diese Art von Dresscode zu späten Stunden okay.“

Sie setzten ihre Unterhaltung fort, bis sie wieder am Parkhaus angelangt waren. Mackenzie hatte nichts Nennenswertes gesehen, aber gleichzeitig das Gefühl, sowohl Opfer als auch Killer nun besser zu kennen, indem sie denselben Weg gegangen war und damit zumindest Ms. Torres‘ letzten Schritte verfolgen hatte können.

Auf dem Weg zu ihren Autos meinte Webber: „Möchtest du dir noch mehr ansehen oder sollen wir uns an die Unterlagen machen?“

„Ich denke, wir können direkt zum Büro fahren“, sagte Mackenzie. „Insofern ich nichts Offensichtliches übersehen habe, glaube ich nicht, dass es hier etwas gibt, was von den Forensikern nicht bereits katalogisiert wurde.“

„Da stimme ich zu. Du kannst mir hinterherfahren.“

Mackenzie ging zurück zu ihrem Wagen und verdrehte die Augen über Webbers jungenhafte Aufregung, die er beim Einsteigen in sein Auto demonstriert hatte. Es war schon eine Weile her, seitdem jemand sie an ihre Vergangenheit und die Geschichte erinnert hatte, wie sie so zügig die Karriereleiter vom Kleinstadtcop zum legendären FBI-Agenten erklommen hatte. Es war schön, einen Blick auf die Vergangenheit zu werfen; eine Erinnerung daran, wo sie herkam und was sie bereits erreicht hatte.

Aber all das lag nun in der Vergangenheit. Als sie an die Frau dachte, die sie einmal gewesen war, fühlte es sich an, als versuche sie sich an die Handlungen und Eigenschaften einer Fremden zu erinnern.

Vielleicht ist das die Erinnerung, die ich brauche, um wirklich wieder in den Sattel zu steigen, dachte Mackenzie. Aber selbst als sie Webber aus dem Parkhaus in die Stadt folgte, war die Vorstellung, sich an den Vogelscheuchen-Mörder und ihr chaotisches Privatleben zu erinnern, vielmehr wie ein Schritt in ein Geisterhaus. Ein Haus, dessen Türen jemand von außen verschlossen hatte.

Kapitel fünf

Webber zeigte ihr ihr temporäres Büro – eine Räumlichkeit so groß wie ein geräumiger Kleiderschrank. Er installierte ihren Laptop und versorgte sie mit den Ausdrucken all der Unterlagen der beiden Mordfälle. Er bot sogar an, ihr Kaffee und einen Donut zu bringen – begierig, alles zu tun, um ihr das Gefühl zu geben, willkommen zu sein. Sie wünschte sich, er würde damit aufhören, da er sich bereit jetzt mehr wie ein Assistent als ein Agent benahm. Wenn er nicht bald damit aufhörte, würde sie mit ihm reden müssen.

Zum Glück gab es keine neuen Erkenntnisse, die sie durchforsten mussten. Die Informationen, die ihr nach dem Durchlesen der Akten am vergangenen Abend noch gefehlt hatten, waren von Webber bereits im Parkhaus geklärt worden. Zuerst sah sie sich nun den Bericht des Gerichtmediziners im Fall des ersten Opfers, Amy Hill aus Portland, an. Sie las den Bericht und sah schnell, wie man zu der Schlussfolgerung gekommen war, dass sie mindestens vier Mal mit einem Eichenast geschlagen worden war – direkt gegen die Augenbraue und einmal auf den Hinterkopf. Beim Betrachten der Wunde und der Lektüre der Akte fragte sie sich, wie jemand überhaupt davon hatte ausgehen können, dass die Verletzungen durch einen Hammer herbeigeführt worden waren.

Dann bat sie um Zugang zu den Aufnahmen der Videokamera des Pfandleihhauses. Sie sah sich die Aufnahmen mehre Male an und verbrachte etwa eine halbe Stunde damit, denselben Achtzehn-Sekunden-Film wieder und wieder anzusehen. Da nur eine einzige Kamera für die Aufnahme zuständig gewesen war, konnte sie das Video aus nur einer Perspektive betrachten. Trotzdem reichte es aus, zu erkennen, dass die Person, die hinter Sophie Torres aufgetaucht war, ihr Bestes gegeben hatte, ihr ungesehen zu folgen. Die gesamte Szene war an den Rändern verschwommen, vermutlich ein Ergebnis des Regens, der in jener Nacht gefallen war.

Sie konnte kein Stückchen Haut erkennen. Selbst die Hände der Person steckten in den Taschen der Regenjacke. Er ging mit entschlossenem Schritt, gesenktem Kopf und hochgezogenen Schultern. Nicht einmal sah er nach hinten, um zu sehen, ob jemand ihm folgte. Nachdem Mackenzie das Video elf Mal angesehen hatte, schloss sie die Datei und sah weg. Die Aufnahme brachte keine neuen Erkenntnisse.

„Haben wir den Wetterbericht von Portland in der Nacht von Amy Hills Tod?“, fragte Mackenzie.

„Ich glaube nicht“, sagte Webber. „Aber ich kann problemlos einen besorgen. Denkst du, dass das Wetter etwas mit dem Vorgehen des Täters zu tun haben könnte?“

„Keine Ahnung. Aber im Moment suche ich einfach nach allen Ähnlichkeiten, die ich finden kann.“

„Verstehe“, sagte Webber und zog sein Handy heraus wie ein lustloser Revolverheld. Er klickte und scrollte, während Mackenzie die Tatortbilder vom Fall Amy Hill heraussuchte. Da ihre Leiche an einem öffentlichen Brunnen gefunden worden war, war es unmöglich, anhand der Bilder zu erkennen, ob es zum Zeitpunkt ihres Todes geregnet hatte.

„Soweit ich hier erkennen kann“, sagte Webber und zeigte ihr Portlands Wetterbericht der letzten sieben Tage, „war der Himmel zur Tatnacht klar. Kein Regen.“

„Der Bericht indiziert, dass sie zwischen Mitternacht und zwei Uhr morgens umgebracht wurde“, meinte sie, als sie die Informationen der Akte zum vierten Mal durchlas. „Das ist in etwa dasselbe Zeitfenster, in dem auch Sophie Torres ermordet wurde. Und wenn ich nichts übersehen habe, ist das die einzige Ähnlichkeit.“

„Nun, das und die Tatsache, dass beide am Kopf getroffen wurden“, erwiderte Webber. „Sicher, wir wissen, dass es sich in beiden Fällen um unterschiedliche Waffen handelte, aber dennoch war es ein Schlag gegen den Kopf. Das ist nicht viel, aber …“

Sie bemerkte, dass er zögerlich sprach, als fürchte er, sie könnte ihn korrigieren oder anderer Meinung sein. Sie fragte sich, ob er mit jedem Agenten-Partner so agierte oder ob es wirklich sie war, die diese Wirkung auf ihn hatte. Wenn letzteres zutraf, hätte sie Mitleid mit ihm. Sie verdiente es nicht, so ehrfürchtig behandelt zu werden. Vermutlich waren ihr erstes Jahr und vor allem der plötzliche Übergang vom Kleinstadtcop zum FBI-Agenten einige Zeitungsüberschriften wert gewesen. Aber jetzt fühlte sie sich wie jeder andere Agent. Sie war verheiratet, hatte ein Kind und war häuslich geworden. Und während sie ihre Familie und ihren Job sehr liebte, hatte sie nicht das Gefühl, etwas Besonderes zu sein.

„Wir müssen herausfinden, ob es eine Verbindung zwischen den Opfern gibt“, sagte Mackenzie. „Wissen wir, ob jemand mit der Familie Hill gesprochen hat?“

„Niemand von hier. Wir haben nur einen Bericht der Polizei in Portland. Das Ergebnis war unauffällig: Kein Ärger mit der Familie, keine Sorgen mit dem Freund, keine Alarmglocken.“

„Und was ist mit Sophie Torres?“

„Auch in dem Fall hat nur die örtliche Polizei mit der Familie gesprochen. Mir wurde angewiesen, nicht vor deiner Ankunft in der Hinsicht zu handeln.“

„Nun, ich bin hier“, sagte Mackenzie und stand auf.

„Das bist du“, stimmte Webber zu. Seine Stimme wies darauf hin, dass er möglicherweise versuchte, mit ihr zu flirten. Sie fühlte sich etwas unwohl, aber nicht unwohl genug, um etwas zu sagen und die Situation für alle unangenehm zu machen.

„Du kennst die Stadt besser als ich“, sagte sie. „Macht es dir etwas aus, zu fahren?“

„Überhaupt nicht.“

„Webber, darf ich dich etwas fragen? Hast du je dauerhaft mit einem Partner zusammengearbeitet?“

„Mit meinem letzten Partner waren es eineinhalb Jahre. Dann wurde er nach Denver versetzt. Davor habe ich immer nur kurzzeitig mit anderen Agenten gearbeitet. Aber ich weiß, warum du fragst. Mir wurde gesagt, dass ich etwas sonderbar rüberkomme. Und ja – das Wort, genau das Wort, wurde verwendet. Aber es ist keine Bezeichnung, die ich jemals verwenden würde.“

„Ich würde nicht sonderbar sagen“, meinte sie. „Du scheinst … nun, du scheinst den Job ein bisschen zu sehr zu genießen. Aber nicht auf besessene oder grüblerische Art und Weise. Eher wie ein Kind, das mit seinem Dad zur Arbeit gegangen ist … und der Dad arbeitet mit Sprengstoffen oder ist ein Football-Spieler oder so.“

Sein Lachen machte ihn in ihren Augen sympathischer. Es war ehrlich und vermutlich ihr erstes Mal, ein wahrhaftiges, ungestelltes Wiehern zu hören.

„Ich bin mir sicher, dass darin indirekt eine Beleidigung steckt, aber das stört mich nicht“, sagte er. „Denn weißt du was – genauso fühle ich mich manchmal. Ich mag das Geheimnisvolle. Die Puzzles, das Rätsellösen und alles. Und, wie gesagt, die Tatsache, mit dir zusammen arbeiten zu dürfen …“

„Bedeutet absolut nichts“, unterbrach Mackenzie ihn. „Hör zu, Webber. Ich bin froh, mit dir zu arbeiten und denke, dass wir den Fall schnell lösen können. Und so gerne eine Frau auch hört, wie wundervoll sie ist, bitte ich dich doch, genau das sein zu lassen. Soweit ich weiß, bin ich nicht besser als du. Also sollten wir auf einer Ebene agieren, okay? Ich bin nicht deine Vorgesetzte und will deine Ideen und Gedanken hören. Unsere Vorgesetzten dürfen uns dann loben, wenn wir den Fall abgeschlossen haben. In Ordnung?“

Webber wirkte zuerst verwirrt, doch dann nickte er langsam. „Ja, das ist in Ordnung. Es tut mir leid. Mir war nicht bewusst, dass ich mich noch immer wie ein Fanboy verhalten habe.“

„Kein Problem. Einem Teil von mir gefällt das ja sogar. Aber das ist nicht der Teil, der gut darin ist, Verbrechen aufzuklären.“

Webber hatte dem scheinbar nichts entgegenzusetzen. Er winkte ihr lediglich zu, ihm zu folgen und zusammen verließen sie das Gebäude. Es war ein bewölkter Morgen und der Himmel drohte mit Regen.

Kapitel sechs

Er bereute es, keine Fotos gemacht zu haben. Der Anblick ihres Falles war ihm noch immer in frischer Erinnerung, genau wie die Delle in ihrem Kopf. Aber er wusste, dass Erinnerungen fehlerhaft sein konnten. Und er wusste, dass Erinnerungen mit der Zeit verblassen würden. Selbst die besten wurden mit jedem Jahr schwächer.

Und diese Erinnerung wollte er nicht verlieren.

Außerdem war es sein erster Mord gewesen – und viel besser als erwartet.

Er hatte nur mit zwei Frauen geschlafen. Bei der ersten, einer Prostituierten, war er neunzehn gewesen. Er hatte ihr erklärt, Jungfrau zu sein und dass sie ihn hart drannehmen aber ihm auch ein paar Dinge beibringen sollte. Das hatte sie getan und es war eine unglaubliche Erfahrung gewesen.

Doch sein erster Mord war wesentlich besser gewesen als sein erstes Mal. Es war unvergleichlich.

Hätte wirklich ein Foto machen sollen.

Aber er wusste, dass das Fotografieren seiner Opfer ein dummer Akt wäre. Quasi eine Einladung, gefunden zu werden.

Er selbst saß an seinem Computer in seiner dunklen Wohnung, sah sich die Bilder von anderen Leuten online an und wunderte sich über deren Dummheit, solche Dinge zu posten. Es waren Bilder von Schussopfern, von Taxifahrern, die erstochen wurden, von Menschen, die tief gefallen waren. Auf einem Foto war ein Mann abgebildet, der von einem Humvee überfahren worden war. Selbst im Dark Web – so ziemlich das einzige Internet, das er derzeit nutzte – konnte die Regierung herausfinden, was man sich ansah oder selbst hochstellte.

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