Ein Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus, doch sie biss sich so schnell sie konnte auf die Lippen. Sie würde das Gesicht auch sehr gerne sehen.
„Ich glaube, ich weiß, was du sagen möchtest. Aber du musst es aussprechen, der Vollständigkeit wegen.“
Er kam zurück ins Zimmer, ging auf sie zu und nahm ihre Hände in seine. „Ich möchte damit sagen, dass ich weder eine Hochzeit planen noch länger damit warten möchte, dich zu heiraten. Lass uns einfach heimlich heiraten.“
Sie wusste, dass er es ernst meinte, denn seine Stimme stockte mitten im Satz. Trotzdem … es klang zu gut um wahr zu sein.
„Meinst du das ernst? Du sagst das nicht einfach so, weil…“
Sie hielt inne, unfähig ihren Gedanken auszusprechen. Stattdessen blickte sie nach unten auf ihren Bauch.
„Ich schwöre, es liegt nicht nur daran“, sagte Ellington. „Obwohl ich mich sehr darauf freue, ein Kind mit dir großzuziehen und möglicherweise zu verziehen, bist du es, die ich will.“
„Hm, wir werden das Kind verziehen, nicht wahr?“
„Nicht absichtlich.“ Er zog sie näher an sich heran und nahm sie in den Arm. Dann flüsterte er ihr ins Ohr. Seine Stimme so nah zu hören gab ihr erneut dieses angenehme und zufriedene Gefühl. „Ich meine es ernst. Lass es uns tun. Lass uns durchbrennen.“
Sie nickte zustimmend, bevor sie sich aus der Umarmung lösten. Als sie sich wieder ansahen, glitzerten die Augen beider verräterisch.
„Okay …“, sagte Mackenzie.
„Ja, okay“, sagte auch er mit gespielter Leichtfertigkeit. Er beugte sich vor, küsste sie und sagte dann: „Und was jetzt? Mist, ich glaube, wir müssen trotzdem etwas Planarbeit leisten.“
„Ich nehme an, wir müssen das Standesamt anrufen, um einen Termin zu vereinbaren“, sagte Mackenzie. „Und einer von uns muss sich mit McGrath in Verbindung setzen, damit wir für die Zeremonie freibekommen. Ich nicht!“
„Verdammt“, sagte er mit einem Lächeln. „Schöne, ich rufe McGrath an.“
Er nahm sein Handy aus der Tasche, um sein Vorhaben an Ort und Stelle in die Tat umzusetzen und steckte es dann wieder weg. „Vielleicht sollte ich diese Unterhaltung mit ihm persönlich führen.“
Sie nickte und ihre Arme zitterten ein wenig, als sie ihr Shirt endlich ganz zuknöpfte. Wir werden es wirklich tun, dachte sie. Wir werden es wirklich tun …
Sie war aufgeregt und nervös und beschwingt. All diese Emotionen drehten sich gleichzeitig in ihrem Kopf. Sie antwortete auf die einzig, ihr mögliche, Weise, in dem sie zu ihm ging und ihn umarmte. Und als sie sich küssten dauerte es nur etwa drei Sekunden, bis sie sich dazu entschied, dass da vielleicht doch Zeit für das war, was er vor einigen Minuten angezettelt hatte.
* * *
Die Zeremonie fand zwei Tage später, an einem Mittwochnachmittag, statt. Sie dauerte nicht länger als zehn Minuten und endete mit dem Austauschen der Ringe, die sie am Tag zuvor gemeinsam ausgesucht hatten. Es war so einfach und sorglos, dass Mackenzie sich fragte, warum Frauen sich überhaupt in die Hölle des Planens und Organisierens begaben.
Da zumindest ein Trauzeuge notwendig war, hatte Mackenzie Agent Yardley eingeladen. Sie waren nie wirklich Freunde gewesen, aber sie war eine gute Agentin und daher eine Frau, der Mackenzie vertrauen konnte. Yardley darum zu bitten, diese Rolle auszufüllen, erinnerte Mackenzie daran, dass sie wirklich keine Freunde hatte. Ellington stand ihr am nächsten und ihrer Meinung nach war das mehr als genug.
Als Mackenzie und Ellington das Standesamt verließen und den Hauptraum des Gebäudes betraten, gab Yardley sich alle Mühe, eine ermutigende Abschiedsrede zu halten, bevor sie hastig aufbrach.
Mackenzie sah ihr hinterher und fragte sich, warum sie so in Eile war. „Ich will ja nicht sagen, dass das unhöflich war“, sagte Mackenzie, „aber es sah doch so aus, als könnte sie es kaum erwarten, hier rauszukommen.“
„Das liegt daran, dass ich vor der Zeremonie mit ihr gesprochen habe“, meinte Ellington. „Ich habe sie angewiesen, sich sofort aus dem Staub zu machen, wenn wir hier fertig sind.“
„Das war nicht nett. Warum denn das?“
„Weil ich McGrath davon überzeugt habe, uns bis nächsten Montag freizugeben. Ich habe all die Zeit, die wir bei der Hochzeitsplanung gespart haben, in die Planung unserer Hochzeitsreise gesteckt.“
„Was? Machst du Witze?“
Er schüttelte den Kopf. Sie umarmte ihn und versuchte sich an eine Zeit zu erinnern, in der sie so glücklich war. Sie fühlte sich wie ein kleines Mädchen, das zu Weihnachten alle Dinge von ihrem Wunschzettel bekommen hatte.
„Wann hast du das alles gemacht?“, fragte sie.
„Hauptsächlich bei der Arbeit“, sagte er lächelnd. „Komm, wir müssen uns beeilen. Wir müssen packen und Sex haben. Unser Flugzeug nach Island geht in vier Stunden.“
Zuerst klang das Ziel ihrer Reise seltsam, doch dann erinnerte sie sich an ihre Bucket-List-Unterhaltung, die sie geführt hatten, als sie von der Schwangerschaft erfuhren. Was wollten sie noch tun, bevor sie Eltern wurden. Ein Wunsch Mackenzies war es gewesen, unter den Nordlichtern zu zelten.
„Dann los“, sagte sie. „Denn so wie ich mich gerade fühle und mit all den Dingen, die ich mit dir anstellen will, wenn wir zuhause sind, weiß ich nicht genau, ob wir es rechtzeitig zum Flughafen schaffen werden.“
„Ja, Ma’am“, erwiderte er und schob sie zur Tür. „Eine Frage noch.“
„Was denn?“
Er grinste und fragte: „Kann ich dich jetzt Mrs. Ellington nennen?“
Bei der Frage machte ihr Herz einen Sprung. „Ich nehme an, das wäre in Ordnung“, sagte sie, als sie durch die Tür gingen und, zum ersten Mal als verheiratetes Paar, in die Welt hinaustraten.
Kapitel zwei
Es war anders gewesen, als er es sich vorgestellt hatte. Jemanden umzubringen. Er hatte gedacht, sich zumindest kurz zu fragen: Was habe ich getan? Oder eine lebensdefinierende Schuld zu spüren. Das Gefühl zu haben, irgendwie das Leben einer ganzen Familie beeinflusst zu haben. Doch davon kam nichts. Das einzige, was er nach dem Töten seiner beiden Opfer gefühlt hatte, war überwältigende Paranoia.
Und, wenn er ehrlich war, Freude.
Vielleicht war es dumm von ihm gewesen, die Sache so lässig anzugehen. Er war überrascht gewesen, wie normal es sich angefühlt hatte. Die Idee war zuerst erschreckend gewesen, bis er tatsächlich seine Hände um ihre Hälse gelegt hatte. Bis er zugedrückt und ihre wunderschönen Körper des Lebens beraubt hatte. Am besten hatte ihm gefallen, zuzusehen, wie das Licht aus ihren Augen gewichen war. Es war unerwartet erotisch gewesen – noch nie zuvor hatte er etwas so Wehrloses gesehen.
Doch die Paranoia war schlimmer, als er sich je hätte vorstellen können. Nach dem ersten Mal hatte er drei Tage lang nicht geschlafen. Für diese Hürde hatte er sich beim zweiten Mal vorbereitet. Einige Gläser Rotwein und eine Schlaftablette direkt nach der Tat und er hatte sogar ziemlich gut geschlafen.
Was ihn beim zweiten Mal außerdem gestört hatte, war, wie schwer es gewesen war, den Tatort zu verlassen. Die Art und Weise, wie sie gefallen und das Leben sofort aus ihren Augen gewichen war … es hatte in ihm den Wunsch ausgelöst, zu bleiben. In diese frisch getöteten Augen zu starren, um zu sehen, welche Geheimnisse sich in ihnen befanden. Noch nie zuvor hatte er ein solches Verlangen gespürt. Um fair zu sein – er hätte sich bis vor ungefähr einem Jahr auch nie träumen lassen, je einen Menschen umzubringen. Vielleicht verändert sich die Moral eines Menschen von Zeit zu Zeit; genau wie seine Geschmacksnerven.
Er dachte darüber nach, während er vor seinem Kamin saß. Das Haus war leise, so unheimlich leise, dass er das Geräusch seiner Finger hören konnte, die sich am Stil des Weinglases bewegten. Er sah zu, wie das Feuer brannte und knallte, während er seinen dunklen Rotwein trank.
Das ist jetzt dein Leben, sagte er zu sich selbst. Du hast nicht nur einen, sondern zwei Menschen getötet. Sicher, es war notwendig. Du musstest es tun, sonst hätte dein Leben genauso gut vorbei sein können. Obwohl keines der Mädchen es technisch gesehen verdient hatte, zu sterben, geschah es dennoch aus Notwendigkeit.
Das sagte er sich wieder und wieder. Es war einer der Gründe, warum die erwarteten Schuldgefühle ihn noch nicht stillgelegt hatten. Und vielleicht hatte er deshalb auch so viel Platz für die Paranoia, die sich in ihm ausbreitete und immer tiefere Wurzeln schlug.
Es verging keine Sekunde, in der nicht auf das Klopfen an seiner Tür und den Polizisten auf der anderen Seite wartete. Oder auf das Sondereinsatzkommando samt Rammbock. Das Schlimmste war: Er wusste, dass er es verdiente. Er nahm an, dass die Wahrheit eines Tages ans Licht kommen würde. So funktionierte die Welt. Es gab keine Privatsphäre. Man konnte nicht einfach sein eigenes Leben leben.
Er würde sich, wenn es an der Zeit war, wie ein Mann benehmen und seine Strafe akzeptieren. Die Frage, die blieb, war nur: Wie viele musste er noch umbringen? Ein kleiner Teil in ihm bat darum, aufzuhören, versuchte ihn zu überzeugen, dass seine Arbeit getan war und kein weiterer Mensch sterben musste.
Aber er war sich ziemlich sicher, dass das nicht stimmte.
Die Aussicht, hinauszugehen und es wieder zu tun, löste eine Aufregung in ihm aus, die wie das Feuer vor ihm leuchtete und brannte. Und das war am allerschlimmsten.
Kapitel drei
Sie war sich ziemlich sicher, dass es an der neuen Umgebung lag. Der Sex in der Wildnis von Island, direkt unter dem majestätischen Wirbel der Nordlichter, war phänomenal. In der ersten Nacht, nachdem sie und Ellington ihre privaten Festivitäten abgewickelt hatten, schlief Mackenzie so gut wie schon lange nicht mehr. Glücklich, körperlich befriedigt und mit dem Bewusstsein, dass in ihr ein Leben heranwuchs, schlief sie ein.
Am nächsten Morgen tranken sie sehr bitteren Kaffee am kleinen Lagerfeuer neben ihrem Zeltplatz. Sie befanden sich im nordöstlichen Teil des Landes und campten knapp dreizehn Kilometer vom See Mývatn entfernt. Sie hatten das Gefühl, die einzigen Menschen auf dem Planeten zu sein.
„Was hältst du von Fisch zum Frühstück?“, fragte Ellington.
„Ich glaube, Haferflocken und Kaffee reichen mir vollkommen“, sagte sie.
„Der See ist nur dreizehn Kilometer entfernt. Ich kann ein paar Fische rausziehen und uns ein richtiges Camperfrühstück zubereiten.“
„Du angelst?“, fragte sie überrascht.
„Früher sogar ziemlich oft“, sagte er und blickte verträumt in die Ferne. Sie hatte gelernt, dass er diesen Blick immer dann aufsetzte, wenn er von seiner Vergangenheit und damit höchstwahrscheinlich auch seiner ersten Ehe sprach.
„Das muss ich sehen“, meinte sie.
„Höre ich da etwa Skepsis in deiner Stimme?“
Sie schwieg, stand auf und ging auf den gemieteten Geländewagen zu. „Fisch klingt super“, sagte sie nur.
Sie stiegen in den Wagen und fuhren zum See. Mackenzie genoss das offene Land und die Fjorde und fand, dass die Landschaft aussah wie in einem Märchenbuch. Der Kontrast du dem hektischen Leben, an das sie sich in DC gewöhnt hatte, war groß. Sie beobachtete Ellington, während dieser den Wagen zum See Mývatn steuerte. Er sah wild und attraktiv aus und sein Haar war leicht zerzaust von der Nacht im Zelt. Sie hatten zwar Pläne gemacht, sich für die nächste Nacht in ein kleines Motel einzumieten, um vor ihrer Rückkehr zum Camp zu duschen, aber sie musste zugeben, dass sein ungeschliffenes, schmuddeliges Aussehen etwas Verführerisches hatte. Ihn so zu sehen, machte es irgendwie einfacher, zu begreifen, dass sie den Rest ihres Lebens mit ihm verbringen würde.
Zwanzig Minuten später waren sie am See, wo Ellington sich mit einer gemieteten Angel auf einen klapprigen, alten Steg setzte. Mackenzie sah ihm zu. Bis auf ein wenig Small Talk schwiegen sie. Sie genoss es, ihm bei einer Tätigkeit zuzusehen, von der sie niemals geglaubt hätte, dass sie ihm gefallen könnte. Es gab noch so viel, was sie über ihn lernen musste, das wurde ihr nun ernüchternd klar, als sie den Mann ansah, den sie vor zwei Tagen geheiratet hatte.
Als er seinen ersten Fisch an Land zog, war sie mehr als überrascht. Und als sich in dem kleinen Eimer auf dem Deck drei Fische befanden, war sie außerdem von sich selbst und der Tatsache überrascht, dass sie diese Seite an ihm zunehmend verführerisch fand. Sie fragte sich, welch anderen Frischluftaktivitäten Ellington auf Lager hatte und vor ihr versteckte.
Sie fuhren zurück zum Camp, der Jeep roch nach den drei Frischen, die ihr Frühstück bilden solltenh. Zurück am Zelt sah sie, dass seine Angelexpertise beim tatsächlichen Aus-Dem-Wasser-Holen aufhörte. Obwohl er sich beim Schuppen und Ausnehmen ziemlich unbeholfen anstellte, genossen sie anschließend trotzdem köstlichen Fisch vom Lagerfeuer. Auch wenn es sich lediglich um zerfetzte, kleine Häppchen handelte.
Ihre Pläne für den Tag beinhalteten Reiten, eine Wasserfalltour und die Fahrt zum kleinen Motel außerhalb von Reykjavík, wo sie vorhatten, zu duschen und etwas Anständiges zu essen, bevor sie vor Anbruch der Dunkelheit zurück in die wunderschöne Natur ihres Camp fahren wollten.
Es war alles wie in einem Traum und gleichzeitig ein sehr lebendiger Weg, ihr neues gemeinsames Leben zu beginnen. Sich in dieser unglaublichen Umgebung zu halten und zu küssen – das waren Momente, die sie ihr Leben über nicht wieder vergessen würde. Bis zu ihrem letzten Atemzug. Noch nie zuvor war sie so zufrieden gewesen.
Zurück im Camp entfachten sie ihr Lagerfeuer und begaben sich dann frisch geduscht und mit vollem Magen in ihr Zelt. Es wurde eine sehr lange Nacht.
* * *
Zwei Tage vor Ende ihrer Flitterwochen nahmen sie an einer privaten Gletschertour am Golden Circle teil. Es war der einzige Tag ihres Trips, den Mackenzie mit Morgenübelkeit begonnen hatte und so entschied sie sich dagegen, selbst klettern zu gehen. Sie sah jedoch Ellington dabei zu und genoss es, zu beobachten, wie er sich wie ein übereifriges Kind in die Unternehmung stürzte. Diese Seite an ihm hatte sie zuvor schon ab und an gesehen – aber nie in diesem Ausmaß. Dann fiel ihr ein, dass sie vor diesem Urlaub noch nie so viel Zeit außerhalb der Arbeit miteinander verbracht hatten. Es war wie ein Paradies auf Zeit, das ihr die Augen geöffnet hatte, wie sehr sie ihn liebte.
Als Ellington und der Instrukteur den Abstieg begannen, spürte Mackenzie das Vibrieren ihres Handys in der Jackentasche. Sie hatten zu Beginn der Flitterwochen zwar den Ton ihrer Geräte abgeschaltet, sich aber, aufgrund ihrer Jobs, nicht erlaubt, die Handys vollständig zu verbannen. Um sich die Zeit bis zu Ellingtons Rückkehr zu vertreiben, zog sie nun ihr Handy heraus.
Als sie McGraths Name auf dem Bildschirm sah, wurde ihr schwer ums Herz. Die letzten Tage waren wie ein emotionaler Höhenflug gewesen. Nun seinen Namen zu sehen, machte ihr klar, dass dieser vermutlich bald ein Ende haben würde.
„Agent White hier“, sagte sie. Dann dachte sie: Verdammt … ich habe meine erste Chance verpasst, mich als Agent Ellington zu melden.
„McGrath hier. Wie ist Island?“
„Sehr schön“, sagte sie. Und dann, ohne sich darum zu kümmern, dass sie etwas zu viel von sich preisgab, korrigierte sie sich. „Es ist traumhaft. Wirklich wunderschön.“
„Na, dann werden Sie mich für meinen Anruf hassen.“
Er erklärte ihr den Grund für seinen Anruf und er hatte recht. Als sie auflegte, war sie tatsächlich ziemlich böse auf ihn.