Akte Null - Джек Марс 7 стр.


Sie schaute weg, bevor er mit ihm in das Gesicht des Mannes trat.

“Notfallzentrale, was ist der Grund Ihres Anrufs?”

“Mein Name ist Maya Lawson. Ich lebe in der Spruce Street 814 in Alexandria. Unser Alarmsystem wurde versehentlich ausgelöst. Ich habe die Tür offenstehen lassen. Es gibt keinen Notfall.”

“Bitte bleiben Sie einen Moment dran, Ms. Lawson.” Sie hörte, wie eine Tastatur einen Augenblick klackerte und dann sagte ihr die Stimme: “Ein Streifenwagen befindet sich auf dem Weg, etwa drei Minuten von Ihnen entfernt. Selbst wenn Sie sagen, dass es keinen Notfall gibt, dann würden wir dennoch gerne jemanden vorbeischicken. Unser Protokoll schreibt es vor.”

“Es ist aber wirklich alles in Ordnung.” Sie blickte verzweifelt hinüber zu Mitch. Sie könnten keine Polizei im Haus gebrauchen, während da vier Körper lagen. Sie war sich nicht einmal sicher, ob sie tot oder nur bewusstlos waren.

“Trotzdem, Ms. Lawson, ein Polizist wird wenigstens kurz vorbeikommen. Wenn es keinen Notfall gibt, dann ist das kein Problem.”

Mitch griff in die Tasche seiner ölverschmierten Jeans und zog ein faltbares Handy heraus, das etwa fünfzehn Jahre alt sein musste. Er wählte eine Nummer und grummelte dann leise etwas in das Gerät.

“Äh…” die Stimme zögerte. “Ms. Lawson, sind Sie sich sicher, dass es keinen Notfall gibt?”

“Ja, da bin ich mir sicher.”

“In Ordnung. Schönen Tag noch.” Der Anruf wurde abrupt beendet. Hinter der zerbrochenen Glastür konnte Maya plötzlich Sirenen aus der Ferne hören – die schnell verblassten.

“Was hast du getan?” fragte sie Mitch.

“Hab einen größeren Notfall gemeldet.”

“Sind die… am Leben?”

Mitch blickte um sich und zuckte dann mit einer Schulter. “Er nicht”, grummelte er und zeigte auf den Agenten mit dem Kopf in der Wand. Mayas Magen drehte sich, als sie den dünnen Blutstrom bemerkte, der die Trockenbauwand hinunterlief, in welcher der Kopf des Agenten steckte.

Wie viel Leute werden in diesem Haus sterben? Wunderte sie sich.

“Hol deine Schwester. Und eure Telefone. Wir hauen ab.” Mitch schritt über die Körper des Söldners und seines Freundes. Er ergriff den Mann an den Fußknöcheln, zog ihn ins Haus und hob danach die schwarze Pistole auf.

Maya eilte die Treppen in den Keller hinunter. Sie stellte sich vor die Kamera, die direkt über der Tür des Panikraumes angebracht war. “Ich bin’s, Sara. Du kannst die Tür öffnen.”

Die dicke Stahlsicherheitstür wurde von innen aufgedrückt und das schüchterne Gesicht ihrer Schwester erschien. “Alles in Ordnung?”

“Im Moment schon. Los, wir hauen ab.”

Als sie wieder im Erdgeschoss waren, bemerkte Sara das Blutbad mit weitgeöffneten Augen, doch sagte nichts. Mitch wühlte nach etwas in der Küche. “Habt ihr einen Erste-Hilfe-Kasten?”

“Ja, hier.” Maya zog eine Schublade auf und nahm eine kleine, weiße Metallkiste mit einem Klappdeckel und einem roten Kreuz darauf hinaus.

“Danke.” Mitch zog ein antiseptisches Tuch heraus und ließ dann ein rasierklingenscharfes Messer aufklappen. Maya tat bei seinem Anblick einen Schritt zurück. “Tut mir echt leid”, erklärte der Mechaniker, “doch der nächste Schritt wird ein wenig unangenehm. Ihr habt beide Ortungsgeräte in eurem rechten Arm. Die müssen raus. Sie liegen subkutan; unter der Haut, doch über dem Muskel. Das bedeutet, dass es wie die Hölle brennt für eine Minute, aber ich verspreche euch, dass es nicht zu schlimm wird.”

Maya biss sich nervös auf die Lippe. Sie hatte das Ortungsimplantat fast vergessen. Doch dann war sie sehr überrascht, zu sehen, wie Sara einen Schritt vortrat und ihren rechten Ärmel hochzog. Sie griff nach Mayas Hand und hielt sie fest. “Mach schon.”

* * *

Es gab eine Menge Blut, doch nicht besonders viel Schmerz, da Mitch die beiden Ortungsgeräte schnell herausnahm. Das Implantat war kaum so groß wie ein Reiskorn. Maya bewunderte es, während Mitch den Schnitt von einem Zentimeter Länge versorgte und eine Mullbinde darauflegte.

“Jetzt können wir los.” Mitch nahm den Erste-Hilfe-Kasten, die Waffe des Söldners, beide Telefone der Mädchen und die beiden winzigen Implantate. Sie folgten ihm nach draußen und sahen dabei zu, wie er die Telefone und die Implantate in den Geländewagen der Agenten legte. Dann tätigte er einen weiteren Anruf auf seinem Klapptelefon.

“Ich brauche eine Säuberung”, grummelte er. “Nulls Haus in der Spruce Street. Vier. Ein Auto. Bringt es in den Westen und lasst es dort verschwinden.” Er legte auf.

Die drei stiegen in die Fahrerkabine eines alten Lieferwagen, auf dessen Seite “Third Street Garage” stand. Der Motor brummte zu Leben und sie fuhren ab.

Keine der beiden Mädchen blickte zurück.

Maya saß in der Mitte zwischen Mitch und Sara. Sie bemerkte die dicken Fingerknöchel des Mechanikers, seine Fingerspitzen, die sowohl mit Öl als auch Blut verschmiert waren. “Wo fahren wir hin?” frage sie.

Mitch grummelte, ohne dabei die Augen von der Straße zu nehmen. “Nebraska.”

Kapitel sieben

Null parkte das Auto direkt auf dem verlassenen Rollfeld von Meadow Field. Er hatte eine etwas umständlichere Route genommen, sich auf kleineren Straßen fortbewegt und die Highways aus Angst vermieden, dass die CIA sein Auto meldete – was sie sicherlich getan hatten.

Meadow Field bestand nur aus einer Landebahn. Das Gebäude und die Flugzeughalle waren in den fünfzehn Jahren, seitdem es nicht mehr benutzt wurde, schon lange abgerissen worden. Unkraut und Blumen sprossen durch die Risse des Asphalts und das ignorierte Gras auf beiden Seiten der Landebahn wuchs hoch.

Doch trotz seines Erscheinungsbildes war es ein erfreulicher und willkommener Anblick für Null. In etwa dreißig Metern Entfernung stand ein alter Lieferwagen, auf dessen Seite mit einer Schablone die Aufschrift “Third Street Garage” gemalt war. Der stämmige Mechaniker lehnte sich gegen die Tür der Fahrerseite, seine Fernfahrermütze tief in die Stirn gezogen.

Als Null zum Lieferwagen eilte, stiegen seine Töchter aus der Fahrerkabine und rannten auf ihn zu. Er nahm jede in einen Arm, ignorierte den Schmerz seiner gebrochenen Hand und drückte sie beide fest an sich.

“Geht’s euch gut?” fragte er.

“Es gab ein paar Probleme”, gab Maya zu, während auch sie ihn umarmte. “Doch wir hatten Hilfe.”

Null nickte und ließ sie los, doch blieb auf einem Knie, so dass er Sara gerade in die Augen blickte. “In Ordnung, hört mir zu. Ich werde ehrlich mit euch sein.” Er hatte die ganze Fahrt über nachgedacht, was er ihnen sagen würde und hatte sich dazu entschlossen, ihnen einfach alles zu erklären. Ihre Leben waren so oder so bedroht und sie hatten das Recht, zu erfahren, warum. “Es gibt da ein paar mächtige Leute, die einen Krieg anfangen wollen. Die planen das schon seit einer langen Zeit und es geht dabei nur um ihren persönlichen Gewinn. Wenn sie das schaffen, dann bedeutet es, dass eine Menge unschuldiger Menschen sterben. Ich werde direkt mit dem Präsidenten sprechen und ihm zu verstehen geben, was da vor sich geht, doch ich kann mich nicht darauf verlassen, dass er sein Vertrauen in die falschen Hände legt. Dies könnte zu einem neuen Weltkrieg führen.”

“Und das kannst du nicht geschehen lassen”, sagte Sara leise.

Maya nickte ernst.

“Das stimmt. Und…” Null seufzte schwer. “Es bedeutet, dass es für eine kleine Weile ganz schön hart werden könnte. Sie wissen, dass ihr Zwei der einfachste Weg seid, um an mich zu kommen. Deshalb müsst ihr eine Weile verschwinden und euch verstecken, bis das alles vorbei ist. Ich weiß nicht, wie lange es dauert. Ich weiß nicht…” Er unterbrach sich selbst. Er wollte ihnen sagen: ich weiß nicht, ob ich das hier überleben werde. Doch er schaffte es nicht, diese Worte auszusprechen.

Er musste es nicht tun. Sie wussten, was er meinte. Tränen stiegen in Mayas Augen und sie blickte weg. Sara umarmte ihn noch einmal und er hielt sie fest.

“Ihr geht mit Mitch und macht, was immer er euch anweist, OK?”

Null hörte das Zittern in seiner eigenen Stimme. Er war sich jetzt mehr als sonst bewusst, dass dies das letzte Mal sein könnte, dass er seine Töchter sähe. “Bei ihm seid ihr in Sicherheit. Und ihr passt gegenseitig auf euch auf.”

“Das machen wir”, flüsterte Sara in sein Ohr.

“Gut. Jetzt wartet hier einen Moment, während ich mit Mitch spreche. Ich komme gleich wieder.” Er ließ Sara los und schritt auf den Lieferwagen zu, wo der Mechaniker ruhig wartete.

“Danke”, sagte ihm Null. “Du bist mir nichts schuldig. Ich weiß dies alles sehr zu schätzen und wenn es vorbei ist, dann zahle ich es dir auf jede mir mögliche Art zurück.”

“Nicht notwendig”, grummelte der Mechaniker. Seine Fernfahrermütze war immer noch tief in sein Gesicht gezogen und verdunkelte seine Augen. Sein dicker Bart bedeckte den Rest seines Gesichtes.

“Wo bringst du sie hin?”

“Es gibt da ein altes WITSEC Haus auf dem Land in Nebraska”, antwortete Mitch. “Ein kleines Häuschen direkt vor einer Kleinstadt, praktisch im Nirgendwo. Wird seit Jahren nicht benutzt, doch es ist immer noch von der Regierung registriert. Dort bringe ich sie hin. Da sind sie in Sicherheit.”

“Danke”, wiederholte sich Null. Er wusste nicht, was er sonst sagen könnte. Er war sich nicht mal sicher, warum er diesem Mann die beiden wichtigsten Menschen in seinem Leben so einfach anvertrauen konnte. Es war ein Gefühl, ein Instinkt, der Logik überschritt. Doch er hatte vor langem gelernt – und erst vor Stunden wiedergelernt – seinen Instinkten zu vertrauen.

“Also”, grummelte Mitch. “Jetzt geht es doch los, was?”

Null blinzelte ihn überrascht an. “Ja”, sagte er vorsichtig. “Du weißt davon Bescheid?”

“Ja.”

Er schnaubte fast verächtlich. “Wer bist du wirklich?”

“Ein Freund.” Mitch blickte auf seine Armbanduhr. “Helikopter sollte gleich ankommen. Der bringt uns zu einer privaten Landebahn, wo wir in ein Flugzeug in Richtung Westen einsteigen.”

Null gab es auf. Es schien nicht, als bekäme er weitere Antworten von dem mysteriösen Mechaniker. “Danke”, murmelte er erneut. Dann drehte er sich, um von seinen Töchtern Abschied zu nehmen.

“Du bist zurück”, sagte der Mechaniker hinter ihm. “Stimmt’s?”

Null drehte sich um. “Ja. Ich bin zurück.”

“Wann?”

Er lachte auf. “Heute, falls du mir das glaubst. Es ist ein ganz schön seltsamer Nachmittag.”

“Na”, antwortete Mitch. “Ich möchte dich nicht enttäuschen wollen.”

Null erstarrte. Ein elektrisches Kribbeln rann ihm über den Rücken. Mitchs Stimme hatte sich plötzlich verändert, sie war nicht länger das bassige Grummeln, das er nur Sekunden zuvor von sich gegeben hatte. Sie war sanft und gleichmäßig und kam ihm so komisch bekannt vor, dass Null plötzlich die Division, seine Situation und sogar seine wartenden Töchter für einen Moment vergaß.

Mitch griff unter den Schirm seiner Fernfahrermütze und rieb sich die Augen. Zumindest sah es so aus, als ob er dies täte, doch dann fiel seine Hand hinab und es lagen zwei winzige konkave, kristallblaue Scheiben auf seinen Fingerspitzen.

Kontaktlinsen. Er trug farbige Kontaktlinsen.

Dann nahm Mitch die Fernfahrermütze vom Kopf, strich sich über das Haar und blickte Null an. Seine braunen Augen sahen einsam aus, fast verschämt, und augenblicklich wusste Null genau, warum dem so war.

“Oh Gott.” Seine Stimme klang wie ein heiseres Flüstern, als er ihm in die Augen blickte.

Er kannte diese Augen. Er würde sie überall erkennen. Doch es konnte nicht sein. Es war nicht möglich.

“Verdammt. Du… du warst tot.”

“Du doch auch für ein paar Jahre”, sagte der Mechaniker in seinem sanften, fast gesungenen Tonfall.

“Ich habe deine Leiche gesehen”, würgte Null hervor. Das kann nicht wahr sein.

“Du hast einen Körper gesehen, der wie meiner aussah.” Der stämmige Mann zuckte mit einer Schulter. “Jetzt tu bloß nicht so, als wäre ich nicht schon immer klüger als du gewesen, Null.”

“Du liebes Bisschen.” Null blickte ihn von oben bis unten an. Er hatte etwa fünfzehn Kilo zugenommen, vielleicht auch mehr. Sich einen Bart wachsen lassen. Trug die Fernfahrermütze und gefärbte Kontaktlinsen. Hatte seine Stimme verändert.

Doch er war es. Er war am Leben.

“Ich glaube es nicht.” Er trat zwei Schritte vorwärts und umarmte Alan fest.

Sein bester Freund, derjenige, der ihm auf so vielen Einsätzen Rückendeckung gegeben hatte, derjenige, der ihm geholfen hatte, den Gedächtnishemmer eingepflanzt zu bekommen, anstatt ihn auf der Hohenzollernbrücke zu töten, derjenige, den Null tot aufgefunden hatte, zu Tode erstochen in einer Wohnung in Zürich… er war hier. Er war am Leben.

Er dachte daran zurück, wie er ihn in Zürich entdeckt hatte. Das Gesicht des toten Mannes war aufgedunsen und geschwollen und sein Gehirn hatte den Doppelgänger direkt mit Reidigger verbunden. Dein Gehirn füllt die Leerstellen aus, hatte Maria ihm einst gesagt.

Reidigger hatte seinen eigenen Tod vorgetäuscht, genauso wie er Kent Steele geholfen hatte, den seinen vorzutäuschen. Und er hatte unter dem Deckmantel eines Mechanikers mit guten Verbindungen gelebt, nur zwanzig Minuten entfernt.

“Die ganze Zeit?” fragte Null. Seine Stimme war heiser und er sah alles etwas verschwommen, während eine Flut von Gefühlen an die Oberfläche drängte. “Du hast auf uns aufgepasst?”

“So gut, wie ich konnte. Watson half.”

Das stimmt. Watson weiß Bescheid. John Watson hatte Reid Lawson Mitch den Mechaniker vorgestellt – doch er hatte es erst getan, nachdem Reids Töchter entführt worden waren, als das Risiko zu hoch war und die CIA kaum helfen konnte.

“Weiß es sonst noch jemand?” fragte Null.

Alan schüttelte seinen Kopf. “Nein. Das geht nicht. Falls die Agentur es herausfindet, bin ich tot.”

“Du hättest es mir früher sagen können.”

“Nein, hätte ich nicht.” Alan lächelte. “Hättest du mich ohne dein Gedächtnis erkannt? Hättest du mir geglaubt, wenn ich es dir einfach erzählt hätte?”

Null musste zugeben, dass das ein gutes Argument war.

“War es Dr. Guyer? Hast du ihn gesehen?”

“Ja”, antwortete Null. “Es hat zu dem Zeitpunkt nicht funktioniert. Es geschah später, durch ein Stichwort. Und jetzt…” Er schüttelte seinen Kopf. “Jetzt weiß ich Bescheid. Ich erinnere mich. Ich muss es aufhalten, Alan.”

“Ich weiß. Und du weißt, dass mir nichts lieber wäre, als an deiner Seite zu stehen, während du es aufhältst.”

“Doch das geht nicht.” Null verstand es komplett. Außerdem hatte Alan eine Aufgabe, die in Nulls Augen wenigstens genauso wichtig war, wie einen Krieg aufzuhalten. “Du musst sie in Sicherheit bringen.”

“Das tue ich. Ich verspreche es dir.” Alans Augen leuchteten plötzlich auf. “Da fällt mir grade ein, dass ich etwas für dich habe.” Er griff durch das offene Fenster seines Lieferwagens und zog eine Sig Sauer Pistole heraus. “Hier. Schöne Grüße von dem Söldner der Division, der dein Haus angriff.”

Null nahm die Pistole ungläubig. “Die Division war bei mir zu Hause? Was ist geschehen?”

“Nichts, mit dem wir nicht umgehen konnten. Die zwei sind ganz sicher deine Kinder.” Alan grinste, doch das Lächeln verschwand schnell. “Du brauchst auch Hilfe, weißt du. Ruf Watson an. Oder deinen neuen Kumpel, den Ranger.”

“Nein”, erwiderte Null standhaft. Er weigerte sich, Watson oder Strickland da noch tiefer mit hineinzuziehen. “Ich arbeite besser allein.”

Alan seufzte. “Genauso stur wie immer.” Aus der Ferne erklangen die Rotoren eines Helikopters, der sich annäherte. “Da kommt unser Gefährt. Pass gut auf dich auf, Null.”

“Das mache ich.” Er umarmte Reidigger noch einmal. “Danke für alles. Wenn das hier vorbei ist, dann setzen wir zwei uns zusammen und haben eine lange Unterhaltung bei mehreren Bieren.”

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