DOKTOR: Ich glaube nicht, dass ich Sie hereinlasse.
MANN: Und ich glaube, dass ich Sie nicht fragen werde.
(Der Mann geht. Der Doktor setzt sich wieder an den PC. Marina tritt ein.)
MARINA: Gehe ich Ihnen noch nicht auf die Nerven?
DOKTOR: So schnell haben Sie ein Taxi gefunden?
MARINA: Ich hab´ keines gesucht… Ich habe beschlossen, meinen Mann in meinem Auto mitzunehmen. Es steht hier ganz in der Nähe, auf einem Parkplatz. Bewachen Sie ihn noch zwei Minuten, gut? (Schaut den Doktor aufmerksam an.) Was ist schon wieder passiert?
DOKTOR: Gerade eben hat wieder dieser… Nun… Ihr Mann nach Ihnen gefragt.
MARINA: Ich habe Ihnen doch gesagt, dass ich keinen Mann habe! Außer Anton versteht sich.
DOKTOR: Ich weiß nicht, ich weiß nicht… Er hat mich gewarnt, dass man mit Ihnen vorsichtig sein muss. Er hat sogar versucht, mir zu drohen.
MARINA: Hat er nicht erklärt, um was es geht?
DOKTOR: Nein, aber er hat gesagt, dass es sehr wichtig ist. Eine Frage auf Leben und Tod.
MARINA: (Sehr verwirrt.) Es scheint, ich kann mir vorstellen, von wem die Rede ist.
DOKTOR: Ist er tatsächlich Ihr Mann?
MARINA: Nicht ganz…
DOKTOR: Nicht ganz?
MARINA: Überhaupt nicht. Das ist mein Kollege… Genauer, sogar mein Vorgesetzter.
DOKTOR: Sagen Sie die Wahrheit?
MARINA: Ich schwöre.
DOKTOR: Und was will er so Wichtiges von Ihnen?
MARINA: Nichtigkeiten. Er ist einfach, wie soll ich Ihnen das sagen… leicht ungleichgültig gegenüber mir und ziemlich eifersüchtig. Er schüchtert alle meine Bekannten ein. Er will ewig mit mir etwas klären, etwas bereden… Und dabei immer dringend.
DOKTOR: Ich verstehe.
MARINA: Also, ich gehe, das Auto holen.
DOKTOR: (Hält sie fest.) Ich will Sie nicht weglassen.
MARINA: (Befreit sich sanft.) Ich komm´ schnell zurück. Wirklich in einer Minute.
DOKTOR: Und fahren wieder weg.
MARINA: (Küsst ihn auf die Wange.) Um uns abends zu treffen.
Marina geht. Der Doktor lächelt glücklich. Er geht zum Spiegel, besieht sich kritisch, bringt die Krawatte und die Frisur in Ordnung, nimmt aus dem Schrank ein anderes, helleres Jackett und zieht es an. Johanna tritt ein, noch entschiedener als vorher eingestellt. Der Doktor, darauf eingestellt, den Gast mit offenen Armen zu empfangen, ist unangenehm überrascht.
DOKTOR: Sie sind das?
JOHANNA: Wen haben Sie denn erwartet?
DOKTOR: Eine andere Frau. Die Frau Ihres Mannes. Das heißt… Ich wollte sagen – Antons Frau. Das heißt…
JOHANNA: Antons Frau – das bin ich.
DOKTOR: Jetzt habe ich große Zweifel daran.
JOHANNA: Zum ersten Mal treffe ich einen Arzt, der sich anstatt mit Behandlung mit Ermittlung befasst. Ist die Krankengeschichte fertig?
DOKTOR: Nein. Und wenn sie es wäre, würde ich sie Ihnen nicht geben. Wer sind Sie eigentlich?
JOHANNA: Ich habe geahnt, dass Sie beliebige Ausflüchte suchen werden, nur um auszuweichen, und habe für diesen Fall das ganze Spektrum an Dokumenten der Reihe nach vorbereitet. (Zeigt einen ordentlich geführten Ordner.) Hier, mein Pass. Hier meine Heiratsurkunde mit Anton. Hier die Geburtsurkunden unserer Kinder, in denen übrigens die Namen der Eltern aufgeführt sind, das heißt meiner und der meines Mannes. Hier unser Hochzeitsbild, das hier auch, aber mit Gästen, und hier unsere Fotos mit den Kindern. Hier die Stromrechnung und andere auf unseren gemeinsamen Namen. Sind Sie jetzt zufrieden?
DOKTOR: (Völlig verblüfft sieht er die Papiere durch und gibt sie Johanna zurück.) Ich… Ich… (Will zu den Tropfen greifen, stellt aber das Fläschchen zur Seite und gießt sich eine großzügige Portion Cognac ein.) Das heißt, Sie sind trotzdem seine Frau?
JOHANNA: Wer denn sonst, Ihrer Meinung nach etwa die Großmutter?
DOKTOR: Ehrlich gesagt, ich weiß nicht, was ich denken soll. (Greift wieder zum Cognac.) JOHANNA: (Im Befehlston.) Stellen Sie das Glas zurück! (Schiebt die Flasche energisch zur Seite.) Ich beginne, mir ernsthaft Sorgen um die Gesundheit meines Mannes zu machen.
DOKTOR: Warum?
JOHANNA: Weil sein Arzt Alkoholiker ist.
DOKTOR: Ich trinke überhaupt nicht.
JOHANNA: Das sehe ich.
DOKTOR: Sind Sie wirklich seine Frau?
JOHANNA: Warum verwundert Sie das so?
DOKTOR: Ich würde mich nicht wundern, wenn… Wenn nicht die andere Frau gewesen wäre…
JOHANNA: (Hart.) Was die andere Frau betrifft, ist das ausschließlich das Ergebnis des Alkohols oder die Frucht Ihrer gestörten Wahrnehmung. Als Jurist weiß ich, dass Psychiater infolge dauernder Kontakte mit Verrückten nur schwer ihr seelisches Gleichgewicht bewahren. Vergessen Sie also diesen Wahn. Es war keine Frau da.
DOKTOR: Es war!
JOHANNA: (Unerbittlich.) Es war keine und kann keine gewesen sein. Sie kontrollieren sich nicht. Sie haben Probleme mit dem Gedächtnis. Sie haben sogar vergessen, dass Sie meinen Mann schon zwei Jahre behandeln. Sie haben seine Krankengeschichte verloren. Vielleicht haben Sie sie aus Unvorsichtigkeit oder Vorsatz vom PC gelöscht. Uns bleibt nichts anderes übrig, als sie wieder herzustellen. Dem Gesetz nach waren Sie verpflichtet, die Kranken-geschichte zu führen. Es wird Ihnen sehr schwerfallen, dem Gericht zu erklären, warum Sie das nicht getan haben.
DOKTOR: (Nervös.) Welches Gericht?
JOHANNA: Das Gericht, an das ich mich wende. Ich beabsichtige, meinen Mann in einer Pflegeeinrichtung unterzubringen, und Sie wissen ausgezeichnet, dass dazu eine lange und überzeugende Krankengschichte nötig ist.
DOKTOR: Sie wollen den Mann in ein Irrenhaus stecken?
JOHANNA: Achten Sie auf Ihre Ausdrucksweise. Wenn ich jemanden in ein Irrenhaus stecken will, dann sind Sie das. Und, glauben Sie mir, das gelingt mir. Schauen Sie sich im Spiegel an, betrachten Sie Ihren wahnsinnigen Anblick, und Sie stimmen mir zu.
DOKTOR: Geben Sie zu, dass Sie es satt haben, sich um den Mann zu kümmern, und Sie beschlossen haben, ihn loszuwerden.
JOHANNA: Erstens ist das meine Privatangelegenheit. Und zweitens, wenn es so wäre, was dann? Er hat vielleicht das Recht, seine wichtigste Verpflichtung zu vergessen, aber ich bin nicht verpflichtet, mein wichtigstes Recht zu vergessen. (Verächtlich.) Verstehen Sie das wenigstens, Doktor?
DOKTOR: „Verpflichtung“, „Recht“… Gleich zu sehen, dass Sie Jurist sind.
JOHANNA: Und das, dass ich Frau bin, ist nicht gleich zu sehen?
DOKTOR: Nicht gleich. Sie gleichen mehr der „Freiheitsstatue“.
JOHANNA: Von einem Arzt habe ich mehr Verständnis erwartet.
DOKTOR: Was wollen Sie von mir?
JOHANNA: Bescheinigung und Krankengeschichte.
DOKTOR: Nun, gut, kommen Sie morgen, ich bereite alles vor.
JOHANNA: Bis morgen denken Sie wieder irgendeine Ausrede aus. Ich brauche es heute. Jetzt.
DOKTOR: Jetzt beginnt bei mir die Sprechstunde im Krankenhaus. Ich muss gehen.
JOHANNA: Für lange?
DOKTOR: Etwa zwanzig Minuten.
JOHANNA: Ich werde warten.
DOKTOR: Heute schaffe ich es sowieso nicht. Eine Krankengeschichte wird nicht so schnell gefertigt, wie Sie glauben. Ich bitte Sie, kommen Sie morgen.
JOHANNA: Nein, ich gehe hier nicht weg, bevor ich die Bescheinigung nicht bekomme. (Setzt sich demonstrativ, nimmt ein medizinisches Journal und vertieft sich in dessen Lektüre, damit zeigend, dass sie vorhat, lange zu bleiben, und es nicht gelingen wird, sie loszuwerden.)
DOKTOR: (Hoffnungslos.) Aber ich muss wirklich in die Klinik hinunter.
JOHANNA: Gehen Sie, ich halte Sie nicht auf.
DOKTOR: Und Sie?
JOHANNA: Ich gehe und gebe Anton ein Butterbrot, dann bringe ich ihn hierher, und wir werden zusammen hier sitzen, bis wir unsere Krankengeschichte bekommen.
DOKTOR: Nun, denn… Wie es Ihnen beliebt.
Der Doktor gießt sich Cognac ein, dann, überlegt er es sich und nimmt das Fläschchen mit den Tropfen, dann wendet er sich wieder dem Cognac zu, und findet einen Kompromiss: Er gießt einige Tropfen in den Cognac, trinkt aus und geht, sich abwechselnd an Kopf und Herz fassend. Johanna begleitet ihn mit zufriedenem Blick, dann geht auch sie hinaus. Nach einiger Zeit kommen Marina und fast gleichzeitig der Mann herein.
MANN: Endlich habe ich Sie gefunden.
MARINA: Aufgespürt.
MANN: Ja, aufgespürt. Warum haben Sie vor mir verheimlicht, dass Sie verheiratet sind?
MARINA: Ich habe nichts verheimlicht.
MANN: Aber auch nie etwas davon erwähnt.
MARINA: Meinen Sie, eine Frau sollte ununterbrochen in Zeitungen, im Radio und Fernsehen verkünden, dass sie verheiratet ist? Oder umgekehrt, dass sie nicht verheiratet ist?
MANN: Nicht verkünden, aber auch nicht verheimlichen.
MARINA: Ich verheimliche nichts.
MANN: Wirklich? (Und da Marina nicht antwortet, fährt er fort.) Sie sind eine gefährliche Frau.
MARINA: Danke für das Kompliment.
MANN: Warum sagen Sie mir nicht die ganze Wahrheit?
MARINA: Sind Sie hierhergekommen, um private Verhältnisse zu klären?
MANN: Nein. Unser Thema wird viel ernster…
Johanna und Anton treten ein.
MARINA: Nun, weiter, warum hören Sie denn auf?
MANN: Das ist kein Gespräch für Außenstehende.
MARINA: Gut, setzen wir es in ein paar Minuten fort.
MANN: Ein paar Minuten – einverstanden, aber nicht mehr. (Geht hinaus.)
JOHANNA: Wer war das?
MARINA: Unwichtig. Wo ist der Doktor?
JOHANNA: Er ist in die Klinik gegangen.
MARINA: Und, wie ist er?
JOHANNA: (Zufrieden.) Genau so, wie er sein soll.
MARINA: Ganz?
JOHANNA: Es scheint so.
MARINA: Ist er in die Klinik gegangen, um zu behandeln, oder sich behandeln zu lassen?
JOHANNA: Um zu behandeln.
MARINA: Ich an seiner Stelle, würde mich behandeln lassen.
JOHANNA: Ich sehe, er tut dir Leid.
MARINA: Und dir nicht?
JOHANNA: Mir tun wir alle Leid.
MARINA: Er ist ein sehr guter Mensch.
JOHANNA: Wir sind auch keine schlechten Leute.
MARINA: Bist du sicher?
JOHANNA: Du brauchst mich nicht mit Fragen zu löchern. Ich schlaf´ auch so nächtelang nicht.
MARINA: (Anteilnehmend.) Du siehst nicht besonders aus.
JOHANNA: Du auch.
MARINA: Glaubst du, mir fällt es leicht?
JOHANNA: Und du glaubst, mir ist lustig dabei zumute?
ANTON: Um die Wahrheit zu sagen, auch für mich ist es kein Zuckerlecken.
JOHANNA: (Beißend.) Für ihn ist es „kein Zuckerlecken“! Und wegen wem, glaubst du, befinden wir beide uns hier?
ANTON: (Schuldbewusst.) Wegen mir.
JOHANNA: Gut, dass wenigstens du das begreifst. (Pause.)
ANTON: Eigentlich werde ich hier nicht mehr gebraucht. Kann ich gehen?
MARINA: Keinesfalls! Dich darf man nirgendwo allein hinlassen.
JOHANNA: Du weißt, dass wir dir das verbieten.
ANTON: Ich bin kein Kind.
MARINA: Hör auf! Wir haben auch so die ganze Zeit Angst, dass du wieder irgendetwas anstellst.
ANTON: Ich habe mich doch zu eurem Wohl bemüht.
JOHANNA: Danke, du hast uns schon viel Wohl bereitet.
ANTON: Ich will von hier weg.
JOHANNA: Wir wollen alle weggehen.
ANTON: Ich bin müde.
MARINA: Wir sind alle müde.
ANTON: Das ist alles ermüdend und unangenehm. Ich geh´.
JOHANNA: (Hält ihn fest.) Sitz!
MARINA: Hör auf, nervös zu sein, Lieber. Soll ich dir einen Kaffee machen?
JOHANNA: Lass das, du hast ihn auch so verwöhnt.
MARINA: Was soll ich tun? Ich liebe ihn.
JOHANNA: Ich liebe ihn auch. Aber man darf mit ihm doch nicht die ganze Zeit zu nachsichtig sein. Und woher nimmst du hier Kaffee?
MARINA: Aus der Thermoskanne des Doktors.
ANTON: Lasst uns lieber Cognac trinken. Er hat viel davon. (Öffnet die Bar.)
MARINA: Nein, Lieber, das dürfen wir nicht. Wir müssen in Form sein.
ANTON: Ihr liebt mich so, und ich verursache euch nur Unannehmlichkeiten. Glaubt ihr, dass mich das Gewissen nicht quält?
JOHANNA: Anstelle von Gesprächen über das Gewissen, solltest du dich lieber bemühen, gesund zu werden.
ANTON: Ich bemühe mich. Aber diese Anwandlung ist stärker, als ich.
JOHANNA: Nicht sie ist stärker, sondern du bist schwächer.
MARINA: Du solltest ihm nichts vorwerfen. Das ist nicht der Zeitpunkt dazu.
JOHANNA: Du beschützt ihn ewig.
MARINA: Und du willst, dass ich ihn angreife? (Pause.)
JOHANNA: Es ist Zeit, auseinanderzugehen.
MARINA: (An Johanna.) Gehen wir, ich will dir etwas sagen.
ANTON: Ich geh´ mit euch.
JOHANNA: Nein, bleib hier! So werden wir ruhiger sein.
Marina und Johanna gehen. Bleibt alleine im Sessel des Doktors. Der Doktor tritt ein.
ANTON: Zu wem möchten Sie?
DOKTOR: Ich? Zu niemandem.
ANTON: Der Doktor ist nicht da. Warten Sie im Wartezimmer.
DOKTOR: Der Doktor bin ich!
ANTON: Seit wann?
DOKTOR: Wie, „seit wann“?
ANTON: Seit wann sind Sie Doktor?
DOKTOR: Ich bin es schon immer. Und werde es sein, bis ich verrückt werde. Was dank Ihnen sehr bald passieren wird.
ANTON: Nun, wenn Sie Doktor sind, dann gestatten Sie mir, eine Frage zu stellen. Aber ärgern Sie sich bloß nicht… Erinnern Sie mich, wie ich heiße.
DOKTOR: Haben Sie das denn wieder vergessen?
ANTON: (In die Enge getrieben.) Ja, irgendwie… Ärgern Sie sich bloß nicht.
DOKTOR: Ich ärgere mich auch nicht. Ich bin außer mir. Man kann das Gedächtnis verlieren, aber doch nicht bis zu so einem Grad!
ANTON: (Schuldbewusst.) Zum letzten Mal, Ehrenwort. Ich werd´s nicht mehr vergessen.
DOKTOR: Nun, gut. Sie heißen… (Hält inne.) Sie heißen… (Ist verwirrt.) Und wozu wollen Sie das alles wissen?
ANTON: Nun, wie denn… Vielleicht fragen Sie plötzlich danach?
DOKTOR: Wozu sollte ich fragen? Ich weiß es auch so.
ANTON: Dann also, wie denn?
DOKTOR: Sie heißen… Sie heißen… Warten sie… (Blättert in seinen Aufschrieben.) Sie heißen… Aha. (Feierlich.) Marina Glöckner.
ANTON: Ich – Marina?
DOKTOR: Nein, warten Sie… Das ist offenbar nicht Ihr Name. Aber Sie heißen… Ich hab´s doch aufgeschrieben… (Stöbert wieder in Papieren.) Hier:. (Wiederholt mit zusammengebissenen Zähnen.) Anton Glöckner, und seien Sie verdammt! Und wie viele Frauen Sie haben, wissen Sie?
ANTON: (Denkt angespannt nach.) Ich weiß nicht.
DOKTOR: Und ich weiß es auch nicht. Gehen Sie ins Wartezimmer und erinnern Sie sich. Und stören Sie mich nicht beim Arbeiten. Ich muss… schreiben… (Hält inne.) Verdammt nochmal, was muss ich schreiben?
ANTON: Meine Krankengeschichte.
DOKTOR: Richtig. Woher wissen Sie?
ANTON: Ich weiß nicht.
DOKTOR: Nun gut, gehen Sie mit Gott ins Wartezimmer und sitzen Sie dort ruhig.
ANTON: (Geht zum Ausgang, bleibt aber stehen. Scharf.) Doktor…
DOKTOR: (Fasst sich an den Kopf.) Was denn noch?
ANTON: Wissen Sie, welches mein Hauptproblem ist?
DOKTOR: Fehlendes Gedächtnis.
ANTON: Nein. Fehlendes Geld.
DOKTOR: Das ist für alle das Hauptproblem.
ANTON: Aber für mich besonders. (Unerwartet.) Leihen Sie mir etwas.
DOKTOR: Ich würde Ihnen leihen, aber Sie vergessen, es zurückzugeben.
ANTON: Ich vergesse es nicht. Ich unterschreibe eine Quittung.
DOKTOR: Und verschwinden.
ANTON: Wohin kann ich denn? Mein Pass ist doch bei Ihnen. Im äußersten Fall gibt Ihnen meine Frau das Geld zurück.
DOKTOR: Welche von beiden?
ANTON: (Vertraulich.) Versetzen Sie sich in meine Situation.
DOKTOR: Das würde ich mit Vergnügen machen, aber ich weiß nicht, worin sie besteht.
ANTON: Kommt es denn nicht vor, dass ein Mann zwei Frauen hat?
DOKTOR: (Mit großem Interesse.) Und Sie haben zwei?
ANTON: Eine.
DOKTOR: Welche denn?
ANTON: (Zweifelnd.) Ich weiß nicht.
DOKTOR: Ich verstehe nichts.
ANTON: Ich auch. Doktor, ich brauche dringend Geld. Eine Frage auf Leben und Tod. Leihen Sie mir welches. Ich gebe es Ihnen heute wieder zurück.
DOKTOR: Wie viel brauchen Sie?
ANTON: Wenigstens eintausend Euro.
DOKTOR: „Wenigstens“?
ANTON: Wenn Sie mit eintausend Probleme haben, geben Sie mir zwei.
DOKTOR: Um Sie loszuwerden würde ich sogar drei geben.
ANTON: (Erfreut.) Ich nehme auch vier.
DOKTOR: Vier gebe ich nicht. Drei auch. Aber tausend gebe ich. Unter der Bedingung, dass ich Sie hier nie mehr sehe.
ANTON: Abgemacht.
DOKTOR: (Nimmt Geldscheine aus dem Geldbeutel.) Nehmen Sie! Und – kehrt um, vorwärts Marsch!
ANTON: Zu Befehl!
Der strahlende Anton eilt davon. Der Doktor kehrt an den PC zurück. Aber die Arbeit klappt nicht. Marina tritt ein.
MARINA: (Beunruhigt.) Wo ist mein Mann?
DOKTOR: Er ist hier. Ich habe gerade erst mit ihm gesprochen.