Э. Т. А. Гофман
Эликсиры Сатаны. Уровень 2
Die Elixiere des Teufels
Составитель П. Д. Алешина
Ernst Theodor Amadeus Hoffmann
DIE ELIXIERE DES TEUFELS
Дизайн обложки А. И. Орловой
© Алешина П. Д., адаптация текста, коммент., упражнения и словарь, 2023
© ООО «Издательство АСТ», 2023
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Vorwort des Herausgebers
Gern möchte ich dich, günstiger Leser! unter jenen dunklen Platanen führen, wo ich die seltsame Geschichte des Bruders Medardus zum ersten Male las. Du würdest dich mit mir auf dieselbe steinerne Bank setzen. Du würdest, so wie ich, recht sehnsüchtig nach den blauen Bergen schauen.
Aber nun wendest du dich um und erblickest kaum zwanzig Schritte hinter uns ein gotisches Gebäude, dessen Portal reich mit Statuen verziert ist. Durch die dunklen Zweige der Platanen schauen dich Heiligenbilder recht mit klaren, lebendigen Augen an. Es sind die frischen Freskogemälde. Ernste Männer wandeln schweigend durch die Laubgänge des Gartens. Sind denn die Heiligenbilder lebendig worden und herabgestiegen von den hohen Simsen?[1] Dich umwehen die geheimnisvollen Schauer der wunderbaren Sagen und Legenden. Und willig magst du daran glauben. In dieser Stimmung liest du die Geschichte des Medardus, und wohl magst du auch dann die sonderbaren Visionen des Mönchs für mehr halten als für das regellose Spiel der erhitzten Einbildungskraft.
Da du, günstiger Leser! soeben Heiligenbilder, ein Kloster und Mönche geschaut hast, so darf ich kaum hinzufügen, dass es der herrliche Garten des Kapuzinerklosters in B. war, in den ich dich geführt habe.
Als ich mich einst in diesem Kloster einige Tage aufhielt, zeigte mir der ehrwürdige Prior die von dem Bruder Medardus nachgelassene, im Archiv aufbewahrte Papiere als eine Merkwürdigkeit. Nur mit Mühe überwand ich des Priors Bedenken, sie mir mitzuteilen. Eigentlich, meinte der Alte, hätten diese Papiere verbrannt werden sollen[2]. Nicht ohne Furcht, du stimmst der Meinung des Priors zu, gebe ich dir, günstiger Leser! Entschließest du dich aber, mit dem Medardus, als seist du sein treuer Gefährte, durch finstre Kreuzgänge und Zellen[3] durch die bunte Welt zu ziehen und mit ihm das Schauerliche, Entsetzliche, Tolle, Possenhafte seines Lebens zu ertragen.
Nachdem ich die Papiere des Kapuziners Medardus recht durchgelesen. Das war mir schwer genug, da der Selige eine sehr kleine, unleserliche mönchische Handschrift geschrieben hat. Es war mir auch, als das, was wir Traum und Einbildung nennen, wohl die symbolische Erkenntnis des geheimen Fadens. Er zieht sich durch unser Leben. Vielleicht geht es dir, günstiger Leser! wie mir, und das wünschte ich denn aus erheblichen Gründen echt herzlich.
Erster Teil
Erster Abschnitt
Die Jahre der Kindheit und das Klosterleben
Nie hat mir meine Mutter gesagt, in welchen Verhältnissen mein Vater in der Welt lebte. Ich rufe mir aber alles das ins Gedächtnis zurück, was sie mir schon in meiner Jugend von ihm erzählte. So muss ich wohl glauben, dass es ein mit tiefen Kenntnissen begabter, lebenskluger Mann war. Eben aus diesen Erzählungen und einzelnen Äußerungen meiner Mutter weiß ich, dass meine Eltern von einem bequemen Leben in die drückendste, bitterste Armut herabsanken. Mein Vater war einst durch den Satan verlockt und beging eine Todsünde. In späten Jahren hat er sie als die Gnade Gottes erleuchtet. Er wollte auf einer Pilgerreise nach der heiligen Linde im weit entfernten kalten Preußen. Auf der beschwerlichen Wanderung dahin fühlte meine Mutter nach mehreren Jahren der Ehe zum erstenmal, dass diese nicht unfruchtbar bleiben wurde, wie mein Vater befürchtet. Trotz seiner Not war er sehr froh, dass er jetzt eine Vision hatte, in der der heilige Bernhard ihm Trost und Vergebung durch die Geburt eines Sohnes zusicherte.
In der heiligen Linde erkrankte mein Vater. Er starb entsündigt und getröstet in demselben Augenblick, als ich geboren wurde. Mit dem ersten Bewusstsein dämmern in mir die lieblichen ilder von dem Kloster und von der herrlichen Kirche in der heiligen Linde auf.
Mich umrauscht noch der dunkle Wald. Noch sehe ich mitten in der Kirche, auf welche die Engel das wundertätige Bild der heiligen Jungfrau niedersetzten. Noch lächeln mich die bunten Gestalten der Engel der Heiligen von den Wänden, von, der Decke der Kirche an! Die Erzählungen meiner Mutter von dem wundervollen Kloster sind so in mein Innres gedrungen, dass ich glaubte, ich habe alles selbst gesehen, selbst erfahren. Unerachtet ist es unmöglich, dass meine Mutter nach anderthalb Jahren die heilige Stätte verließ. Es scheint mir, dass ich selbst einmal eine wunderbare Figur eines ernsten Mannes in einer verlassenen Kirche gesehen habe. Es ist eben der fremde Maler gewesen, der in uralter Zeit erschien. Niemand konnte seine Sprache verstehen. Er malte mit kunstgeübter Hand in gar kurzer Zeit die Kirche auf das herrlichste aus. Ich erinnere mich auch an den alten, seltsam gekleideten Pilger, der mich oft an meinen Armen trug. Er suchte im Wald nach allen möglichen bunten Moosen und Steinen und spielte mit mir. Ich glaube natürlich, dass sein lebendiges Bild nur aus der Beschreibung meiner Mutter im Inneren entstand. Er brachte einmal einen fremden, wunderschönen Knaben mit, der mit mir von gleichem Alter war. Wir saßen im Gras. Ich schenkte ihm alle meine bunten Steine. Meine Mutter saß neben uns auf einer steinernen Bank. Der Alte schaute mit mildem Ernst unseren kindischen Spielen zu. Da traten einige Jünglinge aus dem Gebüsch. Einer von ihnen rief lachend:
»Sieh da! Eine heilige Familie, das ist etwas für meine Mappe!«
Er zog wirklich Papier und Krayon hervor und schickte sich an, uns zu zeichnen. Da erhob der alte Pilger sein Haupt und rief zornig:
»Elender Spötter, du willst ein Künstler sein, und in deinem Innern brannte nie die Flamme des Glaubens und der Liebe. Aber deine Werke werden tot und starr bleiben wie du selbst. Du wirst wie ein Verstoßener in einsamer Leere verzweifeln und untergehen in deiner eignen Armseligkeit.«
Die Jünglinge waren los. Der alte Pilger sagte zu meiner Mutter:
»Euer Sohn ist mit vielen Gaben herrlich ausgestattet. Aber die Sünde des Vaters kocht und gärt in seinem Blut. Er kann sich zum wackern Kämpen für den Glauben aufschwingen. Lass ihn geistlich werden!«
Meine Mutter konnte nicht genug sagen, welchen tiefen Eindruck die Worte des Pilgers auf sie gemacht haben. Meine Erinnerungen aus selbst gemachter Erfahrung heben von dem Zeitpunkt an, als meine Mutter auf der Heimreise in das Zisterzienser-Nonnenkloster gekommen war. Die Zeit von der Begebenheit mit dem alten Pilger bis zu dem Moment, als mich meine Mutter zum erstenmal zur Äbtissin brachte, macht eine völlige Lücke. Ich finde mich erst wieder, als die Mutter meinen Anzug besserte und ordnete. Endlich stieg ich an der Hand meiner Mutter die breiten steinernen Treppen herauf und trat in das hohe, gewölbte, mit heiligen Bildern ausgeschmückte Zimmer. Da fanden wir die Fürstin. Es war eine große, majestätische schöne Frau. Sie sah mich mit einem ernsten, bis ins Innerste dringenden Blick an und fragte:
»Ist das Euer Sohn?«
Ihre Stimme, ihr ganzes Ansehen alles wirkte so auf mich, dass ich, von dem Gefühl eines inneren Grauens ergriffen, bitterlich weinte. Da sprach die Fürstin:
»Was ist dir, Kleiner, fürchtest du dich vor mir? Wie heißt Euer Sohn, liebe Frau?«
»Franz.«
Da rief die Fürstin mit der tiefsten Wehmut:
»Franziskus!«
Sie hob mich auf und drückte mich heftig an sich. Aber in dem Augenblick preßte mir ein jäher Schmerz, den ich am Halse fühlte, einen starken Schrei aus, so dass die Fürstin mich losließ. Die Fürstin ließ das nicht zu. Es fand sich, dass das diamantne Kreuz, welches die Fürstin auf der Brust trug, mich am Hals so stark beschädigt hat, dass die Stelle ganz rot und mit Blut unterlaufen war.
»Armer Franz«, sprach die Fürstin, »ich habe dir weh getan, aber wir wollen doch noch gute Freunde werden.«
Eine Schwester brachte Zuckerwerk und süßen Wein. Ich naschte tapfer von den Süßigkeiten, die mir die Frau, selbst in den Mund steckte. Als ich einige Tropfen des süßen Getränks gekostet, kehrte mein munterer Sinn zurück.
Ich lachte und schwatzte zum größten Vergnügen der Äbtissin und der Schwester, die im Zimmer geblieben. Noch ist es mir unerklärlich, wie meine Mutter darauf verfiel, mich aufzufordern, der Fürstin von den schönen, herrlichen Dingen meines Geburtsortes zu erzählen. Die Fürstin, selbst meine Mutter, blickten mich voll Erstaunen an. Aber je mehr ich sprach, desto höher stieg meine Begeisterung. Die Fürstin fragte:
»Sage mir, liebes Kind, woher weißt du denn das alles?«
Da antwortete ich, dass der schöne wunderbare Knabe, den einst ein fremder Pilgersmann mitgebracht hat mir alle Bilder in der Kirche erklärt.
Man läutete zur Vesper, die Schwester hatte eine Menge Zuckerwerk in eine Tüte gepackt. Die Äbtissin stand auf und sagte zu meiner Mutter:
»Ich sehe Euern Sohn als meinen Zögling an, liebe Frau! Ich will von nun an für ihn sorgen.«
Meine Mutter konnte vor Wehmut nicht sprechen. Sie küsste die Hände der Fürstin. Die Fürstin kam uns nach, hob mich nochmals auf, sorgfältig das Kreuz beiseite schiebend.
»Franziskus! Bleib fromm und gut!«
Ich war im Innersten bewegt und musste auch weinen, ohne eigentlich zu wissen warum.
Durch die Unterstützung der Äbtissin gewann der kleine Haushalt meiner Mutter bald ein besseres Ansehen. Die Not hatte ein Ende, ich ging besser gekleidet und genoß den Unterricht des Pfarrers, dem ich zugleich als Chorknabe diente.
Der Pfarrer war die Güte selbst, er fesselte meinen lebhaften Geist. Er formte seinen Unterricht so nach meiner Sinnesart, dass ich Freude daran fand und schnelle Fortschritte machte. Meine Mutter liebte ich über alles. Aber die Fürstin verehrte ich wie eine Heilige, und es war ein feierlicher Tag für mich, wenn ich sie sehen durfte. Jedes ihrer Worte blieb tief in meiner Seele. Aber der herrlichste Tag, auf den ich mich wochenlang freute, an den ich niemals ohne inneres Entzücken denken konnte, war das Fest des heiligen Bernardus. Er ist der Heilige der Zisterzienser. Schon den Tag vorher strömten aus der benachbarten Stadt eine Menge Menschen herbei und lagerten sich auf der großen blumigen Wiese, so dass das frohe Getümmel Tag und Nacht nicht aufhörte. Ich erinnere mich nicht, dass die Witterung in der günstigen Jahreszeit (der Bernardustag fällt in den August) dem Fest jemals ungünstig war.
Der Bischof selbst hielt an dem Bernardustag in der Kirche des Klosters, bedient von der untern Geistlichkeit des Hochstifts, das feierliche Hochamt.
Ich gedenke lebhaft eines Gloria, da die Fürstin eben diese Komposition vor allen ändern liebte. Wenn der Bischof das Gloria intonierte und nun die mächtigen Töne des Chors daher brausten: Gloria in excelsis deo! Ich versank in das hinbrütende Staunen der begeisterten Andacht. In dem duftenden Wald ertönten die holden Engelsstimmen. Der wunderbare Knabe trat wie aus hohen Lilienbüschen mir entgegen und fragte mich lächelnd:
»Wo warst du denn so lange, Franziskus? ich habe viele schöne bunte Blumen. Ich will sie dir alle schenken, wenn du bei mir bleibst und mich liebst.«
Nach dem Hochamt hielten die Nonnen, unter dem Vortritt der Äbtissin eine feierliche Prozession durch die Gänge des Klosters und durch die Kirche. Es war die triumphierende Kirche selbst. Nach beendigtem Gottesdienst wurde die Geistlichkeit sowie die Kapelle des Bischofs in einem großen Saal des Klosters bewirtet. Mehrere Freunde des Klosters, Offizianten, Kaufleute aus der Stadt, nahmen an dem Mahl teil. Ich durfte, weil mich der Konzertmeister des Bischofs liebgewonnen, auch dabeisein. Allerlei lustige Erzählungen, Spaße und Schwanke wechselten unter dem lauten Gelächter der Gäste bis der Abend hereinbrach und die Wagen zur Heimfahrt bereitstanden.
Sechzehn Jahre war ich alt geworden, als der Pfarrer erklärte, dass ich nun vorbereitet genug war, die höheren theologischen Studien in dem Seminar der benachbarten Stadt zu beginnen. Ich habe mich nämlich ganz für den geistlichen Stand entschieden. Das erfüllte meine Mutter mit der innigsten Freude erfüllt sah. Durch meinen Entschluss glaubte sie erst die Seele meines Vaters entsühnt und von der Qual ewiger Verdammnis errettet[4].
Es ist ja auch gewiss, dass dem Schmerz der Trennung jede Spanne außerhalb dem Kreise der Lieben der weitesten Entfernung gleich dünkt.
Der herrliche Klostergarten mit der Aussicht in die Gebirge hinein schien mir jedesmal, wenn ich in den langen Alleen wandelte in neuer Schönheit zu erglänzen. Gerade in diesem Garten traf ich den Prior Leonardus, als ich zum erstenmal das Kloster besuchte, um mein Empfehlungsschreiben von der Äbtissin abzugeben. Die dem Prior eigne Freundlichkeit wurde noch erhöht, als er den Brief las. Er wusste so viel Anziehendes von der herrlichen Frau, die er schon in frühen Jahren in Rom kennengelernt, dass er schon im ersten Augenblick mich ganz an sich zog. Er war von den Brüdern umgeben, und man durchblickte bald das ganze Verhältnis des Priors mit den Mönchen: die Ruhe und Heiterkeit des Geistes verbreitete sich über alle Brüder. Man sah nirgends eine Spur des Missmuts oder jener feindlichen, ins Innere zehrenden Verschlossenheit, die man sonst wohl auf den Gesichtern der Mönche wahrnimmt[5].
Ohne die strengen Regeln des Ordens zu beachten, wurden religiöse Rituale dem Prior Leonard gewidmet. Man braucht mehr einen Geist als die asketische Umkehr der Sünde, die in der menschlichen Natur wohnt. Selbst eine schickliche Verbindung mit der Welt wollte der Prior Leonardus herstellen, die für die Brüder nicht anders als heilsam sein konnte. Reichliche Spenden machten es möglich, an gewissen Tagen die Freunde und Beschützer des Klosters in dem Refektorium zu bewirten. Dann wurde in der Mitte des Speisesaals eine lange Tafel gedeckt, an deren oberem Ende der Prior Leonardus bei den Gästen saß.
Dagegen gewannen die Mönche an Lebensumsicht und Weisheit, da die Kunde in ihnen Betrachtungen mancherlei Art erweckte. Ohne dem Irdischen einen falschen Wert zu verleihen, mussten sie die Notwendigkeit einer Strahlenbrechung des geistigen Prinzips anerkennen. Über alle hocherhaben rücksichts der geistigen und wissenschaftlichen Ausbildung, stand der Prior Leonardus. Er sprach mit Fertigkeit und Eleganz das Italienische und Französische, und seiner besonderen Gewandtheit wegen hat man ihn in früherer Zeit zu wichtigen Missionen gebraucht.
Mit der Welt versöhnt hat er irdischen gelebt, doch sich bald über das Irdische erhoben wurde. Diese ungewöhnlichen Tendenzen des Klosterlebens hat Leonardus in Italien aufgefasst.
Leonardus gewann mich lieb, er unterrichtete mich im Italienischen und Französischen. Beinahe die ganze Zeit verbrachte ich im Kapuzinerkloster. Und ich spürte, wie immer mehr meine Neigung zunahm, mich einkleiden zu lassen. Ich eröffnete dem Prior meinen Wunsch.