Maulby fragte langsam:»Werden Sie auch Manner uber Land aussenden, Sir?»
Colquhoun schaute sie immer noch nicht an.»Um Gottes willen! Das halte ich fur unnotig.»
Bolitho sagte:»Das war ein vernunftiger Vorschlag, Sir. Ich wurde eine Bootsaktion bei Nacht vorziehen, aber bei Tageslicht wurde eine Gruppe Manner, einschlie?lich Ihrer Seesoldaten, ohne weiteres. «Er kam nicht weiter.
Colquhoun schnellte hoch wie eine losgelassene Feder.»Genug jetzt! Mein Plan la?t keinen Spielraum fur nervoses Herumgehampele auf den Felsen! Der Franzose ist so gut wie besiegt, und ich habe vor, ihn mitsamt der Ladung intakt in den Hafen zu bringen!»
Er entfernte sich vom Tisch und starrte auf eine halbgefullte Karaffe auf seinem Schreibtisch. Als er danach griff, sah Bolitho, da? seine Hand vor Arger oder Erregung zitterte. Auch seine Stimme war unruhig, als er fortfuhr:»Und Sie, Bolitho, werden von Norden aus herankommen. Bleiben Sie bis zum Zeitpunkt des Angriffs au?er Sicht, dann nehmen Sie mit mir wegen weiterer Order Kontakt auf. «Seine Finger schlossen sich wie Klauen um die Karaffe.»Das ist alles. Mein Sekretar wird Ihnen vor Verlassen des Schiffes noch die schriftlichen Einzelheiten des Angriffs geben.»
Sie verlie?en die Kajute und schritten schweigend zum Achterdeck.
Maulby sprach zuerst.»Dies ware Ihre Angelegenheit, Dick. Ich bin damit einverstanden, da? Sie versuchen, den Feind abzuschneiden, aber auf jeden Fall stunde Ihnen das Kommando zu, wenn Colquhoun die Absicht hat, ablandig zu bleiben.»
Bolitho klopfte ihm auf die Schulter.»Ich wunsche Ihnen allen Erfolg, aber das wissen Sie. Sie sind langst fur eine Beforderung fallig, und ich hoffe, dies wird sie Ihnen bringen.»
Maulby grinste.»Ich gebe zu, da? ich mich uber diese Chance freue. Aber ich wunschte, ich konnte es mit weniger Bitterkeit tun. «Er blickte nach achtern.»Dieser Mann wird mit seinen verdammten Launen noch mein Tod sein.»
Bolitho bi? sich auf die Lippen und versuchte, die richtigen Worte zu finden.
«John, bitte passen Sie gut auf. Ich wei?, da? Colquhoun diesen Sieg verzweifelt gerne mochte, aber ich teile seine Meinung uber die Franzosen nicht. Sie kampfen gut, sie kampfen mit Mut. Sie geben sich nicht mit leeren Gesten zufrieden, noch nicht einmal angesichts von Kanonendonner.»
Maulby nickte mit ernsten Augen.»Keine Sorge. Wenn der Franzose beschlie?en sollte, mit mir Geschutz gegen Geschutz zu kampfen, werde ich abdrehen und auf Unterstutzung warten.»
Bolitho zwang sich zu einem Lacheln. Maulby log, um ihm seine Sorgen zu erleichtern. Er log genauso, wie er es wahrscheinlich unter den gleichen Umstanden getan hatte. Vor und nach einer Seeschlacht hatte man immer Zeit fur Uberlegungen und Gegenvorschlage, war man aber einmal mitten drin, dann gab es nur noch einen Gedanken: zu kampfen, und so lange weiterzukampfen, bis der Feind geschlagen war oder sich das Schicksal gegen einen wandte.
«Boote langsseits!«Der Erste Leutnant gru?te sie mit einem muden Lacheln.»Ist es voruber, Sir?»
Maulby hielt seine schriftlichen Befehle in die Hohe.»Aye, geschafft.»
Der Leutnant seufzte.»Ich habe eine kleine Skizze gemacht, die Ihnen vielleicht nutzlich sein kann. Die Gezeiten sind dort sehr schlecht, und die Dunung ist nicht besser. Aber wenn es dem Franzosen gelungen ist, hineinzukommen, sollten Sie weniger Schwierigkeiten haben.»
Die beiden Gigs hatten mit Haken an den Fallreeps festgemacht, und Bolitho sagte mit plotzlicher Dringlichkeit:»Ich will sofort in See gehen, wenn ich bei Anbruch der Morgendammerung auf Position sein mu?. «Er streckte seine Hand aus.»Ich wunschte, ich konnte mit Ihnen kommen.»
Maulby erwiderte den Handedruck.»Ich auch. «Er grinste.»Aber wenigstens wird Ihnen der Anblick erspart bleiben, wie die
Bolitho seufzte. Geheime Befehle, Schlachtplane, dies bedeutete nichts auf dem Mannschaftsdeck. Stockdale hatte die Gig nicht verlassen, aber er und wahrscheinlich jeder Kuchenjunge in der Flotte wu?te, was gespielt wurde.
«Diesmal nicht, Stockdale.»
Er hatte Colquhouns Zurechtweisung schon vergessen, den berechnenden Versuch, einen Keil zwischen ihn und Maulby zu treiben. Er uberlegte sich die Aufgabe der
Stockdale beobachtete die eingezogenen Schultern des Kapitans, die Art, wie er seinen Sabel festhielt, so da? man durch seine sonnverbrannte Haut die Knochel wei? durchscheinen sah. Es hat keinen Wert, mir etwas vorzumachen, mein Junge — es ist trotzdem nicht gerecht, und was noch schlimmer ist, du wei?t es auch, dachte er. Dann legte er Ruder und steuerte direkt auf die
zu.
Als der Bugmann am Fallreep anlegte, drehte sich Bolitho abrupt um und sagte:»Aber trotzdem vielen Dank fur deine Besorgnis.»
Stockdale stand mit der Mutze in der Hand da, wahrend Bolitho nach der Strickleiter griff. Er grinste seinen Rucken an.»Danke, Sir!»
Tyrell scheute sich ebenfalls nicht, seine Gedanken auszusprechen.»Das ist aber eine seltsame Wahl! Commander Maulby ist ein guter Offizier, aber.»
Bolitho drehte sich um.»Bereiten Sie das Schiff zum Segelsetzen vor. Setzen Sie die Royals, sobald wir Fahrt machen, denn ich mochte mit dem vorhandenen Wind so viel Geschwindigkeit wie moglich machen!«Er lenkte wieder ein.»Tun Sie, was ich sage, Mr. Tyrell, und Schwamm druber.»
Buckle schlenderte uber das Deck, als Bolitho hinuntereilte, um seinen schweren Uniformrock auszuziehen.»Was halten Sie davon, Mr. Tyrell?»
Tyrell runzelte die Stirn.»Dieser verdammte Colquhoun! Ich konnte ihn nie leiden. Genauso wie der verfluchte Ransome, seine Augen sind Schlitze, durch die der Teufel schaut!»
Buckle schuttelte den Kopf.»Der Kapitan ist besorgt, daran besteht kein Zweifel.»
«Nicht seinetwegen. «Tyrell beobachtete die Manner, wie sie an den Bootstaljen arbeiteten, als die Gig uber das Schanzkleid gefiert wurde.»Das ist ebenfalls sicher.»
Bolithos scharfe Stimme kam durch das Skylight.»Falls Sie fertig sind, meine Herren, ware ich Ihnen sehr verbunden, wenn Sie sich an meine Befehle halten wurden!»
Buckle schaute Tyrell an und lachelte dummlich.»Typisch! Unser Dick ist keiner, der zu lange grubelt.»
Innerhalb einer Stunde war die
geisterhaft langsam auf ihrem Kurs nach Nordwest, alle Segel gesetzt, und lie? ihr Schwesterschiff immer weiter achteraus.
Der Wind frischte langsam auf, und als die ersten Sterne uber den Masten erschienen, hatten sie schon fast funfzig Meilen zuruckgelegt. Zuruck auf demselben Kurs, auf dem sie in der vergangenen Nacht mit solcher Eile versucht hatten, Colquhoun zu treffen.
Aber da war nichts zu machen, und einige freuten sich sogar innerlich, da? ihnen die beschwerliche Fahrt durch die Sandbanke erspart blieb.
Auf dem Achterdeck lehnte sich Leutnant Graves gegen die Reling, halb beobachtete er die lose flappenden Segel, halb horte er dem Achzen des Steuers zu oder den Stimmen der Seeleute auf Wache. Er dachte an sein Zuhause in Chatham und an die Neuigkeiten, die er mit einem seltenen Brief aus England erhalten hatte. Seine Familie war keine Seefahrerfamilie. Sein Vater besa? einen kleinen, aber gutgehenden Gemuseladen, dort waren Graves und seine Schwester geboren und aufgewachsen. Seine Mutter, eine krankliche Frau, war ein Jahr, bevor die
auslief, gestorben, und in den letzten Jahren hatte sein Vater offensichtlich zu trinken begonnen. Das Geschaft war verschuldet, und seine Schwester hatte, wahrscheinlich aus Verzweiflung, einen verarmten Leutnant der Armeegarnison geheiratet.
Sie hatte in ihrem Brief um Geld gebeten, nicht fur sich selbst, sondern um ihren Vater nicht in den Schuldturm zu bringen. Graves hatte alles geschickt, was er besa?, und das war wenig genug. Sein Anteil am Prisengeld der
wurde naturlich viel helfen, aber so lange er keine neuen Informationen von zu Hause erhalten hatte, war er nicht geneigt, es zu uberweisen; schlie?lich hatte er es sich hart erarbeitet. Wenn er doch nur besser fur die Gepflogenheiten der Marine geformt worden ware! Wie zum Beispiel der Kapitan, dessen Seefahrerfamilie und beruhmte Ahnen ihn von Mannern wie ihm trennten. Oder sogar Tyrell, der aller Autoritat gegenuber so gleichgultig war, obwohl er sich dies wei? Gott nicht leisten konnte. Er konnte sich genau erinnern, wie Tyrells Schwester an Bord gekommen war. Sie waren in Kingston, Jamaika, gewesen, wo sie bei Freunden gelebt hatte, um abzuwarten, bis die Schwierigkeiten, wie sie es nannte, in Amerika voruber seien. Ein lebhaftes, lebendiges Madchen, ohne die gleichgultige Einstellung Tyrells. Graves war sie wie eine Art Engel erschienen, die Erfullung all seiner Traume. Sie kam aus einer alteingesessenen und wohlhabenden Familie, und als seine Frau hatte sie ihm die Chance gegeben, sich zu verbessern, seinen rechtma?igen Platz in der Welt zu finden, anstatt unsicher und vorsichtig zu bleiben. Tyrell hatte seine Absichten klar erkannt, sie jedoch weder unterstutzt noch sich offen dagegen ausgesprochen. Dann hatte diese kleine Narrin einen Streit mit Kapitan Ransome wegen eines Mannes angefangen, der bestraft werden sollte. Graves konnte sich nicht mehr erinnern, ob die Bestrafung gerechtfertigt war oder nicht, es machte ihm auch nichts aus. Ransome war sehr schlau vorgegangen und hatte seinen betrachtlichen Charme benutzt, um den Widerstand des Madchens zu brechen, seine eigenen Chancen zunichte zu machen und sie ihrem Bruder vollig zu entfremden. Aber Graves machte immer noch Tyrell verantwortlich, ha?te ihn, wenn er an sie dachte und wie sie ausgesehen hatte, als Ransome sie schlie?lich in Antigua an Land gesetzt hatte.
Er umklammerte die Reling, bis der Schmerz ihn wieder beruhigte. Wo sie wohl war? Jemand hatte gesagt, sie sei wieder nach Amerika gesegelt, andere erwahnten einen voruberfahrenden Indienfahrer nach Trinidad. Ob sie wohl jemals an ihn dachte? Argerlich mit sich selbst, da? er nach so langer Zeit noch zu hoffen wagte, drehte er sich um. Warum konnte er nie zufrieden sein, wenn es am notigsten war? Vielleicht war er zu lange in diesem verdammten Gemuseladen gewesen, hatte seinen Vater uber Qualitat reden horen, hatte gesehen, wie er sich vor Kunden verbeugte und erniedrigte, deren unbezahlte Rechnungen gro?er waren als seine eigenen Schulden.
Die Sorge um seine Schwester, seine eigene Unsicherheit, hatten auch auf andere Weise ihren Tribut gefordert. Er hatte es nach dem Gefecht mit der
gewesen war. Angenommen, der Kapitan hatte es nicht geschafft, sie lange genug zu entern, um seinen verruckten Plan auszufuhren? Hatte er die Kraft gehabt, die
gegen seine Befehle zu wenden und Bolitho und seine Manner zu retten? Wenn nicht Buckle und einige andere gewesen waren, bezweifelte er sehr, ob er es getan hatte, selbst als die beiden miteinander verbundenen Schiffe in Flammen aufgingen. Sie hatten die gro?e Rauchwolke selbst am Horizont gesehen.
Und spater, als sie bei den anderen Prisen langsseits gegangen waren und mit Freibeutern Schusse wechselten, hatte er gefuhlt, da? sich Furcht in seinem Innern breitmachte wie eine schleichende Krankheit. Niemand hatte es bemerkt. Bis jetzt. Er schuttelte sich und ging nach Luv hinuber, versuchte, in der kuhlen Brise einen klaren Kopf zu bekommen.
Die beiden Fahnriche standen an den Leewanten, und Bethune sagte ruhig:»Mr. Graves scheint sich Sorgen zu machen.»
Der neue Fahnrich, Fowler, ignorierte den Kommentar.»Hor mal…«Er lispelte, was noch starker hervortrat, wenn er versuchte, vor seinen Vorgesetzten unschuldig zu erscheinen. Jetzt merkte man es kaum.»Ich mu? morgen das Deckscheuern uberwachen.»
Bethune beobachtete den Leutnant.»Ich wei?. Du bist an der Reihe.»
Fowler zeigte lachelnd seine kleinen Zahne.»Tu du es fur mich. Wenn wir wieder zur Flotte zuruckkehren, werde ich mit dem Admiral sprechen.»
Bethune starrte ihn an.»Meinetwegen?«»Vielleicht.»
Bethunes Dankbarkeit war mitleiderregend.»Oh, wenn ich nur… «Er nickte.»Ja, ich werde mich um die Arbeiten kummern. Wenn ich sonst noch etwas tun kann.»
Der junge Mann betrachtete ihn kalt.»Ich werde es dich wissen lassen.»
Uberall auf dem Schiff gab die Mannschaft ihren Hoffnungen und Traumen auf ihre eigene Art Ausdruck.
In seiner Kajute sa? Tyrell auf seiner Seekiste und massierte sein verwundetes Bein, wahrend jenseits des Schotts Bolitho den Brief an seinen Vater beendete. In der schwach erleuchteten Offiziersmesse doste Dalkeith uber einem Glas Rum und horte Buckle zu, der wieder einmal eine Geschichte von der einen oder anderen Frau aus Bristol erzahlte, wahrend der junge Heyward ihm mit geschlossenen Augen lauschte. Ganz vorn am Bug lehnte Yule, der Feuerwerker, mit von Wind und Gischt zerzaustem Haar, eine Flasche zwischen den Knien; seine verwirrten Gedanken galten Tilby und den guten Zeiten, die sie zusammen erlebt hatten. Ganz unten in den Laderaumen, im Licht einer Laterne an der niedrigen Decke, inspizierte Lock, der Zahlmeister, eine Kiste Zitronen. Er prufte jede einzelne wie ein Rauber sein Beute, wahrend er Notizen in ein Heft machte.
Und mit ihrer fahlen Leinwand beschutzte die
sie alle, ungeachtet ihrer verschiedenen Sorgen und Freuden, gleichgultig sogar der See gegenuber. Denn sie brauchte keinen von ihnen und schien zufrieden.
Sobald Bolitho das Achterdeck betrat, bemerkte er, da? der Wind sich gegen sie wandte, und zwar rasch. Er hatte tief geschlafen, als ein Steuermannsmaat in die Kajute gekommen war, um ihm zu melden, da? Leutnant Heyward um seinen Rat ersuche.
Die mittlere Wache war erst halb vorbei, und die Sterne schienen sehr hell uber den Ausgucks, aber als er mit blo?en Fu?en unhorbar uber die feuchten Planken eilte, horte er die Topsegel heftig schlagen, fast schien es ihm eine Antwort auf das Achzen der Stagen und Wanten zu sein.
Buckle stand neben dem Steuer, wie er selbst trug auch er nur seine Kniehosen; ein Beweis, wenn das noch notig war, da? Heyward erst dann Hilfe geholt hatte, als es schon fast zu spat war.
«Nun?«Er blickte kurz auf das schrage Kompa?gehause und sah die Augen der Ruderganger schwach im Licht des Kompa?hauses gluhen.»Ich warte, Mr. Heyward.»
Er wollte den jungen Leutnant nicht verwirren, und zu jeder anderen Zeit hatte er seinen Wunsch verstanden, die eigene Wache zu gehen, ohne Unsicherheit zu zeigen. Aber dies war nicht die rechte Zeit, und in diesen gefahrlichen Gewassern wurden sie schnell handeln mussen.
Heyward erklarte:»Der Wind raumte einen Strich oder so, und ich lie? meine Wache die Rahen fieren. «Er deutete vage uber seinen Kopf.»Aber er wird immer starker, ich furchte, wahrscheinlich von Nordost.»
Buckle murmelte:»Wir werden niemals rechtzeitig den Kurs andern konnen, um die Spitze der Sandbanke zu erreichen, Sir. «Er betrachtete den Kompa?.»Nie!»
Bolitho rieb sich das Kinn, er fuhlte, wie der Wind uber seine nackten Schultern strich. Heyward war sehr unklug gewesen, der
so ihren Willen zu lassen. Vielleicht hatte er erwartet, da? sich der Wind wieder drehen wurde, wie so oft in diesen Gewassern; was er auch gedacht oder gehofft hatte, jedenfalls zeigte der Bug jetzt fast nach Nordnordwest, und das Schiff hielt auch diesen Kurs nicht sehr gut. Jede Minute entfernte sie mehr von der Sandbankkette, und es wurde Stunden erfordern, bis sie sich mit Kreuzen wieder zuruckgekampft hatten auf die Position, die Colquhoun angegeben hatte. Heyward sagte klaglich:»Tut mir leid, Sir — ich dachte, ich konnte sie halten.»