Fieber an Bord: Fregattenkapitan Bolitho in Polynesien - Kent Alexander 2 стр.


Bolitho sagte knapp:»Wenn Sie soweit sind, Mr. Herrick?«Herrick hob das Sprachrohr, seine Antwort war ebenso formlich.»Aye, aye, Sir. «Dann rief er:»An die Leebrassen! Klar zum Aufschie?en!«Die reglosen Matrosen erwachten zum Leben.»Marsbrassen los!»

Bolitho sah Thomas Gwyther, den Schiffsarzt, die Backbordgangway entlangkommen, wobei er versuchte, den geschaftigen Matrosen auszuweichen. Wie wenig war er mit dem letzten Arzt zu vergleichen, den Bolitho an Bord gehabt hatte. Das war ein gewalttatiger, herrschsuchtiger Trunkenbold gewesen, der es zugelassen hatte, da? seine Leidenschaft fur den Alkohol, aber auch die Erinnerungen, die er damit hatte ausloschen wollen, ihn vollig zerstorten. Gwyther nun war ein gebeugter, ausgemergelter, kleiner Mann mit zottigem, grauem Haar, dessen gebrechliche Erscheinung seiner offenkundigen Zahigkeit und Ausdauer keineswegs entsprach. Er erfullte bereitwillig seine Pflichten, zeigte aber an Land jedesmal weit mehr Interesse fur die Vegetation als fur die Menschen.»Gei auf die Marssegel!»

Der Steuermann befahl mit seiner trockenen, nuchternen Stimme:»Ruder hart Backbord!»

Die

gehorchte dem Ruder und der abflauenden Brise, drehte sich langsam uber ihrem Spiegelbild und verlor an Fahrt. Auf den Decks wurde es noch hei?er als zuvor, als auch das letzte Segeltuch aufgegeit und festgezurrt wurde.»Fallen Anker!»

Bolitho horte das vertraute Klatschen am Bug und hatte dabei vor Augen, wie der schwere Anker durch das stille, einladende Wasser brach. Doch als er sich an die beiden Haie erinnerte, die das Schiff mehrere Tage und fast bis in den Hafen hinein verfolgt hatten, mu?te er ein Schaudern unterdrucken.

«Signal vom Flaggschiff, Sir: >Bitten Kommandant an Bord

Undine

Undine

«Gig zu Wasser!«rief Herrick durch die trichterformig gehaltenen Hande.»Mr. Jury, mehr Leute an die Taljen, aber mit Beeilung!»

Allday verfolgte das hastige Manover mit kritischen Blicken, als das Boot uber die Finknetze gehievt wurde. In der blauen Jacke und der weiten wei?en Hose, das Haar in seinem kraftigen Nacken sauber zusammengebunden, wirkte er so solide und zuverlassig wie immer. Gelassen sagte er:»Ein neuer Ort, Captain, und zweifellos eine neue Aufgabe. «Dann schnauzte er:»Da? mir der Lack keinen Kratzer abkriegt, ihr Tolpel! Das Boot gehort dem Captain, nicht dem Koch!»

Manche der Altgedienten grinsten bei dem Ausbruch; jungere oder jene, die sich mit diesem Umgangston noch nicht abgefunden hatten, duckten sich unwillkurlich. Allday murrte:»Bei Gott, wenn wir nicht bald richtig zu tun kriegen, dann wei? ich nicht, was aus den Leuten wird!«Er schuttelte den Kopf.»Das sollen Seeleute sein?«Was Allday unter» richtig zu tun «verstand, wu?te Bolitho nicht.

Sie unternahmen regelma?ige Patrouillen zwischen den sich ausbreitenden Handelsniederlassungen, die in dem Gebiet zwischen Sumatra und Neuguinea verstreut lagen. Auch waren sie viele hundert Meilen westwarts gesegelt, um wertvollen Handelsschiffen auf der Fahrt von Europa Begleitschutz zu bieten. Die

war standig im Einsatz gewesen. Denn mit der Ausbreitung des Handels, der Ausweitung von Niederlassungen zu Kolonien, kamen auch jene, die davon profitieren wollten: Piraten, selbsternannte Herrscher oder alte Gegner, die jetzt unter dem Schutz von Kaperbriefen segelten. Das Leben war auch ohne die zusatzliche Bedrohung durch feindselige Eingeborene und Tropensturme gefahrlich genug.

Vielleicht meinte er damit, wie Herrick, der Hitze und dem Durst zu entkommen, der taglichen Gefahr durch nicht kartographierte Riffe oder Uberfalle kriegerischer Wilder. Die Entdecker und gro?en Seefahrer hatten viel getan, um die Geheimnisse und Gefahren dieser Gewasser zu mildern, aber jene, die in ihrem Kielwasser kamen, hatten weniger edle Motive. Fur eine Handvoll Nagel, ein paar Axte und Perlenschnure konnte ein Kapitan beinahe alles und jeden kaufen.

Zum Nutzen ihres Handels und ihrer Besitzungen ubernahmen Gro?britannien, Frankreich und Holland den Schutz weiter Seegebiete, damit die gefahrdeten Handelsschiffe ihre Auftrage erfullen konnten. Unglucklicherweise waren die Ozeane zu gro? und die eingesetzten Krafte zu gering, als da? dies mehr hatte darstellen konnen als eine Geste. Auch trauten die Lander, die das meiste in Indien und der Sudsee investiert hatten, einander nicht; zudem hatten sie alte Kriege und unbezahlte Schulden nicht vergessen.

Bolitho horte die Bootsmannschaft in die Gig klettern und sah, da? das Spalier der Marinesoldaten und die Bootsmannsmaaten fur die Zeremonie seines Vonbord-gehens bereitstanden.

Er blickte zu dem schlaffen Wimpel im Masttopp auf und dann uber das schimmernde Wasser zu den beiden gro?en Transportern hinuber, die ein gutes Stuck vom Land entfernt ankerten.

Hier lag eine zusatzliche Verantwortung: die wachsende Kolonie Neusudwales. Er suchte auf den gro?en Transportern nach Lebenszeichen. Wie viele bedauernswerte Existenzen waren auf diesen Straflingsschiffen hierhergebracht worden, um Arbeitskrafte fur die Erschlie?ung des Landes und die Grundung einer Nation zu stellen? Er versuchte, sich auszumalen, wie es auf einem solchen Schiff aussehen mochte, wenn es sich um das Kap der Guten Hoffnung oder, schlimmer noch, um das gefurchtete Kap Horn kampfte, mit Mannern, Frauen und Kindern an Bord.

Herrick griff an seinen Hut.»Boot ist klar, Sir. «Bolitho nickte ernst und blickte zu den rotrockigen Marinesoldaten und ihrem Hauptmann Jasper Prideaux hinuber. Geruchte wollten wissen, Prideaux diene nur bei den Marinesoldaten, weil er im Duell zwei Manner getotet habe und fliehen mu?te. Bolitho hatte mehr Anla? als mancher andere, das zu verstehen.

Zwei Jahre lang hatte er versucht, seine Antipathie gegen Prideaux zu unterdrucken. Trotz Sonne und Seeluft war der Hauptmann der Marinesoldaten bla? geblieben und sah ungesund aus. Er hatte scharfe, fast spitze Zuge — wie ein Fuchs. Wie einer, der sich mit Freunden duellierte und dabei gewann. Bolitho war es nicht gelungen, seine Abneigung zu uberwinden.»Achtung im Boot!»

Allday stand an der Pinne, mit einem Auge auf Bolithos Degen, wahrend sein Kapitan, begleitet vom Klang der

Bootsmannsmaatenpfeifen und prasentierten Musketen, ins

Boot hinunterkletterte.

«Absetzen! Riemen bei! Rudert an!»

Bolitho schutzte mit der Hand die Augen, als das Boot schnell um den Bug und unter der blauaugigen Galionsfigur hindurchglitt.

Die

war ein gutgebautes Schiff, aber wie Lakey oft genug gesagt hatte, eben ein Schiff der Company, gleichgultig, welche Flagge von ihrer Gaffel wehte. Mit sechsunddrei?ig Geschutzen, darunter achtundzwanzig Zwolfpfundern, war sie starker als jedes andere Schiff, das er bisher befehligt hatte. Aber sie war aus Teakholz und so schwer gebaut, mit entsprechend massiven Stengen und Spieren, da? ihr die schnelle Beweglichkeit fehlte, die von einem Schiff des Konigs im Gefecht auf kurze Distanz gefordert wurde. Sie war gebaut worden, um schwerfallige Indienfahrer vor Piraten zu schutzen und in deren Schlupfwinkeln Furcht zu verbreiten. Gleich zu Anfang hatte Herrick bemerkt, falls sie von einem wirklich kriegstuchtigen Schiff angegriffen werden sollten, mu?ten sie auf kurze Distanz bedacht sein und sie halten. Tauschungs- oder Uberraschungsmanover in letzter Minute kamen nicht in Betracht.

Auf der anderen Seite mu?ten selbst die gro?ten Zweifler einraumen, da? die

unter gunstigen Bedingungen ein guter Segler war. Schon mit ihrer Grundausstattung an Segeln, und sie verfugte uber siebzehntausend Quadratfu?, schaffte sie funfzehn Knoten, also funfzehn Seemeilen in der Stunde. Aber Lakey, nuchtern wie immer, hatte gesagt:»Das Argerliche ist, da? man nicht immer gunstige Bedingungen hat.»

Bolitho vergewisserte sich, da? seine Depeschen und sein eigener Bericht unter der Ducht sicher verstaut waren, und wandte dann seine Aufmerksamkeit der

«La? laufen!«Allday legte Ruder und kniff in der grellen Sonne die Augen zusammen, bis sie in den Schatten des Flaggschiffs glitten.»Anhaken, Buggast!»

Bolitho stand auf und atmete tief ein. Bei solchen Gelegenheiten mu?te er stets an einen Kapitan denken, unter dem er einmal gedient hatte. Als jener zum ersten Mal an Bord seines Schiffes ging, hatte er sich mit den Beinen im Degengehange verfangen und war der Lange nach zu Fu?en seiner verblufften Marinesoldaten hingeschlagen. An der Schanzpforte nahm er seinen Hut ab und wartete, bis der Larm der Befehle und das Klatschen der Musketen beim Prasentieren verklungen war.

Mit ausgestreckter Hand kam der Kommodore ihm entgegen, um ihn zu begru?en. Fur den Bruchteil einer Sekunde glaubte Bolitho, sich geirrt zu haben. Das war nicht Leutnant James Sayer aus den amerikanischen Kolonien oder auch nur aus Cornwall. Das war ein ganz anderer Mann.

Der Kommodore sagte:»Freut mich sehr, Sie wiederzusehen, Richard. Kommen Sie nach achtern und berichten Sie.»

Erschuttert erwiderte Bolitho den Handedruck. Sayer war ein gutgebauter, lebhafter Mann gewesen. Jetzt hatte er Hange-schultern und ein von tiefen Furchen durchzogenes Gesicht; das Schlimmste aber war seine Haut: wie altes, unbrauchbares Pergament. Und doch zahlte er nur zwei oder drei Jahre mehr als Bolitho.

In der verhaltnisma?igen Kuhle der Kommandantenkajute warf Sayer den schweren Rock seiner Paradeuniform ab und lie? sich in einen Sessel sinken.

«Ich habe nach Wein geschickt. Mein Diener lagert ihn an einer besonders kuhlen Stelle in der Bilge. Nur Rheinwein, aber man hat ja schon Gluck, wenn man hier drau?en so etwas bekommt. «Er schlo? die Augen und stohnte.»Was fur ein Land! Eine Insel der Verbrecher in einem Meer von Korruption.»

Er wurde erst munterer, als der Diener mit Flaschen und

Glasern eintrat.

«Nun zu Ihren Depeschen, Richard. «Er sah Bolithos Gesicht.»Was gibt es?»

Bolitho wartete, bis der Diener eingeschenkt und die Kajute wieder verlassen hatte.

«Ich wurde auf dem Weg hierher aufgehalten, Sir. Drei Tage nach Madras gerieten wir in Schlechtwetter, und zwei meiner Leute wurden schwer verletzt, als sie von oben kamen. Zwei weitere gingen uber Bord. «Von der Erinnerung bedruckt, senkte er den Blick. Mitten in der Nacht war blitzschnell Sturm aufgekommen und ebenso schnell wieder abgeflaut.

Das Resultat: zwei Tote und zwei permanent Verkruppelte.»Ich entschlo? mich, Timor anzulaufen und die Verletzten dort an Land zu setzen. Mit dem hollandischen Gouverneur in Coupang hatte ich bereits zu tun gehabt, und er war immer sehr hilfsbereit gewesen.»

Der Kommodore beobachtete ihn uber den Rand seines Pokals.»Ja. Sie haben sich in diesem Gebiet gegen Piraten und Kaperer erfolgreich behauptet.»

Bolitho fuhr fort:»Ohne diesen unvorhergesehenen Besuch hatte ich folgendes nicht erfahren: Auf einem Schiff, einem Kriegsschiff, hat es eine Meuterei gegeben. Vor sechs Monaten, dem Gouverneur zufolge, auf der Ruckfahrt von Tahiti. Ich bin mir uber die Grunde nicht im klaren, aber eines steht fest: die Meuterer setzten die Offiziere und die loyal gebliebene Mannschaft in einem Boot aus. Ohne ihren Kommandanten — wie ich horte, hei?t er Bligh — waren sie umgekommen. Aber er schaffte es bis Timor, uber dreitausendsechshundert Meilen weit, wo er Hilfe fand. Das Schiff war ein bewaffneter Transporter, die

erlebt, und die Erinnerung war fest haften geblieben.[6]

Als der Kommodore nur schwieg und weiter aus dem Fenster blickte, fuhr Bolitho fort:»Ich lichtete Anker, nahm Kurs nach Sudwesten und dann an der Sudkuste der Kolonie entlang. Ich lief die Adventure Bay von Van Diemen's Land an, weil ich glaubte, die Meuterer hatten sich dorthin fluchten konnen, ehe die Nachricht von ihrem Verbrechen bekannt wurde. «Er hob die Schultern.»Aber sie waren verschwunden. Jetzt glaube ich, da? sie gar nicht die Absicht haben, in ein zivilisiertes Land zuruckzukehren, wo sie belangt werden konnten. Sie werden in der Gro?en Sudsee bleiben wie so viele Abtrunnige und Morder, die auf Kosten unseres Handels und der Eingeborenen leben. Aber ein Schiff des Konigs? Der Gedanke ist unertraglich. «Sayer drehte sich mit einem truben Lacheln zu ihm um.»Sie haben ja auch Grund, das Wort Meuterei zu hassen. Aber ich bin froh uber Ihre Entdeckung. Hohere Stellen als wir werden jedoch daruber entscheiden, was als nachstes geschehen soll, zweifeln Sie nicht daran. «Er trank aus seinem Pokal.»Bligh, haben Sie gesagt?«Er schuttelte den Kopf.»Er mu? ein sehr willensstarker Mann sein, wenn er eine solche Fahrt uberlebt hat.»

Bolitho spurte, wie er sich entspannte. Seit er mit dem hollandischen Gouverneur gesprochen hatte, war ihm diese Meuterei nicht aus dem Kopf gegangen, aber unter Sayers Einflu? sah er sie jetzt in der richtigen Perspektive. Er hatte wie die meisten Kapitane reagiert: sich selbst in der gleichen verzweifelten Situation vorgestellt. Doch ohne das Schiff, die Mannschaft oder die Umstande zu kennen, war es das gleiche, wie den Mond anzubellen, er solle heller scheinen. Mit plotzlichem Mitgefuhl beobachtete er Sayer. Seine wenig beneidenswerte Aufgabe hatte ihn erschopft, ein uber-standenes Fieber hatte ihn ausgelaugt, aber er war nichtsdestoweniger der ihm vorgesetzte Offizier. Genauso war Bolitho der einzige Reprasentant der gro?ten Seemacht der Welt gewesen, als er auf der Suche nach Piraten und Eingeborenenhauptlingen, die ihnen Schutz boten, viele hundert Meilen zuruckgelegt hatte. Eines Tages wurde vielleicht auch sein Schiff den breiten Stander des Kommodore fuhren, aber er bezweifelte, da? ihn die gleiche Selbstsicherheit wie Sayers auszeichnen wurde. Der Kommodore sagte:»Ich werde unverzuglich den Gouverneur aufsuchen. Und Ihnen empfehle ich, auf Ihr Schiff zuruckzukehren und Wasser und sonstige Vorrate zu ubernehmen. «Er musterte ihn gelassen.»Ich furchte, ich werde Sie bald wieder auf See schicken mussen. Das hatte ich ohnehin getan, aber Ihre Nachrichten beschleunigen es noch. «Als Bolitho sich erhob, fugte er hinzu:»Falls Sie zusatzliche Leute brauchen, la?t sich das wahrscheinlich regeln. Nach zwei Jahren in der Botany Bay ist nur schwer festzustellen, wo ein abgeschobener Strafling aufhort und der ehrliche Mann anfangt. «Er zwinkerte.»Ich werde an Land mit dem Einburgerungsoffizier sprechen. «An der Schanzkleidpforte blieb Sayers neben Bolitho stehen und blickte zur

hinuber. In dem grellen Licht wirkte ihr laufendes Gut wie aus schwarzem Glas.»Ein schones Schiff. «Es klang sehnsuchtig.»Ich nehme an, da? Sie bald nach England zuruckkehren werden, Sir«, trostete Bolitho.

Назад Дальше