Fieber an Bord: Fregattenkapitan Bolitho in Polynesien - Kent Alexander 5 стр.


Berufes, denen Bolitho begegnet war. Er gab faire Rationen aus und zweigte nichts von dem mageren Sold der Matrosen fur Artikel ab, die sie nicht erhalten hatten, woran sie sich aber nicht mehr erinnern konnten, wenn sie schlie?lich abmusterten.

Der Schiffsarzt kam mit den taglichen Krankmeldungen. Die Besatzung blieb bemerkenswert verschont von Verletzungen und Erkrankungen, wie Bolitho dankbar feststellte. Doch wenn dann ein Ungluck geschah, geschah es meist ohne Vorwarnung und erbarmungslos. Wie bei den Mannern, die uber Bord gegangen waren, und den beiden Verletzten, die er der Obhut der hollandischen Arzte in Coupang uberlassen hatte.

Wahrend Bolitho jedes Buch und jede Abrechnung studierte, die ihm Cheadle, sein Schreiber, vorlegte, war er sich des Treibens an Bord und um sich herum bewu?t. Das alles waren Lebenszeichen des Schiffes selbst. Wenn einer starb oder von Bord ging, mu?te er ersetzt werden, damit das Schiff weiterlebte.

Er horte das Poltern der Lafetten, als alle Kanonen — von den langen Zwolfpfundern des Hauptdecks bis zu den leichten Sechspfundern achtern — innenbords geholt und vom Stuckmeister Jack Brass inspiziert wurden. Einmal in der Woche uberprufte er routinema?ig jedes Geschutz, und mochte Gott dem Stuckfuhrer helfen, dessen Gruppe den Anforderungen dann nicht genugte.

Mit seinen Deckoffizieren und Veteranen hatte Bolitho Gluck gehabt, und dafur war er dankbar. Selbst seine vier Midshipmen, ursprunglich von Eltern geschickt, die ihnen Erfahrung und Chancen verschaffen wollten, welche in Friedenszeiten sonst rar waren, konnten nach zweijahrigem Dienst fast als Unterleutnants gelten. Swift und Pyper waren siebzehn und dachten schon an ihre Offiziersprufung. Fitzmaurice, ein mopsgesichtiger Junge von sechzehn, hatte seine ursprungliche Arroganz fast abgelegt. Er kam aus einer reichen Familie und hatte sich anscheinend eingebildet, auf der

erwarte ihn eine Art Vergnugungsreise. Herrick und Lakey hatten ihn eines Besseren belehrt.

Der jungste Kadett, Evelyn Romney, war funfzehn. Sie alle unterschieden sich von den Zwolf- und Dreizehnjahrigen, die man auf vielen anderen Schiffen fand, dachte Bolitho. Romney hatte sich am wenigsten entwickelt. Er war von Natur aus schuchtern, und ihm fehlte das Durchsetzungsvermogen, das er im Umgang mit viel alteren Mannern brauchte. Doch wahrend Fitzmaurice seine Familie verfluchte, weil sie ihn auf See geschickt hatte, schien der weit weniger talentierte Romney verzweifelt entschlossen, sich zu bewahren. Offensichtlich liebte er die Marine, und sein Kampf gegen die Schuchternheit verdiente Mitgefuhl. Bolitho horte den Marschtritt der Marinesoldaten, die von ihrem taglichen Drill auf dem Vorschiff und in den Masten zuruckkehrten. Prideaux war bestimmt nicht dabei; Schwei? und Muhe uberlie? er dem Sergeanten. Spater wurde er dann auftauchen und kritisieren. Bolitho hatte ihn nie ein Wort der Ermutigung oder des Lobes au?ern horen, nicht einmal, wenn einer seiner Soldaten befordert worden war. Isaac Toby war der Schiffszimmermann: beleibt, langsam und recht stoisch, erinnerte er an eine raudige Eule. Aber er war ein Meister seiner Zunft und fuhrte mit seiner kleinen Arbeitsgruppe alle Reparaturarbeiten prompt aus, obwohl er bei einem aus Teakholz gebauten Schiff gewohnlich andere Sorgen hatte. Im Augenblick war er mit dem Bau einer zusatzlichen Jolle beschaftigt. Das Ganze hatte als eine Art Witz begonnen, mit einer beilaufigen Bemerkung von Brass, dem Stuckmeister, uber die Vergeudung, als ein Matrose dabei ertappt wurde, wie er Holzabfalle uber Bord warf. Toby hatte das als personliche Herausforderung angesehen und versichert, er wurde eigenhandig aus allen Abfallen, die Brass auftrieb, ein Boot bauen. Nun war das Boot fast fertig, und selbst Brass mu?te zugeben, da? es die alte Jolle der

ubertraf.

Bolitho lehnte sich zuruck und fuhr sich mit den Fingern durchs Haar.

Cheadle nahm die letzten Dokumente auf und vergewisserte sich, da? die Unterschriften trocken waren. Der Schreiber war wie viele seiner Art ein seltsamer, in sich gekehrter Mann mit tiefliegenden Augen und so gro?en, ungleichma?igen Zahnen, da? er standig zu lacheln schien. Als Bolitho etwas von ihm uber seine Vergangenheit erfahren wollte, hatte er jedes Wort einzeln aus ihm herausholen mussen. Cheadle war von einem anderen Schiff, das in Bombay umgerustet worden war, zur

versetzt worden. Der Kapitan hatte Bolitho versichert, er sei ein guter Schreiber, nur etwas schweigsam, und hatte fruher in einem Kramerladen in Canterbury gearbeitet, wo er seinen Stolz dareinsetzte, die >besseren Herrschaften

Undine

Argus

Allday kam aus der Schlafkabine heruber und musterte ihn ernst.»Glauben Sie, da? wir sie noch finden, Captain?«Er hielt die Arme uber der breiten Brust verschrankt, benahm sich ganz entspannt. Allday war eben mehr ein Gefahrte als ein Untergebener. Wieviel hatten sie schon gemeinsam durchgestanden! Bolitho fragte sich oft, ob Allday England vermi?te. Doch ganz bestimmt vermi?te er die englischen Madchen. Allday hatte immer Gluck bei ihnen gehabt und war mehr als einmal froh, wenn nicht gar versessen darauf gewesen, aus Furcht vor einem Ehemann oder erzurnten Vater schleunigst davonsegeln zu konnen.»Hoffentlich.»

Bolitho schlurfte Wein: billig und schal. Nicht wie der franzosische, den Herrick fur ihn besorgt hatte. Die Garnison in Sydney hatte diesen Vorrat wahrscheinlich von einem franzosischen Schiff oder einem ehrgeizigen Handler angekauft. Wer bereit war, Vermogen und Leben gegen wilde Eingeborene, Piraten und die standige Gefahr des Schirrbruchs zu riskieren, der konnte hier alles an den Mann bringen.

Im Kielwasser von Seefahrern und Forschern wie Cook waren andere gekommen. Mancher Insel, auf der die Eingeborenen zuvor primitiv, aber idyllisch gelebt hatten, brachten die Schiffe Krankheit und Tod. Diese Handel treibenden Abenteurer hatten die Stamme durch ihr Angebot von schabigen Waren und billigen Stoffen gegeneinander-gehetzt und dafur sichere Ankerplatze eingehandelt. Und nun bezahlte jeder dafur. Bald wurde ein habgieriger Handler anfangen, Eingeborene mit Musketen zu beliefern. Bolitho hatte es in Amerika erlebt, wo die Franzosen Indianer zum Kampf gegen die Briten ausgebildet hatten, und die Briten hatten mit Gleichem erwidert. Spater, als die Unabhangigkeit gewonnen und Briten wie Franzosen aus dem Land verschwunden waren, hatten die Amerikaner eine neue Armee in ihrer Mitte vorgefunden: indianische Krieger, die — wenn sie sich zusammenschlossen — die Siedler ins Meer zurucktreiben und die neuen Hafen und Stadte isolieren konnten.

«Ich bezweifle sehr, da? wir an der

Alldays Augen waren nachdenklich in die Ferne gerichtet, durchs Heckfenster auf die See hinaus. Da der Wind von Backbord kam, krangte das Schiff leicht nach Steuerbord, so da? der Horizont schrag zu liegen schien. Wie die meisten Seeleute konnte Allday ohne zu blinzeln aufs Meer hinaussehen, obwohl es grell funkelte wie eine Wuste voller Edelsteine.

«Ich nehme an, da? sie Land anliefen, um Frischwasser zu ubernehmen. Ihre Vorrate konnen verdorben sein, wie es auch uns mal passiert ist. «Er schnitt eine Grimasse.»Mit einem Schiff voll Deportierter kann der Kapitan sich nicht noch mehr Sorgen aufladen.«»Das ist richtig.»

Bolitho senkte den Blick; er erinnerte sich daran, wie Viola ausgesehen hatte. An ihre Sorglosigkeit gegenuber einer Entdeckung und dem Risiko, in Madras oder spater in dieser elenden, fieberverseuchten Kolonie, wo Bolithos Schiff einem weiteren von diesen Gouverneuren hatte Respekt verschaffen sollen. Oft war ihm beim Gedanken an die Gefahr der Schwei? ausgebrochen. Jederzeit konnte die Tur aufgesto?en werden, dann mu?te er ihr Gesicht und ihre Schultern zu verbergen versuchen. Aber niemand war gekommen, sie in ihrer Leidenschaft zu storen; nun war der Schmerz uber ihren Verlust nur noch schwerer zu ertragen. Aber auch der Zorn. Was dachte James Raymond sich dabei, Viola wieder hierher zu bringen? Fur europaische Frauen war dieses Klima verheerend, au?erdem bestand dazu keine Notwendigkeit. Raymonds gro?es Haus, seine Stellung, alles, was er auf Kosten anderer erworben hatte, hatten es ihm leicht ermoglicht, Viola sicher und behaglich unter wohlwollenden Menschen und in vertrauter Umgebung zuruckzulassen.

Es klopfte, und Borlase spahte herein, das Gesicht etwas weniger sanft als ublich.

«Ich wollte nur sehen, ob ich Sie sprechen kann, Sir. «Er warf einen schnellen Blick auf Allday.»Aber wenn ich ungelegen komme…»

Bolitho winkte, und nachdem Allday die Kajute verlassen hatte, sagte er:»Fassen Sie sich kurz, Mr. Borlase, ich mochte noch vor Mittag mit den Zwolfpfundern exerzieren. «Er wu?te, weshalb der Leutnant gekommen war, und auch das deprimierte ihn.

Borlase leckte sich die Lippen.»Ich hatte Anla?, einen Matrosen ins Logbuch eintragen zu lassen, Sir.«»Peterson, ich wei?.»

Leutnant Borlase verriet kurz seine Uberraschung, ehe er hastig fortfuhr:»Verstehe, Sir. Aber ich erwarte, da? Mr. Herrick eine angemessene Strafe verhangte. Peterson war herausfordernd und unbotma?ig gegenuber einem

Vorgesetzten gewesen, und zwolf Peitschenhiebe sind das mindeste, was er verdient!»

Beim Sprechen hatten sich seine Wangen gerotet. Wie ein reizbares, aber triumphierendes Kind, das bei seinem Erzieher eine Schwache entdeckt hat, dachte Bolitho. Er entgegnete ruhig:»Der beleidigte Bootsmannsmaat war Schultz. Stimmt das?«Er wartete nicht auf Antwort, sondern fuhr im gleichen sachlichen Ton fort:»Er ist ein ausgezeichneter Seemann, und wir sind froh, ihn zu haben. Aber noch vor zwei Jahren konnte er kein einziges Wort sprechen, au?er in seiner Muttersprache Deutsch. Der Wortschatz, den er nun beherrscht, besteht aus Redensarten und dem Slang der Seeleute, aus den Kommandos, die er braucht, um zu gehorchen oder zu befehlen. «Borlase blickte Bolitho verstandnislos an.»Ich verstehe nicht..»

«Sie hatten sich die Muhe machen sollen, der Sache nachzugehen. «Bolitho spurte, wie der Zorn in ihm aufstieg; warum nur waren Leute wie Borlase niemals in der Lage, aus ihren Fehlern zu lernen?» Dann hatten Sie es mit einem Minimum an Aufwand geregelt. Ich horte, da? Peterson einen Befehl nur langsam befolgte und da? Schultz ihn anschrie, er gehore eher an den Galgen als auf eine Gro?rah. «Er wartete und beobachtete, wie sich Borlases Finger wie Klauen offneten und schlossen.»Nun, war es so?»

«Ja, Sir. Etwa so. Darauf nannte Peterson Schultz ein Schwein und einen hartherzigen Teufel. «Borlase nickte nachdrucklich.»Deshalb habe ich befohlen, ihn unter Deck zu bringen.»

Bolitho verschrankte die Hande hinter dem Kopf. Er spurte, wie ihm der Schwei? uber die Brust rann; das Hemd, heute frisch angezogen, klebte wie ein nasser Fetzen an ihm. Vielleicht hatte es sich auf der verschwundenen

Er sagte:»Petersons Vater wurde seinerzeit in Exeter wegen Mordes und Diebstahls gehenkt. Aber er war zu unrecht beschuldigt worden; der wahre Morder wurde ein Jahr spater gefa?t und hingerichtet. «Sein Ton wurde harter.»Doch Petersons Familie war bereits von den Freunden des Toten aus ihrem Heim vertrieben worden. Sie wurden zwar rehabilitiert, aber zu spat. «Er sah Borlase bla? werden und fugte hinzu:»Ich mache Schultz keinen Vorwurf daraus, da? sein Wortschatz begrenzt ist, aber ich kann auch Peterson keinen Vorwurf machen. Schon die Erwahnung eines Galgens, wie beilaufig sie auch erfolgte, wurde selbst mich an seiner Stelle in Wut versetzen.»

Borlase murmelte stockend:»Tut mir leid, Sir, das wu?te ich nicht.»

«Und das mache ich

Borlase drehte sich um und verlie? die Kabine, und einige Augenblicke verharrte Bolitho ganz still in seinem Sessel, lie? die Gerausche des Meeres das wilde Schlagen seines Herzens ubertonen.

Allday sagte:»Eine schone Standpauke, Captain.«»Ich hatte Ihnen befohlen, den Raum zu verlassen!«Er erhob sich, wutend uber sich selbst, weil sein Temperament mit ihm durchgegangen war, und uber Allday, weil der es so gelassen hinnahm.

«Das habe ich, Captain!«Allday machte ein undurchdringliches Gesicht.»Ich dachte, Sie hatten mich wieder gerufen.»

Bolitho lenkte ein.»War es denn so laut?»

Allday grinste.»Ich habe Schlimmeres erlebt. Aber ich nahm an, Sie hatten noch dringende Dinge zu erledigen und wollten vielleicht daran erinnert werden.»

«Danke. «Er spurte, da? sich sein Mund zu einem Lacheln verzog.»Aber Sie sind verdammt unverschamt.»

Der Bootsfuhrer nahm Bolithos alten Degen von der Schottwand herunter und rieb mit seinem Hemd daran.»Ich werde ihn mal wieder polieren, Captain. Es konnte uns Gluck bringen.»

Bolitho blickte zum offenstehenden Skylight empor, als nackte Fu?e hastig uber Deck klatschten und er das plotzliche Knarren von Blocken und Rauschen der Leinwand horte. Die Wache an Deck trimmte Segel und Rahen. Kam mehr Wind auf? Sprang er um? Bolitho erhob sich schnell und ging an Deck.

Keen hatte noch die Wache, und er war so kompetent und zuverlassig, wie ein junger Offizier nur sein konnte. Doch Bolitho kannte seine gro?e Schwache: Keen wurde eher sterben, als seinen Kommandanten zu Hilfe rufen, wenn der Wind umsprang oder auffrischte.

Bolitho erreichte das Achterdeck und sah die Matrosen an den Brassen die Rahen so trimmen, da? die Segel wieder voll zogen.

Starling, Steuermannsmaat der Wache, legte die Hand an die Stirn und meldete:»Der Wind raumt, Sir. Und frischt auch auf.»

Seine Stimme war besonders laut, wohl um seinen Leutnant zu warnen, da? der Kommandant in der Nahe war. Bolitho blickte auf den Kompa? und uberprufte die Stellung der Segel. Sie waren straff und prall gefullt. Mit etwas Gluck konnten sie ein paar Stunden lang einen Knoten schneller fahren.

Keen kam von der Achterdeckreling herbeigeeilt, das Gesicht besorgt.

Bolitho nickte gelassen.»Geschutzexerzieren in einer Stunde, Mr. Keen. «Er sah die Uberraschung und die Erleichterung auf Keens Gesicht.»Stimmt etwas nicht?«Keen schluckte hart.»N-nein, Sir. Alles klar. Ich dachte nur… «Er brach ab.

Bolitho wandte sich wieder dem Heck zu. Aus Keen wurde nie ein guter Lugner werden.

Keen sah ihm nach, dann flusterte er eindringlich:»Hat er etwas gesagt, Mr. Starling?»

Der Steuermannsmaat musterte ihn vergnugt. Wie die meisten an Bord mochte er Keen. Viele junge Offiziere waren, wenn sie erst einmal den Rang eines Leutnants hatten, zu arrogant, um noch mit einfachen Seeleuten zu sprechen.

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