Nahkampf der Giganten: Flaggkapitan Bolitho bei der Blockade Frankreichs - Kent Alexander 3 стр.


«Nein, Sir. «Seine Augen huschten durch die geraumige Kajute.»Dies hier war sein Zuhause, Sir. Er hatte keine Familie, blo? das Schiff. «Wieder schluckte er, als habe er schon zuviel gesagt.»Kann ich abraumen, Sir?»

Bolitho nickte nachdenklich und trat wieder ans Fenster. Das war die bisher beste Erklarung. Unter Turner war die

eine schwimmende Behausung geworden, eher ein Lebensraum als ein Kriegsschiff. Und ihre Besatzung, seit drei Jahren ohne Feindberuhrung oder sonstige gro?e Harten fern von England, war vermutlich ebenso unvorbereitet auf die Anforderungen, die Blockade und Krieg an sie stellen wurden.

Zweimal im Lauf des Tages war Quarme, der Erste Offizier, bei Bolitho gewesen, um zu melden, wie es voranging. Auf Bolithos beilaufige Fragen hatte er mehr oder weniger zugegeben, da? Turner zwar ein guter Kapitan gewesen war, aber keine Initiative entwickelt hatte. Jedoch war es schwierig herauszufinden, was Quar-me wirklich dachte. Er war achtundzwanzig Jahre alt, ruhig, ve r-schlossen, und machte den Eindruck eines Mannes, der auf seine Chance wartete. Daran mochte er durchaus recht tun — uberall wurden Schiffe in Dienst gestellt, und es gab bereits Ausfalle durch Tod und Verwundung. Wenn nichts dazwischenkam, konnte Quarme noch in diesem Jahr ein eigenes kleines Kommando erhalten. Bolitho war zuerst stutzig geworden, weil Turner keine Beurteilung des Leutnants hinterlassen hatte, die ihn fur dergleichen qualifizierte. Inzwischen aber hatte er sich ein Bild von seinem Vorganger gemacht, und es begann ihm zu dammern, da? Turner wahrscheinlich gewunscht hatte, das Schiff und alles an Bord, einschlie?lich der Offiziere, moge so bleiben, wie es war. Eine einleuchtende, aber egoistische Haltung.

Es gab noch einen weiteren Faktor in Turners Personlichkeit, der ihm zu schaffen machte. Unter den privaten Papieren, die Quarme nach Turners Tod geoffnet hatte, fand sich so etwas wie ein Testament. Es enthielt ein paar Legate an einige entfernte Verwandte — aber was Bolitho auffiel, war das sauber geschriebene Kodizill am Schlu?:». und dem nachsten Kommandanten dieses Schiffes hinterlasse und vermache ich alle meine Mobel und Ausrustungsgegenstande, meinen Weinvorrat und meine personliche Habe in der aufrichtigen Hoffnung, da? er alles auch weiterhin zu seinem und des Schiffes Nutzen verwenden moge.»

In der Tat ein merkwurdiges Vermachtnis. Erst wollte Bolitho alles durch Allday einpacken und in die Garnison bringen lassen. Aber dann hatte er es sich anders uberlegt, denn in seiner Ungeduld, zur

zu sto?en, hatte er England in hochster Eile verlassen und fuhrte — abgesehen von seinen Uniformen und einigen wenigen privaten Habseligkeiten — nichts mit sich, was das Leben an Bord eines Linienschiffes erleichtern konnte. Nun, wahrend er sich in der gro?en Kajute umsah, war er doch nicht ganz mit dieser Losung zufrieden. Es war, als hatte er Turner, indem er auf dessen ausgefallenen Wunsch einging, die Moglichkeit gegeben, noch an Bord zu bleiben. Er mochte tot und bestattet sein, aber hier in der Kapitanskajute schien das Gedenken an ihn fast in der Luft zu hangen, als sei er noch personlich gegenwartig.

Wieder klopfte es, und diesmal war es Quarme. Er trug den Hut unterm Arm, und uber seine dienstlich-gemessene Miene spielten Sonnenreflexe.»Offiziere wie befohlen in der Messe versammelt, Sir«, meldete er. Noch wahrend er sprach, wurden an Deck vier Glasen* der Nachmittagswache angeschlagen — er mu?te wohl drau?en vor der Tur auf den richtigen Moment gewartet haben.

* An Bord wird jede halbe Stunde durch Glockenschlage markiert. Eine Wache dauert vier Stunden, also acht Glasen. Die Bezeichnung ruhrt von der Drei?ig-Minuten-Sanduhr (= Stundenglas) her, fruher dem einzigen Zeitmesser an Bord (d. U.).

«Recht so, Mr. Quarme. Ich bin bereit. «Er nahm den Uniformrock von der Stuhllehne, ruckte die Halsbinde zurecht und zog ihn an.»Ich bin mit dem Logbuch fertig, Sie konnen es mitnehmen.»

Quarme antwortete nicht, sondern blickte auf den alten Degen, der am polierten Schott hing. Alldays erste Handlung war es gewesen, ihn dort aufzuhangen; und als Bolitho den Blicken Quarmes folgte, dachte er an seinen Vater und Gro?vater. Selbst im hellen Sonnenlicht sah der Degen schwarzlich und alt aus. Doch auch wenn er nichts anderes von Falmouth mitgebracht hatte als diesen Degen, ware ihm der mehr wert gewesen als alles, was er sonst besa?. Halb und halb erwartete er, da? Quarme eine Bemerkung machen wurde. Herrick hatte das getan. Aber diese Vergleiche waren unnutz. Kalt befahl er:»Gehen Sie voran, bitte!»

Seit seinem allerersten Kommando, der winzigen Schaluppe

hatte Bolitho immer darauf geachtet, da? er seine Offiziere so bald wie moglich naher kennenlernte. Wahrend er jetzt hinter Quarme auf das Achterdeck hinaustrat und die breite Stiege zum Hauptdeck hinunterschritt, fragte er sich, wie seine neuen Untergebenen beschaffen sein wurden. Jedesmal befiel ihn bei solchen Anlassen eine gewisse Nervositat, obwohl er sich oft genug gesagt hatte, da? gespannte Erwartung viel eher Sache der anderen war.

Die Offiziersmesse lag direkt unter seiner eigenen Kajute; wie dort liefen die Heckfenster uber die ganze Breite des Raumes. Aber an den Wanden lagen winzige Schlafkammern, und in den Ecken standen dicht an dicht Seekisten und alles mogliche, was zur personlichen Ausrustung der einzelnen gehorte. Auch zwei Geschutze der oberen Batterie von Zwolfpfundern befanden sich im Raum; und Bolitho empfand eine fluchtige Befriedigung daruber, da? seine eigenen Raume nicht wie dieser hier aus- und umgeraumt werden mu?ten, wenn» Klar Schiff zum Gefecht «befohlen wurde; dabei gab es immer ein furchtbares Durcheinander, und manches ging zu Bruch.

Die Messe war ziemlich voll, die Anwesenden mu?ten stehen, denn Bolitho hatte ausdrucklich befohlen, da? au?er den funf Leutnants und den Offizieren der Marine-Infanterie auch die Midship-men und hoheren Deckoffiziere anwesend sein sollten. Diese letzteren bildeten, wie er aus hart erworbener Erfahrung wu?te, das wahre Bindeglied zwischen Achterdeck und Mannschaftslogis.

Er setzte sich ans obere Ende des langen Tisches und legte den Hut auf die zusammengerollte Karte.»Setzen Sie sich, meine Herren, oder bleiben Sie stehen — ganz nach Belieben. Meinetwegen brauchen Sie Ihre Gewohnheiten nicht zu andern. «Hofliches Gelachter — der Kommandant war genaugenommen nur Gast in der Offiziersmesse; was passieren wurde, wenn man ihm diese Gastfreundschaft versagte, war jedoch eine andere Frage. Bolitho rollte die Karte auf und war sich dabei bewu?t, da? aller Augen mehr an ihm als an der Karte hafteten.

«Wie Sie vorhin gehort haben, sollen wir zu Lord Hood sto?en. Es gibt in Toulon gewisse Elemente — Franzosen zwar, doch strikt gegen die gegenwartige revolutionare Regierung —, die mit einiger Nachhilfe durchaus einen Umsturz einleiten konnten. Wenn wir unsere Starke zeigen und jede Gelegenheit nutzen, um den Schiffsverkehr des Feindes zu schadigen, haben wir eine Chance, diese Situation zu fordern. «Er schaute auf und sah das blasse Gesicht des kleinen Seton, von den Schultern zweier Offiziere eingerahmt. Gleichmutig fuhr er fort:»Etwa Mitte Juni wird Lord Hood genugend Krafte versammelt haben, um all das zu ermoglichen. Jedes Schiff wird gebraucht. Daher ist es von grundlegender Wichtigkeit, da? jeder einzelne Offizier sein Au?erstes tut, um den Ausbildungsstand und damit die Kampfbereitschaft zu verbessern. «Sein Blick uberflog die gespannten Gesichter.»Vermutlich werden wir in nachster Zeit keine Gelegenheit haben, unsere Fehlstellen aufzufullen — ist das klar?»

Leise sagte Quarme:»Ich glaube, der Zweite Offizier hat eine Frage, Sir.»

Bolitho blickte hinuber zu einem mude und gelangweilt dreinschauenden Offizier, der auf einer Seekiste sa?.»Ihr Name ist mir entfallen«, sagte er.

Der Leutnant sah ihm kuhl ins Gesicht.»Sir Philip Rooke, Sir.»

Sein Ton klang keinesfalls aufsassig, trotzdem konnte Bolitho die Herausforderung in den blassen Augen des Leutnants erkennen.

«Ja, Mr. Rooke, und Ihre Frage?«Bolithos Stimme war ebenso unbewegt.

Gleichmutig erwiderte Rooke:»Wir sind jetzt drei Jahre auf See. Das Unterwasserschiff ist grasgrun und die

so langsam wie eine alte Kuh. «Ein zustimmendes Murmeln lie? sich horen, und Rooke fuhr fort:»Captain Turner war davon uberzeugt, da? wir vor Brest abgelost und noch in diesem Monat nach Portsmouth zurucksegeln wurden.»

Bolitho musterte ihn nachdenklich. Rooke war also der erste, der die Maske fallenlie?. Trocken erwiderte er:»Captain Turner ist tot.

Aber ich bin davon uberzeugt, er hatte sich auf keinen Fall die Chance entgehen lassen, mit der

seine Pflicht zu tun.»

Rowlstone, der Schiffsarzt, ein kleiner, ungesund aussehender Mann mit tiefgefurchtem, talgwei?em Gesicht, sprang auf.»Ich habe getan, was ich konnte, Sir! Er starb an Herzversagen. «Mit wilden Augen blickte er sich um.»An seinem Schreibtisch! Ich konnte ihm nicht mehr helfen, verstehen Sie?»

Rooke starrte ihn wutend an.»Was wissen Sie denn, Mann? Sie sind doch eher ein Schlachter als ein Arzt!»

Ashby, der Hauptmann der Marine-Infanterie, zog den Bauch ein und schnippte ein Staubchen von seiner handschuhengen Uniform.»Kommandant Turner war ein guter Mann. Wir vermissen ihn alle, jawohl. «Er sah Bolitho fest ins Gesicht.»Bin aber Ihrer Ansicht, Sir. Wir haben schlie?lich Krieg. Ah — Hauptsache: kampfen. Ja-woll.»

«Danke, Captain Ashby«, lachelte Bolitho trocken.»Das ist sehr beruhigend.»

Dann blickte er hinuber zu Gossett, dem Segelmeister* und Steuermann. Der war ein Kerl wie ein Fa?, und obwohl er am Tisch sa?, war sein Kopf fast in gleicher Hohe mit dem des verzweifelten Schiffsarztes, der immer noch stand.»Und Sie, Mr. Gossett? Was ist Ihre Meinung?»

Gossett legte die Fauste auf die polierte Tischplatte und blickte sie nachdenklich an — sie waren auch ein Anblick: wie zwei Schinkenknochen. Mit tiefer Stimme antwortete er:»Wir haben einen tuchtigen Vorrat an Spieren und Segeln, Sir. Sie mag ja ein alter

Kasten sein, aber sie kann immer noch mit besseren und jungeren Fahrzeugen mithalten. «Er grinste so breit, da? die kleinen blanken Augen fast im gebraunten Gesicht verschwanden.»Ich hab mal so'n * Navigationsoffizier (»Master«) und fur die unmittelbare Schiffsfuhrung verantwortlich (d.U.).

alten Vierundsiebziger aus 'ner Schlacht rausgesegelt, mit nur einem

Mast, und das ganze untere Geschutzdeck vollgeschlagen!«Er gluckste, als ware das ein riesiger Spa? gewesen. «Die

Alle Mann

»Sie alle!»

noch gar nicht reif war. Er verhielt einen Augenblick und starrte in die turmhohen Masten und auf die winzigen Gestalten, die wie sorglose Affen dort oben herumwerkten.

Allday kam ubers Deck.»Ich habe Gimlett gesagt, da? er Ihr Seezeug rauslegt, Captain. «Er atmete tief ein und fuhr fort:»Ich bin froh, da? ich wieder auf einem Schiff segele. Ich hatte ein bi?chen die Nase voll von den Hugeln — jeden Tag derselbe Anblick!»

Bolitho fuhr herum, aber er beherrschte sich. Es ware zu billig gewesen, den Arger uber seine Mudigkeit und die unbefriedigende Dienstbesprechung an Allday auszulassen.

«Wenigstens werden die Frauen in Falmouth eine Weile vor Ihnen Ruhe haben, Allday!»

Der Bootsmann sah Bolitho nach, bis dieser unter der Kampanje verschwunden war, und grinste dann ubers ganze Gesicht.»Der braucht keine Angst zu haben. Er hat sich nicht verandert, und so leicht wird ihn auch nichts andern!«Dann lehnte er sich gegen die Finknetze und starrte uber die Bucht auf die verankerten Schiffe.

* Ein damals bei den britischen Streitkraften gebrauchlicher Spottname fur die Franzosen frog-eaters = Froschfresser, wegen ihrer Vorliebe fur gebackene Froschschenkel). Vergleichbar dem Ausdruck >Krauts

Hyperion

Aber als er in das helle Sonnenlicht hinaustrat, konnte er den Unterschied nicht nur sehen, sondern auch fuhlen. Vor ein paar Minuten war ein Midshipman atemlos in die Kajute gerannt gekommen und hatte gemeldet, da? die schwache Brise endlich auffrische; und er sah selbst, wie der Wimpel im Masttopp peitschend ausschlug und die neugesetzten Segel sich mit frischen Kraften spannten.

Quarme drehte sich von der Achterdeckreling zu ihm um und fa?te an den Hut.»Ich habe Bramsegel setzen lassen, Sir. Hoffen wir, da? der Wind sich halt. «Er sah uberanstrengt aus.

«Er wird schon, Mr. Quarme. «Bolitho war ohne Rock und Hut. Er fuhlte mit einer Art sinnlichem Behagen, wie der Wind sein Hemd aufplusterte und ihm die trockenen Lippen kuhlte.»Wir konnen gleich auch noch die Royals setzen.»

Er stutzte sich mit den Handflachen auf die von der Sonne ausgedorrte Reling und blickte auf das Hauptdeck hinunter. Die sechzehn Kanonen der Steuerbordbatterie waren ausgerannt, und die Geschutzbedienungen, nackt bis zum Gurtel, waren beim Exerzieren. Vom unteren Geschutzdeck her vernahm er das Quietschen und

Rumpeln der Lafetten, als die schweren Vierundzwanzigpfunder es den oberen Geschutzen nachtaten. Ohne aufzublicken, sagte er:

«Funfzehn Minuten haben Sie heute fur >Klar Schiff

Hyperion erschreckend unzulanglich war.

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