Galeeren in der Ostsee: Konteradmiral Bolitho vor Kopenhagen - Kent Alexander 9 стр.


Es war schlimm heute, dachte Allday, schlimmer als seit langer Zeit. Der Schmerz war noch da, in Deckung wie ein wildes Tier, aber bereit, hervorzubrechen und ihn zu vernichten.

Er folgte Bolitho an die kalte Luft, beobachtete, wie er den beiden Danen die Hande schuttelte, bevor er sie zum Fallreep begleitete und zusah, wie sie in ihr Boot kletterten. Dann ein Lacheln zu Neale und noch ein Handschlag mit dem danischen Lotsen, der dem Master auf ihrem letzten Stuck des Wegs beistehen sollte.

Pascoe ging mit einigen Seeleuten vorbei, um das Beiboot der Fregatte zum Aussetzen klarzumachen, falls es verlangt wurde.

Wieder sah Allday ihren kurzen Austausch von Blicken, wie zwischen Brudern. Worte waren dabei uberflussig.

Aber diesmal ware Allday gern ohne das Privileg ausgekommen, diese Beziehung zu kennen und zu teilen. Er kannte Bolitho zu gut, als da? er sich durch seine au?erliche Ruhe tauschen lie?. Es war kein leichtes Geheimnis, da? er fur sich behalten mu?te.

In einer schonen Stadt wie Kopenhagen an Land zu gehen, war ein besonderes Erlebnis fur Bolitho. Er ware gern auf den Platzen herumgestreift, die von eindrucksvollen Bauten und hohen, mit gruner Patina bedeckten Turmen gesaumt waren und aussahen, als ob sie schon seit Ewigkeiten stunden. Dazwischen gab es einladende kleine Gassen, die Bolitho nur kurz aus dem Fenster des Wagens sah, den Inskip ihm zum Hafen geschickt hatte.

Genau wie die danischen Behorden wollte Inskip zu jeder Tageszeit wissen, wo sich ein britischer Admiral, der die Stadt besuchte, aufhielt. Bolitho fragte sich, was der Kutscher wohl getan hatte, wenn er ihm befahl, einen anderen Weg einzuschlagen.

Als er sich an Bord fur seinen Besuch in Inskips Buro vorbereitet hatte, waren Neale und seine Offiziere gerade dabeigewesen, den Hafen und nicht zuletzt die franzosische Fregatte, die so weit entfernt wie uberhaupt moglich ankerte, eingehend zu studieren. Der Ankerplatz war voll danischer Kriegsschiffe, aber trotz ihrer eindrucksvollen Gro?e und Zahl konzentrierte sich die Aufmerksamkeit der Zuschauer auf diese beiden Fregatten. Sie versinnbildlichten — lediglich getrennt durch einen Streifen Wasser und ein aufmerksames Wachboot — den Krieg und alles, was damit zusammenhing; den Krieg, der — wenn es nach den Russen ging — auch die Danen mit verschlingen wurde.

Die franzosische Fregatte hie?

Browne, der das an ihnen vorbeiziehende Panorama entzuckt beobachtet hatte, sagte auf einmal:»Wir sind da, Sir!»

Der Wagen rasselte durch einen niedrigen Torweg in einen schmuk-ken Privathof. Die Gebaude ringsum sahen irgendwie amtlich aus. Zwei Lakaien eilten einige Stufen herab, um Bolitho zu empfangen.

Es war kalter geworden, Neales Master hatte Schnee vorausgesagt. Erst Nebel, danach Schnee — es war, als hore er den alten Grubb.

Inskip erwartete ihn vor einem prasselnden Kaminfeuer. Er trug eine Perucke, aber sie machte ihn alter statt junger, was erstaunlich war.

Er sagte:»Gut, da? Sie so schnell gekommen sind. Ich habe weitere Informationen uber den Franzosen eingeholt. Es hei?t offiziell, er liege hier, um Sturmschaden auszubessern. Danemark will Frankreich nicht provozieren, indem es der

Bolitho sagte:»Wenn die

Inskip schuttelte entschlossen den Kopf.

Browne hustelte taktvoll.» Das ist ein ungeschriebenes Gesetz, Sir.»

«Ich verstehe. «Bolitho schaute ins Feuer.»Dann kann ich nichts anderes tun als warten und mu?ig herumsitzen, wahrend der Franzmann bestimmt? Jeden Tag, jeden Augenblick kann ein anderer Kurier ankommen. Konnen Sie nicht einen schnellen Boten zu meinem Geschwader senden? Wenn drau?en eine andere britische Fregatte lage, konnten die Plane des franzosischen Kommandanten ein schnelles Ende finden.»

Inskip lachelte.»Sie sind wirklich ein Mann der Tat. Aber ich furchte, die Danen wurden das als Mi?brauch der Gastfreundschaft ansehen und Ihr Schiff als Gegenma?nahme beschlagnahmen.»

Bolitho erinnerte sich an Brownes Bemerkung auf der

«Das sollten die erst mal versuchen!»

«Machen Sie keinen Fehler. Die Danen konnten und wurden es tun. Ich habe aus meinen eigenen Informationsquellen gehort, da? es Plane gibt, notfalls den Hafen zu sperren und alle Bojen und Seezeichen, die den Weg hineinweisen, zu entfernen. Die Danen haben hier eine ansehnliche Flotte zusammengezogen und werden sie einzusetzen wissen. «Er hammerte mit der Faust in die andere Handflache.»Wenn die Franzosen blo? nicht Malta aufgegeben hatten, oder — genauer gesagt — wenn doch unsere Flotte diesmal etwas weniger erfolgreich gewesen ware!»

Browne sagte ruhig:»Dann hatten sie anderen Zundstoff fur ihr Feuer gefunden, Sir. Mit Beschwichtigungen kann man sich Zeit erkaufen, aber nicht mehr.»

Inskip hob die Augenbrauen.»Ihr Adjutant ist sehr scharfsinnig,

Bolitho. Ein Jammer, da? er des Konigs Rock tragt. Ich konnte ihm einen Posten in Whitehall verschaffen.»

Bolitho seufzte.»Was raten Sie mir also, Sir?»

Inskip antwortete uberzeugt:»Abwarten. Ich treffe ubermorgen den danischen Minister und werde versuchen, seine Stimmung zu ergrunden. Mag sein, da? ich Sie dabei benotige, daher schlage ich vor, da? Sie heute in diesem Hause ubernachten. Es erspart uns Zeit und erregt weniger Verdacht. Wenn der franzosische Kommandant sich entschlie?t, abzusegeln, wird er wahrscheinlich mit Ihrem Geschwader zusammensto?en, sobald er Skagen gerundet hat. Wenn er aber in die Ostsee einlauft, wird er sich mit den Schweden oder vielleicht sogar mit der russischen Flotte treffen wollen, falls das Eis ihm nicht zu gefahrlich ist.»

Ein Lakai mit Perucke trat leise durch eine reich verzierte Flugeltur ein.

«Verzeihung, Sir, aber da unten sind zwei, hm, Personen, die verlangen, vor den Admiral gefuhrt zu werden. «Inskip fragte sanft:»Wer sind sie?»

Im gleichen zuruckhaltenden Ton erwiderte der Lakai:»Seeleute, glaube ich, Sir. Der eine sagte, er sei ein Bootssteurer, der andere ist so etwas wie ein Diener.»

Bolitho grinste: Allday und Ozzard.

«Gut, da? Sie nicht versucht haben, meinen Bootssteurer wegzuschicken. Das hatte schlimmer ausgehen konnen als ein Zusammentreffen mit den Franzosen.»

Inskip befahl dem Lakai, Allday und seinen Gefahrten in einen geheizten Raum zu fuhren. Dann sagte er:»Die Angelegenheit brachte wenigstens ein Lacheln auf Ihr Gesicht, Bolitho. Das steht Ihnen besser.»

Bolitho wandte sich an Browne.»Sie kehren zum Schiff zuruck und berichten Kapitan Neale. Sagen Sie ihm, er soll auf jedes Boot achten, das langsseits der Ajax geht, und auf alles, was nach ungewohnlichen Vorbereitungen aussieht.»

Doch war es unwahrscheinlich, da? Neale diesen Hinweis brauchte.

Als Bolitho mit Inskip allein war, fragte er:»Nehmen wir an, der Zar erfahrt vom Schicksal Maltas, bevor Sie eine feste Neutralitatserklarung der Danen in der Tasche haben, was dann?»

Inskip betrachtete ihn ernst.»Der Zar mag seine Idee einer bewaffneten >Neutralitat des Nordens

Bolitho nickte.»Danke, da? Sie mir das ohne Beschonigung erklart haben. Dies sind Tatsachen, an die ich mich halten kann. Napoleon wird sicher dafur gesorgt haben, da? dem

Inskip sah ihn nachdenklich an.»Moglicherweise haben Sie recht. Aber das ist dann Ihre Angelegenheit, nicht meine, dem Himmel sei Dank.»

Drei Stunden spater kam Browne vom Schiff zuruck. Die

Er mu?te eingeschlafen sein, denn als nachstes kam ihm zu Bewu?tsein, da? Inskip, mit einer langen Zipfelmutze wie ein Kobold aussehend, ihn am Arm schuttelte, wahrend aus einem offenbar mit Menschen gefullten Korridor Licht hereinfiel.

«Was ist los?»

Er sah Allday, grimmig und wachsam, als erwarte er einen Uberraschungsangriff, und Ozzard, der seine Seekiste uber den Fu?boden zog wie ein Strandrauber seine Beute.

Inskip stie? hervor:»Ich habe es gerade erfahren: Der Franzose ist Anker auf gegangen, obgleich nur Gott wei?, wie weit er kommen wird. Es schneit verteufelt stark.»

Bolitho war im Nu auf den Fu?en und griff schon nach seinem Hemd, als Inskip nuchtern hinzusetzte:»Ein Schoner brachte noch schlimmere Neuigkeiten: Mehrere britische Schiffe sind von den Russen beschlagnahmt worden. Jetzt werden die Danen, ob sie wollen oder nicht, in den Krieg hineingezwungen.»

Browne drangte sich durch die Gruppe der Diener und Lakaien. Er war uberraschenderweise komplett angezogen.

Bolitho rief ihm zu:»Holen Sie einen Wagen!»

Browne antwortete ruhig:»Ich habe die Neuigkeiten gehort, Sir, und schon einen besorgt. Er wartet unten.»

Inskip stand zwischen Bolitho und dem aufgeregten Ozzard.»Sie kennen die Spielregeln. Sie durfen erst segeln, wenn ein Tag vergangen ist!»

Bolitho sah ihn ernst an.»Wo werden die britischen Handelsschiffe festgehalten, Sir?»

Inskip war einen Augenblick nicht auf der Hut.»Bei der Insel Got-land, soviel ich wei?.»

Bolitho sa? auf der Bettkante und zwangte seine Fu?e in die Stiefel.

«Ich werde dahin segeln, nicht zuruck zu meinem Geschwader. Und was Spielregeln angeht: Ich habe oft erfahren, da? sie Befehlen gleichen. «Er packte Inskips Arm.»Sie mussen den augenblicklichen Gegebenheiten angepa?t werden.»

Als sie zusammengequetscht im Wagen sa?en und die Rader lautlos uber den immer dicker werdenden Schneeteppich rollten, sagte Browne:»Ich gehe jede Wette ein, da? auch der Franzose uber die britischen Schiffe Bescheid wei?, Sir. Er wird sie sich holen wollen, ohne da? jemand den Finger ruhrt, ihn daran zu hindern.»

Bolitho lehnte sich im Sitz zuruck und sammelte seine Gedanken.»Au?er uns, Mr. Browne. Au?er der

Es war ein geisterhaftes, fast unwirkliches Schauspiel, als die Matrosen bei ihren verschiedenen Tatigkeiten wie trunken vor der Kulisse der schneebedeckten Takelage und Kanonen herumschlitterten.

Er versuchte, nuchtern zu planen, seine Gedanken auf das zu konzentrieren, was kommen konnte. Aber von dem Augenblick an, als sie Anker gelichtet und sich in einer Schneebo aus dem Hafen hinausgestohlen hatten, hatte das Wetter jedem vorausschauenden Denken Einhalt geboten.

Sie waren jetzt zwolf Stunden unterwegs, und von Rechts wegen hatte Tageslicht herrschen sollen. Auf ihren Kurs nach Sudosten, auf dem sie sich — von einem scharfen schwedischen Wind ubel gezaust — muhsam vorwartsgekampft hatten, waren ihre Bewegungen immer krampfhafter, ihre Manover bei jedem Wachwechsel langsamer geworden. Und wahrend der ganzen Zeit waren die Schneemassen auf stehendem und laufendem Gut angewachsen.

Bolitho hatte Muhe zu verhindern, da? seine Zahne klapperten. Trotz seines dicken Wachmantels fror er bis ins Mark. Dabei dachte er an die unglucklichen Ausguckposten im Mastkorb, die zwar nach weniger als einer Stunde abgelost wurden, aber dann gro?e Muhe hatten, herunterzuklettern und sich unter Deck wieder aufzuwarmen.

Angenommen, es war alles umsonst? Sein Zweifel wuchs mit jeder muhsam zuruckgelegten Meile. Bolitho nahm an, da? — je mehr der Tag sich in die Lange zog — jeder Mann an Bord seinen Namen verfluchte. Angenommen, der Franzose war ganz woanders hingefahren? Er konnte schon langst vor Herricks Kanonen geraten sein.

Kapitan Neale kam muhsam ubers Achterdeck zu ihm, das pausbak-kige Gesicht knallrot vor Kalte.»Darf ich vorschlagen, da? Sie nach unten gehen, Sir? Die Leute wissen doch, da? Sie an Bord sind und an ihrer Seite, was auch geschehen mag.»

Bolitho beobachtete schaudernd, wie der Gischt, der am Bug hochgeschleudert wurde, auf den Netzen zu Tausenden glitzernder Edelsteine gefror. Neale hatte die Stuckpforten des Oberdecks an der Leeseite offnen lassen, denn wenn das uberkommende Wasser nicht sofort abflo?, sondern sich vor den Speigatten staute und dort gefror, konnte es gefahrlich werden. Schon manches Schiff, auch gro?er als eine Fregatte, war unter einer durch Eis entstandenen Schlagseite gekentert.

Er fragte:»Wo stehen wir jetzt?»

«Der Master versicherte mir, da? wir die Insel Bornholm in Lee haben, etwa funf Meilen entfernt. «Neale wischte sich mit den Fingern die Nasse aus dem Gesicht.»Ich mu? mich auf ihn verlassen, Sir, denn wir konnten auch sonstwo sein, wenn Sie mich fragen.»

Neale ging auf seinen Ersten Offizier zu, der sich zu ihm vorkampfte, und Bolitho rief ihm nach:»Machen Sie sich meinetwegen keine Gedanken, Captain Neale. Der kalte Wind verschafft mir wenigstens einen klaren Kopf.»

Er dachte an ihren schnellen Aufbruch von Kopenhagen und hatte gern gewu?t, ob jemand ihr Auslaufen beobachtet hatte. Er bezweifelte es. Aber bei Tagesanbruch hatte Mr. Inskip sicher ein paar peinliche Fragen beantworten mussen.

Browne hatte sich so unverblumt geau?ert, wie er sich traute:»Ich glaube, es ist falsch, da? Sie selber den Franzosen jagen. Sie konnen die

Einige Zeit spater, als die

Browne hatte betrubt geantwortet:»Damals war er Kommandant. Verantwortung ist zweischneidig: Sie kann nach beiden Seiten verletzen. «Man horte, wie er die Hand auf Pascoes Schulter legte.»Aber ich bewundere Sie fur Ihre Treue, glauben Sie mir.»

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