Der Brander: Admiral Bolitho im Kampf um die Karibik - Kent Alexander 16 стр.


«Klar zum Segelkurzen, Mr. Quantock!»

Keen stellte fest, da? er am ganzen Leib zitterte wie ein Mann der soeben dem Tod entronnen war.

Dann erkannte er zum erstenmal die Lichter der Stadt, sie schimmerten durch die Gischt wie winzige Juwelen.

Achates

«Bemannt die Leebrassen!«Quantock warf seinem Kommandanten einen Blick zu.»Ich habe beide Anker klar zum Fallen, Sir, und einen Leutnant an den Kettenkneifer gestellt. Wenn die Trosse bei diesem Sturm bricht…«Er lie? den Satz unvollendet.

Keen musterte ihn gelassen.»Bitte, machen Sie weiter.»

Er konnte an Quantock keine Veranderung feststellen, dachte er mit einer gewissen Genugtuung. Warum sollte sich der Mann auch wegen einer gewissenlosen Tollkuhnheit verandern? Denn genau das hatte er eben begangen, wenn er es recht bedachte.

«Gei auf Bramsegel!»

Keen wandte den Blick nach oben, wo plotzlich hektische Bewegung entstand. Die Toppsgasten hatten eine Meisterleistung vollbracht, dachte er, sie hatten ihr Leben, ihr Schiff und ihren Stolz bewahrt, wie nur Seeleute das konnten.

«Leeruder!»

Wieder legte sich das Deck scharf uber, und Alldays Barkasse zog am herumschwingenden Bugspriet vorbei, als suche sie ihr Heil in hastiger Flucht. Aber Sturm und See hatten fur den Augenblick an Gewalt verloren. Ihre Revanche wurde noch kommen, spater.

«La? fallen Anker!»

Keen horte das Platschen und spurte ein leichtes Erzittern der Planken, als der zweite Anker, der an seinem Kranbalken klar zum Fallen hing, gegen den Rumpf schlug.

Blocke quietschten, als die unsichtbaren Toppsgasten langsam, aber sicher die widerspenstige Leinwand zu ihren Rahen aufholten und festzurrten.

Sofort lie?en die Schiffsbewegungen nach, und Keen befahl so gelassen er konnte:»Setzt die restlichen Boote aus. Und bringt achtern einen Warpanker aus. Mr. Rooke soll sich bei mir melden. «Und als Quantock verbittert schwieg, setzte er hinzu:»Au?erdem nehmen Sie bitte eine allgemeine Musterung vor. Und melden Sie mir die Verluste.»

An seinem Ellbogen stand plotzlich eine kleine Gestalt, Ozzard, Bolithos Steward, mit einem silbernen Becher in der Hand.»Hier, Sir.»

Keen setzte ihn an die Lippen und verschluckte sich fast an dem starken Rum. Aber er erzielte die von Ozzard beabsichtigte Wirkung.

«Danke. «Keen reichte den Becher zuruck, es war einer von Bo-lithos eigenen.»Das hatte ich notig.»

Gemeinsam sahen sie zu, wie Gig und Jolle an ihren Davits ausgeschwungen und zu Wasser gelassen wurden. Manner hasteten nach achtern, wahrend die Bootsmannsgehilfen ihre Anweisungen fur das Ausbringen des Warpankers bellten. Auf den blankgescheuerten Planken sah das dicke Tau aus wie eine endlose Schlange.

Schuchtern fragte Ozzard:»Ob er in Sicherheit ist, Sir?»

Keen sah einen Leutnant und Harry Rooke, den Bootsmann, auf sich zukommen; ungeduldig erwarteten sie seine Befehle, aber in Ozzards Stimme hatte eine Dringlichkeit gelegen, die von ihm eine Antwort verlangte.

Sicherheit? Wann verschwendete die Kriegsmarine schon Gedanken an die Sicherheit eines einzelnen? Vertrauen zahlte da schon eher. Und Zuversicht. Beides besa?en Manner wie Allday, fur die Bolithos Wort und Reputation alles andere aufwog, selbst ihr Leben.

Lachelnd wandte er sich dem Steward zu.»Jedenfalls wird er uns morgen eine Menge zu tun geben, Ozzard. Zumindest das wei? ich genau.»

Ozzard nickte strahlend und hoppelte davon. Diese Antwort genugte ihm vollauf.

IX Knapp davongekommen

Eine Hand schuttelte Bolitho wach, und er regte sich mit einem unterdruckten Stohnen. Hatte er wirklich geschlafen? Der Schreck daruber weckte ihn endgultig.»Was ist denn, Mann?»

Leutnant Mountsteven starrte ihn neugierig an, als konne er es selbst nicht glauben, da? er diesen steinigen Graben mit seinem Vizeadmiral teilte.

«Es dammert schon, Sir. Die Leute sind auf den Beinen.»

Bolitho setzte sich und rieb seine brennenden Augen; jetzt fiel ihm auch auf, da? der Wind fast eingeschlafen war.

Er erinnerte sich an die Nacht wie an eine Halluzination. Als er uber den Grabenrand auf die glitzernde Wasserflache spahte, sah er wieder vor sich, wie

Er mu?te grinsen. Der Korporal wirkte in seiner makellosen roten Uniform so untadelig im Vergleich zu seinem Admiral in schmutzigem Hemd und mit wirrem, staubigem Haar.

Die Festung hullte sich noch in Dunkelheit, aber der Gipfel des Vulkans trug schon eine graue Mutze.

Mountsteven reichte ihm eine Huftflasche heruber.»Ich lasse das Schiff beobachten, Sir«, sagte er.»Aber die Marineinfanterie wird es schon zu verhindern wissen, wenn sie eine Kanone so in Stellung bringen wollen, da? es unter Direktbeschu? genommen werden konnte.»

Bolitho hob die Flasche an die Lippen und lie? den starken Brandy brennend uber seine Zunge rinnen. Jetzt hing alles von Rivers ab. Wenn ihm genug Zeit blieb, schaffte er seine schwere Artillerie bestimmt auf eine andere Bastion, von wo aus er die

Bolitho nickte, wahrend sein wie eingefrorener Verstand die sparlichen Nachrichten zu verarbeiten suchte. Die erste Aufregung uber die Vernichtung der Schwimmsperre und ihren Durchbruch in den Hafen mu?te sich inzwischen gelegt haben, Rivers sein Selbstvertrauen allmahlich zuruckgewinnen.

Bolitho erhob sich steif und wischte sich mit dem Armel uber das Gesicht. Was fur eine verfahrene Situation! In England wurde man mit Recht die Notwendigkeit bezweifeln, da? hier Menschenleben geopfert wurden, um den Franzosen einen Vorteil zu verschaffen. Mit einem lautlosen Fluch verdrangte er diesen Gedanken; nur seine Hoffnung auf eine gluckliche Zukunft mit Belinda flusterte ihm solche Skrupel ein. Kein Wunder, da? ihn die jungen Offiziere wie Mount-steven oder Scott mit heimlichem Befremden musterten. Auch er hatte in ihrem Alter niemals an die privaten Sorgen seiner Vorgesetzten gedacht, an ihre Rucksichtnahme auf die eigene Familie, die sie vielleicht zogern lie?, wenn es ans Kampfen ging.

Aber dann schuttelte er diese Stimmung ab. Ein Leben ohne Belinda schien ihm unertraglich. Aber ein Leben ohne Ehre konnte er ebensowenig ertragen.

Vom Ufer klang ein erschreckter Anruf herauf und dann Alldays gedampfte, aber wutende Stimme:»Ich bin's doch, du blindes Huhn! Sei leise, oder ich brech' dir das Genick!«Er rutschte in den Graben hinunter und schielte unsicher zu den drei Offizieren heruber.

Bolitho lachelte.»Ihr habt heute nacht ein Wunder vollbracht. Das war gute Arbeit!»

Erst jetzt schien Allday zu begreifen, da? die eine der drei abgerissenen Figuren Bolitho war; wei? schimmerten seine Zahne im Halbdunkel, als er breit zu grinsen begann.

«Danke, Sir.»

Scott sagte:»Mir kam's so vor, als seid ihr auf ein Patrouillenboot gesto?en, Allday.»

Allday betrachtete ihn, schien zu uberlegen, ob ein blo?er Leutnant seiner Aufmerksamkeit wurdig war, aber dann antwortete er doch.»Stimmt, Sir. «Er fuhr mit der Hand quer uber seine Kehle.»War aber kein Problem.»

Das ohrenbetaubende Krachen eines einzelnen Kanonenschusses lie? einige der Umstehenden erschreckt zusammenfahren. Kreischend und krachzend flatterten Vogel scharenweise vom Wasser und aus den Uferbuschen auf. Aller Augen folgten den Rauchschwaden, die vom Festungswall aufstiegen, gefolgt vom dumpfen Einschlag eines Volltreffers.

Bolitho ruckte seinen Sabelgurt zurecht und sagte knapp:»Sie nehmen

Also wollte Rivers' Miliz sie angreifen, ehe sie ihre Stellungen auf der Insel befestigen konnten, und eine schnell herbeigeschaffte Kanone sollte das verankerte Schiff in den Boden bohren.

«Kapitan Keen wird sich beeilen mussen«, stellte Bolitho fest.»Und wir sollten ihm etwas Zeit verschaffen.»

Schon nahm ihre nahere Umgebung und die Gruppe zusammengedrangter Seeleute im Morgengrauen deutlichere Umrisse an. Ruhig fragte Mountsteven:»Was haben Sie vor, Sir?»

«Zu verhandeln. «Und die erstaunte Reaktion des anderen scharf unterbindend, setzte er hinzu:»Ich brauche zwei Freiwillige — sofort.»

Wieder feuerte die Kanone, und Bolitho zwang sich, nicht zusammenzuzucken. Diesmal war kein Einschlag zu horen, aber bald mu?te der Richtschutze sein Ziel im zunehmenden Licht gut erkennen konnen.

Brummig korrigierte Allday:»Nur

Bolitho wunderte sich, da? die Manner immer noch zum Grinsen aufgelegt waren.

«Halt! Keinen Schritt weiter!»

Bolitho blieb still stehen und blickte zu den Festungsmauern auf, die sich drohend uber ihnen erhoben. Er glaubte, ein metallisches Klicken zu horen, und konnte sich gut vorstellen, wie ein Scharfschutze ihn ins Visier nahm, wei?e Fahne oder nicht. Wieder stieg Verbitterung in ihm auf. Wen wurde ihr Tod schon kummern? Uberall waren Hunderte, Tausende von Seeleuten und Soldaten gefallen, fur die verschiedensten Zwecke, und wer erinnerte sich noch an sie oder an den Grund ihres Sterbens?

Er formte einen Schalltrichter mit beiden Handen.»Ich will mit Sir Humphrey Rivers sprechen!»

Die Antwort war ein hohnisches Auflachen.»Sie meinen wohl kapitulieren, Sir!»

Bolitho ballte die Fauste. Also hatte er richtig vermutet, Rivers hielt sich da oben auf. Sonst hatten die unbekannten Gegner mit einer spottischen Abfuhr reagiert, ihn fur seinen Irrtum verhohnt.

Allday murmelte:»Ich zeig's dem Schweinehund, von wegen kapitulieren!»

Eine andere Stimme rief:»Ach, Sie sind das, Bolitho! Ich dachte schon, wir hatten ein paar Bettler vorm Tor!»

Bolitho merkte, da? er sich entspannen konnte, jetzt, da Rivers ihm wirklich gegenuberstand.

«Bitte, sagen Sie doch — was kann ich fur Sie tun, bevor ich Sie und Ihre Rabauken gefangennehme?»

Bolitho fuhlte sein Herz gegen die Rippen schlagen, als sei es der einzige Teil seines Korpers, der noch spontan reagieren konnte. War es nicht schon viel heller geworden? Ohne das Sturmgewolk der vergangenen Nacht hatte bereits heller Tag geherrscht.

Irgendwo hinter der Mauer horte er den Ruf:»Feuerbereit, Sir!»

Aber Rivers wollte die Situation ausgiebig genie?en.»Einen Moment noch, Tate. Ich mochte horen, worum unser stolzer Admiral mich bittet.»

Bolitho flusterte seinen Begleitern zu:»Sie konnen nicht feuern, so lange Rivers da oben ist. Er steht genau zwischen der Kanone und dem Schiff. «Laut rief er:»Ich fordere Sie auf, das Feuer einzustellen und Ihre Miliz zuruckzubeordern. Sie haben keine Chance, uns zu besiegen. Und Ihre Leute mussen sich klar daruber sein, welch hohen Preis sie fur den Angriff auf ein englisches Kriegsschiff zahlen werden.»

Dabei stellte er sich vor, wie seine Worte hinter den Festungsmauern von Mund zu Mund gingen. Trotzdem, Rivers' Leute waren uberwiegend Einheimische, wahrscheinlich nicht viel besser als Piraten, obwohl die wahrend des Krieges erfundene, zartfuhlende Umschreibung >Freibeuter

Er rief hinauf:»Ich gehe zu meinen Leuten zuruck, Sir Hum-phrey…«An seinem Hals zuckte ein Nerv, als er plotzlich ein entferntes, aber wohlvertrautes Rumpeln horte. Diesmal wandte er sich nicht um, wagte es auch nicht, Rivers aus den Augen zu lassen, als das dumpfe Poltern wie abgehackt verstummte.

Rivers hatte es ebenfalls gehort.»Wozu soll das gut sein?«rief er.»Keine Ihrer Kanonen kann diesen Mauern auch nur einen Kratzer beibringen. «Aber das klang schon nicht mehr ganz so selbstsicher; vielleicht hatte das Poltern, mit dem Achates' Kanonen ausgefahren wurden, auch bei ihm alte Erinnerungen heraufbeschworen, genau wie bei Bolitho.

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