Der Brander: Admiral Bolitho im Kampf um die Karibik - Kent Alexander 2 стр.


Das neue Schiff — wie mochte es sein? Allday war selbst erstaunt uber seine Neugier. Sein Posten als Bootsfuhrer des Vizeadmirals machte ihn zwar unangreifbar, aber er war doch zu sehr Seemann, um nicht auf das neue Schiff gespannt zu sein.

Kein Linienschiff ersten Ranges, mit hundert oder mehr Kanonen, nicht mal eines mit 74 Kanonen wie die

Mit ihren 21 Jahren war sie ein Veteran und hatte alle moglichen Schlachten und Gefechte erlebt. Meist war sie in der Karibik stationiert gewesen und unzahlige Male von ihrem Heimathafen auf Antigua zum sudamerikanischen Festland und zuruck gesegelt.

Etwas unbehaglich fragte sich Allday, warum gerade sie zu Bolithos Flaggschiff bestimmt worden war. Wahrscheinlich blo? wieder so eine Hirnverbranntheit von oben, sagte ihm sein gradliniger Verstand. Fur seine Verdienste und Leiden um England hatte Bolitho langst der Adelstitel gebuhrt, war Alldays Meinung. Aber an hoherer Stelle schienen nur zu oft Ha? und Mi?gunst dem Mann entgegenzuschlagen, fur den Allday jederzeit sein Leben geopfert hatte.

Dann dachte er an den Abschied, dessen Zeuge er gerade geworden war. Ein schones Paar, diese beiden: die bezaubernde Lady mit den langen, kastanienbraunen Flechten und der junge Vizeadmiral, dessen rabenschwarzes Haar noch keine wei?e Strahne aufwies.

Auf dem Sitz gegenuber sah Bolitho zu, wie Alldays Kopf langsam auf die Brust sank; er spurte die Kraft des Schlummernden und war dankbar, da? er ihm schweigend Gesellschaft leistete. An Land hatte Allday einige Pfunde zugenommen und wirkte jetzt so, als konne nichts und niemand ihn umwerfen. Trotz seines Kummers mu?te Bo-litho lacheln. Er hatte Allday erlebt, wie er sich mit lowenhaftem Mut uber das blutige Deck zu ihm durchschlug, aber auch, wie er mit Tranen in den Augen seinen verwundeten Kommandanten nach unten ins Lazarett trug. Nein, ein Schiff ohne Allday konnte er sich nicht vorstellen.

Auch nicht sein neues Flaggschiff, das ihn zu diesem Sondereinsatz nach Amerika und in die Karibik tragen sollte.

Wenigstens war der Kommandant ein alter Freund: Valentine Keen, vor langer Zeit einer von Bolithos Seekadetten, der seither bei den verschiedensten Gelegenheiten Freud und Leid mit ihm geteilt hatte. Der letzte Kommandant der

Sie fuhren an einer Gruppe Feldarbeiter vorbei, die an einem Gatter lehnten und Apfelwein aus groben irdenen Krugen tranken. Bolitho sah, da? einige zur Kutsche aufblickten, einer hob sogar gru?end die Hand. Bald mu?te man es in und um Falmouth wissen: Wieder war ein Bolitho ausgezogen. Ob er wohl zuruckkehren wurde?

Abermals dachte er an Belinda, die er in dem weitlaufigen alten Steinhaus allein zurucklassen mu?te. Hoffentlich… Aber er war nicht der erste Marineoffizier, der fort mu?te, wenn ihn seine Frau oder seine Familie am meisten brauchte. Bolitho strich uber die neue Goldlitze an seinem Rock und setzte sich gerade. Genausowenig wie er der letzte war, dem dies geschah.

Der Friede konnte nicht dauern, mochten die Politiker das auch uberall herumposaunen. Zu viele Leben waren geopfert worden, zu viele Ungerechtigkeiten nicht gesuhnt.

Wenn England sechzig von seinen hundert Linienschiffen au?er Dienst stellte und gut vierzigtausend Matrosen und Seesoldaten nach Hause entlie?, dann hatte Frankreich doch mit Blindheit geschlagen sein mussen, um nicht seinen Vorteil aus solcher Vertrauensseligkeit zu ziehen.

Aber es war besser, uber

Und jetzt, so wollte es die Ubereinkunft mit Frankreich, sollte diese Insel als Geste des guten Willens zuruckgegeben werden. Aber es war nicht mehr die gleiche Insel. Als Admiral Rodneys Schiffe sie 1782 erobert hatten, nur ein Jahr nach

Als Gouverneur regierte dort zur Zeit ein pensionierter Vizeadmiral, Sir Humphrey Rivers, Ritter des Bath-Ordens. Er hatte San Felipe zu seiner Lebensaufgabe gemacht und den Hafen in Georgetown umbenannt, was die endgultige Zugehorigkeit der Insel zum britischen Weltreich noch unterstreichen sollte.

Georgetown besa? einen geschutzten Naturhafen, und der Handel mit Rohrzucker, Kaffee und Melasse bluhte. Der wachsende Wohlstand war vor allem der Sekundarbevolkerung aus afrikanischen Sklaven zu danken.

Admiral Sheaffe hatte Bolitho erklart, da? San Felipe wahrend des Krieges zwar ein wichtiger Stutzpunkt gewesen war, von wo aus die Seewege nach Jamaika kontrolliert und feindliche Freibeuter bekampft werden konnten, da? die Insel aber im Frieden nur eine Belastung darstelle und nicht mehr gebraucht werde.

Schon damals hatte Bolitho das nicht eingeleuchtet, und jetzt, als die Kutsche bergab fuhr und in der Ferne sich der Blick auf die See offnete, kam ihm das Ganze noch absurder vor.

War die Insel so wichtig gewesen, da? viele fur sie sterben mu?ten, dann war sie es doch gewi? wert, da? man sie behielt?

Bolitho empfand die Ubergabe als einen Verrat, der mehr Indolenz verriet, als er seinem Land jemals zugetraut hatte. Und warum hatte man damit ihn beauftragt, nicht einen jener wendigen Politiker?

Sie brauchten einen Mann, der ebenso taktvoll wie tapfer handeln konnte, hatte Sheaffe gesagt.

Das entlockte Bolitho nur ein grimmiges Lacheln. Solche und ahnliche Begrundungen hatte er schon oft gehort. Wenn die Sache gut ausging, heimsten andere die Ehre ein. Aber machte er auch nur

Aber Browne als Flaggleutnant wurde er vermissen. Seit Browne ihm als Adjutant beigegeben worden war, hatte er diesen intelligenten und im Umgang mit Admiralitat und Regierung geschulten Mann schatzen gelernt. Doch vor einigen Monaten war sein Vater gestorben, und Browne war jetzt Herr uber einen Landbesitz, dessen Ausma? Bolithos Vorstellungsvermogen fast uberstieg.

Zum Abschied war Browne allerdings noch einmal nach Cornwall gekommen. Fur beide war es eine schmerzliche Trennung gewesen, und Bolitho hatte sich damals entschlossen, seinen Neffen Adam Pas-coe als neuen Adjutanten anzufordern. Auch wenn es Bolitho widerstrebte, seine Befugnisse fur eine private Gunst zu benutzen, glaubte er, ihm diesen Dienst schuldig zu sein; zu viele junge Offiziere sa?en ohne Aufgabe und Sold an Land. Schlie?lich liebte er seinen Neffen wie einen Sohn, und sie hatten manchen Kampf gemeinsam bestanden. Die neue Erfahrung konnte ihm nutzlich sein.

Browne jedoch hatte nur ein skeptisches Stirnrunzeln fur Bolithos Adjutantenwahl. Vielleicht wollte er ihn damit warnen, einen nahen Verwandten auf einen Posten zu setzen, dessen Inhaber im Notfall unparteiisch beiseitestehen mu?te. Aber es schien Bolitho wichtiger, da? Adam mit seinen 21 Jahren jetzt, da er diese Chance fur seine Karriere am dringendsten brauchte, nicht ohne neue Kommandierung auf ein Schiff blieb.

Bolitho lehnte den Kopf ans warme Leder der Sitzbank.

Also Valentine Keen, Adam und Allday. Zusammen mochten die drei noch uber sich hinauswachsen. Aber andere vertraute Gesichter erwarteten ihn wohl nicht an Bord.

Achates

Agamemnon

Die Pferde fielen in Schritt, weil vor ihnen eine Schafherde die schmale Landstra?e uberquerte. Eine junge Frau, ihr Kind auf der Hufte und den Mittagsimbi? fur ihren Mann in einem Bundel in der anderen Hand, starrte die vorbeifahrende Kutsche an. Sie nickte Bo-litho durchs Fenster zu und lachelte mit blitzenden Zahnen.

Bolithos Gedanken kehrten zu Belinda zuruck und dem Kind, das sie erwartete. Wurde es ein Sohn werden, der — getreu der Familientradition — einst an Deck eines Schiffes der neuen Generation stehen sollte? Oder eine Tochter, die heranwachsen und das Herz eines Mannes gewinnen wurde — Garanten einer Zukunft, die er vielleicht nie erleben durfte? Belinda hatte er von seiner Mission nur wenig erzahlt. Der Anla? hatte sie vielleicht verbittert, wenn sie erst Zeit fand, daruber nachzudenken.

Dabei fiel ihm wieder der Gouverneur von San Felipe ein, der sein kleines Reich bald dem alten Feind ubergeben mu?te. Allday, der ihm gegenuber nun fest schlief, hatte uber Sir Humphrey Rivers, Ritter des Bath-Ordens, einiges beisteuern konnen. Denn Allday sammelte und hortete Informationen uber das Gehen und Kommen bei der Flotte wie eine Elster glitzernde Glasperlen.

Wahrend der Amerikanischen Revolution hatte Rivers eine Fregatte namens

Rivers hatte franzosische Freibeuter gejagt, Prisen aller Art und Gro?en erbeutet und sich damit bald einen Namen gemacht. Doch vor der Chesapeake Bay hatte er in seinem Eifer, eine amerikanische Brigg zu stellen, die Gefahr unterschatzt und war mit seiner

Bolitho verzog das Gesicht. Nicht einmal dann, wenn ihm diese Plane von einem im Rang ebenburtigen Offizier unterbreitet wurden.

Die Rader holperten durch tiefe Schlaglocher, und Bolitho unterdruckte ein Aufstohnen, als die Erschutterung wie eine gluhende Kralle durch seine alte Schenkelwunde fuhr.

Vor ihrer Ehe hatte er deshalb an Hemmungen gelitten, aber Belinda hatte ihm auch hierbei geholfen. Gelegentlich zwang ihn der Schmerz zu einem leichten Hinken, und er hatte sich vor ihr wie ein Kruppel gefuhlt.

Er wurde unruhig, als er an ihre nachtliche Beruhrung dachte, an die Warme ihrer weichen Haut. Zartliche Worte murmelnd, hatte sie sich uber ihn gebeugt und die ha?liche Narbe geku?t, die eine Musketenkugel und das Skalpell des Chirurgen hinterlassen hatten. Fur sie war die Verletzung eher ein Grund zum Stolz als eine grausame Demutigung.

All das und mehr blieb nun mit jeder Umdrehung der Rader weiter hinter ihm zuruck. Er furchtete die Nacht, wenn die Kutsche fur den ersten Pferdewechsel in Torbay halten wurde. Nein, dann ging er doch lieber gleich an Bord und lief mit der ersten gunstigen Tide aus, das lie? keine Zeit fur Gram und Sehnsucht.

Wie dachte wohl Allday insgeheim daruber, da? es mit dem Landleben vorbei war und er wieder einer Ungewissen Zukunft entgegenfuhr?

Die Flagge im Fockmast… Allday schien ehrlich stolz darauf zu sein. Aber das wurden Manner wie Admiral Sheaffe wohl nie begreifen.

II Der neue Bolitho

Kapitan Valentine Keen trat aus dem Schatten des Huttendecks und schlenderte zu den Backwordwanten hinuber. Wohin ersah, war alles eifrig bei der Arbeit, auf dem Achterdeck, dem Batteriedeck und hoch oben in den Masten und Rahen.

Der wachhabende Offizier tippte gru?end an seinen Hut und schritt dann taktvoll zur anderen Decksseite hinuber. Wie alle an Bord bemuhte er sich, einen stark beschaftigten Eindruck zu machen und sich vom Erscheinen des Kommandanten nicht uber Gebuhr ablenken zu lassen.

Keens Blicke wanderten uber sein neues Schiff. Er hatte sich in seiner Gig schon rund um die

Seeklar. Es war die ureigenste Entscheidung des Kommandanten, ab wann dieser Zustand galt. Danach, wenn der Anker eingeschwungen und der Bug seewarts gerichtet war, gab es kein Zuruck mehr.

Das Wetter war warm und feucht fur Mai, und die schutzenden Landzungen hullten sich in leichten Dunst. Keen hoffte, da? trotzdem ein leichter Wind aufkommen wurde. Denn Bolitho drangte bestimmt ungeduldig aufs Auslaufen, wollte dem Land den Rucken kehren, wenn auch aus anderen Grunden als Keen.

Er beschattete die Augen und spahte zum Fockmasttopp hinauf.

Das Schiff strahlte Selbstvertrauen aus und den spurbaren Eifer, bald wieder in See zu stechen, bevor es das Schicksal so vieler anderer, stillgelegter Artgenossen teilen mu?te. Keens altes Schiff, die

Achates' fruherer Kommandant hatte sie sieben Jahre lang befehligt. Seltsam, da? er trotz dieser langen Zeit seinem Quartier keinen personlichen Stempel aufgepragt hatte. Vielleicht hatte er alles in die Mannschaft investiert. Die Leute machten einen zufriedenen Eindruck, auch wenn wahrend der Uberholung die ubliche Zahl an Deserteuren zu verzeichnen gewesen war. Schlie?lich gab es Frauen, Kinder und Freundinnen an Land, die nach der langen Trennung fast nicht mehr wiederzuerkennen waren. Keen vermochte die Leute nur schwer dafur zu tadeln, da? einige dem Lockruf des Landes erlegen waren.

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