Der Brander: Admiral Bolitho im Kampf um die Karibik - Kent Alexander 4 стр.


Auch Bolitho sah jetzt seinen Neffen an. Der Augenblick war da, den er bisher aufgeschoben hatte, aber sie mu?ten die leichte Brise zum Auslaufen nutzen. Er merkte, da? Yovell ihn anstrahlte, und begann sich plotzlich zu fragen, ob er das Richtige tat.

Zu Keen sagte er:»Ich komme gleich an Deck, Kapitan Keen.»

Dann nahm er den versiegelten Brief zur Hand und vergewisserte sich, da? es der richtige war. Ein Griff nach seinem Hut, den Ozzard ihm hinhielt, und er schritt mit Keen zur Tur.

«Wahrscheinlich ein dummes Versehen, Sir«, meinte Keen.

Doch im Vorbeigehen druckte Bolitho seinem Neffen den Brief in die Hand.»Ich bin oben, wenn du mich brauchst«, sagte er dabei.

Verwirrt begleitete Keen seinen Vizeadmiral aus dem Schatten des Huttendecks hinaus und an dem gro?en Doppelrad vorbei, wo die Ruderganger und der Steuermannsmaat gespannt darauf warteten, da? der Anker ausbrach.

Uberall wimmelte es von Matrosen und Soldaten. Die Toppgasten waren langst aufgeentert und hingen wie Affen auf den oberen Rahen, um die lose aufgegeiten Segel fallen zu lassen. Alle Brassen waren bemannt, und die Decksoffiziere und Maaten beobachteten ihre Abteilungen mit Argusaugen, wahrend das Ankerspill klickte, begleitet vom Wimmern der Fiedel. Der Admiralsflagge im Fockmast war sich auch der letzte Mann bewu?t.

Allday stand neben einem der Zwolfpfunder auf dem Achterdeck, als ihm plotzlich auffiel, da? Ozzard vergessen hatte, Bolitho den alten Familiensabel umzuschnallen. Mit einem lautlosen Fluch rannte er davon und sturzte an dem verblufften Wachtposten vorbei in die Heckkajute.

Doch er erstarrte, als er Pascoe mitten im Raum stehen sah, ein geoffnetes Schriftstuck wie vergessen in der herabhangenden Hand.

Wie Yovell, der fast alle Briefe fur den Vizeadmiral schrieb, wu?te auch Allday, was in dem Schriftstuck stand. Es hatte ihn tief bewegt, da? er zu den wenigen Eingeweihten gehorte.

«Alles in Ordnung, Sir?«fragte er.

Als sich der junge Leutnant ihm zuwandte, gewahrte Allday mit Schrecken, da? seine Wangen tranenna? waren.»Nicht doch, Sir! Er wollte Ihnen eine Freude machen!«»Eine Freude?«So geistesabwesend, als begreife er die Welt nicht mehr, machte Pascoe ein paar Schritte zur Wand und zuruck.»Und Sie wu?ten davon, Allday?«»Aye, Sir. Gewisserma?en.»

Allday war in seinem Leben weit herumgekommen, und Bolitho hatte schon ofter erklart, da? er es mit einer ordentlichen Erziehung zu sehr viel mehr gebracht hatte als bis zum Seemann. Aber er mu?te gar nicht lesen konnen, um zu verstehen, warum Kapitan Keen uber den Titel auf dem Umschlag so erstaunt gewesen war.

Der Brief war adressiert an: >Seine Hochwohlgeboren Adam Bo-litho, Flaggleutnant auf Seiner Britannischen Majestat Kriegsschiff

Allday go? Brandy in ein Glas und brachte es dem Leutnant, den er kannte, seit er mit vierzehn Jahren als Kadett auf Bolithos alter

angemustert hatte.

«Hier bitte, Sir.»

Adam fa?te sich allmahlich.»Sie wollen wissen, ob ich mich freue«, sagte er leise.»Meine Empfindungen lassen sich nicht in Worte fassen. Er mu?te doch nicht.»

Allday hatte gern ebenfalls einen Schluck getrunken.»Aber es war sein Wunsch. Schon lange.»

Das Deck unter ihren Fu?en krangte leicht, als das Schiff unter Mars- und Vorsegeln in der schwachen Brise Fahrt aufnahm.

Allday hob den abgewetzten alten Sabel von seinen Haken an der Wand und betrachtete ihn. Beim letzten Mal hatten sie ihn beinahe fur immer verloren. Eines Tages wurde er also diesem jungen Mann gehoren, dem Ebenbild des anderen oben an Deck.

Leutnant Adam Bolitho wischte sich die Augen mit der Manschette trocken.»Dann wollen wir mal, Allday. «Aber ganz hatte er sich noch nicht wieder gefangen. Er ergriff den Bootsmann am Arm und murmelte:»Bin ich froh, da? Sie eben hier waren. «Grinsend folgte ihm Allday aus der Kajute.

Der junge Spund freute sich also wirklich, dachte er. Das mochte er ihm auch geraten haben. Anderenfalls hatte er ihn trotz seines Offiziersranges ubers Knie gelegt und versohlt.

Adam trat in den Sonnenschein hinaus. Er sah nicht die erstaunten Blicke, die ihm folgten, horte auch nicht den unterdruckten Fluch eines vorbeihastenden Matrosen, der fast mit seinem Flaggleutnant zusammengesto?en ware. Er nahm Allday den Sabel aus der Hand und schnallte das Gehenk um Bolithos Mitte.

Bolitho sah ihm dabei zu.»Danke, Adam«, sagte er mit Warme.

Der Leutnant nickte und suchte nach Worten, aber Bolitho nahm seinen Arm und fuhrte ihn beiseite, wandte sich mit ihm der welligen Kustenlinie zu, die querab vorbeizog und zuruckblieb, wahrend das Schiff in tieferes Wasser glitt.

«Spater, Adam. Wir haben noch viel Zeit.»

Der Erste Offizier hob sein Sprachrohr und spahte durch das Gewirr der Takelage nach oben.»Los Bramsegel!»

Er warf einen Blick zu der Gruppe, die in Luv stand: der noch jugendliche Vizeadmiral mit seinem Adjutanten; er wollte wohl sehen, ob das Schiff gut genug fur ihn war.

Allday war der Blick nicht entgangen. Ein Grinsen unterdruckend, dachte er: Junge, du hast noch eine Menge zu lernen. Du wei?t gar nicht, wieviel.

III Das Schiff ohne Namen

Die ganze erste Woche nach ihrem Auslaufen hatte

Die nervtotende Eintonigkeit wirkte sich auf die Stimmung an Bord aus. Nach dem Zeitdruck und der Aufregung des Aufbruchs fuhrte die plotzliche Untatigkeit des ofteren dazu, da? Aufsassigkeit und Streitsucht mit Auspeitschungen an der Grating geahndet werden mu?ten.

Bei einem solchen Strafvollzug hatte Bolitho Keens Miene genau beobachtet. Manche Kommandanten hatten sich davon nicht weiter erschuttern lassen, schlie?lich gehorte auch das zur Bordroutine; aber Keen war da anders. Bezeichnenderweise kam Bolitho gar nicht auf den Gedanken, da? er Keen auch darin in langen Dienstjahren selbst gepragt hatte.»Das Schlimmste daran ist«, hatte Keen bemerkt,»da? ich die Gefuhle der Delinquenten verstehen kann. Manche haben nicht ein einziges Mal den Fu? an Land gesetzt, seit sie aus Westindien zuruckgekehrt sind. Und jetzt mussen sie wieder hinaus. Sie sind dankbar dafur, da? ihnen Armut und Arbeitslosigkeit erspart bleiben, aber es emport sie, da? sie nicht besser behandelt werden als Gepre?te.»

Erst zu Beginn der zweiten Woche frischte der Wind aus Nordwest auf und erwe ckte das Schiff endlich wieder zum Leben; immer hoher wuchsen die beiden Gischtschwingen unter der verwitterten Galions-figur.

Die Ausguckposten in den Masttopps hatten bisher nur selten Segel an der verschleierten Kimm gesichtet, und auch diese Unbekannten waren stets schnell uber Stag gegangen und verschwunden. Heimkehrende Schiffe, die seit Monaten ohne Informationen uber die Vorgange in Europa waren, gingen kein Risiko ein, wenn ihnen ein Kriegsschiff begegnete. Veilleicht war inzwischen ein neuer Krieg ausgebrochen? Immer noch mochten manche Kapitane nicht wissen, da? langst ein Waffenstillstandsabkommen unterzeichnet worden war.

Die See schien

Aber Bolitho wu?te aus eigener bitterer Erfahrung, da? unter den beengten Verhaltnissen an Bord nichts so schnell in Meuterei umschlug wie Langeweile.

Er sa? gerade beim Fruhstuck — Brot und dunne Scheiben fettes Schweinefleisch — , als Keen sich bei ihm melden lie?. Bolitho bat ihn, Platz zu nehmen.»Kaffee, Val?«Keen setzte sich.

«Ich glaube, wir werden heimlich von einem fremden Schiff verfolgt, Sir.»

Bolitho lie? Gabel und Messer sinken. Keen war nicht der Typ, der zu Ubertreibung oder Phantasie neigte.»Wie das?»

«Vor zwei Tagen sichtete mein bester Ausguckposten ein Segel, ziemlich weit in Luv. Zunachst ma? ich dem nicht viel Bedeutung bei. Es konnte ein Handelsschiff sein, auf demselben Kurs wie wir.»

Er spurte Bolithos Neugier und fugte erlauternd hinzu:»Ich wollte niemanden unnotig beunruhigen. Aber Sie werden sich erinnern, da? wir gestern beigedreht lagen, wahrend wir mit den Steuerbord-Zwolfpfundern ein Ubungsschie?en auf Treibholz veranstalteten. Wahrenddessen blieb das fremde Segel die ganze Zeit an der Kimm. In dem Augenblick, als wir wieder Fahrt aufnahmen, folgte es uns, allerdings in weitem Abstand. «Er wartete vergeblich auf Bolithos Kommentar und sagte deshalb abschlie?end:»Es ist immer noch da.»

Die Tur ging auf, Adam trat mit einer Seekarte unter dem Arm herein.

Bolitho begru?te ihn lachelnd. Seit dem Tag des Ankerlichtens vor der Beaulieu-Mundung hatten sie nur wenige Worte uber seine Adoption gewechselt. Aber sie waren sich irgendwie nahergekommen, auch ohne gro?e Aussprache.

Er erinnerte sich, wie Belinda ihn zu diesem Schritt gedrangt und ermutigt hatte. Sie wu?te seit den Tagen ihrer ersten Liebe, was Bo-litho fur seinen Neffen empfand, was sie gemeinsam durchgemacht hatten. Fast horte er noch ihre Worte:»Wenn unser Kind geboren ist, dann soll Adam sich nicht zuruckgesetzt oder benachteiligt fuhlen. Tu' es um Adams, aber auch um meinetwillen.»

«Hast du das fremde Schiff gesehen, Adam?«fragte er.»Aye, Sir. Ich bin beim ersten Tageslicht aufgeentert. Es scheint sich um eine Fregatte zu handeln. Ich hatte das gro?e Signalteleskop mit hinaufgenommen, obwohl es sehr dunstig war. Das Rigg la?t auf ein gro?es

Kriegsschiff funfter Klasse schlie?en. Fur einen Indienfahrer oder ein anderes westwarts segelndes Handelsschiff ist er zu schnell.»

Keen orakelte:»Wenn er weiter so hoch am Wind bleibt, kann ich nie zu ihm aufkreuzen.»

Bolitho schuttelte den Kopf.»Aber damit verliert er kostbare Zeit.»

Trotzdem beunruhigte ihn die Nachricht. Falls es sich um ein Kriegsschiff handelte, dann verkorperte es eine Drohung, ganz gleich, wie sein Auftrag lautete. Was mochte seine Absicht sein? Und welches seine Nationalitat?

Die Mission der

«Halten Sie mich auf dem laufenden. Bei einer fur uns gunstigen Anderung der Windrichtung rucken wir ihm auf den Pelz. Andernfalls…«Er zuckte die Schultern.»Wir mussen eben abwarten, bis er seine Karten aufdeckt.»

Spater machte Bolitho seinen gewohnten Spaziergang auf der Luvseite des Achterdecks und merkte, da? er schon wieder an die Einwohner von San Felipe dachte, wahrend er auf- und abging. Wurden sie ihre neue Nationalitat hinnehmen? Und dann fiel ihm das fremde Schiff ein, das der

Er blieb beim Kompa? stehen und warf einen Blick darauf, obwohl er wu?te, da? seit Tagen derselbe Kurs anlag. Er merkte, da? die Ruderganger seinem Blick auswichen, und da? Segelmeister[5] Knocker sich plotzlich ganz in den Bericht eines Kadetten vertiefte.

Hallowes, der Vierte Offizier, war Wachfuhrer, und selbst er beugte sich mit betonter Konzentration uber die Querreling und beobachtete das Exerzieren mit den Achtzehnpfundern.

Ein Bootsmannsgehilfe schlenderte das Seitendeck in Lee heran; irgend etwas an ihm erregte Bolithos Aufmerksamkeit, so da? er ihn scharfer ins Auge fa?te.

Der Mann zogerte, schluckte krampfhaft und kam dann weiter auf ihn zu.

Bolitho sprach ihn an.»Kenne ich Sie nicht?«Und dann blitzte der Name plotzlich in seinem Gedachtnis auf.»Sie hei?en Christy, nicht wahr?»

Mit einem breiten Grinsen nickte der Mann.»Aye, Sir, das stimmt. Ich war Gro?toppgast auf der alten

«Ich erinnere mich. Wir hatten Sie damals beinahe verloren, als uns die Gro?maststenge weggeschossen wurde. «Bolitho nickte, ganz in seine Erinnerungen vertieft.

«War ein hei?er Kampf, Sir«, sagte der Seemann.»Der schlimmste Tag meines Lebens.»

Bolitho entlie? ihn lachelnd und nahm seinen Spaziergang wieder auf. Kopfschuttelnd hastete Christy weiter. Nach so langer Zeit erinnerte sich der Admiral noch an ihn, an ihn unter Hunderten von Mannern.

Quantock, der Erste Offizier, der mit Bootsmann Rooke und dem Schiffszimmermann Grace seine morgendliche Ronde ging, blieb stehen und winkte Christy heran.

«Hat sich wohl an dich erinnert, der Admiral, wie?»

Gru?end tippte Christy an seine Stirn.»Aye, Sir, er wu?te noch meinen Namen!»

«Also, dann steh nicht rum wie ein Mondkalb, sondern geh an deine Arbeit!»

Christy verzog sich nach achtern. Warum war der Erste so schlechter Laune?

Quantock hakte eine Liste ab, wie jeder gute Erste unaufhorlich mit seiner Bestandsaufnahme beschaftigt. Das Schiff war zwar uberholt worden, aber trotzdem turmte sich die Arbeit wie ein Berg vor ihm auf: Segel mu?ten erneuert oder geflickt werden, Boote mu?ten repariert, Pumpen und Flaschenzuge gewartet werden.

Quantock argerte sich uber sich selbst. Christy war ein guter Seemann und ein Freiwilliger dazu. Weshalb war diese plotzliche Feindseligkeit in ihm aufgeflammt?

Heimlich sah Quantock nach Luv hinuber, wo der Vizeadmiral immer noch auf und ab ging. Und uberhaupt, was war denn an dem Mann so besonders?

Der Bootsmann, ein Riese mit gefurchtem und zernarbtem Gesicht, wartete geduldig, da? sein Vorgesetzter mit der Morgenronde weitermachte. Christy gehorte zu seinen Gehilfen, und der unprovozierte Anraunzer des Ersten hatte ihn geargert. Doch Rooke — oder Big Harry, wie man ihn respektvoll nannte — erriet den Grund fur Quantocks schlechte Laune. Er war ein guter Erster Offizier, aber nur, wenn man es vom Standpunkt des Kommandanten sah. Zu den Leuten war er scharf, und in Disziplinfragen lie? er nicht mit sich reden.

Kapitan Glazebrook, der nach langen Wochen im Fieber gestorben war, hatte wegen seiner Krankheit die Ubersicht verloren. Quantock war wahrscheinlich nun der Meinung, da? ihm eine Beforderung gebuhre, am besten gleich der Befehl uber Achates. Rooke, der den Ersten nicht leiden konnte, verabscheute den Gedanken, da? dieser an Bord das Kommando haben konnte, wie eine Gotteslasterung.

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