Donner unter der Kimm: Admiral Bolitho und das Tribunal von Malta - Kent Alexander 14 стр.


Keen packte das Finknetz und starrte auf die streifigen, korallenroten Wolken. Flaute, Sturm und heller Sonnenschein: das Mittelmeerwetter war, als wurden standig die Seiten eines Buches umgeblattert.

Paget trat zu ihm und legte gru?end die Hand an den Hut.»Sollen wir Sonnensegel aufriggen, Sir?»

«Nein. Wir nehmen morgen gleich bei Sonnenaufgang das letzte Wasser an Bord. Ich will, nein, ich mu? so schnell wie moglich von hier weg. Ich spure in den Knochen, da? sich etwas zusammenbraut.»

Paget musterte ihn zweifelnd, wahlte aber seine Worte mit Bedacht. Fast jeder wu?te, wie Keen zu Bolitho stand.

«Die Verletzung scheint ernst zu sein, Sir«, sagte er.»Wenn er blind bleibt.»

Keen fuhr zornig zu ihm herum.»Verflucht, wie wollen Sie das wissen?«Doch er lenkte ebenso schnell wieder ein.»Das war unverzeihlich, bedaure. Wir mussen uns der Realitat stellen. Sobald

wieder klar ist, werde ich sie nach Malta schicken. Dort kann man ihre Verwundeten besser versorgen. Und ich werde dem Admiral auf diese Weise Meldung erstatten. «Er warf einen kurzen Blick in Pagets ausdrucksloses Gesicht.

Die Szene in der Kajute glich einem Gruppenbild: Stayt, noch immer in seinem fleckigen Rock, sa? auf der Heckbank und hielt ein volles Weinglas in der Hand. Ozzard polierte uberflussigerweise den Tisch, und Allday stand ganz still da und musterte den alten Degen, der wieder in seinem Halter hing. Yovell hockte zusammengesunken an Bolithos Kartentisch.

Keen schaute hinuber zum Schlafraum und dachte an Zenoria, die dort Tuson half. Der Arzt hatte sie darum gebeten.

«Neuigkeiten?«fragte Keen.

Stayt machte Anstalten, sich zu erheben, aber Keen winkte ab. Der Flaggleutnant erwiderte erschopft:»Der Verband ist gewechselt worden. Der Admiral hat nicht nur Sand, sondern auch Splitter in den Augen. «Er seufzte.»Ich befurchte das Schlimmste.»

Keen nahm von Ozzard ein Glas entgegen, das er rasch leerte. Er war so besorgt, da? er nicht einmal merkte, was er trank. Die Entscheidung lag nun bei ihm. Die anderen Kommandanten wurden gehorchen, aber ob sie ihm auch vertrauten, war eine andere Frage. Es mochte eine Ewigkeit dauern, bis

Malta erreichte oder sie wieder zu den anderen Schiffen des Geschwaders stie?en. Wie lange konnte Bolitho an Bord bleiben? Ihn nach Malta zu schik-ken, hatte den Verlust eines weiteren Schiffes bedeutet. Eine brutale Tatsache, aber eine, auf die Bolitho selbst als erster hingewiesen hatte.

«Offizier der Wache, Sir!«rief der Posten gedampft.

Ein Leutnant blieb in der Tur stehen.»Empfehlung des Ersten Offiziers, Sir, und die Boote sind bereit. Signal von

Icarus:

Der junge Leutnant war auf Keens

Phipps entfernte sich. Man merkte ihm an, da? er noch zu jung war, um Trauer mit einem Achselzucken abzutun.

«Kinder, alles Kinder. «Keen erkannte, da? er laut gesprochen hatte.»Ich komme zuruck, wenn die Boote abgelegt haben. Verstandigen Sie mich, wenn Sie vorher etwas horen.»

Stayt stand auf und ging zur Tur.»Das gilt auch fur mich.»

Allday drehte sich langsam um und schaute seine Kameraden an.»Ich hatte bei ihm sein sollen.»

Yovell setzte die Brille ab.»Sie hatten es auch nicht verhindern konnen.»

Allday horte ihn nicht.»An seiner Seite hatte ich sein sollen, wie immer. Das mu? mir der Junge noch erklaren.»

Ozzard schwieg, polierte aber um so heftiger.

Yovell bot Allday einen Schluck Rum an.

Allday schuttelte den Kopf.»Erst, wenn es vorbei ist. Dann sauf ich ein ganzes Fa? aus.»

Bolitho lag sehr still, die Arme an die Seiten gepre?t, in seiner Koje. Jeder Muskel seines Korpers schien angespannt zu sein.

Wie lange schon? Alle Eindrucke uberlappten einander: der Kutter, die Klagen der Verwundeten, dann der Augenblick, als er in ein Boot getragen wurde und eine vertraute Stimme sagen horte:»Aufpassen da!»

Was mu?te er fur ein Anblick gewesen sein! Dann weitere Hande, teils sanft, teils grob, als er in einen Bootsmannsstuhl gehoben und wie Fracht an der Bordwand hochgezogen wurde.

Tuson hatte ihn nur angesprochen, um sich zu erkennen zu geben, und dann sofort mit der Untersuchung begonnen.

Man schnitt ihm die Kleider vom Leib, tupfte ihm Gesicht und Hals ab, und dann wurde eine Flussigkeit aufgetragen, die in den Wunden hollisch brannte.

Den Verband nahm Tuson zuletzt ab. Bolitho spurte, wie er mit einer Schere behutsam aufgeschnitten wurde.

«Wie spat ist es?«fragte er.

«Bitte unterlassen Sie das Reden«, sagte der Arzt streng.

«Halten Sie diesen Spiegel«, befahl er jemandem.»So ist's recht. Wenn ich Ihnen Bescheid sage, lassen Sie ihn das Sonnenlicht vom Bullauge reflektieren.»

Erst jetzt begriff Bolitho, da? Zenoria Tusons Helfer war. Er wollte Einspruch erheben, doch ihre uberraschend kuhle Hand beruhrte seine Wange.»Nur ruhig, Sir. Sie sind nicht der erste Mann, den ich zu Gesicht bekomme.»

Der Verband wurde gelost, und Bolitho hatte fast aufge — schrien, als Tusons kraftige Finger seine Augen abtasteten und die Lider hochschoben.»Sie tun ihm ja weh!«horte er Zenoria protestieren.

«Das geht leider nicht anders. Und jetzt den Spiegel, bitte!»

Bolitho rann der Schwei? uber Brust und Schenkel, als lage er im Fieber. Der Schmerz schien ihm die Augen aus den Hohlen zu treiben. Das Ganze war ein wirrer Alptraum, unterbrochen vom Stochern eines Instruments. Jemand hielt seinen Kopf wie ein Schraubstock, als die Tortur weiterging. Bolitho versuchte zu blinzeln, spurte aber keine Bewegung seiner Lider. Doch er sah Licht, einen rotlichen Schein und Schatten, die Menschen sein mu?ten.

«Das reicht«, sagte Tuson. Der Schein verbla?te, als der Spiegel wohl entfernt wurde. Dann legte der Arzt vorsichtig einen neuen Verband an; er war weich und feucht und wirkte nach der schmerzhaften Untersuchung lindernd.

Seitdem waren mehrere Stunden vergangen. Noch zweimal war der Verband gewechselt und eine olige Flussigkeit aufgetragen worden, die anfangs seine Augen arger brennen lie? als zuvor. Doch dann hatten die Schmerzen nachgelassen.

Als er sich bei Tuson nach der Flussigkeit erkundigte, sagte der nur:»Ach, die kam mir in Westindien in die Quere. Ist in solchen Fallen ganz nutzlich.»

Bolitho lauschte der Stimme des Madchens. Sie erinnerte ihn an Falmouth, und bei diesem Gedanken schmerzten seine Augen wieder.

«Ich verstehe nicht, wie Sie bei diesem Licht arbeiten konnen, Sir«, sagte sie.

«Hier habe ich viel bessere Bedingungen, als ich gewohnt bin«, versetzte der Arzt und legte Bolitho eine Hand auf den Arm.»Sie sollten jetzt schlafen. «Ein Laken wurde uber Bolithos Blo?e gezogen, und Tuson fugte hinzu:»Wie ich sehe, haben Sie fur Konig und Vaterland ein paar ehrenvolle Narben erworben, Sir.»

Zu Zenoria sagte er:»So, und Sie nehmen jetzt besser etwas zu sich.»

«Aber rufen Sie mich, wenn Sie mich brauchen, Sir.»

Bolitho hob einen Arm und wandte den Kopf zur Tur. Sie kam zuruck und griff nach seiner Hand.»Sir?»

Bolitho erkannte seine eigene Stimme kaum.»Ich wollte Ihnen nur danken.»

Sie druckte seine Hand.»Nach allem, was Sie fur

«Noch la?t sich nichts Genaues sagen, Sir. Beide Augen sind verletzt, und eine Prognose kann ich erst geben, wenn die Wunden verheilt sind.»

«Werde ich wieder sehen konnen?«beharrte Bolitho.

Tuson ging um die Koje herum. Er mu? durch eine offene Stuckpforte schauen, dachte Bolitho, denn seine Stimme klingt erstickt.

«Am argsten hat's das linke Auge erwischt«, sagte Tuson.»Es waren Sand und Metallfragmente darin. An der Wange hat Sie ein Splitter gestreift — etwas hoher, und wir brauchten uns um das Auge keine Sorgen mehr zu machen.»

«Aha. «Bolitho entspannte sich. Es war leichter, wenn man die Wahrheit erfuhr, die unausweichlichen Tatsachen.

Tuson ruhrte sich nicht.»Er ist beschaftigt, Sir. Das kann warten.»

«Sie

Sie

«Den Tod?»

«Es gibt Schlimmeres als den Tod«, erwiderte Tuson.»Aber ich gehe jetzt, Sir. Es scheint, Ihr Flaggkapitan ist ohnehin schon da.»

Bolitho versuchte, seine Verzweiflung in die Finsternis abzudrangen, als Keen sich neben die Koje setzte und fragte:»Wie geht's, Sir?»

«Ich habe ein wenig Licht sehen konnen, Val. Die Schmerzen haben nachgelassen, und wenn ich erst rasiert bin, fuhle ich mich bestimmt wieder menschlich.»

«Dem Himmel sei Dank«, sagte Keen.

Bolitho tastete nach seinem Arm.»Dank auch Ihnen, Val, denn Sie haben uns alle gerettet. «Er ballte die andere Hand zur Faust.»Sagen Sie mir, was oben geschieht.»

Als Tuson zuruckkehrte, fand er sie ins Gesprach vertieft.»Das mu? ein Ende haben, Gentlemen!«sagte er streng.

Bolitho hob die Hand.»Moment noch, Sie unduldsamer Knochenbrecher!«Zu Keen sagte er:»Gut, Sie nehmen also das restliche Trinkwasser an Bord, und anschlie?end bringen wir so rasch wie moglich das Geschwader wieder zusammen. Jobert versucht, unsere Krafte zu zerstreuen. Ich bin mit Ihnen einig, da? es Zeit fur den nachsten Schachzug ist. Schicken Sie mir Yovell. «Er horte Tuson mi?billigend schnalzen.»Ich gebe

einen eigenen Bericht mit.»

Bolitho legte den Kopf aufs Kissen und versuchte, unter dem Verband die Augenlider zu bewegen. Er konnte Keen und den Arzt vor der Tur flustern horen und hatte plotzlich das Bedurfnis, aufzustehen, an Deck zu gehen und so zu tun, als sei nichts geschehen.

«Wird er denn wirklich genesen?«fragte Keen.

«Das kann ich noch nicht sagen. Eigentlich hatte ich den Fall fur hoffnungslos gehalten, aber bei ihm kann man nicht sicher sein. «Tuson schuttelte den Kopf.»Es hat den Anschein, als lie?e er sich von nichts bremsen.»

Keen sah Allday mit einer Schussel und einem Rasiermesser kommen und verabschiedete sich. Drau?en zogerte er vor der kleinen Kabine mit dem rotberockten Wachtposten. Dann klopfte er und trat auf ihren Ruf hin ein.

Zenoria sa? auf der gro?en Truhe, hielt das Kleid von dem Handler aus Genua im Scho? und erfullte den Raum mit Licht. Sie schaute ihn an und sagte leise:»Das ist ein herrliches Kleid. Du bist sehr gut zu mir.»

Sie legte das Kleid sorgfaltig uber die Truhe und stand auf. Sie hatte geweint. Um sie beide, um Bolitho? Keen wu?te es nicht.»Du hast so viel fur mich getan, und ich kann dir gar nichts geben«, sagte sie.

Dann wandte sie sich abrupt ab, und als sie sich wieder zu ihm umdrehte, sah er, da? sie ihr Hemd bis zur Taille aufgeknopft hatte. Zielbewu?t griff sie nach seiner Hand, schob sie unter das Hemd und druckte sie auf ihre Brust. Dabei schaute sie ihm fast trotzig in die Augen.

Keen ruhrte sich nicht, er spurte nur, wie der warme Hugel unter seiner Hand brannte, ihn verzehrte.

Sie senkte den Kopf und sagte leise:»Es ist mein Herz. Das habe ich dir zu geben. Es ist dein, solange du willst.»

Langsam zog sie seine Hand fort und schlo? ihr Hemd.

Jemand schrie von der Poop, Tritte polterten uber eine Leiter. Doch sie blieben noch ein paar Sekunden reglos stehen.

«Ich mu? fort«, sagte er dann.»Man darf uns so nicht sehen. «Er beugte sich vor und ku?te sie leicht auf die Stirn.»Ich liebe dich«, sagte er.

Noch lange Zeit, nachdem er gegangen war, starrte Zenoria die geschlossene Tur an und hielt die Hand uber die Brust, die er beruhrt hatte.

Dann sagte sie leise:»Und ich liebe dich auch.»

Am zweiten Tag hatten die Schiffe alles Trinkwasser an Bord und lie?en, vor einem frischen Sudwestwind segelnd, die Inseln bald achteraus liegen.

Keen hatte zugesehen, wie

mit eilends geflickten Segeln und noch immer arbeitenden Pumpen ihren Ankerplatz verlie? und aufs offene Meer hielt. Auf der Insel waren mehrere ihrer Besatzungsmitglieder begraben worden, darunter Leutnant Hallowes. Ein trauriger Abschied.

Am funften Tag segelte das Geschwader mit

an der Spitze in den Golfe du Lion.

Keen ging gedankenverloren auf dem Achterdeck auf und ab, als der Toppgast ein Schiff meldete, das bald als die

Es war auch ein besonderer Tag fur Bolitho. Er sa? in seinem Sessel mit der hohen Ruckenlehne und atmete tief, als Ozzard ein Heckfenster offnete und Twigg ihm einen Becher Kaffee in die Hand gab.

Bolitho lauschte der See und dem Knarren des Ruders. Auf dem Schiff ging es lebhaft zu. Er horte Allday mit Yovell reden und Ozzard geschaftig umhereilen. Alle waren so guter Laune. Glaubten sie etwa, sie konnten ihm etwas vormachen?

Er horte Tuson in die Kajute treten, begleitet von Zenoria, die er am leisen Schritt ihrer blo?en Fu?e erkannte.

Tuson stellte seine Tasche ab und sagte:»Wir brauchen viel Licht heute.»

Bolitho nickte.»Wir haben ein Schiff gesichtet, nicht wahr?»

Tuson grunzte.»Die

Tuson sah ihn zuruckzucken und sagte:»Gleich kann ich Ihnen sagen…»

Bolitho streckte die Hand aus.»Zenoria? Sind Sie da?«Er spurte, wie sie seine Hand ergriff.

«Als erstes mochte ich Sie sehen, nicht diese ha?lichen Gestalten da!»

Sie lachte, aber er spurte ihre Sorge.

«Offnen Sie bitte die Augen, Sir«, meinte Tuson ausdruckslos.

Bolitho beruhrte erst sein linkes, dann sein rechtes Auge und hielt dabei ihre Hand so fest, da? es ihr wehtun mu?te. Er bi? die Zahne zusammen, versuchte es, bekam aber plotzlich Angst.

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