Donner unter der Kimm: Admiral Bolitho und das Tribunal von Malta - Kent Alexander 6 стр.


«Nach Dorset?»

«Jawohl, Sir.»

Es mu?te sich also nach den Krawallen, wie Stayt sie nannte, noch etwas abgespielt haben.

Bolitho kam zu einem Entschlu? und sagte:»Holen Sie Allday.»

Allday schaute den Sekretar fragend an, als er eintrat, doch Yovell zuckte nur die hangenden Schultern.»Sir?»

«Geh mit Yovell das Madchen holen. «Er sah ihre Uberraschung.»Und zwar sofort, wenn ich bitten darf. «Allday schob trotzig den Unterkiefer vor.»Wenn Sie das fur klug halten, Sir. «Bolitho sah ihn fest an.»Das tue ich.»

Ozzard reichte ihm seinen Rock, aber er schuttelte den Kopf. Sie mochte eingeschuchtert verstummen, wenn sie sich einem Vizeadmiral gegenuberfand. Nach Keens und Tuson Aussagen schien sie intelligent zu sein; unter dem Einflu? ihres Vaters hatte sie offenbar auch einiges an Bildung mitbekommen.

Er mischte sich ein, weil er Keens Miene gesehen hatte, wenn er das Madchen erwahnte. Bolitho hatte nicht vergessen, was es hie?, verliebt zu sein. Doch auf das, was nun geschah, war er vollig unvorbereitet.

Yovell offnete die Tur, und Zenoria betrat zogernd die Achterkajute. Neben Alldays kraftvoller Figur wirkte sie zerbrechlich, trug aber den Kopf hoch, und als sie unter dem Skylight stehenblieb, bewegten sich nur ihre Augen.

Gekleidet war sie in ein wei?es Hemd und die Hose eines Fahnrichs; das lange braune Haar trug sie zuruckgekammt und im Nacken mit einer Schleife gebunden, so da? sie aussah, als gehore sie ins Batteriedeck. Ihre zierlichen Fu?e jedoch waren blo?, und Yovell erklarte hastig:»Selbst die jungen Gentlemen hatten keine Schuhe, die klein genug fur sie gewesen waren.»

«Setzen Sie sich. Ich mochte mit Ihnen reden«, sagte Bolitho.

Er sah, wie steif sie die Schultern hielt. Laut Tuson wurde sie die Narbe auf dem Rucken ihr Leben lang tragen. Und das war nur

Yovell erklarte geduldig:»Der Admiral hier befehligt alle Schiffe, alle Kapitane, Miss, und dazu gut zweitausend Seeleute und Seesoldaten. «Er musterte sie ernst.»Er hat also viel zu tun. Heraus mit der Sprache, stehlen Sie ihm nicht die Zeit.»

Bolitho lachelte.»Er meint es nur gut, Zenoria.»

Sie schaute auf ihre Hande im Scho? und sagte:»Sie holten meinen Vater ab, Sir. Er war ein guter, kluger Mann, der an die Menschenrechte glaubte.»

Bolitho hielt den Atem an. Schon allein der Klang ihrer Stimme versetzte ihn zuruck nach Cornwall.

«Ich sah, wie er gehangt wurde, Sir.»

«Und warum wurde er gehangt?»

«Schuld daran war der Gutsherr, Sir. Er kam mit seinen Leuten zu unserem Haus, sie wollten die Druckerpresse zerschlagen. Aber mein Vater hat es ihnen gezeigt. «Stolz hob sie das Kinn, sah dadurch aber nur noch verletzlicher aus.»Er zerrte den Gutsherrn vom Pferd, und Nachbarn aus dem Dorf halfen ihm. Einer kam dabei ums Leben. Und dann holten ihn die Dragoner ab.»

«Wie alt waren Sie damals?»

«Siebzehn, Sir. Es war vor zwei Jahren. Man schickte mich nach Dorset in einen gro?en Haushalt, wo ich helfen und die Kinder unterrichten sollte.»

Es fiel ihm schwer, in Yovells und Alldays Gegenwart frei zu sprechen. Er mu?te jedoch sicher sein, da? sie nicht log und keine Hure war, wie der Kapitan der

«Erzahlen Sie mir, was in Lyme geschah.»

«Ihr Urteil kommt an Bord, Madchen«, sagte Yovell streng.»Lugen ist also sinnlos.»

«Halten Sie Ihre Zunge in Zaum, Mann!«Bolitho sah das Madchen zusammenzucken, als galte sein Zorn auch ihr. Er sagte:»Hol ihr ein Glas Wein, Allday. «Er versuchte, seine Verwirrung zu kaschieren.»Ich mu? Bescheid wissen.»

Sie senkte den Blick.»Alle in Lyme wu?ten, was aus meinem Vater geworden war. Der Herr betatschte mich immer, machte anzugliche Bemerkungen und meinte, ich konne von Gluck sagen, da? ich uberhaupt ein Dach uber dem Kopf hatte. Dann kam er eines Tages in mein Zimmer. «Sie begann zu zittern.»Er versuchte. «Sie nahm das Glas von Allday an, trank aber nicht.»Er zwang mich zu scheu?lichen. «Als sie aufschaute, war ihr Blick flehend.»Ich flickte gerade Kinderkleider. «Sie brachte die Worte kaum heraus.»Da nahm ich die Schere und stach nach ihm.»

Bolitho stand auf und trat langsam hinter ihren Stuhl. Das alles klang so uberzeugend, da? er die Szene fast vor Augen hatte.»Und dann?»

«Gestorben ist er nicht, Sir, aber ich kam vors Schwurgericht. Den Rest kennen Sie, Sir.»

Lebenslange Verbannung.

«Gehen Sie jetzt zuruck in Ihre Kabine, Zenoria. «Bolitho schaute in ihr emporgewandtes Gesicht. Sie war neunzehn, wirkte aber in Hemd und Hose und mit dem zuruckgebundenen Haar wie ein Kind.

Sie stand auf und gab Allday das volle Glas zuruck.»Und auch dieser Kapitan Latimer hatte es auf mich abgesehen. «Mehr brauchte sie nicht zu sagen.

«Morgen wird Ihnen mein Sekretar helfen, das alles aufzuschreiben. Ich kann, ich

Er wandte sich zu den Heckfenstern um und wartete, bis die Tur geschlossen wurde.

Als Allday zuruckkam, sagte er schlicht:»Das war anstandig von Ihnen, Sir. Jetzt heult sie, aber es wird ihr gut tun.»

«Meinen Sie?«Bolitho beobachtete, wie die Flaggen zur Signalrah der

Drau?en schrillten die Trillerpfeifen, das Exerzieren war fur heute beendet. Bolitho schaute zur Tur und horte, wie der Wachtposten die Hacken zusammenschlug. Keen trat ein.»Darf ich Sie sprechen, Sir Richard?»

Allday und Yovell verlie?en die Kajute, und Keen sagte:»Ich habe gerade von Ihrem Verhor erfahren, Sir. Bedauerlich, da? Sie sich nicht an mich wandten.»

«Setzen Sie sich, Val«, erwiderte Bolitho leise.»Wir wollen nicht streiten. Ich habe in Ihrem Interesse mit dem Madchen gesprochen.»

Keen starrte ihn an.»In meinem!»

Bolitho wies auf einen Stuhl.»Dort hat sie gesessen. Nun tun Sie das bitte auch. «Er hatte Keen selten zornig gesehen, aber nun war sein Beschutzerinstinkt geweckt.

Er sagte:»Wenn wir vor Anker gehen, werden wir sie an Land schicken mussen. Ihrem Bericht nach zu urteilen und auch nach dem, was sie ungesagt lie?, glaube ich aber, da? Hoffnung besteht.»

«Ich werde an meinen Vetter in der City of London schreiben«, brach es aus Keen hervor.»Wir konnen bestimmt…«Er wandte sich um und schaute Bolitho fest an.»Das war anstandig von Ihnen, Sir. Ich hatte es nicht mi?verstehen durfen.»

Bolitho schenkte zwei Glaser Brandy ein; er vermutete, da? Ozzard an der Pantrytur lauschte.

«Sie ist brutal mi?braucht worden, Val. «Seine Worte fielen wie ein Stein in einen stillen Teich.»Vergewaltigt, wie es den Anschein hat, und das ist noch nicht alles. «Er sah die Qual in Keens blauen Augen und wu?te nicht, ob ihn das mit Befriedigung oder Trauer erfullte.

«Ich habe sie sehr gern, Sir«, sagte Keen leise. Er schaute trotzig auf, als erwarte er eine Explosion.

«Das wei? ich, Val, schon seit dem Tag, an dem Sie sie im Krankenrevier besuchten, vielleicht auch fruher. «Er nickte.»Das ware also geregelt.»

Keen stellte sein leeres Glas ab. Er hatte getrunken, ohne es uberhaupt zu merken.

«Aber es ist unmoglich! Schon der Gedanke ist Wahnsinn!»

«Wie alt sind Sie, Val?«fragte Bolitho.»Funfunddrei?ig oder sechsunddrei?ig?»

«Ein Jahr alter, Sir. Und Zenoria ist ein junges Madchen.»

«Eine

Vielleicht hatte er den beiden einen Barendienst geleistet. Denn es war auch denkbar, da? der Gouverneur von Gibraltar ihr den Aufenthalt versagte. Dann wurde sie doch noch nach Australien transportiert.

Doch wenigstens war jetzt die Wahrheit heraus, was Bo-litho uberraschend erleichternd fand.

«Ich mache mir doch nur was vor, Sir«, sagte Keen.

Bolitho beruhrte seinen Arm.»Wir werden sehen. «Er schaute zum Skylight auf, als drau?en ein Ruf des Ausgucks erklang. Eine Minute spater stand der Midshipman der Wache atemlos in der Tur.

«Verzeihung, Sir. «Er schaute erst Keen, dann seinen Admiral an.»Empfehlung von Mr. Paget, wir haben gerade ein Segel gesichtet, Sir.»

Es war Midshipman Hext, der sich in der gro?en Kajute neugierig umsah und zweifellos Einzelheiten fur seinen nachsten Brief sammelte.

Bolitho lachelte.»Und werden wir auch noch erfahren, wo dieses Segel steht?»

Der Junge wurde rot.»Tut mir leid, Sir Richard — im Sudosten.»

«Mein Kompliment an den Ersten Offizier, und ich komme gleich an Deck. «Keen schien noch immer nur mit halbem Herzen bei der Sache.

«Signal an

Sie soll erkunden«, sagte Bolitho.»Mag sein, da? wir etwas von den Franzosen horen.»

Keens Augen wurden klar.»Aye, Sir. «Dann war er verschwunden.

Doch was sie horten, war ernster als erwartet.

Als das andere Schiff sich naherte, wurde es bald als die

Auf den Rahen arbeiteten Manner, mehrere Segel trugen Flicken. Unter Bolithos Augen wurde Ersatztauwerk nach oben gehievt, und die Reparaturen wurden selbst beim Wenden nicht unterbrochen.

«Sie war im Gefecht. «Keen nickte seinem Ersten Offizier zu.»Klar zum Beidrehen.»

Bolithos Miene blieb ausdruckslos, aber die Manner auf dem Achterdeck starrten ihn erschreckt an. Es ging also schon los. Mit der trugerischen Ruhe war es vorbei.

«Sie haben recht, Val. Kapitan Lapish soll sofort an Bord kommen.»

Eine Stunde spater sa? Lapish in Bolithos Kajute. Er schien gealtert zu sein, seit er das Geschwader verlassen hatte, um Depeschen nach Gibraltar zu bringen.

«Ich sichtete in Kustennahe einen Schoner und wollte ihn uberprufen. «Lapish nahm dankbar von Ozzard einen Becher Wein entgegen.»Aber ehe ich mich's versah, kamen zwei franzosische Fregatten vorm Wind um die Landzunge.»

Bolitho sah Verzweiflung und Kummer im Gesicht des jungen Kommandanten. Der Schoner war nur ein Koder gewesen, und die beiden Feindschiffe hatten Lapish fast auf eine Leekuste getrieben.

«Ich sehe mir Ihren Bericht spater an. «Bolitho musterte ihn streng.»Haben Sie Leute verloren?»

Lapish nickte, seine Augen waren stumpf.»Zwei, Sir.»

Dabei hatte er recht daran getan, vor den Angreifern zu fliehen; angesichts der schnelleren und besser bewaffneten Ubermacht blieb ihm keine andere Wahl.

«Gibraltar ist geschlossen, Sir«, sagte er. Er legte einen dicken Umschlag auf den Tisch und fugte hinzu:»Wegen Fieber. Die halbe Garnison ist erkrankt.»

Bolitho schritt durch die Kajute und wieder zuruck. Gibraltar war fur seine Fieberausbruche beruchtigt, aber mu?te das ausgerechnet jetzt passieren?

«Es gibt keinen todlicheren Feind. «Er schaute Keen an.»Wir werden also vor der Kuste ankern mussen, bis wir Naheres erfahren. «Zu Lapish sagte er:»Sie kehren zuruck auf Ihr Schiff. «Gern hatte er seinen Schmerz geteilt, ihm sein Mitgefuhl ausgesprochen, aber die Lektion mu?te wirken. Also sagte er scharf:»Sie konnen von Gluck reden, da? Sie uberhaupt noch eins haben.»

Keen begleitete den geknickten Lapish zur Reling.

Fieber. Bolitho schauerte. Allein schon das Wort rief den Alptraum zuruck, dem er beinahe erlegen ware. Er schuttelte sich und versuchte zu erwagen, in welchem Ausma? ihre Plane von der Nachricht betroffen wurden. Da ihnen Gibraltar nun verschlossen war, lag die Entscheidung uber Zenorias Schicksal allein bei ihm.

Er lachelte grimmig. Nun war er kein unbeteiligter Zuschauer mehr.

IV Der Koder

Unter dem Donner des verhallenden Saluts drehte das kleine Geschwader in den Wind, und die Schiffe gingen nacheinander vor Anker.

Bolitho stand an den Finknetzen und sah die Erleichterung in Keens Gesicht. Obwohl auf allen Schiffen so viele Neulinge waren, hatte das Manover ordentlich geklappt.

Er wandte sich um und sah zu dem machtigen Felsen von Gibraltar auf. In der Vergangenheit war er immer ein Zufluchtsort, ein sicherer Ankerplatz gewesen; nun wirkte er bedrohlich.

Es lagen nur wenige Kriegsschiffe da, alle in der Nahe des zweiten Straflingstransporters

Argonautes

Bolitho ging zur Schanzkleidpforte und sah auf das Boot hinab. Die Manner darin hatten vermutlich alles darum geben, an Bord gelassen zu werden.

Der sonnverbrannte Kapitan fuhr fort:»Ich habe die Brigg

«Ich habe fur Sie Depeschen vom Gouverneur, Sir Richard. «Eine Mappe wurde an einem Bootshaken zu den Rusten emporgereicht. Bolitho sah, wie Carcaud, der schlaksige Gehilfe des Schiffsarztes, sich vorbeugte und sie mit einem Beutel aus Baumwolle ergriff. Tuson ging kein Risiko ein.

Bolitho spurte Keens Blick auf sich ruhen, als er rief:»Alle Offiziersfrauen befinden sich auf der Helicon. Ich habe nur eine Frau an Bord.»

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