Donner unter der Kimm: Admiral Bolitho und das Tribunal von Malta - Kent Alexander 9 стр.


Bei zunehmendem Wind und groberer See waren die Matrosen zu beschaftigt gewesen, um sich Gedanken uber die Anwesenheit ihres Admirals zu machen; doch nun, da der Wind leicht nachlie? und der volle Bug in Kustennahe durch geschutztere Gewasser pflugte, hielten viele Manner inne und starrten neugierig heruber. Bolitho, dem das Haar gischtdurchna?t am Kopf klebte, der das nicht mehr saubere Hemd am Kragen geoffnet hatte, entsprach nicht ganz den Vorstellungen, die man sich von einem Flaggoffizier machte.

Er sah, wie sich Midshipman Sheaffe verzweifelt an eine Pardune klammerte. Sein Gesicht war bla?grun, und er hatte sich mehrere Male erbrochen. Leutnant Stayt war unter Deck, zwar nicht seekrank, aber als Passagier doch nicht ganz auf der Hohe und immer im Weg.

Hallowes kam zu Bolitho und sagte:»Mit Ihrer Erlaubnis werde ich den nachsten Landvorsprung runden und mich danach naher zur Kuste vortasten, Sir. «Er mu?te schreien, um sich bei dem Larm im Rigg verstandlich zu machen. Er sah sehr jung aus und schien seine Freiheit trotz Bolithos Anwesenheit zu genie?en. Zwei Lotgasten standen bereits am Bug und hielten ihre Leinen bereit.

Bolitho nahm ein Teleskop und wartete, bis das Schiff halbwegs ruhig lag, ehe er es aufs Land richtete. Uppiges Dunkelgrun, dahinter Lilatone. Das mu?te der beschriebene Berg sein. Eher ein hoher, kahler Hugel.

Er trat zuruck, als weitere Matrosen mit Fallen und Taljen vorbeigetaumelt kamen und nur dem Gebrull des Bootsmanns Beachtung schenkten.

Der lange Baum des Gro?segels, der bis weit ubers Heck ragte, schwang gefahrlich tief uber die Kopfe der Ruderganger hinweg, als das Schiff halste. Gischt fegte ubers Deck, und Bolitho wischte sich das Gesicht mit dem Armel. Er fuhlte sich wieder lebendig, hatte die Anspruche von Admiralitat und Flaggschiff vorubergehend vergessen.

Die Bestuckung der

bestand aus zwolf winzigen Kanonen und zwei Drehbassen. Wenn es nicht gerade zu einem Seegefecht kam, war ihre Feuerkraft dennoch nicht zu verachten.

Das Vorland blieb hinter einem Gischtvorhang zuruck.

Hallowes sah, da? Okes ihn beobachtete, und rief:»Alle Mann! Segel kurzen! Lotgasten, aufgepa?t!»

Hallowes wartete, bis man begonnen hatte, seine Befehle auszufuhren und fragte dann:»Haben Sie vor, hier an Land zu gehen, Sir Richard?»

Bolitho verkniff sich ein Lacheln. Fur Hallowes war es offenbar noch immer unvorstellbar, da? Bolitho selbst ausbooten wollte, obwohl andere bereitstanden, das fur ihn zu tun.

«Wahrend Ihre Manner Trinkwasser ubernehmen, werde ich mich mit einem Fernrohr auf diesen Hugel begeben. «Das wurde ein langer, steiler Marsch werden. Er sah Bankart in seiner blauen Jacke vor dem machtigen Mast stehen und fragte sich, was er wirklich fur seinen Vater empfand.

«Schauen Sie, Sir. «Hallowes beugte sich ubers Schanzkleid und deutete nach unten ins klare Wasser.

Wo sich die Bugwelle verlief, sah Bolitho, wie der Grund stieg und fiel, als atme er. Tausende von Fischen huschten hin und her, und gelegentlich tauchte aus dem fahlen Sand bedrohlich ein Felsband auf.

«Funf Faden!«Das Aussingen der Wassertiefe klang ermutigend. Die Boote wurden bereits klar zum Aussetzen gemacht: eine Gig und eine Jolle. Bolitho horte Sheaffe tief Atem holen. Das Argste war vorbei.

«Freuen Sie sich aufs Land, Mr. Sheaffe?»

Der Midshipman zog Schulterriemen und Dolch gerade und erwiderte:»Jawohl, Sir. Gehe ich mit Ihnen, Sir?»

Bolitho grinste.»Es wird uns beiden guttun.»

Stayt kam an Deck. Anders als Bolitho trug er Uniformrock und Hut und hatte zweifellos seine feine Pistole griffbereit.

Fu?e klatschten uber die nassen Planken, und der Anker fiel ins klare Wasser.

Hallowes legte die Hande auf den Rucken, und Bolitho sah, da? er die Finger fest verschrankt hatte. Er war nervos, aber das schadete nichts. Die Boote wurden gefiert.

«Ich schicke einen guten Ausguck auf diesen Kamm da, Sir«, sagte er.»Der Seekarte zufolge sollte er mit einem Fernglas bis hinuber zum nachsten Landvorsprung sehen konnen.»

Stayt gab Bankart einen Wink.»In die Gig!«Sein Ton war scharf, und Bolitho wu?te, da? er auch Allday so barsch angesprochen hatte. Aber Bankart hatte eben noch viel zu lernen.

Bolitho wartete, bis die anderen hinunter geklettert waren. Leutnant Okes ubernahm die Jolle, sein wettergegerbtes Gesicht sah wie eine alte Galionsfigur aus.

Sheaffe und Stayt zwangten sich zusammen mit ihm ins Heck, und Duncannon, der einzige Midshipman der

ein pickliger Knabe, piepste:»Ruder an!»

Bolitho hielt seinen Degen zwischen den Knien und dachte an Cornwall, wo er mit seinem Bruder in den Buchten und Hohlen gespielt hatte. Er seufzte. Das schien tausend Jahre her zu sein. Was wurde Belinda denken, wenn sie seinen Brief erhielt? Er hatte versucht, nicht an ihren Streit zu ruhren.

«Die Jolle ist gelandet, Sir«, meldete Sheaffe.

Bolitho sah Okes, dessen wei?bestrumpfte Beine wie machtige, umgekehrte Flaschen wirkten, durchs seichte Wasser waten. Ein breitschultriger Seemann, der nur eine zerfetzte Hose und einen Hut trug, trennte sich bereits von den anderen. Er war einer von Okes' besten Mannern und braun wie ein Eingeborener; mit einem Fernglas unterm Arm schlenderte er lassig auf die Baume und die Anhohe zu.

Die Gig lief auf Grund. Bolitho stieg aus und wartete auf dem festen Sand, bis die Matrosen das Boot ins Trockene zogen.

Die Baume sahen fast tropisch aus, und ihre buschigen Kronen wiegten sich wie im Tanz in der Brise. Die Besatzung der Gig fuhr bereits zum Kutter zuruck, um Wasserfasser zu holen.

Bolitho fuhlte an der Stirn wieder die tiefe Narbe, die ihn fast das Leben gekostet hatte. Auch damals hatten sie auf einer Insel Wasser an Bord genommen. Sonderbar, da? die Strahne uber der Narbe nun wei? war, denn der Rest seines Haars war nach wie vor schwarz. Warum machte ihm das Kummer? Aus Eitelkeit oder wegen des Altersunterschieds zwischen ihm und Belinda?

Zwei mit Entermessern und Musketen bewaffnete Matrosen schlenderten hinter der kleinen Gruppe her, die unter Bolithos Fuhrung den Hang zu erklimmen begann. Im Windschutz des Gebuschs war es schwul. Kein Vogel sang oder stie? einen Warnruf aus. Die Atmosphare war fast schlafrig.

«Hier konnten gleich zwei Geschwader Unterschlupf finden, Sir«, sagte Stayt, der — erstaunlich fur einen Mann seines Alters — bereits heftig schnaufte.»Nelson hatte recht.»

Bald sahen sie einen funkelnden Bach, der von einem platschernden Wasserfall ausging. Okes war bereits zur Stelle und rief drohnend nach Axten, um eine Rollbahn fur seine Fasser freihauen zu lassen.

Als sie in die helle Sonne hinaustraten, hielt Bolitho die Hand uber die Augen und schaute hinab zu dem verankerten Kutter. Er sah mit seinen gefalteten Segeln wie ein anmutiges Spielzeug aus. Auf dem benachbarten Hugel richtete sich der Ausguck ein. Der Mann legte sein langes Teleskop auf eine Pyramide von Feldsteinen und konnte von dort aus die ganze Kuste uberblicken.

Bolitho merkte, da? ihm das Hemd am Leib klebte. Er war verschwitzt, aber in Hochstimmung und stellte sich vor, wie herrlich es ware, in dem klaren, einladenden Wasser zu schwimmen.

Der Anstieg zur Kuppe dauerte langer als erwartet und hinterlie? sie erschopft und verschwitzt. Nur Bankart wirkte noch frisch. Krafte wie einstmals Allday hatte der Junge, dachte Bolitho wehmutig.

Er schaute erneut hinab zum Kutter, auf dessen Deck winzige Gestalten wimmelten. Die Boote zogen langsam zwischen Schiff und Strand hin und her wie Wasserkafer.

Dann richtete er das Fernrohr auf den Ausguckposten und sah die Sonne vom Glas des Mannes reflektieren. Er hatte sich als Sonnenschutz trockene Zweige uber den blo?en Rucken gelegt und den Hut uber das Teleskop gezogen.

Bolitho setzte sich auf den hei?en Boden und entfaltete seine kleine Landkarte. Wo Jobert jetzt wohl steckte? Was war das Ziel der franzosischen Flotte?

Er horte die anderen sich ausstrecken, dann das Gerausch einer Feldflasche, die geschuttelt wurde. Was hatte er jetzt fur den klaren Rheinwein gegeben, den Ozzard in der Bilge kuhl hielt!

Bolitho griff unter sein Hemd und beruhrte seine nasse Haut. Es fiel ihm nur zu leicht, sie sich in seinen Armen vorzustellen. Ihre Hande auf seiner Haut, ihr Flustern, das lustvolle Wolben ihres Ruckens, wenn er in sie eindrang… In jaher Verzweiflung faltete er die Karte zusammen. An wen dachte er eigentlich?

«Schauen Sie sich blo? diese Masse Vogel an«, sagte Stayt.

Ein riesiger Schwarm Mowen stie? wie von Faden zusammengehalten aufs Wasser nieder. Es mu?ten Tausende sein. Als sie im Sturzflug die verankerte

passierten, sah Bolitho rasche, zuckende Bewegungen im Wasser und entsann sich der Fische. Die Mowen griffen zum richtigen Zeitpunkt an, und Bolitho konnte selbst uber die weite Entfernung ihr Kreischen horen.

Auf dem Deck des Kutters war die Arbeit zum Erliegen gekommen. Die Seeleute sahen zu, wie eine Mowe nach der anderen wild flatternd und mit einem silbrigen Fisch im Schnabel an Hohe gewann.

«Unser Ausguckposten ist gut, Sir«, merkte Stayt an.»Er hat keinen Blick an die Mowen gewandt. Dabei habe ich noch nie gesehen, da? Vogel sich so.»

«Der Ausguck?«fragte Bolitho abrupt. Er griff hastig nach seinem Fernrohr und zog es rasch auseinander. Als er es ubers helle Wasser und den Mowenschwarm schwenkte, brannte ihm der Schwei? in den Augen. Aus unerfindlichem Grund schmerzte ihn die alte Narbe. Was ist nur mit mir los? dachte er.

Dann entspannte er sich zogernd, denn der braungebrannte Ausguck war noch auf seinem Posten.»Jagen Sie eine Kugel in die Felsen unter ihm«, befahl er.»Der Kerl ist eingeschlafen.»

Stayt winkte argerlich einem Matrosen. Der Mann ging auf ein Knie nieder und hob die Muskete an die Schulter. Der Schu? mochte die anderen aufschrecken, aber ein schlafender Ausguck stellte eine gro?e Gefahr dar.

Auf den Knall hin kreisten die Vogel zuerst wild und flogen dann davon. Hier und dort fiel ein Fisch zuruck ins Meer.

Bolitho schob das Fernrohr zusammen und richtete sich auf. Sein Gesicht blieb ausdruckslos, obwohl er glaubte, ihm musse das Herz im Leib bersten. Der Ausguck hatte sich nicht geruhrt; die Sonne spiegelte sich noch immer in seinem Teleskop.

«Dieser Mann schlaft nicht, er ist tot. «Er war bemuht, gelassen zu sprechen.»Ich furchte, wir sind in Gefahr. «Die Manner reagierten nicht, sahen ratlos erst den treibenden Pulverdampf an und dann in sein Gesicht.

«Hier, Sir?«rief Stayt verdutzt aus.

«Mr. Sheaffe, Sie sind der Jungste«, bellte Bolitho.»Laufen Sie hinunter zum Strand und warnen Sie Leutnant Hallowes.»

Der Midshipman starrte ihn an und sprach stumm die Worte nach, als traue er seinen Ohren nicht.»Und Sie, Bankart, gehen mit.»

Als die beiden bergab sprangen und zwischen den Baumen verschwanden, befahl Bolitho:»Ladet eure Waffen.»

Er machte sich Vorwurfe, weil er keine Pistole mitgebracht hatte. Aber wer hatte ausgerechnet hier mit Gefahr gerechnet?

Vorsichtig schritten sie den Hang hinunter, lauschten angestrengt in alle Richtungen, horten aber nur das Rascheln der Baume; es klang, als habe sich eine versteckte Armee in Bewegung gesetzt.

Am Waldrand sagte Bolitho:»Wir gehen um den Hugel herum. «Er sah den Zweifel in Stayts dunklen Augen. Die beiden bewaffneten Matrosen steckten die Kopfe zusammen.

«Nach dem Musketenschu? haben sie uns gesehen«, erklarte Bolitho.»Aber jetzt sind wir au?er Sicht. Sie nehmen bestimmt an, da? wir den kurzesten Weg zum Landeplatz einschlagen.»

«Aber wer sind sie?«zischte Stayt.

Bolitho zog seinen Degen.»Franzosen wahrscheinlich.»

Der Feind schien ihnen immer zuvorzukommen. Niemand konnte wissen, da? er auf den Kutter umgestiegen war, aber

gehorte zu seinem Geschwader. Und sie war vor einer Leekuste in eben jene Lage geraten, die

Sie mu?ten einen gro?eren Trupp verlassen haben, um das Teleskop des Ausguckpostens vom Hugel zu holen. Bolitho konnte sich noch genau an ihn erinnern, er war ein guter, zuverlassiger Mann gewesen. Nun trug ein anderer sein Fernrohr, und am Futteral waren Blutspuren.

Der Mann mit der Muskete hob das Teleskop auf und folgte Bolitho bergab. Hatten sie den Umweg nicht gemacht, waren sie in einen Hinterhalt geraten. Er horte den dumpfen Knall einer Kanone. Endlich hatte man auf der

erkannt, was geschah, und rief die Manner zuruck.

Dann jah eine Musketensalve, wilde Schreie, ein kurzes Aufeinanderprallen von Stahl. Bolitho fiel in Laufschritt, brach durch die letzten Busche und erreichte den Strand. In wenigen Sekunden uberblickte er alles: Die Jolle lag auf dem Trockenen, die Gig war auf halbem Weg zwischen Strand und Kutter. Leutnant Okes stand mit gezogenen Pistolen unten am Wasser. Eine hatte er gerade abgefeuert, die andere richtete er auf eine Gestalt, die mit mehreren anderen im Zickzack auf seine Handvoll Manner lossturmte. Bolitho fand die Zeit, festzustellen, da? Okes trotz des Geschreis und gelegentlichen Musketenfeuers dabei ganz still stand, eher einem Jager vergleichbar als einem Seeoffizier. Die Pistole knallte, die laufende Gestalt sturzte, wuhlte den Sand auf wie ein Pflug und blieb reglos liegen.

Das schien die anderen abzuschrecken, zumal Bolitho und seine drei Begleiter nun auf sie losgingen. Stayt, dessen Pistole zwei Laufe haben mu?te, feuerte zweimal, und jede Kugel traf ihr Ziel.

Okes fuhr sich mit dem Armel ubers Gesicht.»Dem Himmel sei gedankt, Sir. Ich dachte schon, die Kerle hatten Ihnen den Garaus gemacht.»

Bolitho sah Bankart im Boot. Okes lud seine Pistole nach und bemerkte dabei:»Wenn dieser Junge nicht gewesen ware, hatten sie uns uberrascht.»

Bolitho schaute an ihm vorbei.»Wo ist Mr. Sheaffe?»

Okes zog seine andere Pistole.»Ich dachte, er ware bei Ihnen, Sir.»

Bolitho winkte Bankart herbei.»Wo ist Midshipman Sheaffe?»

«Gesturzt, Sir«, erwiderte Bankart.»Da hinten war ein Loch, er sturzte und rollte einen Steilhang hinunter.»

Bolitho starrte ihn an.»Steilhang? So etwas gibt es hier doch gar nicht.»

Die anderen kletterten in die Boote; bis auf den Ausguckposten hatte es keine Verluste gegeben. Aber wo steckte Sheaffe? Vier Franzosen, deren Blut bereits im Sand versik-kerte, lagen, wo sie gefallen waren.

Stayt warf seinen Degen in die Luft und fing ihn an der Klinge auf, ehe er ihn in die Scheide gleiten lie?.»Ich gehe ihn holen«, sagte er und betrachtete Bankart kalt.»Zeig mir, wo er liegt.»

Als sie das Gebusch erreichten, sahen sie Sheaffe in die Sonne torkeln. Er hatte eine Platzwunde im Gesicht und blutete, schien aber sonst unversehrt.

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