Feind in Sicht: Kommandant Bolithos Zweikampf im Atlantik - Kent Alexander 10 стр.


Gascoigne platzte heraus:»Masten, Sir! Der Nebel ist oben noch so dicht, da? ich nicht viel erkennen konnte, aber es sind viele Masten!«Errotend ri? er sich zusammen.»Drei oder vier Schiffe, Sir. Und sie segeln in unsere Richtung.»

Bolitho blickte uber die Schulter des Jungen.»Jetzt wissen wir Bescheid, Mr. Inch. «Er trat an die Reling und deutete auf Leutnant Stepkyne.»Gehen Sie zu jedem Geschutz. Ich wunsche, da? jetzt jeder Schu? trifft. «Starr musterte er die langsam abtreibende Fregatte. Hinter ihr lagen Sandbanke, und die

befand sich schon fast in der Mitte des Fahrwassers.»Ich wunsche, da? sie auf der Stelle genau dort versenkt wird, Mr. Stepkyne. «Er nahm seinen Hut ab und blinzelte noch einmal, als eine Musketenkugel einen Neunpfunder traf und jaulend uber die Hutte flog.

Stepkyne ging zum ersten Geschutz. Ein Midshipman stand an der Hauptluke bereit, um die Befehle an die untere Batterie weiterzugeben, damit beim letzten Akt jede Kanone einen Partner hatte.

«Feuer!«Bolitho wandte den Blick ab, als der Besanmast der Fregatte in einem Wirrwarr zerschmetterter Spieren und zerrissener Stage verschwand.

«Feuer!«Ein gro?es Stuck des Hauptdecks barst in einer Splitterfontane, von der Tote und Sterbende wie blutige Marionetten we g-geschleudert wurden.

Zwischen den paarweise erfolgenden Abschussen horte Bolitho Schreien und Schluchzen, als flehe das Schiff selbst um Erbarmen. Er packte die Reling, wollte mit aller Kraft, da? die Fregatte endlich sank und das Schlachten ein Ende fand.

«Feuer!»

Blasen wuhlten das von Blut durchzogene Wasser um das Schiff auf; hier und dort sprang ein Uberlebender verzweifelt uber Bord, doch nur, um von der starken Stromung mitgerissen zu werden.

Gossett sagte mit belegter Stimme:»Sie sinkt, Sir. «Er sah Bo-litho an, als hatte er einen Fremden vor sich.

Zwei letzte Schusse bellten aus der Bordwand der

als der Befehl zum Feuereinstellen auch die untere Batterie erreicht hatte, sagte Bolitho rauh:»Wir wollen halsen, Mr. Gossett.»

Er ri? den Blick von dem zerschlagenen, sinkenden Wrack los und sah Gascoigne an seiner Seite an.»Gut gemacht, mein Junge.»

Er versuchte zu lacheln, aber seine Lippen waren wie erstarrt. Selbst Gossett schien zu glauben, da? er hilflose Menschen ohne jeden Sinn abgeschlachtet hatte.»Weitermachen!«schnauzte er.

Segel klatschten und knallten, als das Schiff mit dem Heck langsam durch den auffrischenden Wind ging. Bolitho wartete und zahlte die Sekunden, ehe er befahl:»Kurs Nordnordwest!»

Gossett wurde unter Bolithos Blick unsicher.»Verzeihung, Sir, aber wir mussen uns weiter westlich halten, wenn wir von der Landzunge freikommen wollen.»

Bolitho ignorierte ihn.»Lassen Sie Segel wegnehmen, Mr. Inch. Wir werfen gleich Anker.»

Wenn er die grobste Obszonitat geau?ert hatte, hatte er keine gro?ere Besturzung auslosen konnen.

Er wartete nicht darauf, da? jemand etwas sagte.»Mr. Gascoigne hat gesehen, was die Fregatte vor uns verbergen sollte. Und warum es notwendig war, die

Inch wandte leise ein:»Wir sind ganz allein, Sir.»

«Das wei? ich. «Er milderte seinen Ton.»Aber Pelham-Martin schickt vielleicht jemanden, um zu sehen, wo wir bleiben. «Er drehte sich um.»Inzwischen mussen wir so viele Schiffe wie moglich aufhalten oder beschadigen.»

Er trat wieder an die Reling und beobachtete schweigend, wie sein Schiff zielstrebig der Landspitze entgegenglitt. Nun empfand er keinen Arger mehr uber Pelham-Martins torichten Optimismus oder die Hoffnungslosigkeit der bevorstehenden Stunden. Unter Deck jubelten wieder einige Matrosen, als hatten sie gerade einen gro?en Sieg errungen. Das Schiff hatte fast keine Spuren des Gefechts davongetragen, und ohne den hellen Blutfleck unter den Netzen hatten sie aus einem Manover kommen konnen.

Inch fragte beklommen:»Soll ich Ruhe befehlen, Sir?»

Doch Bolitho erstarrte, als der Ausguck laut aussang:»Zwei Schiffe Steuerbord achteraus, Sir.»

Inch musterte gebannt die Marssegel des fuhrenden Schiffs. Sie bewegten sich uber einer niederen Nebelbank, losgelost und unpersonlich und darum um so bedrohlicher.

Schlie?lich antwortete Bolitho:»Lassen Sie die Leute jubeln. «Er hob die Stimme, um den Larm zu ubertonen:»Hart Steuerbord!»

Langsam drehte die

in den Wind.

«Marssegel aufgeien!»

Ihr Bugspriet war wieder auf das Land gerichtet. Bolitho ve r-krampfte die Hande auf dem Rucken, um seine aufsteigende Verzweiflung zu beherrschen.

«Fallen Anker!»

Der letzte Rest Nebel verzog sich, als ob endlich ein Vorhang von der See gehoben worden ware, und ein Strahl wa?rigen Sonnenlichts beleuchtete den Fockmast des vorderen Schiffs wie ein goldenes Kruzifix.

Der Jubel an Bord der

erstarb, und uber das ganze Schiff legte sich eine Stille, die man beinahe greifen konnte.

Bolitho hob das Glas und studierte die naherkommenden Schiffe. Das erste war ein Zweidecker, das zweite auch. Dann kam das dritte um eine vorspringende Landzunge herum, sein Rumpf glanzte, als es in der Stromung leicht krangte: ein Dreidecker mit der Kommandoflagge eines Vizeadmirals am Fockmast. Bolitho versuchte, sich nicht nervos die Lippen zu lecken. Es war hoffnungslos. Nein, noch schlimmer.

Er fragte sich, was der Kommandant des fuhrenden Schiffes in diesem Augenblick denken mu?te. Jedenfalls hatte er den Befehl zum Auslaufen bekommen. Die auf der Lauer liegende englische Fregatte war uberwaltigt worden, ehe sie Alarm schlagen konnte, und nach Monaten des Wartens wurden die Franzosen wieder aktiv.

Dort winkte die offene See und lockte mit dem hellen, wenn auch verschwommenen Horizont.

Doch mitten im Fahrwasser lag ein einzelnes Schiff vor Anker, bereit, bis zum Ende zu kampfen.

Allday uberquerte das Deck und hielt Bolitho seinen Sabel entgegen. Als er ihn Bolitho umgurtete, sagte er ruhig:»Dafur ist heute ein schoner Tag, Captain. «Als sich ihre Blicke begegneten, fugte er hinzu:»Das erste wirklich gute Wetter, seit wir England verlassen haben.»

Im ganzen waren es vier Schiffe, und wahrend die Minuten verstrichen, schien es den beobachtenden britischen Seeleuten so, als ob sich das ganze Fahrwasser mit Segeln und Masten fullte.

Bolitho zwang sich, zum Niedergang zur Hutte zuruckzugehen, wo Roth, der Vierte Offizier der

wie hypnotisiert neben seinen Neunpfundern stand. Roth hatte sich als fahiger Offizier erwiesen, der schnell die Anforderungen seines ersten Kommandos auf einem Linienschiff begriff. Doch als er jetzt auf die naherkommenden Schiffe starrte, hatte seine Haut die Farbe von Pergament angenommen.

Bolitho sagte beherrscht:»Wenn ich falle, Mr. Roth, werden Sie den Ersten Offizier nach besten Kraften auf dem Achterdeck unterstutzen, verstehen Sie?«Roth blickte ihm voll ins Gesicht.»Bleiben Sie bei Ihren Geschutzen, und ermutigen Sie die Leute in jeder Weise, selbst wenn…»

Er drehte sich schnell um, als Inch heiser ausrief:»Das fuhrende Schiff hat Anker geworfen, Sir! Gott helfe mir, da? zweite auch.»

Bolitho rannte an ihm vorbei und kletterte in die Besanwanten hinauf. Unglaublich, aber es stimmte. Er beobachtete, wie vor dem Bug des stattlichen Dreideckers eine kleine Wolke Gischt wei? aufspruhte, und wu?te, da? auch dieser das gleiche getan hatte. Das letzte Schiff wurde von den anderen fast verdeckt, aber er konnte die lebhaften Bewegungen auf seinen Rahen ausmachen, bis erst ein Segel und dann ein weiteres verschwand. Die Franzosen hatten sich den letzten und einzigen Platz ausgesucht, wo sie noch sicher ankern konnten: die breiteste Stelle des Fahrwassers vor den trugerischen Sandbanken, die das letzte Stuck vor dem Zugang in die offene See bewachten. Bolitho sprang wieder an Deck zuruck und horte nur halb die aufgeregten Stimmen und unglaubigen Ausrufe, als die Nachricht durch das ganze Schiff lief, da? die Franzosen Anker geworfen hatten, statt den Kampf anzunehmen.

«Was halten Sie davon, Sir?«Inch sah Bolitho an, als erwarte er eine sofortige Erklarung.»Die konnen sich doch unmoglich vor einem einzelnen Schiff furchten?»

«Das meine ich auch, Mr. Inch.»

Bolitho sah zu den Mannern auf den Rahen der

hinauf, die erst vor wenigen Minuten die Segel festgemacht und sich darauf vorbereitet hatten, dem Tod in einem letzten hoffnungslosen Kampf ins Auge zu sehen. Jetzt jubelten sie, und manche schuttelten die Faust gegen die ankernden franzosischen Schiffe, schrieen Schimpfworte und Verhohnungen; aus ihren Stimmen sprach Verachtung, aber auch Erleichterung uber diesen unerwarteten Aufschub. Das war alles sehr seltsam. Bolitho wandte sich von seinen diskutierenden Offizieren ab und sah zur nachsten Landzunge hinuber. Vielleicht holten die Franzosen schon von anderswo Hilfe herbei, etwa schwere Artillerie aus Tochefort? Diesen Gedanken gab er sofort wieder auf. Bis dahin waren es annahernd drei?ig Meilen uber Land, und ehe die Geschutze an einem Ort in Stellung gebracht worden waren, von wo aus sie die vor Anker liegende

hatten treffen konnen, hatte alles mogliche geschehen konnen. Der Wind mochte drehen, auch konnte der franzosische Admiral nicht wissen, welche Krafte bereits unterwegs sein mochten, um dem einzelnen Schiff zu helfen, das seinen Fluchtweg blockierte. Nein, was er auch unternehmen wollte, er mu?te es schnell tun.

Bolitho sagte:»Schicken Sie zusatzliche Leute in den Ausguck, Mr. Inch. Vielleicht konnen sie seewarts Segel ausmachen. Ob fremde oder eigene, ich will es sofort wissen. «Er hielt kurz inne.»Und befehlen Sie unseren Leuten, leise zu sein. Was hier vorgeht, durchschaue ich nicht, aber die Situation gefallt mir nicht. Das Schiff mu? jederzeit gefechtsbereit sein.»

Eine halbe Stunde verstrich, die ankernden Schiffe schwojten sanft in der Dunung, durch eine uber zwei Meilen breite Wasserflache voneinander getrennt, die im grellen Licht wie zerknittertes Silber glanzte.

«An Deck!«Die Stimme des Ausgucks lie? alle zusammenzuk-ken.»Ein Boot legt vom franzosischen Flaggschiff ab.»

Bolitho beobachtete das Boot prufend durchs Glas und sagte dann:»Ein Parlamentar, Mr. Inch. Halten Sie sich bereit, das Boot zu empfangen, wenn es langsseit kommt, aber seien Sie auf Tricks gefa?t. «Es war nur eine kleine Gig, und als sie sich schnell der

naherte, horte Bolitho uberraschte Ausrufe von der Bugwache und einigen Marinesoldaten, die das Boot im Visier einer mit Schrapnell geladenen Drehbasse hielten.

Inch kam nach achtern gelaufen.»Sir, in dem Boot sitzt ein britischer Offizier, und auch die Rudergasten sind unsere Leute.»

Bolitho bi? die Zahne zusammen, um seine Beunruhigung zu verbergen.»Gut. Seien Sie auf der Hut.»

Die Gig hakte an der Kette an, und die Matrosen an der Schanzkleidpforte traten zuruck, als ein Leutnant in zerrissener, von Pulverqualm geschwarzten Uniform an Deck kletterte und ohne einen Blick nach rechts oder links zum Achterdeck ging. Er erblickte Bolitho und legte die letzten Schritte mit schleppenden Fu?en zuruck, als konnten seine Beine kaum noch das Gewicht seines Korpers tragen. Als er sprach, klang seine Stimme stumpf und leblos.»Leutnant Roberts, Sir. «Er versuchte, die Schultern zu recken, als er erganzte:»Von seiner Britannischen Majestat Fregatte

Ithuriel

Ithuriel

Ein Kanonenschu? drohnte dumpf uber die Flu?mundung; als sofort darauf zwei zuckende, verzweifelt strampelnde Gestalten zur Gro?rah des franzosischen Flaggschiffs hinaufgezogen wurden, schien der Rumpf der

unter einem einzigen lauten entsetzten Aufstohnen der Matrosen und Marinesoldaten zu erbeben.

Der Leutnant schrie verzweifelt:»Er la?t alle zehn Minuten zwei Mann hangen, Sir!«Schluchzend packte er Bolithos Arm.»Um Gottes willen, Sir, Lequiller hat zweihundert britische Gefangene in seiner Gewalt!»

Bolitho befreite seinen Arm und versuchte noch einmal, seine Gefuhle vor den Umstehenden zu verbergen. Die eiskalte Unmenschlichkeit, das furchtbare Ultimatum des Admirals erfullten ihn mit ohnmachtigem Zorn und ratloser Verzweiflung. Er blickte auf das dichtgefullte Oberdeck hinab, wo seine Leute von den Geschutzen zuruckgetreten waren und gebannt zu ihm hinaufsahen oder sich gegenseitig anstarrten, als waren sie zu benommen, um sich zu bewegen. Sie waren darauf vorbereitet gewesen, kampfend zu sterben, aber dazustehen und der langsamen, unbarmherzigen Hinrichtung wehrloser Gefangener zuzusehen, das hatte ihren Kampfgeist weit wirksamer gebrochen, als es die schwerste Breitseite vermocht hatte.

«Und wenn ich seiner Forderung nachkomme?«Bolitho zwang sich, die Jammergestalt des Leutnants anzusehen.

«Dann will er die Leute von der

Hyperion

Der Leutnant starrte ihn mit tranenblinden Augen an.»Hei?t das, Sie ziehen ab, Sir?«Anscheinend glaubte er, nicht richtig verstanden zu haben, denn er versuchte, die Hand zu heben, als er im gleichen gebrochenen Ton fortfuhr:»Sie wollen sich um unserer Leute willen zuruckziehen?»

Bolitho wandte sich ab.»Bringen Sie ihn zu seiner Gig, Mr. Inch. Und lassen Sie das Ankerspill besetzen und das Schiff zum Segelsetzen fertig machen.»

Er bemerkte Gossett, dessen Gesicht Anteilnahme und Verstandnis verriet.»Legen Sie bitte einen Kurs fest, der uns von der Landzunge fortfuhrt. «Bolitho konnte ihn nicht ansehen, noch konnte er Inch ins Gesicht blicken, als er sich rasch wieder seinem Platz an der Reling zuwendete.

Die Manner mu?ten auf ihre Stationen getrieben werden, als waren sie von dem Geschehen betaubt worden. Die Alteren und Erfahreneren konnten nur nach achtern auf die schlanke Gestalt ihres Kommandanten starren, der zwar von anderen umgeben, aber dennoch allein dastand und die franzosischen Schiffe beobachtete; denn sie verstanden die Ungeheuerlichkeit seiner Entscheidung und ihre Tragweite. Doch Bolitho nahm keinen von ihnen wahr und war sich kaum des Durcheinanders und der gebellten Befehle bewu?t, als Matrosen das Gangspill besetzten und uber die Webeleinen aufenterten. Manche trugen noch die Entermesser im Gurtel, mit denen sie bereit gewesen waren, zu kampfen und zu sterben.

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