Strandwolfe: Richard Bolithos gefahrvoller Heimaturlaub - Kent Alexander 4 стр.


In etwas ruhigerem Ton fuhr Hugh fort:»Ihr mu?t auf jedem Kriegsschiff, auch wenn es noch so klein ist, immer ein gutes Beispiel geben.»

Bolitho sagte:»Tut mir leid. Ich dachte, da wir deinem Kommando nur attachiert sind.»

Hugh lachelte.»Attachiert, gepre?t, freiwillig, ist mir alles gleich. Ihr seid meine Offiziere, bis etwas anderes befohlen wird. Hier wartet Arbeit auf euch!»

Er blickte auf, als Gloag durch die Tur trat, den gewaltigen Korper vornubergebeugt, als ware er bucklig.»Setzen Sie sich, Mr. Gloag. Wir trinken noch ein Glas, bevor wir Anker auf gehen. Alles in Ordnung an Deck?«Der Steuermann nahm seinen verbeulten Hut ab, und Bolitho sah zu seiner Uberraschung, da? Gloags Schadel vollig kahl war. Er sah aus wie ein braunes Ei, wahrend das Haar im Nacken und auf den Wangen so dick wuchs wie ein Pelz, als wolle es das Manko wettmachen. Hugh fuhr fort:»Du wirst die Pflichten des stellvertretenden Kommandanten ubernehmen, Richard. Mr. Dancer wird dir dabei helfen. Zwei Halften ergeben ein Ganzes. «Er lachelte uber seinen Witz.

Gloag schien die gespannte Atmosphare zu spuren und polterte dazwischen:»Ich habe gehort, da? Sie beide das Kommando auf einer Brigg ubernommen haben, als Ihre dienstaltesten Offiziere krank oder verwundet waren?»

Dancer nickte mit leuchtenden Augen.»Aye, Sir. Auf der

Dick kommandierte sie wie ein altgedienter

Pyke sagt, wir werden sie bald an den Hammelbeinen fassen. «Dancer sah ihn an.»Pyke?»

Hugh schob Becher uber den niedrigen Tisch.»Pyke ist mein Bootsmann. War fruher beim Zoll, bevor er vernunftig wurde und des Konigs Rock anzog. «Er hob sein Glas.»Willkommen an Bord, meine Herren!»

Der verangstigte Seemann namens Warwick, der zugleich Messesteward war, brachte eine Lampe herein und hangte sie vorsichtig an einen Decksbalken.

Bolitho setzte gerade sein Glas an die Lippen, als er sah, da? Dancer ihm einen Wink mit den Augen gab. Er blickte in die angezeigte Richtung und sah einen dunklen Fleck auf Hughes wei?em Strumpf. Solche Flecken hatte er wahrend des letzten Jahres zu oft gesehen, um ihn nicht sofort als Blut zu erkennen. Im ersten Augenblick glaubte er, Hugh sei verwundet oder hatte sich beim Anbordkommen das Schienbein gesto?en. Dann merkte er jedoch, da? dieser seinem Blick mit einem Gemisch aus Trotz und Beschworung begegnete.

Getrappel von Fu?en war uber ihnen zu horen, und Hugh stellte sein Glas vorsichtig auf den Tisch.

«Ihr werdet Wache um Wache gehen. Sobald wir aus der Bucht sind, segeln wir sudwarts und gewinnen Seeraum. Ich habe ein paar Informationen, aber noch nicht genugend. Wir setzen keine Lichter, unnotiger Larm ist zu vermeiden. Meine Leute kennen ihre Arbeit, die meisten von ihnen sind ehemalige Fischer oder Berufsseeleute, gewandt wie die Katzen. Ich will diese Schmuggler oder Strandrauber so schnell wie moglich und gleich mit Stumpf und Stiel ausrotten, bevor ihr Beispiel Schule macht. Ahnliches hat es in dieser Gegend schon fruher gegeben, sogar in Kriegszeiten. Der Schwarzhandel bluhte in beiden Richtungen, hat man mir erzahlt!»

Gloag griff nach seinem Hut und ging gebuckt aus der Tur.»Ich mache alles klar zum Auslaufen, Sir.»

Hugh blickte Dancer an.»Gehen Sie mit. Lernen Sie von ihm. Die

um das gleich klarzustellen. «Zum erstenmal allein miteinander, musterten sich die Bruder prufend.

Bolitho schien es, als konne er durch Hughs Maske der verachtlichen Abwehr hindurchsehen. Es war nicht nur die krampfhafte Wahrung seiner Autoritat, was beim ersten, wenn auch vielleicht nur vorubergehenden eigenen Kommando des Einundzwanzigjahrigen verstandlich gewesen ware. Da war noch etwas anderes, eine deutlich spurbare Unruhe und abwehrende Harte in seinen Augen. Er brauchte nicht lange zu warten.

Hugh begann zu sprechen, beilaufig zunachst:»Du hast den Fleck gesehen? Schade, aber es lie? sich nicht vermeiden. Ich kann mich darauf verlassen, da? du dichthaltst?«Bolitho pa?te seinen Ton dem seines Bruders an und sagte mit gleichgultigem Gesicht:»Mu?t du das erst fragen?«»Nein. Tut mir leid. «Hugh griff zum Brandy und schenkte sich geistesabwesend nochmals ein.»Es war eben eine Angelegenheit, die ich unbedingt noch erledigen mu?te.«»Hier in Falmouth?«Bolitho beugte sich vor, fast ware er aufgesprungen.»Denkst du denn gar nicht an Mutter?«Hugh seufzte.»Es war zum Teil ihretwegen. Ein Narr, der sich wegen einer anderen Affare rachen wollte.«»Dieselbe Affare, deretwegen du die

Schuft!»

Bolitho schuttelte den Kopf.»Eines Tages wirst du's zu weit treiben.»

Hugh lachelte zum erstenmal. Er schien erleichtert, wie befreit, da? er jetzt das Geheimnis mit jemandem teilte.»Aber bis zu diesem traurigen Tag, mein Junge, ist noch allerhand Arbeit zu verrichten. Somit begib dich also an Deck und scheuch' die Leute auf. Wir wollen Anker lichten, bevor es dunkel wird. Sonst landen wir noch deinetwegen als zersplittertes Wrack auf dem St. Anthony Head!»

Das Wetter hatte sich erheblich verschlechtert. Als Bolitho durch die Niedergangsluke an Deck stieg, schuttelte der Wind ihn wie mit Fausten. Gestalten hasteten geschaftig hin und her, das Platschen ihrer nackten Fu?e auf den nassen Decksplanken erinnerte an eine Herde von Seehunden. Trotz des scharfen Windes und des spruhenden Gischtes trugen die Manner nur ihre karierten Hemden und weite wei?e Hosen. Kalte und Nasse schienen ihnen nichts anzuhaben.

Bolitho duckte sich und sprang zur Seite, als die Jolle eingeschwenkt wurde und die Manner an den Davits noch zusatzlich mit eisigem Wasser bego?. Er sah den Bootsmann Pyke, der das Einsetzen leitete, bis das Boot an seinen Klampen festgezurrt war. Man konnte ihn sich gut als Zollner vorstellen. Er hatte einen verschlagenen, listigen Blick und war vollig anders als jeder Bootsmann, den Bolitho bisher kennengelernt hatte. Es wurde einige Zeit dauern, bis er sich hier eingelebt hatte, dachte er. Uberall pruften die Manner das Tauwerk auf den Belegnageln, nahmen es ab, als erwarteten sie, es gefroren zu finden.

Es wurde fruhzeitig dunkel werden. Bereits jetzt war das nachstliegende Land undeutlich und verschwommen, die Mauern von Pendennis und St. Mawes formlos und kaum zu erkennen. Gloag rief:»Drei Mann an die Pinne! Sie wird tanzen wie 'ne Pastorentochter, sobald wir freikommen, Jungs!«Jemand lachte; das war ein gutes Zeichen. Gloag mochte gefurchtet sein, wurde aber offensichtlich auch geachtet. Dancer sagte rasch:»Hier kommt unser Kommandant, Dick. «Bolitho wandte sich um, als sein Bruder an Deck erschien. Trotz des Wetters trug er weder Uberzieher noch Olzeug. Die Aufschlage seines Offiziersrocks leuchteten sehr wei? in dem truben Halbdunkel, und der Dreispitz sa? verwegen schief. Bolitho legte gru?end die Hand an den Hut.»Der Master sagt, wir sind klar zum Ankerlichten, Sir. «Er war selbst uberrascht, wie leicht ihm der formliche Ton fiel. Aber es war die Marine, die jetzt sprach, nicht der Bruder zum Bruder.»Danke. Lassen Sie kurzstag hieven und schicken Sie die Leute auf Station. Wir setzen Gro?segel und Fock, sobald der Anker freigekommen ist; mal sehen, wie sie das vertragt. Sobald wir frei vom Land sind, will ich Fock und Toppsegel setzen.»

«Gerefft, Sir?»

Die Augen Hughs ruhten einen Augenblick auf ihm.»Abwarten.»

Bolitho lief nach vorn in den plumpen Bug. Es schien unglaublich, da? die

Gloag schlug seine riesigen Hande zusammen wie Bretter.»Wind hat einen Strich geschralt, Sir!«Er grinste in den peitschenden Gischt, von seinem Gesicht stromte das Wasser.»Soll uns nur recht sein.»

Bolitho kletterte uber ungewohnte Geschutztaljen und dickes Tauwerk, vorbei an ihm fremden Seeleuten und Unteroffizieren, bis er ganz vorn am Steven war. Er sah die gespannte Ankertrosse, die durch die Kluse hereinpolterte, als sich jetzt mehr Leute in die Handspaken legten. Auf beiden Seiten des Vorderstevens schaumte der Gezeitenstrom vorbei, als sei die

Pyke rief nach achtern:»Anker ist frei, Sir!«Die Wirkung war uberraschend. Gro?segel und Fock fullten sich knallend, die

Und dann, ebenso plotzlich, war alles voruber. Die

Hugh blickte ihn ebenfalls an, die Lippen zu einem Strich zusammengepre?t.

«Nun?«Hughs Frage war zugleich auch eine Drohung.

Bolitho nickte.»Ein Klasseschiff, Sir! Sie fliegt wie ein Vogel!»

Der Bootsmann stapfte an die Luvreling und starrte zu der verschwommenen Kustenlinie hinuber.

«Aye, Mr. Bolitho. Und ich wette, ein paar Teufel beobachten diesen Vogel jetzt ganz genau!»

Das Land schob sich rasch vorbei, und Bolitho sah, wie der Gischt von den Kammen der Brecher gepeitscht wurde und in langen Streifen davonstob, als sie sich jetzt der gefahrlichen Landzunge naherten.

Pyke schrie durch die trichterformig gehaltenen Hande:»Klar zum Auf entern!«Er blickte in des Kommandanten starres Gesicht, als erwarte er einen Widerruf seiner Forderung nach noch mehr Tuch. Als dieser jedoch nichts sagte, fugte er herzhaft hinzu:»Und einen Extraschluck fur denjenigen, der als erster wieder unten ist!»

Bolitho versuchte, sich jeden Teil des jetzt rasch dunkler werdenden Decks einzupragen, bis er glaubte, es auch bei volliger Dunkelheit den eifrigen Seeleuten gleichtun zu konnen in diesem Gewirr von Tauwerk und Blocken, die dem Schiff erst das Leben verliehen.

Hugh und Master Gloag schienen zufrieden, als sie die arbeitenden Seeleute und die Segelstellung beobachteten und gelegentlich einen Blick auf den Kompa? warfen. Was fur einen Riesenschritt ich doch noch vor mir habe, dachte Bolitho: vom Fahnrichslogis zu einem Platz auf dem Achterdeck. Sein Bruder war mit einundzwanzig Jahren schon auf einem ganz anderen Niveau. In wenigen Jahren hatte er dieses erste, winzige Kommando vielleicht schon vergessen und kommandierte wahrscheinlich seine eigene Fregatte. Die

»Mr. Bolitho!»

Als die Dammerung allmahlich tiefer Dunkelheit wich, warf sich die

Stunde um Stunde trieb Hugh seine Besatzung an, bis sie zum Umfallen mude war. Das nasse, gefrierende Segeltuch, eisenhart und unnachgiebig, machte den Fausten der vom Salzwasser geblendeten Manner schwer zu schaffen, und das standige Donnern der prallen Segel ubertonte sogar das Toben der See. Das Kreischen der Blocke, wenn das aufgequollene Tauwerk durchgeholt wurde, das Stampfen der Fu?e an Deck, ein gelegentlicher Kommandoruf vom Achterdeck, alles zusammen vereinigte sich zu einem gewaltigen Chor der Anstrengung. Selbst der jugendliche Kommandant des Kutters mu?te schlie?lich zugeben: zuviel war zuviel. Zogernd und widerstrebend befahl er, Toppsegel und Kluver fur den Rest der Nacht zu bergen.

Schlie?lich kroch die Freiwache keuchend und zerschunden zu einer kurzen Atempause unter Deck. Manch einer von ihnen schwor, er werde nie wieder den Fu? an Bord setzen, sobald sie erst im Hafen waren. Doch das schworen sie immer. Und gewohnlich kamen sie dann doch wieder zuruck. Andere waren zu erschopft, um uberhaupt noch denken zu konnen, und lie?en sich in ihrem Logis einfach fallen. Dort lagen sie dann inmitten des im Brackwasser hin und her schwappenden Gemisches aus nassen Kleidungsstucken und losem Tauwerk, bis der nachste Ruf ertonte:»Alle Mann an Deck zum Segelbergen!«Darauf brauchten sie nie lange zu warten.

Als Bolitho endlich in seiner Behelfskoje lag, hin und wieder hochgeschleudert vom wilden Stampfen des Schiffes, dachte er daran, wie sich der Urlaub wohl gestaltet hatte, wenn er Dancers Einladung nach London gefolgt ware.

Ein Lacheln spielte um seine Lippen, bevor er in tiefen Schlaf fiel. Das ware ein Unterschied wie Tag und Nacht gewesen.

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