Davy sagte nichts, aber offenbar wurmte es ihn, da? Soames gleich mit einem Plan bei der Hand war, nachdem er selbst ohne weitere Uberlegungen zum Abwarten geraten hatte.
Bolitho blickte zur
«Mein Gott, Captain! Dieser junge Herr stolpert noch mal uber ein Samenkorn!»
Mit hochrotem Kopf hastete Armitage an den grinsenden Matrosen vorbei den Strand herauf.»Mr. Herrick la?t mit Respekt melden, Sir — «, er machte eine kleine Pause, um sich den Sand vom Kinn zu reiben,»- da? einige kleine Fahrzeuge nordlich von hier gesichtet worden sind. «Er deutete aufs Geratewohl irgendwo in den Dschungel.»Ein ganzes Geschwader. Mr. Herrick meint, sie halten auf uns zu; allerdings sind sie… «Er machte eine Pause und verzerrte das Gesicht wie immer, wenn er eine schwierige Meldung loswerden mu?te,»…nicht mehr zu sehen. «Dann fiel ihm der Schlu? ein, und er nickte erleichtert.»Mr. Herrick meint, sie haben irgendwas an Land vor, laufen aber eine andere Bucht an.»
Bolitho pre?te die Hande auf dem Rucken zusammen. Das war genau das, was er befurchtet hatte. Und es hatte zu keinem schlimmeren Zeitpunkt eintreffen konnen.»Danke, Mr. Armitage.»
Leise sagte Davy:»Dann wird es nichts mit unserem Unternehmen, Sir. Wir konnen uns nicht aufsplittern, wenn feindliche Eingeborene in der Nahe sind.»
Verachtlich fuhr Soames dazwischen:»Die Pest darauf, Mr. Davy! Wir haben Munition genug, um tausend lausige Eingeborene zu verscheuchen!»
«Schlu? jetzt!«Bolitho starrte die beiden zornig an, wahrend seine Gedanken immer noch mit diesem Problem beschaftigt waren.»Mr. Herrick hat wahrscheinlich recht. Kann sein, sie gehen nur an Land, um zu jagen oder zu lagern. So oder so, unsere Aktion wird dadurch um so wichtiger. «Nachdenklich blickte er Soames an und las in dessen tiefliegenden Augen Arger und Triumph zugleich.»Suchen Sie Ihre Leute sofort aus.»
Steif fragte Davy:»Und ich, Sir?»
Bolitho wandte sich ab. Im Kampf Mann gegen Mann wurde Soames besser sein. Andererseits benotigte Herrick, wenn ihm selbst etwas zustie?, auf der
Gepre?t erwiderte Davy:»Ich bin dienstalter als Soames, Sir. Es ist mein gutes Recht, an dieser Aktion teilzunehmen.»
Bolitho blickte ihn gelassen an.»Aber was Ihre Pflicht ist, entscheide ich. Ihre Loyalitat setze ich dabei voraus. «Er warf einen Seitenblick auf Soames, der vor einer Doppelreihe Matrosen auf und ab schritt.»Sie kommen auch noch dran, dessen seien Sie sicher.»
Ein Schatten fiel uber Fowlars Karte — es war Rojart, der spanische Leutnant mit den ewig traurigen Augen.
«Ja,
Stolz blickte er zu Davy und Allday hinuber.»Don Luis hat mir befohlen, Sie nach besten Kraften zu unterstutzen.»
Bolitho seufzte. Rojart hatte sich bereits des ofteren als Traumer erwiesen. Vielleicht kam das von seinen furchtbaren Erlebnissen beim Schiffbruch. Immerhin — ein weiterer Offizier, auch wenn er Spanier war, wurde von Nutzen sein. Au?erdem war damit noch ein Offizier weniger an Bord.»Sie sehen also, Mr. Davy, da? Mr. Herrick Ihre Hilfe mehr denn je benotigt. «Und zu Rojart:»Ich nehme Ihr Angebot mit Dank an,
Capitan!»
Soames schnallte sich den Gurtel enger und meldete:»Abteilung klar zum Abmarsch, Sir. «Er deutete auf die angetretenen Matrosen.»Alle bewaffnet, aber ohne uberflussiges Gepack. «Davy ubersah er einfach.
Keen sammelte seine Patrouille soeben am anderen Ende des Strandes, und an einer flachen Stelle stand Pryke bei einem Haufen Bauholz, das die Helfer nach seinen Angaben zurechtgesagt hatten.
Davy legte formell die Hand an den Dreispitz.»Viel Gluck,
Sir!»
Lachelnd entgegnete Bolitho:»Danke, Mr. Davy. Werden wir hoffentlich nicht allzu notig brauchen. «Und zu Fowlar:»Gehen Sie voran, und machen Sie sich dabei Notizen. Wer wei? — vielleicht kommen wir wieder.»
Damit wandte er sich um und schritt auf den Waldrand zu.
«Kurze Rast!«Bolitho zog die Uhr aus der Tasche seiner Kniehose und sah nach der Zeit. Die Stundenziffern waren jetzt schon schwerer zu erkennen als vorhin. Er blickte hoch. Der Himmel war bereits dunkler, und uber den Baumen lag es nicht mehr wie Gold, sondern wie Purpur. Erschopft lie?en sich die Matrosen nieder oder lehnten sich an Baume, um sich von dem
Gewaltmarsch zu erholen. Anfangs war es nicht allzu schwer gewesen. Mit Axten hatten sie sich einen Pfad gehauen und waren ganz gut vorangekommen; aber als sie sich der Stelle naherten, wo nach Bolithos und Fowlars Schatzung die schmale Bucht liegen mu?te, lie?en sie die Axte stecken und bahnten sich ihren Weg durch Busch und Schlingengewachse mit blo?en Handen.
Nachdenklich betrachtete Bolitho seine Leute. Ihre Hemden waren zerschlitzt, Gesichter und Arme blutig von den Rissen tuckischer Zweige und Dornen. Hinter ihnen wurden die verschlungenen Aste dunkler und schienen im Dunst verrottender Vegetation zu zittern wie in einem Wind, den man nicht spurte.
Soames trocknete sich Gesicht und Nacken mit einem Tuch.»Ich habe Spaher vorausgeschickt, Sir. «Er ri? einem Mann die Feldflasche vom Mund.»Langsam, Idiot! Das mu? vielleicht noch eine ganze Weile reichen!»
Bolitho sah Soames jetzt mit anderen Augen. Die Manner zum Beispiel, die er als Spaher ausgesucht hatte, waren nicht die Starksten oder die Befahrensten, wie man es bei einem Leutnant seiner Herkunft erwartet hatte. Beide Spaher waren ganz frische Rekruten der
Beim Anblick dieses kraftvollen, zuverlassigen Mannes lie? Bolithos Spannung etwas nach.»Wir sind jetzt schon ziemlich dicht dran. «Wie Herrick wohl zurechtkam? Und ob er noch mehr Eingeborenenboote gesichtet hatte? Wie die meisten seiner Manner fuhlte er sich an Land unbehaglich — abgeschnitten vom Schiff.
Fowlar zischte:»Achtung, da kommt jemand.»
Musketenlaufe richteten sich ziellos aufs Gebusch, und ein paar Manner griffen nach ihren Entermessern.
«Nur einer von unseren Spahern!«rief Soames und trat auf die schattenhafte Gestalt zu.»Bei Gott, Hodges, du hast dich beeilt!»
Der Mann kam auf die kleine Lichtung und blickte Bolitho an.»Ich habe das Schiff gefunden, Sir. Es liegt 'ne knappe halbe
Meile entfernt. «Er zeigte in die Richtung.»Wenn wir etwas abdrehen, sollten wir in 'ner knappen Stunde dort sein.«»Was noch?»
Hodges hob die Schultern. Er war ein mageres Kerlchen, und Bolitho konnte sich gut vorstellen, wie er als Wildhuter in den Marschen von Norfolk herumgestreift war.
«Ich bin nicht zu nahe 'rangegangen, Sir«, sagte er.»Aber sie liegen ziemlich dicht unter Land. Einige Leute waren an Land, auf einer Lichtung. Ich habe… «Er zogerte.»Ich habe so eine Art Stohnen gehort. «Er schuttelte sich.»Lief mir richtig kalt uber den Rucken, kann ich Ihnen sagen, Sir.»
«Wie ich dachte«, sagte Soames wutend.»Sklavenjager, verfluchte! Sie haben wahrscheinlich ihr Lager an Land, fangen die armen Teufel ein und teilen sie in Gruppen. Madchen in der einen, Manner in der anderen. Dann werden die Kraftigsten ausgesucht.»
Fowlar spuckte ins Laub und nickte grimmig.»Den ubrigen schneiden sie die Halse durch, um Pulver und Blei zu sparen, und lassen sie liegen.»
Bolitho blickte den Spaher an; Fowlars brutalen Kommentar wollte er nicht horen. Da? diese Dinge geschahen, war allgemein bekannt, aber anscheinend wu?te niemand, was dagegen zu tun war. Besonders da viele einflu?reiche Personlichkeiten Profite aus dem Sklavenhandel zogen.»Haben sie Wachen aufgestellt?«fragte er.»Zwei hab' ich gesehen, Sir. Aber sie fuhlen sich anscheinend ganz sicher. Das Schiff hat zwei Kanonen ausgefahren.»
«Naturlich«, knurrte Soames.»Wenn einer versucht, die armen Teufel zu befreien, kriegt er den Bauch voll Schrapnell.»
Der spanische Leutnant trat zu ihnen. Trotz des Gewaltmarsches brachte er es irgendwie fertig, in seinem gefaltelten Hemd mit den weiten Armeln elegant auszusehen.»Vielleicht sollten wir umkehren,
Vielsagend hob er die Schultern.»Hat keinen Sinn, dieses Schiff zu alarmieren, wenn es blo? ein Sklavenhandler ist, oder?»
Soames wandte sich wortlos ab. Sicher war er, ebenso wie der Gro?teil der Matrosen, emport daruber, da? Rojart die Sklaverei fur eine ganz normale Einrichtung hielt.
«Wir gehen weiter vor,
Hodges setzte sich an die Spitze.»Mein Kamerad, Billy Norris«, sagte er,»ist dort geblieben und beobachtet weiter, Sir. Bleiben Sie dicht hinter mir. Ich hab' den Weg markiert. «Und Bolitho glaubte ihm aufs Wort, obwohl er nirgends ein Zeichen sehen konnte.
Erstaunlich, wie nahe sie waren. Schon nach kurzer Zeit tippte Hodges ihn auf den Arm und bedeutete ihm, unter einem scharfblattrigen Busch Deckung zu suchen. Und da lag auch schon, wie auf offener Buhne, der Meeresarm vor ihnen. Hier war es viel lichter als im Wald; die letzten Sonnenstrahlen spielten noch im Laub und malten schillernde Reflexe auf die trage Dunung. Langsam schob sich Bolitho vorwarts und versuchte, die schmerzhaften Stiche in Brust und Handen zu ignorieren. Dann erstarrte er und verga? alle Unbequemlichkeiten, denn jetzt konnte er das Schiff deutlich sehen. Hinter sich horte er, wie Allday seine eigenen Gedanken aussprach:»Bei Gott, Captain, es ist der Schuft, der die Dons auf das Riff gelockt hat!»
Bolitho nickte. In dem engen Meeresarm wirkte die Brigantine gro?er, aber sie war nicht zu verkennen. Er hatte sie, das wu?te er genau, auf Jahre hinaus nicht vergessen. Dann horte er auch das klagliche Stohnen, von dem Hodges berichtet hatte; ein scharfer, metallischer Klang drang vom anderen Ufer der Bucht heruber.
«Sie legen den armen Teufeln Handschellen an«, flusterte Allday. Bolitho zwangte sich noch etwas vor und erkannte die Ankerkette der Brigantine, ein langsseits liegendes Boot und ein glimmendes Licht an der Kampanje. Keine Flagge, ebenso wie damals. Aber zweifellos war die Mannschaft auf der Hut. Zwei Geschutze waren schu?bereit ausgefahren, die Mundungen gesenkt, um etwaige Angreifer mit einer Salve zu empfangen.
Langsam glitt ein Boot vom Ufer zum Schiff hinuber, und Bolitho fuhr zusammen, als er den Aufschrei einer Frau horte. Schrill, nervenzerrei?end hallte der Ton von den Baumen wider.
«Sie schaffen die Sklaven an Bord«, knirschte Allday.»Werden bald ablegen, schatze ich.»
Bolitho nickte und befahl Keen:»Holen Sie die anderen. Aber sie sollen leise sein. «Er sah sich nach dem zweiten Spaher um, der dumpf im Busch hockte.»Du gehst mit!«Und zu Allday:»Wenn wir sie schnappen, werden wir endlich erfahren, wer hinter der Sache mit der
Dumpfe Laute drangen von der Brigantine heruber, dann folgte ein schriller Aufschrei, der in ein langgezogenes Kreischen uberging, das aber plotzlich wie abgeschnitten verstummte. Wie weit mochte es wohl bis zur offenen See sein? Der Sklavenfanger mu?te so unauffallig, wie er hereingekommen war, auch wieder hinaus und sich alle Muhe geben, jedes Aufsehen zu vermeiden, bis sein Schiff klar von der Kuste war.
Bolitho konnte kaum glauben, da? er hier sa? und ausgerechnet dieses Schiff beobachtete. Wahrend die
Bolitho horte ein schwaches Gerausch hinter sich und dann Soames' leise, unbewegte Stimme:»Der junge Keen hat recht. Es ist tatsachlich dasselbe Schiff. «Prufend blickte er uber die Brigantine hinweg zu den Baumwipfeln empor.»Nicht mehr viel Zeit, Sir. In einer Stunde ist es stockfinster, vielleicht schon fruher.»
«Glaube ich auch. «In der Lichtung wurden jetzt die Sklaven zusammengetrieben. Ein paar Rauchfetzen stiegen von einem Feuer auf; vielleicht hatte daran ein Schmied an den Handfesseln gearbeitet. Dort war der schwachste Punkt.»Nehmen Sie zwanzig Mann und umgehen Sie das Lager. Beim ersten Alarmzeichen feuern Sie mit allem, was Sie haben. Das sollte wenigstens eine Panik verursachen.»
«Aye. So wird's gehen.»
Bolithos Kopf war eiskalt vor Erregung. Bei solchen Gelegenheiten uberkam ihn stets eine Art Besessenheit.»Ich brauche zehn Mann, die schwimmen konnen. Wenn wir es schaffen, an Bord zu kommen, solange sie noch verladen, mu?ten wir das Achterdeck halten konnen, bis Sie die Boote gesturmt haben und uns zu Hilfe kommen.»
Er horte, wie Soames sich das stoppelige Kinn rieb.»Ein tollkuhner Plan, Sir — aber jetzt oder nie!»
«Also dann… Sagen Sie Rojart, er soll mit ein paar Mann als Flankenschutz den Platz hier halten. Denn wenn alles schiefgeht, mussen wir wieder hierher zuruck.»
Soames kroch zuruck und gab flusternd die Befehle weiter. Weitere Gestalten krochen raschelnd heran, und Keen meldete:»Unsere Abteilung ist klar, Sir.»
«Unsere Abteilung?»
Keens wei?e Zahne blitzten in dem schwindenden Licht.»Ich schwimme ausgezeichnet, Sir.»
Besorgt murmelte Allday:»Hoffentlich gibt es hier keine von diesen verdammten Wasserschlangen!»