«Ruder in Lee!»
Gespannt wartete er, bis die
Bolitho hob die Arme, damit Allday ihm das Degengehange umschnallen konnte.»Diesmal nicht, Allday. «Schlimm, wie sowohl Herrick als auch Allday jede seiner Bewegungen beobachteten.
Die Marineinfanteristen traten unter Scharren und Stampfen am Fallreep an. Sergeant Coakers breites Gesicht glanzte unter seinem schwarzen Tschako wie eine machtige, taufeuchte Frucht.
Bolitho wandte sich der naher kommenden Barkasse zu, einem gro?artigen Fahrzeug mit vergoldeter und von einem Baldachin uberdachter Achterplicht. Dagegen hatte sich Alldays Gig wie ein armseliges Falmouther Hafenboot ausgenommen. Ein reichbetre?ter Offizier stand aufrecht im Boot, eine Schriftrolle unterm Arm, und musterte die ankernde Fregatte. Die ublichen Willkommensworte. Die Einleitung zu dem, was jetzt kam.
«Sie bleiben an Bord, Mr. Herrick«, sagte Bolitho bestimmt.»Mr. Davy wird mich an Land begleiten. «Er ignorierte Herricks offensichtliche Enttauschung.»Passen Sie gut auf und sorgen Sie dafur, da? unsere Leute jederzeit zu allem bereit sind.»
Herrick fa?te an den Hut.»Aye, aye, Sir«, sagte er und eilte davon, um Davy von seinem Gluck Mitteilung zu machen.
Bolitho lachelte nachdenklich. Bei den vielen Kustenbooten und sonstigen Versuchungen wurde Herrick sein ganzes Konnen aufbieten mussen, damit das Schiff nicht von Handlern und anderen, weniger respektablen Besuchern uberschwemmt wurde.
Er horte He rrick sagen:»Also
Davy zogerte, er wog wohl die Gunst des Augenblicks und Herricks Stimmung gegeneinander ab. Schlie?lich meinte er moglichst beilaufig:»Eine kluge Wahl, Mr. Herrick, wenn ich so sagen darf.»
«Na ja — an Bord wurden Sie ja auch verdammt wenig nutzen, nicht wahr?«blaffte Herrick, und Bolitho wandte sich ab, um sein Lacheln zu verbergen. Dann intonierten die vier
Trommelbuben auf ihren Pfeifen das alte Flottenlied:»Herzen stark wie Eiche…«, Bellairs schwitzende Seesoldaten prasentierten ihre Musketen, und Bolitho trat herzu, um seinen Besucher zu begru?en.
Die Residenz des Gouverneurs lag sehr schon an einer sanft ansteigenden Stra?e oberhalb des Hafens. Auf der Fahrt im Boot und nachher in der Equipage war Bolitho erleichtert, da? seine Eskorte, ein Major der Artillerie, sehr schlecht englisch sprach, so da? er sich, wenn sie an etwas Auffalligem vorbeifuhren, mit kurzen, bewundernden Ausrufen begnugen konnte. Offensichtlich war alles sorgfaltig geplant; gleich nachdem man am vorigen Abend die Royals der
Der Raum, in den man sie gefuhrt hatte, war in der Tat gro?artig: langgestreckt, kuhl, mit gekacheltem Fu?boden und einer Kollektion reichgeschnitzter Mobel und schoner Teppiche. In der Mitte stand ein machtiger Tisch aus Marmor. Sieben Geschutzbedienungen, dachte Bolitho, wurden Muhe haben, ihn von der Stelle zu bringen.
Ungefahr ein Dutzend Personen umstanden diesen Tisch — in vorher festgelegter Ordnung, wie es ihm vorkam, so da? er ohne Zeitverlust unterscheiden konnte, wer hier etwas zu sagen hatte und wer nicht.
Der Mann, den er fur James Raymond hielt, trat vor und erklarte:»Ich bin Raymond, Captain. Wir hatten Sie eigentlich etwas eher erwartet. «Er sprach schnell und abgehackt — der Zeitersparnis wegen oder aus innerer Unsicherheit? Schwer zu sagen. Raymond stand in der ersten Halfte der Drei?ig, war elegant gekleidet und ware ein gutaussehender Mann gewesen, wenn ihn nicht sein standiges gereiztes Stirnrunzeln entstellt hatte.
Er fuhr fort:»Und hier ist Don Luis Puigserver, personlicher Beauftragter Seiner Katholischen Majestat, des Konigs von Spanien.»
Puigserver war kraftig gebaut, sein Teint wirkte wie brauner Zwieback, und die buschigen schwarzen Augenbrauen beherrschten das ganze Gesicht. Trotz seiner harten Augen besa? er einen gewissen mannlichen Charme. Er trat vor und ergriff Bolithos Hand.
«Es ist mir ein Vergnugen,
Sie haben ein schones Schiff. «Mit einer Geste zu einem gro?en schlanken Mann am Fenster fuhr er fort:
Alfonso Triarte, Kommandant der
Bolitho sah ihn uberrascht an. Puigserver hatte entschieden etwas Gewinnendes: breit gebaut, die Beine in den feinen Seidenstrumpfen au?erordentlich muskulos, fester, kraftvoller Handedruck — ein selbstsicherer und vertrauenerweckender Mann. Kein Wunder, da? der Gouverneur es vermieden hatte, ihn warten zu lassen. Zweifellos war Puigserver eine Respektsperson.
Jetzt schnippte er mit seinen spatelformigen Fingern, und sofort sturzte ein nervoser Adjutant herzu, um Bolitho Hut und Degen abzunehmen. Ein zweiter winkte einige Bediente herbei, und zwei Minuten spater sa?en alle um den altarahnlichen Tisch; vor jedem stand ein prachtvoller Kelch.
Nur Puigserver war stehengeblieben. Mit vollig unbewegter Miene uberwachte er die Diener, die funkelnden Wein einschenkten. Doch als Bolitho zufallig den Blick senkte, sah er, da? Puigserver ungeduldig mit der Fu?spitze wippte.
Dann erhob er sein Glas:»Meine Herren — auf unsere Freundschaft. «Sie standen auf und tranken. Der Wein war ausgezeichnet; Bolitho mu?te an sein unsicheres Herumsuchen in jenem Laden in der St. James' Street denken. Puigserver fuhr fort:»Der Krieg hat wenig erbracht au?er der Erkenntnis, da? weiteres Blutvergie?en vermieden werden mu?. Ich will Ihre Zeit nicht mit leeren Versprechungen in Anspruch nehmen, die ich doch nicht einhalten kann; ich kann nur hoffen, da? wir in Zukunft unseren jeweiligen Interessen in Frieden nachgehen werden.»
Bolitho warf einen raschen Blick auf die anderen. Raymond lehnte sich in seinem Stuhl zuruck und versuchte, gelassen auszusehen, aber in Wirklichkeit war er gespannt wie eine Stahlfeder. Der spanische Kapitan blickte uber sein Glas hinweg in irgendwelche Fernen. Die Mehrzahl der anderen hatte den leeren Gesichtsausdruck von Menschen, die so tun, als ob sie alles verstehen, aber in Wirklichkeit keine Ahnung haben. Wahrscheinlich, dachte Bolitho, verstanden sie von zehn Worten nur eins.
Davy sa? an der anderen Seite der Tafel. Seine klargeschnittenen Zuge glanzten vor Schwei?, und er bemuhte sich, ein streng dienstliches Gesicht zu machen.
Im Grunde zahlten nur sie drei: Don Luis Puigserver, Raymond und Bolitho selbst. Der erstere sagte:»Spanien hat Menorca mit Dank wieder in Empfang genommen, ebenso gewisse andere Inseln — Konzessionen, welche sich aus diesem ungluckseligen Kriege ergaben. «Eine Sekunde lang hafteten seine Augen an Bolitho; dunkle, fast schwarze Augen, wie spanische Oliven.»Als Gegenleistung hat sich Seine Katholische Majestat veranla?t gesehen, dieser neuen gemeinsamen Unternehmung Ihren Allerhochsten Segen zu erteilen. Die Unternehmung ist ubrigens nicht ohne Risiko. «Er blickte zu Raymond hinuber.»Vielleicht sind Sie so freundlich, die Einzelheiten zu erlautern?»
Raymond machte Miene aufzustehen, blieb aber dann doch sitzen.»Wie Ihnen bekannt sein wird, Captain Bolitho«, begann er,»hat der franzosische Admiral Suffren mehrfach unsere Schiffe und Territorien in Ostindien sowie in Indien selbst angegriffen. Holland und Spanien — «, er zogerte, weil
Triarte ein diskretes, aber vorwurfsvolles Husteln vernehmen lie?,»- waren Frankreichs Alliierte, hatten aber nicht die erforderlichen Geschwader und Truppen zur Verfugung, um ihre Besitzungen in diesem Gebiet zu schutzen. Suffren tat es fur sie. Er eroberte unseren Hafen Trincomali und gab ihn den Hollandern nach dem Krieg zuruck. Es gibt da noch mehrere ahnliche Falle, doch werden Ihnen die meisten bereits bekannt sein. Nun hat Spanien im Austausch gegen gewisse andere
Vergunstigungen, die fur Sie im Moment ohne Interesse sind, prinzipiell eingewilligt, eines seiner Territorien auf Borneo an England abzutreten. «Er warf Bolitho einen Blick zu, den dieser als impertinent empfand.»Und dahin segeln Sie naturlich.»
Naturlich. Es klang so einfach: Die Reise wurde eben zweioder dreitausend Meilen langer. Raymond sprach von Borneo, als handle es sich um Plymouth.
Gelassen warf Bolitho ein:»Mir ist der Sinn dieser — hm — Abmachungen nicht ganz klar.»
Puigserver mischte sich ein.»Das glaube ich Ihnen gern,
Er warf Raymond einen kalten Blick zu.»Reden wir offen. Um bei diesem unsicheren Waffenstillstand weitere Spannungen zu vermeiden, denn genau das ist dieser Friedensschlu?, mussen wir mit au?erster Vorsicht vorgehen. Die Franzosen haben trotz ihrer Anstrengungen in Indien so gut wie nichts gewonnen; und sie sind empfindlich gegen jede rasche Expansion eines anderen Staates in der Umgebung ihrer ohnehin schrumpfenden Einflu?zonen. Ihr Ziel,
ist Teluk Pendang: ein ausgezeichneter Ankerplatz, eine beherrschende Position fur jedes Land, das den Wunsch hat, noch weitere Stutzpunkte in diesem Gebiet anzulegen. Kurz, die Brucke zu einem Weltreich.»
«Ich sehe schon, was Sie meinen,
Fortunante
Fortunate
«Wie dem auch sei«, fuhr Raymond fort,»der uberlebende franzosische Kapitan war ein alter Haudegen namens Le Chaumareys, einer der besten Frankreichs.»
Bolitho lachelte.»Ich habe von ihm gehort.»
«Ja«, sagte Raymond nervos,»bestimmt haben Sie das. Gewisse Leute in der Regierung nehmen nun an, da? die Franzosen durch Le Chaumareys von diesem unserem Abkommen mit Spanien erfuhren. Wenn das der Fall ist, mu? sich Frankreich aufs hochste beunruhigen uber die Aussicht, da?
Jetzt hatte Bolitho begriffen: darum all die vagen Andeutungen in der Admiralitat, die ganze Geheimnistuerei. Kein Wunder. Wenn Frankreich Wind von Englands Absicht bekam, in Ostindien eine expansive Politik zu betreiben, dann mu?te ein neuer Krieg ausbrechen. Es war, als stunde jemand mit einer brennenden Lunte in einem Pulvermagazin.»Was sollen wir also tun?«fragte Bolitho.
Raymond entgegnete:»Sie werden zusammen mit der
Puigserver sah ihn an wie ein guter Onkel seinen kleinen klugen Neffen.»Und ich werde an Ort und Stelle dafur sorgen, da? unsere Leute keinen Unsinn machen, wie?»
Mi?mutig sprach Raymond weiter.»Die Franzosen haben eine Fregatte in diesen Gewassern, die
Bolitho atmete langsam aus. Der Plan war soweit ganz gut. Die Entsendung eines britischen Geschwaders hatte fruher oder spater zur offenen Seeschlacht gefuhrt; aber zwei Fregatten verschiedener Nationalitat waren nicht so auffallig und wurden doch der
Langsam schritt Puigserver zu dem gro?en Fenster und starrte auf die vor Anker liegenden Schiffe hinunter.»Eine lange Reise, meine Herren, die aber, wie ich hoffe, uns allen zum Vorteil gereichen wird. «Er wandte sich Bolitho zu; sein Gesicht lag im Schatten.»Sind Sie seeklar?»
«Aye,
Er lachelte breit.»Es tut mir leid, da? ich Ihnen nicht auf einige Zeit Gastfreundschaft erweisen kann, aber diese Insel ist sowieso ein trauriger Aufenthalt. Wenn Sie aber einmal nach Bilbao kommen sollten — «, er ku?te die Fingerspitzen,»- dann kann ich Ihnen zeigen, wie man lebt. «Er lachte dem ubellaunig dreinschauenden Raymond ins Gesicht.»Und ich denke, wir werden einander wesentlich besser kennen, wenn diese Reise zu Ende ist.»
Die spanischen Adjutanten verneigten sich ehrerbietig, als Puigserver zur Tur schritt.»Wir sehen uns noch, bevor wir segeln!«rief er und fugte, schon im Hinausgehen, hinzu:»Aber morgen lichten wir Anker, komme was wolle.»
Lebhafte, gedampfte Unterhaltung setzte ein, und Raymond kam um den Tisch herum zu Bolitho.»Dieser verdammte Kerl!«flusterte er wutend.»Noch ein Tag mit ihm, und ich hatte ihm meine Meinung gesagt!»
«Auf welchem Schiff wollen Sie segeln?«fragte Bolitho.»Meins ist ja ganz ordentlich, aber viel kleiner als der Spanier.»
Raymond drehte sich halb nach dem spanischen Kapitan um, der mit seinen Leuten au?er Horweite sprach.
«Mit dem Spanier segeln? Und wenn Ihr Schiff eine lausige Kohlenschute ware — mir ware es immer noch lieber als die Nervion!»
Davy flusterte:»Ich glaube, sie erwarten, da? wir gehen.»
Raymonds Gesicht wurde noch finsterer.»Ich komme mit auf Ihr Schiff, da konnen wir alles besprechen. Hier kann man ja nicht einmal atmen, ohne da? einer lauscht.»