Fu?e rutschten den Abhang hinab. Bolitho fuhr herum und sah Moffitt, gefolgt von einem Marineinfanteristen, stolpernd und strauchelnd auf ihn zusturzen.
«Was ist los, Moffitt?«Die Angst starrte dem Mann aus dem Gesicht.»Sir!«Er bekam die Worte kaum heraus.»Wir haben versucht, Mr. Sparke ein Zeichen zu geben, aber er hat uns nicht gesehen. «Er gestikulierte wild.»Diese Teufel haben eine Zundschnur angesteckt, ich kann den Rauch sehen! Sie wollen die Brigantine in die Luft sprengen, mussen uns erwartet haben!»
Libby blickte voll Entsetzen hinuber.»Klar bei Riemen! Wir fahren zuruck!»
Bolitho rannte ins Wasser, um ihn zuruckzuhalten, aber wahrend er noch sprach, schienen Himmel und Erde in einer einzigen, ungeheuren Detonation auseinanderzubersten.
Die Leute im Boot duckten sich und hielten den Atem an, wahrend rings um sie Bruchstucke von Planken und Takelage herunterprasselten und sich die Wasserflache mit gro?en und kleinen Geysiren schmuckte. Dann kam der gewaltige Rauchpilz, der die ganze Bucht fullte, bis das Sonnenlicht vollig verdunkelt war.
Bolitho tastete sich zum Dory; seine Ohren, sein ganzer Kopf drohnten von dem betaubenden Larm der Detonation.
Marineinfanteristen stolperten den Hang hinab und warteten, bis Libbys Leute sich so weit gefangen hatten, da? sie imstande waren, das Boot zu der kleinen Bucht zu rudern.
Aber alles, was Bolitho sehen konnte, war Sparkes Gesicht, als er seinen letzten Plan erklart hatte. Auch er hatte
besessen. Aber ihn hatte sie nicht erhalten.
Bolitho nahm sich zusammen, als d'Esterre und sein Feldwebel mit zwei Schutzen auf ihn zukamen. Er meinte Sparkes scharfe Stimme an Bord des Schoners zu horen, als der Schock nach dem Kampf sie zu lahmen begonnen hatte:
Es hatte seine Grabinschrift sein konnen.
Bolitho sagte heiser:»Die Soldaten sollen so rasch wie moglich ubersetzen. «Dann wandte er sich von dem beizenden Gestank nach brennendem Holz und Teer ab.»Wir lichten sofort Anker.»
D'Esterre betrachtete ihn seltsam.»Ein paar Minuten spater, und es hatte Libbys Boot sein konnen. Oder deines!»
Bolitho begegnete seinem Blick:»Wir werden wahrscheinlich nicht viel Zeit haben; also wollen wir uns beeilen, ja?»
D'Esterre beobachtete, wie die letzte Gruppe seiner Soldaten antrat, um auf die Ruckkehr des Bootes zu warten. Er sah Bolitho und Stockdale aus dem Dory an Bord der
Bolitho trat ein, den Hut unterm Arm, das Gesicht von Mudigkeit gezeichnet.
Cairns wies auf den einzigen anderen Stuhl im Raum.»Nehmen Sie die Bucher herunter und setzen Sie sich, Mann!«Er tastete zwischen Papierstapeln, Listen und gekritzelten Notizen herum und fugte hinzu:»Hier sollten eigentlich ein paar Glaser stehen. Sie sehen aus, als mu?ten Sie sofort etwas trinken. Ich brauche auf jeden Fall einen Schluck. Sollte Ihnen jemand mal den Posten eines Ersten Offiziers anbieten, so jagen Sie ihn zum Teufel!»
Bolitho setzte sich und lockerte sein Halstuch. Nach dem stundenlangen Marsch kreuz und quer durch New York und der endlosen Bootsfahrt durch den Hafen fuhlte er sich verschwitzt und erschopft und geno? die Andeutung einer kuhlen Brise in der Kammer. Er war an Land geschickt worden, um neue Leute aufzutreiben, als Ersatz fur die auf der
Trojan
Die Ereignisse, die ihn so verandert hatten, vor allem Sparkes schrecklicher Tod, waren selbst am Kommandanten nicht spurlos vorubergegangen.
Cairns fand die Glaser und sagte:»Rotwein, Dick, und warm, aber besser als nichts. Ich habe ihn bei einem Handler an Land gekauft.»
Bolitho neigte den Kopf, die Locke klebte an seiner Stirn und verbarg die schreckliche Narbe. Trotz des Dienstes in diesen Gewassern war er bla?, und das Grau seiner Augen wirkte wie der Winter, den sie gerade hinter sich gebracht hatten.
Bolitho merkte, da? er beobachtet wurde, aber das war er schon gewohnt. Wenn er sich verandert hatte, so auch seine Umgebung mit ihm. Durch Sparkes Tod waren die Offiziere eine Sprosse der Beforderungsleiter hohergestiegen. Bolitho war jetzt Dritter Offizier, und der am unteren Ende freigewordene Posten war von Libby besetzt worden. Dieser war also jetzt Sechster Offizier der
Dies war ein allgemein geubtes System an Bord der gro?eren Schiffe, aber Bolitho fand wenig Trost in seiner Beforderung; allerdings hielten die neuen Aufgaben ihn standig in Atem und drangten somit die bosen Erinnerungen in den Hintergrund.
Cairns sagte unvermittelt:»Der Captain mochte, da? Sie ihn heute abend auf das Flaggschiff begleiten. Der Admiral halt Hof. Es wird erwartet, da? die Kommandanten ein oder zwei Adjutanten mitbringen. «Er schenkte nach, sein Gesicht blieb unbeteiligt.»Ich habe zu arbeiten, mu? die verdammten Proviantlisten fertigmachen.
Au?erdem liegt mir nicht viel an leerem Geschwatz, besonders jetzt, da die ganze Welt auseinanderbricht.»
Er au?erte das so bitter, da? Bolitho unwillkurlich fragte:»Bedruckt Sie etwas Besonderes?»
Cairns zeigte sein seltenes Lacheln.»Alles! Ich bin krank vor Untatigkeit. Listen schreiben, neues Tauwerk oder neue Spieren anfordern, wahrend alles, was diese Halsabschneider an Land von einem wollen, nichts anderes ist als Geld und nochmals Geld.»
Bolitho dachte an die beiden Prisen, die er nach New York gesegelt hatte. Sie waren zum Prisenhof geschafft, verkauft und wieder in Dienst gestellt worden, beinahe schneller, als des Konigs Flagge an Bord gehi?t werden konnte.
Nicht ein einziger von den Leuten der Trojan wurde auf die Prisen versetzt; der Offizier, der das Kommando uber die Faithful erhielt, war erst vor ein paar Wochen aus England gekommen. Es war unfair, gelinde ausgedruckt, und offensichtlich eine Enttauschung fur Cairns. In achtzehn Monaten wurde er drei?ig. Der Krieg konnte bis dahin voruber sein, dann wurde er mit Halbsold an Land geschickt: keine erfreuliche Aussicht fur einen Mann, der mittellos und nur auf seinen Sold angewiesen war.
«Jedenfalls«, Cairns lehnte sich zuruck und blickte Bolitho an,»hat der Captain klar zum Ausdruck gebracht, da? er lieber Sie als Begleiter beim Admiral haben will als unseren Zechbruder, den Zweiten Offizier!»
Bolitho lachelte. Es war erstaunlich, da? Probyn sich noch immer halten konnte. Gewi?, er hatte Gluck, da? die
Bolitho stand auf.»Dann ist es wohl besser, wenn ich mich jetzt umziehe.»
Cairns nickte.»Sie sollen sich am Ende der ersten Hundewache* beim Kommandanten melden. Er ist zur Zeit nicht in Stimmung, auch nur die kleinste Nachlassigkeit durchzulassen, das kann ich Ihnen versichern.»
*Sechs Uhr nachmittags
Punktlich um vier Glasen trat Kapitan zur See Pears aus der Kajutstur, in gro?er Uniform, den Degen an der Seite. Das glitzernde Gold auf dunkelblauem Grund und die wei?e Kniehose lie?en ihn junger und gro?er erscheinen.
Bolitho, ebenfalls in seiner besten Uniform, den Degen statt des im Alltag ublichen Dolches am Gurtel, erwartete ihn am Fallreep.
Er hatte Boot und Besatzung bereits inspiziert und alles in Ordnung befunden. Es war ein prachtiges Boot, dunkelrot mit wei?em Dollbord, der Name
Hauptmann d'Esterre musterte kurz seine Wache und kommandierte:»Prasentiert das Gewehr!»
Die aufgepflanzten Bajonette der hochschnellenden Musketen beruhrten mit ihren Spitzen fast das Sonnensegel, und Bolitho sah im Geiste wieder die Marineinfanteristen vor sich, wie sie mit derselben Prazision die Enterer auf der
Die Bootsmannsmaatenpfeifen trillerten, dann bekam das Boot unter Pears Gewicht Schlagseite, als er an Bord stieg und zum Hecksitz balancierte.»Absetzen! Riemen bei!«Hogg war sich der beobachtenden Fernrohre auf den umliegenden Kriegsschiffen bewu?t.»Ruder an!»
Bolitho sa? steif da, den Degen zwischen den Knien. Es war ihm unmoglich, sich in Gegenwart des Kommandanten zu entspannen, deshalb beobachtete er intensiv die
Alle Stuckpforten standen offen, um die schwache, ablandige Nachmittagsbrise einzulassen. Aus jeder Offnung blickte die schwarze Mundung einer Kanone, so sauber und blank wie d'Esterres Silberknopfe.
Bolitho betrachtete verstohlen Pears grimmiges Profil. Die Neuigkeiten vom Kriegsschauplatz waren schlecht: bestenfalls Pattsituation, Verluste auf beiden Seiten. Doch was Pears auch von der augenblicklichen und kunftigen Lage halten mochte, eins war sicher: Nie wurde er auf seinem Schiff die geringste Schlamperei dulden.
Unter ihren Vierkant gebra?ten Rahen mit den sorgfaltig festgemachten Segeln, glanzend in Schwarz und Lederfarbe, war die
Pears blickte ihn voll an.»Es tat mir leid, vom Tode Ihrer Mutter zu horen. Ich habe sie einmal in Weymouth gesehen, Sie selbst waren damals auf See. Eine so reizende und hubsche Dame.
Ich komme mir alt vor, wenn ich mich an sie erinnere.»
Bolitho blickte starr achteraus. Kein Wunder, da? Pears sich alt vorkam. Angenommen, die
Grund Sorgen, dachte Bolitho. Es mu?te ihm manchmal vorkommen, als habe er ein Korps von Schuljungen an Bord.
«Wieviele Leute haben Sie heute aufgetrieben?»
Bolitho erstarrte. Pears wu?te alles, selbst uber seine heutige Mission an Land war er im Bilde.
«Vier, Sir. «Das klang noch durftiger, wenn man es laut aussprach.
«Hm. Vielleicht haben wir mehr Gluck, wenn der nachste Konvoi eintrifft. «Pears ruckte ein wenig auf seinem roten Kissen.»Verdammte Memmen, diese Handelsschiffmatrosen, die sich hinter der Ostindischen Kompanie oder einem verfluchten Regierungserla? verstecken! Holle und Teufel, man konnte meinen, es sei ein Verbrechen, fur sein Land zu kampfen! Aber ich werde ein paar von ihnen schnappen, Erla? oder nicht. «Er lachte in sich hinein.»Bis Ihre Lordschaften davon erfahren, haben wir sie langst zu Seeleuten des Konigs gemacht!»
Bolitho wandte den Kopf, als das Flaggschiff jetzt hinter einem anderen Ankerlieger sichtbar wurde.
Es war die
Trojan
«Auf Riemen!«Hogg beugte sich etwas vor, seine Finger schienen die Pinne zu liebkosen, als er jetzt zum Anlegen ansetzte.»Die Riemen — hoch!»
Wie eine Wand standen im selben Augenblick die Riemen mit den tropfenden Blattern in zwei genau ausgerichteten Reihen nach oben; Wasser rieselte ungehindert auf die Knie der Ruderer.
Pears nickte der Bootscrew zu und stieg dann gelassen das Fallreep hinauf, wo er unter dem schrillen Seitepfeifen und dem ublichen Zeremoniell beim Anbordkommen eines Kommandanten seinen Hut abnahm.