Zerfetzte Flaggen: Leutnant Richard Bolitho in der Karibik - Kent Alexander 3 стр.


Dieser fuhr fort:»Was diesmal auch passieren mag, wir durfen in unserer Wachsamkeit nie nachlassen. Dieses Schiff ist unsere Hauptverantwortung, das mussen wir uns immer wieder vor Augen halten. Der Krieg andert sich von Tag zu Tag. Wer gestern noch ein Verrater war, ist morgen ein Patriot. Ein Mann, der dem Ruf seines Vaterlandes gefolgt ist — «, ein schiefes Lacheln in Sparkes Richtung — ,» wird jetzt Loyalist genannt, als ob er und nicht die anderen Ausgesto?ene seien.»

Der Navigationsoffizier, Master Erasmus Bunce, stand langsam auf; seine Augen starrten unter einem Decksbalken hervor wie zwe i gluhende Kohlen.»Ein Mann mu? handeln, wie ihm sein Gewissen befiehlt, Sir. Gott allein wird entscheiden, auf wessen Seite in diesem Konflikt das Recht ist.»

Pears lachelte ernst. Der alte Bunce war bekannt fur seinen Glauben. In Portsmouth hatte er einmal einen Seemann ins Wasser geworfen, nur weil dieser in der Trunkenheit ein Spottlied gesungen hatte, in dem der Name des Herrn verunglimpft wurde.

Bunce stammte aus Devonshire und war im Alter von neun oder zehn Jahren zur See gegangen. Angeblich war er jetzt uber sechzig, aber Pears konnte sich nicht vorstellen, da? er jemals jung gewesen war.

Er sagte:»Genauso ist es, Mr. Bunce. Das war gut gesagt.»

Cairns rausperte sich und blickte den Master nachsichtig an.»War das alles, Mr. Bunce?»

Dieser setzte sich mit verschrankten Arme.»Es sei genug.»

Der Kapitan gab Foley ein Zeichen. Dafur brauchte es keine Worte, dachte Bolitho.

Glaser und Weinkruge wurden herumgereicht, dann sagte Pears:»Einen Toast, meine Herren. Auf das Schiff, und Verderben allen Feinden des Konigs!»

Bolitho beobachtete Probyn, der nach einem der Kruge Ausschau hielt, da sein Glas bereits wieder leer war.

Er dachte an des Kommandanten Stimme, als dieser von dem Schiff gesprochen hatte. Gott gnade George Probyn, wenn der die

Die Morgendammerung kam, das Wetter wurde ein wenig sichtiger, aber nicht viel. Der Wind blies weiter steif aus Nordwest, und das Schneegestober wurde bald von Nieselregen abgelost, der sich mit dem verwehten Gischt mischte und Decks wie Takelage matt glanzen lie?.

Bolitho hatte mehr Auslaufmanover erlebt, als er sich erinnern konnte, aber noch immer bewegte und erregte ihn die Art und We i-se, wie sich jeder in die Kommandokette einfugte und dadurch das Schiff zu einem lebenden Wesen machte, zu einem vollkommenen Instrument.

Jeder Mast hatte seine eigene Abteilung von Seeleuten, vom flinken Toppsgast bis zu den alteren, weniger beweglichen Mannern, die an Deck die Brassen und Fallen bedienten. Wenn die Kommandos und Pfeifsignale ertonten und die Seeleute dann durch die Luken und durch die Niedergange an Deck stromten, schien es unglaublich, da? der Rumpf der

Das gro?e Ankerspill drehte sich bereits, genau wie sein Zwilling ein Deck tiefer, und unter seinen Fu?en meinte Bolitho des Schiffes Erregung zu verspuren, seinen Eifer, Kurs auf die offene See zu nehmen.

Genau wie die Seeleute und Seesoldaten waren auch die Offiziere auf ihren Stationen. Probyn war, unterstutzt von Dalyell, auf der Back fur den Fockmast verantwortlich. Sparke hatte das Kommando auf dem oberen Batteriedeck und war fur den Gro?mast verantwortlich, der die eigentliche Starke des Schiffes ausmachte — mit all seinen Spieren, Stagen, der Leinwand und den Meilen von Tauwerk, die zusammen dem Schiffsrumpf darunter erst Leben gaben. Der Besanmast endlich wurde in erster Linie von den Achtergasten bedient, wo der junge Quinn mit dem Marineleutnant und dessen Leuten Cairns Anordnungen ausfuhrte.

Bolitho blickte hinuber zu Sparke: kein einfacher Vorgesetzter, aber es war ein Vergnugen, ihn bei der Arbeit zu beobachten. Er beherrschte seine Seeleute, seine Brassen und Fallen mit der Erfahrung und Leichtigkeit eines begabten Dirigenten.

Eine plotzliche Stille schien sich uber das Schiff zu legen; Bo-litho sah den Kommandanten achtern zur Schanzreling gehen, dem alten Bunce zunicken und dann leise mit dem Ersten Offizier sprechen.

Hoch uber dem Deck stand der rote Wimpel vom Flaggenkopf des Gro?topps so steif, als ware er aus Metall; eine gute Segelbrise. Aber Bolitho war froh, da? nicht er, sondern der Kommandant und der alte Bunce die

Seine Gedanken und seine Aufmerksamkeit wandten sich den Vorgangen an Bord zu, schweiften dann aber wieder ab. Wenn die Halfte von dem, was er gehort hatte, stimmte, dann wu?te der Feind moglicherweise besser Bescheid als sie selbst. Es sollte viele lose Zungen in New Yorks Zivil- und Militarkreisen geben.

Cairns hob sein Sprachrohr.»Mehr Tempo, Mr. Tolcher!»

Tolcher, der vierschrotige Bootsmann, zuckte seinen Rohrstock und brullte:»Mehr Leute ans Spill! Hiev rund, Jungs!«Er starrte zum Shantymann mit seiner Fiedel hinuber.»Spiel, du Hurensohn, oder ich steck dich in den Kettenkasten!»

Von der Back kam der Ruf:»Anker ist kurzstag, Sir!»

«Enter auf! Toppsegel los!«Cairns Stimme, vervielfaltigt durch den Trichter, verfolgte und trieb sie.»Vorsegel los!»

Dem Wind ausgesetzt, ri? sich das Segeltuch los und fing an, wild zu schlagen, wahrend die Seeleute auf den schwankenden Rahen kampften, um es bis zum richtigen Augenblick unter Kontrolle zu bringen.

Sparke schrie:»An die Brassen! Mr. Bolitho, stellen Sie den Namen dieses Mannes fest!»

«Aye, Sir!»

Bolitho lachelte in den Nieselregen hinein. Es war immer dasselbe mit Sparke:»Stellen Sie den Namen dieses Mannes fest!«In Wirklichkeit war da niemand, dessen Name festzustellen gewesen ware, aber es erweckte bei den Seeleuten den Eindruck, als habe Sparke seine Augen uberall.

Wieder die rauhe Stimme vom Bug:»Kette ist auf und nieder,

Sir!»

Befreit vom Grund — der erste Anker war bereits auf und gekattet — , drehte die

Rund und rund schwangen die Rahen, die Segel fullten sich eins nach dem anderen, wurden hart und steif wie Brustpanzerplatten, bis das Schiff seine Flanken in den Gischt tauchte, die Leegeschutzpforten bereits zeitweilig unter Wasser.

Bolitho rannte von einer Gruppe zur anderen, sein Hut sa? schief, seine Ohren drohnten vom Quietschen der Blocke und vom Donnern der Segel, und uber allem hing der achzende Chor der vibrierenden Stagen und Wanten.

Als er pausierte, um Atem zu holen, sah er die Umrisse von Sandy Hook querab vorbeigleiten. Ein paar Menschen warteten in einer kleinen Yawl und winkten, als das gro?e Schiff fast uber ihnen stand.

Er horte wieder Cairns Stimme:»Bramsegel setzen!»

Bolitho blickte zum Gro?topp hinauf, mit seinen unter dem Druck der Segel gebogenen Rahen. Seeleute und Fahnriche wetteiferten miteinander beim Setzen weiterer Segel. Als er sich wieder nach achtern wandte, sah er Bunce, die Hande auf dem Rucken, das Gesicht wie aus Stein gemei?elt, wahrend er sein Schiff und die Segelstellung musterte. Dann nickte er langsam. Dies kam so nahe an Zufriedenheit heran, wie Bolitho es noch nie bei ihm gesehen

hatte.

Er stellte sich vor, welchen Eindruck die

Probyns grobe Stimme ertonte von vorn, wo er seinen Leuten beim Kalten des zweiten Ankers Anweisungen zuschrie. Er wurde nach diesem Geschrei viel trinken mussen, dachte Bolitho.

Er blickte nach achtern, hinweg uber seine eigenen Seeleute, die teils an den Stagen herunterrutschten, teils aus den Wanten herabsprangen und unten vor dem Mast wieder antraten. Dann sah er, da? der Kommandant ihn beobachtete. Uber das halbe Schiff hinweg, durch all das Gewuhl und Gehaste, schienen ihre Blicke sich zu begegnen.

Verlegen griff Bolitho nach oben und ruckte seinen Hut zurecht; er meinte, ein kleines, aber nachdruckliches Nicken des Kommandanten bemerkt zu haben.

Aber die traumerische Stimmung war bald wieder verflogen, die

Bolitho legte die Hand an den Hut.»Aye, Sir, ich wei?. Notieren Sie den Mann da!»

Als das Wendemanover zu des Kommandanten und auch zu Bunces Zufriedenheit ausgefuhrt, das Schiff uber Stag gegangen und auf den neuen Kurs eingesteuert war, hatten Regen und Dunst das achteraus liegende Land bereits verschluckt.

II Ein verwegener Plan

Leutnant Richard Bolitho ging zur Luvseite des Achterdecks und griff in das Mattennetz, um das Gleichgewicht nicht zu verlieren. Uber und vor ihm turmten sich die gewaltigen Pyramiden der Segel, beeindruckend selbst fur jemanden, der diesen Anblick gewohnt war. Besonders nach all der Enttauschung und Muhe der letzten viereinhalb Tage, dachte er.

Der Wind, der ihnen von Sandy Hook aus so vielversprechend gefolgt war, hatte innerhalb weniger Stunden gedreht, als habe der Teufel selbst die Hand im Spiel. Ohne Warnung sprang er um, schralte, frischte auf oder flaute ab, so da? keine Wache ohne wenigstens ein Alle-Mann-Manover auskam, um Segel zu reffen, zu bergen oder wieder zu setzen. Ein ganzer Tag war notig gewesen, um die gefurchteten Nantucketbanke zu umrunden. Die See kochte unter dem Kluverbaum, als wurde sie von der Holle angeheizt.

Als sie dann allmahlich wieder vier, ja funf Knoten Fahrt machten, hatte der Wind erneut gedreht und aufgefrischt. In den heulenden, orgelnden Boen kampften die atemlosen Seeleute mit dem von der Nasse steifen Segeltuch, packten mit schwieligen Fausten hinein, um zu reffen, wahrend die stampfende Welt um sie herum, hoch uber dem Deck, verruckt spielte.

Aber jetzt war es anders. Die

Bolitho spurte plotzlich Hei?hunger; aber ihm war klar, da? das Essen, das ihn nach seiner Ablosung in der Messe erwartete, kaum besser sein wurde als dieser Fra? hier.

Dann dachte er an seine Mutter und an das gro?e graue Haus in Falmouth. Er ging ein paar Schritte zur Seite und lie? Couzens stehen, seinen aufmerksamen Midshipman, der ihm sonst auf Schritt und Tritt folgte.

Wie furchtbar der Schlag gewesen war! In der Marine riskierte man sein Leben wohl ein dutzendmal am Tage auf die verschiedenste Weise: durch Krankheit, Schiffbruch, Kanonendonner. Die Wande der Kirche in Falmouth hingen voller Gedenktafeln mit den Namen und Taten von Seeoffizieren — Sohnen der Stadt Falmouth — , die mit ihren Schiffen ausgelaufen waren, um nie mehr zuruckzukommen.

Aber seine Mutter! Bei ihr dachte man nicht an so etwas. Sie war immer jugendlich und voller Leben gewesen, immer bereit, einzuspringen und die Verantwortung fur die Familie auf ihre Schultern zu laden, die Verantwortung fur Haus und Land, wenn der Vater, Kapitan James Bolitho, nicht daheim war. Und das war oft der Fall.

Bolitho und sein Bruder Hugh, seine beiden Schwestern Felicity und Nancy, sie alle hatten die Mutter geliebt, jeder auf seine Weise. Als er von der

Er konnte sich seinen Vater vorstellen, jetzt, in diesem Augenblick: Captain James, unter diesem Namen kannte und schatzte man ihn daheim. Er war ein angesehener Friedensrichter, seit er seinen Arm verloren hatte und aus dem aktiven Dienst ausscheiden mu?te. Das Haus im Winter, die schlammigen, heckengesaumten Wege, auf denen die Neuigkeiten immer etwas verspatet eintrafen, die Landbevolkerung war viel zu beschaftigt mit ihren eigenen Sorgen, mit der Kalte, der Nasse, verlorenen Tieren, raubernden Fuchsen und anderem, um sich fur den weit entfernten Krieg zu interessieren. Aber sein Vater tat es. Wie ein Kriegsschiff, das bei Carrick Roads vor Anker lag, so brutete er vor sich hin und sehnte sich nach dem Leben, das ihn ausgesto?en, ihn zuruckgewiesen hatte. Nun war er vollstandig allein.

Fur ihn mu? es tausendmal schwerer sein, dachte Bolitho traurig.

Cairns erschien an Deck und kam nach einem prufenden Blick auf Kompa? und Schiefertafel, wo der Steuermannsmaat der Wache seine halbstundlichen Eintragungen machte, heruber zu Bo-litho.

Dieser beruhrte gru?end seinen Hut.»Sie liegt stetig, Sir. Nord bei Ost, voll und bei.»

Cairns nickte. Er hatte sehr helle Augen, die durch einen hindurchsehen konnten.

«Wir mussen wohl reffen, wenn es noch mehr auffrischt. Trotzdem lassen wir soviel wie moglich stehen.»

Er hielt die Hand uber die Augen, als er jetzt nach Backbord blickte, denn obwohl die Sonne nicht schien, war die Strahlung intensiv und blendete. Es war schwierig, die Grenze zwischen Himmel und Wasser zu erkennen, die See wirkte wie eine Wuste ruhelosen, grau glanzenden Stahls. Aber der Abstand zwischen den einzelnen Brechern war jetzt gro?er, sie rollten unter

Sie hatten den gesamten Seeraum fur sich allein, denn seit sie

Nantucket gerundet und Kurs auf die Einfahrt der Massachusetts Bay genommen hatten, waren sie nicht nur frei von Land, sondern auch von der ortlichen Kustenschiffahrt. Irgendwo in Luv, rund sechzig Meilen entfernt, lag Boston. An Bord der Trojan konnten sich nicht wenige noch an die Stadt erinnern, wie sie einmal gewesen war, bevor aus Spannung und Verbitterung offener Ha? und Blutvergie?en wurde.

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