Zerfetzte Flaggen: Leutnant Richard Bolitho in der Karibik - Kent Alexander 8 стр.


Als Bolitho davoneilen wollte, fugte Sparke noch hinzu:»Au?erdem mochte ich, da? alles so ruhig wie moglich ablauft. Eventuell sind fremde Boote in der Nahe, und ich beabsichtige, dieses Schiff als Prise zu behalten.»

Bolitho suchte nach seinem Hut, der ihm wahrend des Kampfes vom Kopf gefallen war. Das sah Sparke ahnlicher, dachte er grimmig. Einen Augenblick hatte er geglaubt, Sparkes Anweisung, die Verwundeten nach unten zu schaffen, beruhe auf reiner Menschlichkeit. Er hatte es besser wissen mussen.

Die Aufgaben wurden sofort in Angriff genommen. Die Gesunden verrichteten die schwereren Arbeiten, die Leichtverletzten bewachten die Gefangenen. Die Schwerverwundeten — darunter der Mann, der torichterweise seine Muskete vorzeitig abgefeuert und dabei eine Gesichtshalfte verloren hatte — halfen, soweit sie dazu in der Lage waren.

Sparke hatte diesen Zwischenfall nicht erwahnt, ohne den die Verluste erheblich reduziert worden, wahrscheinlich sogar minimal geblieben waren. Die Schonerbesatzung war gewi? tapfer gewesen, aber ohne diesen Warnschu? hatte es wohl nur ein paar blutige Nasen gegeben, zumal ihnen die eiserne Disziplin der

Einige Male stieg Bolitho in die Kapitanskajute hinunter, wo der gefallene Kapitan Tracy gelebt und seine Plane gemacht hatte. Quinn lag dort bla? auf einer rohen Koje, den Verband blutgetrankt, die Lippen vor Schmerz zerbissen.

Bolitho fragte Stockdale nach seiner Meinung; der antwortete ohne Zogern:»Er hat den Willen zum Leben, aber viel Hoffnung besteht nicht.»

Die ersten Anzeichen der Morgendammerung kamen, der Nebel lichtete sich.

Aus des Schoners Lazarett hatten alle eine gro?zugige Rumzuteilung erhalten, auch die beiden jungen Fahnriche.

Aus der gesamten Gruppe von sechsunddrei?ig Seeleuten waren zwolf gefallen oder lagen im Sterben, und von den Uberlebenden hatten einige so schwere Wunden, da? sie im Augenblick kaum von Nutzen waren.

Bolitho beobachtete den sich lichtenden Nebel, in dem der Schoner langsam Gestalt annahm. Er sah Couzens und Midshipman

Libby von Sparkes Boot auf die gro?en Blutflecken an Deck starren. Moglicherweise wurde ihnen erst jetzt klar, was sie hinter sich hatten.

Mr. Frowd, der Steuermannsmaat, wartete am Ruder und beobachtete die schlaffen Segel, die Bolithos Leute losgemacht hatten, klar fur die erste aufkommende Brise. Die einzigen Gerausche waren das Schlagen der Blocke und das Quietschen der Gaffeln und Baume beim heftigen Rollen des Schiffes in der Dunung.

Mit dem Morgengrauen kam das Gefuhl der Gefahr, wie es wohl ein Fuchs beim Uberqueren offenen Gelandes bei Buchsenlicht empfindet.

Die

Es war ein handliches kleines Fahrzeug von ungefahr zwanzig Meter Lange, das hoher an den Wind gehen konnte als die meisten anderen Schiffe, und das bestimmt jeden Rahsegler ausstechen wurde.

Wer Kapitan Tracy auch gewesen sein mochte, er hatte in seine Plane sicher nicht die Moglichkeit einbezogen, da? er am fruhen Morgen nicht mehr am Leben sein wurde.

Der Baum des Gro?segels quietschte laut, und im Deck verspurte man ein Vibrieren.

Sparke rief:»Lebhaft, Leute, hier kommt der Wind!»

Bolitho sah sein Gesicht und schrie:»Klar bei Vorsegelfallen!«Dann winkte er Balleine:»Hei? Kluver und Stagsegel!«Des Schoners zuruckkehrendes Leben schien auch ihn zu beeinflussen.»Einen guten Mann ans Ruder, Mr. Frowd!»

Frowd zeigte grinsend seine Zahne. Er hatte langst einen Ruderganger ausgesucht, verstand aber Bolithos Stimmung. Er diente in der Marine schon so lange, wie der Vierte Offizier an Jahren zahlte.

Jeder von ihnen verrichtete die Arbeit von mindestens zwei Mannern, beobachtet von den schweigenden Gefangenen, schufteten sie auf dem engen Deck, als hatten sie seit Monaten nichts anderes getan.

«Sir! Mastspitzen an Steuerbord!»

Sparke fuhr herum, als Bolitho auf die davonziehende Nebelbank wies. Zwei Masten stie?en durch diese hindurch, einer mit schlaff hangendem Wimpel; es war klar zu erkennen, da? es sich um ein gro?eres Schiff als die

Sparke blickte auf den Kompa?.»Windrichtung wie bisher, Mr. Frowd. Lassen Sie etwas abfallen, denn nach Moglichkeit wollen wir vor dieser Augenweide dort den Windvorteil nutzen, aber wenn notig, hauen wir ab.»

Die beiden gro?en Segel blahten sich, als die Baume nach au?en schwangen, und schuttelten den Regen des Vortages ab, wie Hunde, die aus dem Wasser steigen.

Bolitho rief:»Mr. Couzens, nehmen Sie sich drei Leute, und helfen Sie Balleine bei den Stagsegeln!»

Als er sich wieder umwandte, sah auch er, was Sparke gesehen hatte. Aus dem nach Lee abziehenden Nebel trat wie eine Ersche i-nung das andere Schiff hervor, eine Brigg. Von der Gaffel wehte, noch ein wenig schlaff in der erst aufkommenden Brise, die Unionsflagge mit ihren Sternen und Streifen.

Etwas wie ein Seufzer der Erleichterung entrang sich den zuschauenden Gefangenen; einer von ihnen rief:»Jetzt bekommt ihr gleich Blei zu spuren, bevor sie euch uber Bord werfen!»

Sparke fuhr auf:»Stopft dem Kerl das Maul oder jagt ihm eine Kugel in den Kopf!«Dann, zu Frowd gewandt:»Fallen Sie noch zwei Strich ab!»

«Nordost liegt an!»

«Soll ich die Sechspfunder ausrennen lassen?»

Sparke hatte ein Fernrohr gefunden und richtete es auf die Brigg.»Es ist die alte

Dann zog er die Uhr und blickte nicht einmal auf, als ein Geschutz bellte und im nachsten Augenblick eine Kugel die Fock durchschlug wie eine unsichtbare Faust.

Gischt peitschte jetzt uber den Bug und prasselte auf die dort arbeitenden Seeleute. Der Wind frischte auf, wahrend der Nebel vor dem Schoner zuruckwich, als furchte er, vom Kluverbaum aufgespie?t zu werden.

Die Brigg hatte jetzt Marssegel und Fock gesetzt und war ihnen hart auf den Fersen. Sie versuchte offensichtlich, den Schoner in einem langen Schlag auszuluven. Ihre beiden Buggeschutze feuerten Schu? auf Schu?, die Luft war erfullt von schauerlichem Geheul, was auf die Verwendung von Kartatschen oder Kettenkugeln hindeutete. Traf auch nur eine einzige von ihnen einen Mast, so war dies der Anfang vom Ende.

Ein weiteres Geschutz mu?te jetzt auf die fluchtende

Balleine kam nach achtern gerannt und fragte:»Soll ich die Bootsleinen kappen, Sir? Das macht uns sicher eine halbe Meile schneller.»

Plotzlich schrie ein Seemann unglaubig:»Der Yankee geht uber Stag, Sir!»

Sparke gestattete sich ein kurzes Lacheln der Genugtuung. Durch den sich immer mehr lichtenden Nebel tauchte wie ein Geist die Trojan auf, unter vollen Segeln und mit bereits ausgefahrener Breitseite, zwei Linien schwarzer Mundungen.

Sparke rief:»Mr. Bolitho! Sie wird uns aufs Korn nehmen, wenn wir nicht vorsichtiger sind!»

Midshipman Libby flitzte bereits wie ein Kaninchen nach achtern, und Sekunden spater wehte die britische Flagge frei von der Gaffel, so leuchtend rot wie die uber dem vergoldeten Heck der

Stockdale betrachtete ihn traurig.»Hurrarufe, Sir. Sie scheinen die gute alte

Noch einmal blickte er sich um und betrachtete die Prise, die aus dieser Entfernung noch hubscher wirkte, wie sie da schmuck an

Sparke war sofort auf die

Bevor er sich beim Kommandanten meldete, war Bolitho ins Lazarett hinabgestiegen, voller Angst, was er dort vorfinden wurde. Wieder empfand er seine Verantwortung fur das Geschehene, als er die wie gekreuzigt auf dem Operationstisch liegende Gestalt erblickte, die im Licht der schwankenden Decklampen wie ein Leichnam schimmerte. Quinn war nackt, und als Thorndike den verfilzten Verband entfernt hatte, sah Bolitho zum erstenmal die klaffende Wunde. Von Quinns linker Schulter lief sie diagonal uber die Brust, offnete sich wie ein obszoner Mund.

Quinn war bewu?tlos; Thorndike hatte kurz gesagt:»Nicht schlecht, aber wir mussen abwarten.»

Auf Bolithos Frage:»Konnen Sie ihn retten?«hatte sich Thorn-dike in seiner blutigen Schurze ihm zugewandt und geknurrt:»Ich tue, was ich kann. Einem Mann habe ich bereits ein Bein abgenommen, ein anderer hat einen Splitter im Auge.»

Bolitho hatte verlegen geantwortet:»Tut mir leid, ich werde Sie nicht langer aufhalten.»

Jetzt, auf dem Weg zur Kajute, wo ein scharlachrot gekleideter Seesoldat stand, fuhlte Bolitho dumpfen Schmerz von Selbstvorwurfen und Verzweiflung. Sie hatten eine Prise genommen, aber der Preis dafur war zu hoch.

Der Seesoldat knallte seine Stiefel zusammen, und Foley, adrett wie immer, offnete die au?ere Tur. Seine Augen weiteten sich in offensichtlicher Mi?billigung, als er Bolithos abgerissene Ersche i-nung wahrnahm.

In der Kajute sa? Kapitan Pears an seinem papierubersaten Schreibtisch, ein gro?es Glas Wein in der Hand.

Bolitho starrte Sparke an. Der war so sauber gekleidet, gewaschen und rasiert, als hatte er das Schiff niemals verlassen.

Pears befahl:»Wein fur den Vierten Offizier!»

Er beobachtete Bolitho, als dieser dem Steward das Weinglas abnahm, sah die Uberanstrengung, die bleierne Mudigkeit in seinem Gesicht.

«Mr. Sparke hat mir von Ihren eindrucksvollen Taten erzahlt, Mr. Bolitho. «Pears Miene blieb ausdruckslos.»Der Schoner ist ein guter Fang.»

Bolitho lie? sich vom Wein den Magen warmen, den Schmerz in seiner Seele lindern. Sparke war schon fruher an Bord gekommen, hatte sich gewaschen und frisch gemacht, bevor er sich beim Kommandanten meldete. Wieviel hatte er ihm wohl uber den ersten Teil des Unternehmens erzahlt? Uber den ungluckseligen Gewehrschu?, der so viel zur Erhohung ihrer Verluste beigetragen hatte?

Pears fragte:»Wie geht es ubrigens Mr. Quinn?»

«Der Arzt hat Hoffnung, Sir.»

Pears betrachtete ihn seltsam.»Gut. Ich horte, da? sich auch beide Fahnriche wacker gehalten haben. «Er wandte seine Aufmerksamkeit wieder den Papieren auf seinem Schreibtisch zu und sagte:»Diese Dokumente fand Mr. Sparke in der Kajute der

Faithful

Bolitho nickte und nahm noch ein Glas Wein von Foley entgegen. Die Delaware Bay lag rund vierhundert Seemeilen sudlich. Ein rasches Fahrzeug konnte den Treffpunkt bei gunstigem Wetter in drei Tagen erreichen.

Sie waren so selbstsicher gewesen, dachte er. Der rote Flicken auf dem Gro?segel war das Signal fur die Wachen an Land. Auch der Ort war gut ausgesucht: sehr flach und tuckisch bei Ebbe; keine Fregatte wurde sich aus Angst vor Grundberuhrung dort hinwagen.

Er fragte:»Sie wollen die

Sparke setzte sich kerzengerade auf und blickte Bolitho an.»Ich habe den ehrenvollen Auftrag, dieses Unternehmen zu fuhren.»

Pears fugte mit ruhiger Stimme hinzu:»Wenn Sie mochten, Mr. Bolitho, konnen Sie den Zweiten Offizier abermals begleiten. Die Entscheidung liegt jedoch bei Ihnen.»

Zu seiner eigenen Verwunderung nickte Bolitho, ohne zu zogern.»Aye, Sir, das wurde ich gern tun.»

«Dann ist das also geregelt. «Pears zog seine goldene Uhr.»Ich lasse Ihre Order gleich schreiben. Mr. Sparke kennt die wesentlichen Punkte bereits.»

Cairns trat ein, den Hut unter dem Arm.

«Ich habe ein paar Leute zum Schoner hinubergeschickt, Sir. Der Stuckmeister kummert sich um die Geschutze und sonstige Bewaffnung. «Er machte eine Pause, sein Blick ruhte auf Bolitho.»Mr. Quinn ist noch bewu?tlos, aber der Arzt sagt, Herz und Atmung sind in Ordnung.»

Pears nickte.»Sagen Sie meinem Schreiber, er soll sofort zu mir kommen.»

Cairns zogerte an der Tur.»Ich habe die Gefangenen an Bord gebracht, Sir. Soll ich sie vereidigen?»

Pears schuttelte den Kopf.»Nein. Freiwillige wurde ich akzeptieren, aber dieser Krieg ist schon zu erbittert geworden, als da? ein Seitenwechsel glaubhaft ware. Sie waren wie faule Apfel in einer Kiste, und ich mochte keine Unzufriedenheit auf meinem Schiff riskieren. Wir werden sie in New York den Behorden ubergeben.»

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