Onslow drehte sich gehorsam um, so da? ein schwacher Sonnenschimmer auf seinen Rucken fiel. Die dicht gedrangten Matrosen stohnten auf, und Belsey sagte kalt:»Seht es euch gut an, ehe ihr anfangt, auf solche Bruder zu horen.»
Alldays Lippen verzogen sich, als er Onslows zerschlagenen Rucken sah. Er konnte sich nicht vorstellen, wie oft Onslow ausgepeitscht worden war, aber da? er es uberlebt hatte, war ein Wunder.
Uber den ganzen Rucken, vom Nackenansatz bis zur Hufte, zogen sich Narben und Striemen, deren wei?e Rander sich widerlich von dem Braun der Arme und Beine abhoben.
Ferguson blickte weg, sein Mund zitterte.
Selbst Pochin, Zeuge mancher harten Auspeitschung, sagte heiser:»Da, Mann, zieh dein Hemd an.»
Pook, der andere Neue, war dunn und sehnig. Auch sein Rucken zeigte die Klauenspuren der neunschwanzigen Katze, doch verglichen mit Onslow war es nichts.
Belsey, von den anderen neuen Matrosen gefolgt, schlenderte davon.
Onslow zog sich das Hemd uber und schuttelte die sauberen, neuen Hosen glatt. Dann sagte er ruhig:»Was ist los mit eurem Kapitan? Will er, da? seine Leute geschniegelt aussehen?«Er sprach mit lassigem Norfolkakzent; der Schreck, den seine Narben ausgelost hatten, beruhrte ihn augenscheinlich durchaus nicht.
«Ja, er ist anders«, sagte Ferguson schnell.»Er wollte nicht zulassen, da? Betts ausgepeitscht wurde. «Er versuchte zu lacheln.»Auf diesem Schiff hast du es besser, Onslow.»
Onslow musterte ihn ausdruckslos.»Wer hat dich denn gefragt?»
«Alle Kapitane sind Schweine. «Pook stieg in seine Hose und schnallte sich ein gefahrlich aussehendes Messer um.»Auf der
«Und wo ist er jetzt?«Die dunklen Augen Onslows blinzelten nicht.
«Tot. Ging mit der Gro?bramstenge uber Bord.»
«Na also. «Onslow stie? Ferguson von der Bank und pflanzte sich auf dessen Platz.»Hat ihm also nicht viel geholfen, wie?»
Old Strachan wickelte seine Schnitzerei in ein Stuck Segeltuch und sagte unbestimmt:»Aber Ferguson hat recht. Kapitan Bolitho hat versprochen, da? er uns gerecht behandelt, wenn wir uns anstrengen. - Bald gehen wir an Land. «Er schielte zur Luke.»Wenn ich blo? dran denke: ein Spaziergang uber die grunen Hugel und vielleicht auch 'nen Tropfen von freundlichen Eingeborenen.»
Ferguson versuchte es noch einmal, als musse er jemandem vertrauen, um nicht verruckt zu werden.»Und Mr. Herrick hat mir versprochen, da? er fur mich einen Brief auf das nachste nach England bestimmte Schiff schafft. Damit meine Frau wei?, da? ich noch lebe und gesund bin. «Er sah erbarmlich aus.
«Du kannst lesen und schreiben, Kleiner?«Onslow studierte ihn ruhig.»Du konntest mir sehr nutzlich sein.»
Allday lachelte in sich hinein. Larm und Stimmen fullten wieder die Messe. Vielleicht hatte Ferguson recht, und es wurde von jetzt an besser. Er hoffte es, und wenn auch nur, damit Ferguson zur Ruhe kam.
Pochin fragte erbittert:»Wofur bist du so ausgepeitscht worden, Onslow?»
«Ach, das Ubliche. «Onslow beobachtete noch immer Ferguson, er war tief in Gedanken.
«Er schlug einen Obermaat«, sagte Pook, um sich einzuschmeicheln.»Und davor hat er — »
Onslows Mund offnete und schlo? sich wie eine Falle.»Hor auf! Was von jetzt an geschieht, darauf kommt's an. «Und wieder ruhiger:»Ich war noch ein Junge, als ich vor zehn Jahren ruberkam. Seit Jahren warte ich auf die Fahrt nach Hause, aber vergeblich. Ich bin von einem Kapitan zum anderen gekommen. Ich habe meine Wachen geschoben und mehr Breitseiten durchgestanden, als ich zahlen kann. Nein, Leute, fur uns gibt's kein Ende. Entweder machen wir mit, bis wir ins Segeltuch eingenaht werden — oder wir suchen uns unseren eigenen Ausweg und nehmen den Kurs, den die Burschen von der
«Du bist zu alt, du zahlst nicht. «Onslows Stimme klang bissig.
In diesem Augenblick flogen Schatten uber die Luken, und die Pfeifen trillerten.
«Verdammte Pfeifen!«grunzte Pochin.»Horen sie denn nie auf?»
Die Stimmen der Maaten hallten durch das Zwischendeck.»Alle Mann! Alle Mann klar zum Segelsetzen! Ankerkommando auf die Back!»
Ferguson stierte leer in das Sonnenlicht des Niedergangs. Sein Mund stand offen.»Er hat es doch versprochen. Er hat mir versprochen, da? er mir einen Brief nach Hause besorgt.»
Onslow klopfte ihm auf die Schulter.» Und er wird dir noch mehr versprechen, sollte mich nicht wundern, mein Junge. «Ohne zu lacheln, betrachtete er die anderen.»Na, Jungs, begreift ihr nun, was ich gemeint habe?»
Maat Josling erschien vor dem Niedergang.»Seid ihr taub? Rauf mit euch! Der Letzte bekommt den Tampen zu spuren.»
Die Leute kamen zur Besinnung und trampelten den Niedergang hinauf in die Sonne.
«Klar am Gangspill. «Die Befehle gellten ihnen in die Ohren.»Auf die Rahen! Setzt Bramsegel.»
Ferguson starrte au?er sich zu der grunen, einladenden Insel mit den niedrigen, welligen Bergen hinuber. Allday sah es. Er spurte selber einen Klo? in der Kehle. Die Landschaft erinnerte irgendwie an das sommerliche Cornwall. Er legte Ferguson die Hand auf den Arm und sagte freundlich:»Los, Junge. Ich helfe dir hinauf.»
Vibarts drohnende Stimme fullte die Luft.»Setzt Focksegel! An die Brassen!»
Allday erreichte die Gro?rahe und kletterte auf den Fu?pferden zu den anderen Mannern hinaus, die uber der dicken Spiere lagen. Unter sich sah er das geschaftige Deck. Blickte er uber die Schulter zuruck, konnte er Bolithos Gestalt an der Heckreling ausmachen.
Von der Back rief Herrick:»Anker ist auf, Sir!»
Allday grub die Zehen in die Fu?pferde, als sich das Segel blahte und fullte und die gro?e Rahe schwerfallig herumschwang, damit die Leinwand den Wind fing. Das Land glitt bereits achteraus, und wenn alle Segel gesetzt und gebrasst waren, wurde die Insel im Glast verschwunden sein. Vielleicht fur immer, dachte er.
VII Der spanische Lugger
Herrick schob sich ein wenig um den Besan, um im Schatten zu bleiben, den der dicke Mast warf. Wegen des glei?enden Lichtes kniff er standig die Augen zusammen, und seine Zunge fuhr unaufhorlich uber die ausgetrockneten Lippen, wahrend sich die Vormittagswache langsam dem Ende zuschleppte. Die Segel hingen schlaff und leblos, denn nicht die leiseste Brise bewegte die spiegelglatte, leere Weite des Meeres, auf der die Fregatte regungslos in der Flaute lag.
Er zog an seinem verklebten Hemd. Die Nutzlosigkeit der Bewegung reizte ihn. Es war schwei?durchtrankt, doch sein Korper schien nur eins zu verlangen: Feuchtigkeit. Die Decksnahte griffen klebrig nach seinen Schuhen, und als er die Hand unabsichtlich auf einen der Neunpfunder legte, hatte er vor Schmerz beinahe aufgeschrien. Das Rohr war so hei?, als hatte die Kanone pausenlos gefeuert. Bei dem Gedanken verzog er die Lippen. Es hatte keine Feindberuhrung gegeben, noch wurde es unter diesen unmoglichen Bedingungen dazu kommen.
Von Antigua war die
direkt zu der ihr zugewiesenen Position gesegelt. Bis auf eine andere Patrouille laufende Fregatte und den massigen Rumpf der
in einer Flaute. Seit vierundzwanzig Stunden trieb sie ziellos uber ihrem Spiegelbild, von tragen Stromungen hierhin und dorthin getrieben. Die Manner im Ausguck, die hoffnungsvoll nach einem Windsto? Ausschau hielten, waren matt und mude.
Sieben lange Tage, seit sie Antigua ubersturzt verlassen hatten, sieben Tage des Wartens und der Beobachtung des glatten Horizonts.
Herrick blickte nach vorn. Die Manner der Freiwache lagen wie Tote im dunklen Schatten des Schanzkleides. Die halbnackten Leiber waren gebraunt. Mehrere Matrosen, an die gnadenlos gluhende Sonne nicht gewohnt, hatten bose Verbrennungen erlitten.
Fahnrich Maynard lehnte an den Netzen. Sein rundes Gesicht war ausdruckslos. Inaktivitat und Hitze hatten ihn ebenfalls zermurbt.
Es war schwer zu glauben, da? au?erhalb ihrer eigenen Welt noch etwas existierte. St. Kitts lag etwa funfzig Meilen sudostlich, und die Anegada Passage, die die Jungferninseln von den umstrittenen Inseln trennte, lag in dem sengenden Glast jenseits des bewegungslosen Bugspriets.
Von Hoods Anstrengungen, St. Kitts zu halten, hatten sie nichts weiter gehort, und nach allem, was Herrick wu?te, konnte der Krieg ebensogut schon zu Ende sein. Als das Flaggschiff ihnen begegnete, hatte Bolitho durch ein Signal die neuesten Nachrichten erbeten, aber die Antwort war unbefriedigend gewesen, um es gelinde auszudrucken. Die
hatte gerade Geschutzubungen angesetzt, bei denen mehrere alte und nutzlose Fasser als Ziel dienten. Bolitho hatte das Ubungsschie?en angeordnet, um die Eintonigkeit zu unterbrechen, nicht weil er hoffte, durch solche Methoden die Treffsicherheit zu erhohen.
Die
Bolitho hatte sich jeder Bemerkung enthalten. Herrick kannte seinen Kapitan jedoch jetzt gut genug, um den Arger zu begreifen, der in Bolithos grauen Augen aufflackerte. Alles erweckte den Eindruck, als hatte der Admiral vorsatzlich diesen Kurs gesteuert, um die
zu isolieren, so wie der Arzt einen Aussatzigen von seinen Mitmenschen absondert.
Herrick ri? sich aus seinen Gedanken, als Bolithos Kopf und Schultern im Kajutniedergang auftauchten. Wie die anderen Offiziere trug er nur Hemd und wei?e Kniehose. Das dunkle Haar klebte ihm schwei?na? auf der Stirn. Er wirkte gereizt. Herrick spurte geradezu seine Ruhelosigkeit.
«Noch immer kein Wind, Sir.»
Bolitho warf ihm einen argerlichen Blick zu. Dann nahm er sich zusammen.»Danke, Mr. Herrick. Ich sehe es. «Er trat an den Kompa?. Sein Blick streifte die beiden Ruderganger. Schlie?lich ging er zur Steuerbordreling. Herrick sah ihn zusammenfahren, als die Sonne mit der Hitze eines Schmelzofens seine Schultern traf.
«Und wie fuhlen sich die Manner?»
«Nicht sehr wohl, Sir«, erwiderte Herrick vage.»Auch ohne gekurzte Wasserration ist es schlimm genug hier drau?en.»
«Stimmt. «Bolitho nickte, ohne sich umzudrehen.»Aber die Rationierung ist notwendig. Wei? Gott, wie lange uns die Flaute festnagelt.»
Bolithos Hand glitt uber die Narbe unter der rebellischen Haarstrahne. Herrick hatte diese unbewu?te Bewegung schon mehrmals bemerkt, gewohnlich, wenn Bolitho vollig in Gedanken verloren schien. Herrick hatte Stockdale wegen der Narbe gefragt und erfahren, da? Bolitho verwundet wurde, als er — damals noch Leutnant — mit einem Hauflein Matrosen an Land geschickt worden war, um auf einer Insel die Wasserfasser zu fullen.
Weder der Kapitan noch sonst jemand hatte gewu?t, da? die Insel bewohnt war. Die Barkasse war kaum gelandet, als brullende Eingeborene die Abteilung aus dem Hinterhalt uberfielen. Einer entri? einem sterbenden Matrosen das Entermesser und griff Bolitho an, der seine zahlenma?ig unterlegenen Manner um sich zu scharen versuchte. In seiner holprigen Sprechweise beschrieb Stockdale die Szene, bei der die Halfte der Matrosen niedergemacht wurde, wahrend die anderen sich verzweifelt auf dem Wasser in Sicherheit zu bringen versuchten. Bolitho, zu Boden gesturzt, wurde von seinen Leuten getrennt. Aus der Wunde, die das Entermesser gerissen hatte, stromte Blut. Ein Wunder, da? ihn der Hieb nicht getotet hatte. Die Matrosen wollten ihren Offizier, den sie sowieso fur tot hielten, liegen lassen. Aber in letzter Minute sammelten sie sich doch noch. Andere Boote eilten ihnen zu Hilfe und brachten Bolitho in Sicherheit.
Herrick ahnte, da? noch eine Menge mehr dahintersteckte. Und er vermutete, da? Stockdale die Panik eingedammt und den Mann gerettet hatte, dem er nun wie ein treuer Hund diente.
Bolitho blickte zum Bugspriet.»Der Dunst erinnert ein wenig an den Nebel im Kanal.»
Herricks trockene Lippen knisterten, als er klaglich lachelte.»Ich hatte nie gedacht, da? ich die Kanalflotte vermissen wurde, Sir. Doch nun wurde ich gern wieder den Wind horen und das kalte Spritzwasser spuren.»
«Kann sein«, sagte Bolitho gedankenverloren.»Aber ich habe so ein Gefuhl, da? wir bald Wind bekommen.»
Herrick sah ihn verdutzt an. Das ist kein leeres Hoffnungsgeschwatz, sondern gehort zum Bild dieses Mannes, zu seiner gelassenen Zuversicht, dachte er.
Schritte naherten sich, und Vibart sagte rauh:»Auf ein Wort, Kapitan.»
«Worum geht es?»
«Um Ihren Schreiber Mathias, Sir. Er ist im Laderaum verungluckt, Sir.«»Schwer?»
Vibart nickte.»Ich glaube, er wird den Tag nicht uberleben. «In seiner Stimme klang kein Mitleid mit.
Bolitho bi? sich auf die Lippen.»Ich hatte ihn hinuntergeschickt, um einige Vorrate zu prufen. «Er schaute bekummert hoch.»Sind Sie sicher, da? ihm nicht geholfen werden kann?»
«Der Arzt verneint es. «Es klang gleichgultig.»Er hat sich nicht nur die Rippen gebrochen, sondern auch den Schadel aufgeschlagen.
Ein Spalt, in den ein Marlspieker passen wurde.»
«Ach so. «Bolitho blickte auf die Reling.»Ich kannte den Mann kaum, aber er hat schwer gearbeitet und sich bemuht, sein
Bestes zu geben. «Er schuttelte den Kopf.»Im Kampf zu fallen, ist eins, aber so… »
Herrick sagte schnell:»Ich werde sofort einen anderen Schreiber abkommandieren, Sir. Ich denke an Ferguson, einer von den in Falmouth gepre?ten Leuten. Er kann lesen und schreiben und ist an solche Arbeit eher gewohnt. «Herrick entsann sich an Fergusons ve rzweifeltes Gesicht, als sie Antigua verlie?en. Er hatte ihm versprochen, fur ihn einen Brief an seine Frau zu besorgen. Wenn Ferguson der schweren Matrosenpflichten ledig wurde und der harten Aufsicht der Maate entkam, glich das die Unterlassung vielleicht irgendwie aus.
Bolitho sah ernst aus. Herrick fragte sich, wie der Kapitan die Kraft fand, sich uber einen Matrosen Gedanken zu machen, wenn ihm selber eine so schwere Burde der Verantwortung auf den Schultern lag.
«Gut. Kommandieren Sie Ferguson ab und klaren Sie ihn uber seine Pflichten auf.»
«An Deck!«erscholl es vom Gro?toppausguck.»Bo an Steuerbord voraus!»
Herrick rannte an die Reling und beschattete die Augen. Unglaubig sah er, wie das leichte Gekrausel auf das stilliegende Schiff zulief und horte, wie sich die Takelage ruhrte, als die Segel sich langsam fullten.
Bolitho verschrankte die Hande auf dem Rucken.»Was soll das Starren? Bringen Sie die Manner in Trab, Mr. Herrick, damit das Schiff Fahrt aufnimmt.»
Herrick nickte. Er hatte die Erregung hinter Bolithos Ausbruch wahrgenommen. Als die Segel knatternd zu ziehen begannen, zeigte Bolithos Gesicht eine fast jungenhafte Freude.
Viel Kraft hatte der Wind nicht, aber er reichte aus, die
in Fahrt zu bringen. Das Wasser gurgelte um das Ruder, und als die Brassen in den Blocken quietschten, schwangen die Rahen herum, um auch noch das letzte bi?chen Wind einzufangen, voller Gier nach dem Leben, das er ihnen schenkte.
«Gehen Sie auf Nordnordwest, Mr. Herrick«, sagte Bolitho schlie?lich.»Diesen Kurs werden wir bis Sonnenuntergang beibehalten.»
«Aye, aye, Sir.»
Bolitho trat an die Heckreling und schaute auf das schwache
Kielwasser. Man sieht ihm seine Besorgnis nicht an, uberlegte Herrick. Der Wind war zwar erfreulich, aber nichts im Vergleich zu der endlosen, sinnlosen Patrouille, doch Bolitho verhielt sich zumindest nach au?en hin, als ware alles normal.