Bruderkampf: Richard Bolitho, Kapitan in Ketten - Kent Alexander 16 стр.


Nochmals bewies der Ausguck, da? man vor keiner Uberraschung sicher war.

«An Deck! Segel an Steuerbord!»

Herrick hob das Fernrohr, aber Bolitho sagte kurz:»Von hier aus werden Sie nichts sehen. Der Dunst versperrt den Blick nach Norden. »

Vibart knurrte:»Mr. Neale, nach oben!»

«Lassen Sie. «Es klang gefahrlich ruhig.»Sie gehen, Mr. Herrick. Jetzt brauche ich ein erfahrenes Auge.»

Herrick rannte zu den Wanten des Gro?mastes und begann hinaufzuklettern. Er merkte schnell, da? seine Kondition zu wunschen ubrig lie?. Als er die obere Saling erreichte, schlug sein Herz wie eine Trommel. Der bartige Ausguck machte ihm Platz und deutete mit teerverschmierter Hand in die Richtung.

«Dort, Sir. Kann es jetzt nicht erkennen.»

Herrick ignorierte es, da? die Fregatte unter ihm wie ein Spielzeug schwang, und zog sein Fernglas auseinander. Zuerst sah er nur das helle Licht auf dem niedrig liegenden Dunst und darunter die Millionen glitzernder Reflexe auf dem Meer. Dann entdeckte er das Segel und war enttauscht. Der Rumpf war noch vom Dunst verhullt, doch der sonderbaren Form des Segels nach vermutete er ein kleines Schiff, wahrscheinlich einen Kustenlugger. Nichts wert als Prise, kaum wert zu versenken, entschied er verargert. Er gab seine Meldung an Deck.

Bolitho schaute zu ihm hinauf.»Ein Lugger, sagen Sie?«Es klang interessiert.»Behalten Sie ihn im Auge.»

«Er hat uns noch nicht gesehen. «Der Ausguck blickte mit zusammengekniffenen Augen auf das ferne Segel.»Schatze, wir sind uber ihm, ehe er uns entdeckt.»

Herrick nickte und blickte hinab, als Vibart rief:»Pfeifen Sie alle Mann. Klar zum Halsen.»

Bolitho wollte das Schiff also aufbringen. Herrick beobachtete von oben die plotzliche Aktivitat auf den Decks. Seit seinen Fahnrichstagen hatte er einen solchen Anblick nicht mehr erlebt: die scheinbar ziellos hastenden Gestalten, die aus den Zwischendecks quollen und sich dann wie durch Zauber je nach Aufgabe und Zweck zu erkennbaren Mustern ordneten. Er sah die Maate die Wachlisten prufen, wahrend sie Namen und Befehle herausbellten. Da und dort standen die Offiziere und Unteroffiziere wie kleine isolierte Inseln inmitten der wogenden Flut der Matrosen.

Die Rahen kamen herum, und die Segel schlugen emport, als die Fregatte ihren Kurs um zwei Strich nach Steuerbord anderte. Herrick spurte, wie der Mast zitterte, und gab sich alle Muhe, nicht daran zu denken, wie lange es dauern mochte, bis man unten aufschlug.

Die Brise, die der

zugute gekommen war, erreichte jetzt auch das fremde Segel. Und wie der Wind den Dunst mitnahm, so gewann auch der Lugger an Fahrt. Ein zweites braunliches Segel kletterte den kurzen, dicken Gro?mast hinauf. Der Ausguck kaute auf einem Stuck Tabak und sagte ruhig:»Ein Spanier. Die Takelage kenne ich.»

Bolithos Ruf schnitt Herricks Spekulationen ab.»Kommen Sie an Deck, Mr. Herrick. Schnell!»

Herrick langte keuchend und schwitzend unten an. Bolitho wartete bereits auf ihn. Er wirkte au?erst konzentriert.

«Der Lugger ist uns gegenuber im Vorteil, Mr. Herrick. Er kann diese leichte Brise besser nutzen als wir. «Er deutete ungeduldig auf die Back.»Machen Sie die beiden Geschutze klar, und feuern Sie ihm eins vor den Bug.»

«Aye, aye, Sir. «Herrick kam langsam wieder zu Atem.»Eine Kugel wurde reichen, um ihn zu zerschmettern.»

In Bolithos grauen Augen blitzte etwas wie Belustigung auf.»Er kann die wertvollste Ladung aller Zeiten an Bord haben, Mr. Herrick. »

Herrick starrte den Kapitan verstandnislos an.»Sir?»

Bolitho hatte sich bereits abgewandt, um zu verfolgen, wie die Geschutzbedienung nach vorn zu den zwei langen Neunpfundern eilte.

Phalarope

Da? seine beilaufige Vermutung, was die Brise anging, Wirklichkeit geworden war, war ihm selbst wie ein Wunder vorgekommen. Und als der Lugger vom Ausguck gemeldet wurde, hatte er das Gefuhl gehabt, als brodelten seine lange eingekapselten Empfindungen wild durcheinander. Doch die kleinlichen Gereiztheiten hatte er beiseite geschoben, ja selbst die Haltung des Admirals der

gegenuber konnte er ubersehen, ja sogar vergessen.

Er schnellte uberrascht herum, als es klopfte.»Herein!«Er starrte den blassen Matrosen, der unsicher in der Tur stand, einige Sekunden an, zwang sich, nicht an den Lugger zu denken, und deutete mit einer Kopfbewegung auf den Tisch am Schott.»Ferguson? Sie werden dort arbeiten, wenn ich Sie brauche«, sagte er bundig; seine Gedanken folgten noch immer dem Enterkommando.

Ferguson blickte sich blinzelnd um.»Ja, Sir. Ich meine — aye, aye, Sir. «Er war verwirrt und nervos.

Bolitho musterte ihn freundlich.»Ihre Pflichten erlautere ich Ihnen spater. Im Augenblick bin ich sehr beschaftigt. «Er blickte zur Tur, wo der kleine Neale keuchend auftauchte.

«Kapitan, Sir!«Er rang nach Luft.»Mr. Okes hat den Lugger genommen!»

«Das durfte zu erwarten gewesen sein«, sagte Bolitho trocken.»Sein Kapitan sieht sich schlie?lich einer vollen Breitseite ausgesetzt.»

Neale uberdachte den Punkt.»Hm, ja, Sir. «Er starrte Bolitho in das gelassene Gesicht und fragte sich augenscheinlich, wie der Kapitan das Oberdeck verlassen konnte, wenn endlich etwas geschah. Dann sagte er:»Das Boot kommt zuruck, Sir.»

«Das war es, was ich horen wollte, Mr. Neale. «Bolitho sah durch die Heckfenster uber die leere See, deren Oberflache eine schwache, doch stetige Brise krauselte.»Eine Empfehlung an Hauptmann Rennie. Sobald das Boot langsseits ist, soll er die Offiziere des Luggers isoliert halten, bis ich sie befragen kann. Mr. Okes soll die Durchsuchung des Luggers fortsetzen und melden, wenn er etwas findet.»

«Die Offiziere des Luggers, Sir?«Neales Augen glichen Untertassen.

«Sie stecken vielleicht in Lumpen, aber deshalb bleiben sie doch Offiziere. «Bolitho betrachtete den Fahnrich ruhig.»Und begehen Sie keinen Irrtum. Diese Leute kennen die Gewasser hier wie ihre eigene Tasche.»

Der Fahnrich nickte und scho? davon. Bolitho ging ruhelos auf und ab. Dann blieb er vor seinem Tisch stehen, auf dem eine Karte des Karibischen Meeres lag. Die komplexe Masse der Inseln und ausgeloteten Wassertiefen, die vagen Vermessungen und zweifelhaften Beschreibungen glichen einem riesigen Ratsel. Er zog die Stirn in Falten und fa?te sich ans Kinn. Irgendwo inmitten dieses Gewirrs verstreuter Inseln lag der Schlussel zum ganzen Feldzug. Wer ihn fand, wurde siegen. Der Verlierer wurde fur immer aus dem karibischen Gebiet verdrangt werden.

Mit den Spitzen seines Stechzirkels folgte er dem Kurs der

bis zu einem kleinen Bleistiftkreuz. Hier, auf dieser Position, nutzte er nichts. Das funfzig Meilen entfernte St. Kitts mochte noch immer der Belagerung standhalten, wahrend jenseits des Horizonts Graf de Grasses gro?e Flotte sich womoglich zum endgultigen Schlag gegen die verstreuten britischen Einheiten vorbereitete. Und waren die Briten erst einmal von diesen Inseln vertrieben, wurden die Franzosen und ihre Verbundeten Sudamerika aufrollen wie eine Landkarte. Sie wurden den Nord- und Sudatlantik beherrschen und nach den reichen Schatzen Afrikas greifen, ja daruber hinaus.

Er verdrangte die Vorstellung, denn er horte das Trampeln von Stiefeln und das Aufsetzen von Gewehren.

Vibart erschien im Turrahmen.»Die Gefangenen sind an Bord, Sir. «Er sah Ferguson durchdringend an, der sich neben dem Tisch zu einem Ball zusammenzurollen schien.»Es stimmt, ein Spanier. Zwanzig Mann an Bord, kein Widerstand. Ich habe den Kapitan und zwei Maate drau?en unter Bewachung, Sir.»

«Gut. «Bolitho blickte auf die Karte.»Zwanzig Mann, sagen Sie? Eine starke Mannschaft fur ein so kleines Fahrzeug. Gewohnlich bemannen die Spanier ihre Schiffe sparsamer.»

Vibart zuckte mit den Schultern.»Mr. Farquhar sagt, der Lugger ware im Kustenhandel eingesetzt. Nutzt uns nicht viel.»

«Ich werde mich erst einmal mit dem Kapitan unterhalten. Sie konnen an Deck gehen und beobachten, welche Fortschritte Mr. Okes macht. Lassen Sie mich bitte wissen, sobald er etwas herausgefunden hat.»

Der Schiffer des Luggers war klein und dunkelhautig. Er trug ein zerlumptes Hemd und eine weite Leinenhose. Unter seinem glatten Haar schaukelten zwei goldene Ohrringe, und seine schmutzigen, blo?en Fu?e vollendeten das Bild der Vernachlassigung und Armseligkeit. Neben ihm wirkte Fahnrich Farquhar elegant und unwirklich.

Bolitho hielt die Augen auf die Karte gerichtet. Das unruhige Atmen und Fu?escharren des Spaniers entging ihm nicht. Schlie?lich sagte er:»Spricht er englisch?»

«Nein, Sir«, antwortete Farquhar ungeduldig.»Er schnattert blo?.»

Ohne den Blick von der Karte zu heben, sagte Bolitho wie nebenbei:»Dann nehmen Sie ihn wieder mit an Deck, und lassen Sie den Profo? eine Schlinge am Hauptmast anbringen.»

«Eine Schlinge, Sir?«fragte Farquhar verdutzt.»Wollen Sie ihn hangen?»

«Selbstverstandlich«, sagte Bolitho grob.»Er nutzt mir nichts.»

Der Spanier schwankte und warf sich Bolitho zu Fu?en. Er schluchzte und weinte, wahrend er Bolithos Beine umklammerte. Die Worte stromten ihm wie eine Flut uber die Lippen.

«Bitte, Kapitan, nicht hangen. Bitte! Ich bin guter Mann, Sir. Ich haben Frau und viele arme Kinder. «Tranen rannen ihm uber die Wangen.»Bitte, Sir, nicht hangen!«Das letzte Wort kreischte er fast.

Bolitho befreite sich aus der Umklammerung und sagte ruhig:»Ich dachte mir schon, da? Ihre Englischkenntnisse wieder aufleben wurden. «Und zu Farquhar:»Versuchen Sie den Trick bei den zwei Maaten. Sehen Sie zu, was Sie aus ihnen herausbekommen. «Er wandte sich wieder dem wimmernden Mann zu.»Stehen Sie auf und beantworten Sie meine Fragen, oder ich lasse Sie doch noch aufknupfen.»

Er lie? einige Minuten verstreichen. Was hatte er angefangen, wenn der Spanier tatsachlich nicht englisch gesprochen hatte? Dann fragte er:»Ihr Bestimmungsort? Ihre Ladung?»

Der Mann schwankte. Seine schmutzigen Hande waren wie zum Gebet gefaltet.»Ich segeln nach Puerto Rico, Kapitan, mit kleiner Ladung Holz und Zucker. «Er rang die Hande.»Aber nehmen Sie alles, Exzellenz, nur lassen Sie mir Leben.»

«Halten Sie den Mund. «Bolitho spahte auf die Karte. Die Geschichte konnte stimmen. Er fragte scharf:»Woher kommen

Sie?»

Der Mann lachelte unterwurfig.»Ich segeln uberall, Kapitan. «Er schwenkte unbestimmt die Hand.»Ich haben nur kleine Ladung. Ich nehmen, wo was kriegen. Ein schweres, schweres Leben, Exzellenz.»

«Ich werde meine Frage

Bolitho senkte die Augen, um die Erregung, die er spurte, zu verbergen: von Martinique, dem Hauptquartier und der wesentlichsten Operationsbasis der Franzosen, der am starksten gesicherten Festung Karibiens.

«Sie hassen die Franzosen, Ihre tapferen Verbundeten?«Bolithos Sarkasmus entging dem Spanier nicht.»Nun, lassen wir das. Sagen Sie mir statt dessen, wie viele Schiffe dort auf Reede lagen. «Bolitho sah Angst in den Augen des Schiffers und nahm an, da? der Spanier genau wu?te, welche Reede er meinte.

«Viele Schiffe, Exzellenz. «Er rollte mit den Augen.»Viele gro?e Schiffe.»

«Und wer befehligt diese vielen gro?en Schiffe?»

«Der franzosische Admiral, Exzellenz. «Der Spanier rausperte sich, als ob er ausspucken wollte, bemerkte jedoch, da? die Wache ihn von der Tur her beobachtete, und schluckte gerauschvoll.»Ein franzosisches Schwein, dieser Mensch.«»Der Graf de Grasse?»

Der Schiffer nickte heftig.»Aber Sie ja alles wissen, Kapitan. Sie der Allmachtige haben gesegnet.»

Farquhar betrat die Kajute, und Bolitho schaute hoch.»Nun?»

«Sie sprechen beide nur wenig englisch, Sir. «Er schien auf sich selber wutend zu sein.»Nach dem, was ich mir zusammenreimen kann, wollten sie nach Puerto Rico.»

Bolitho winkte der Wache.»Bringen Sie den Gefangenen hinaus, aber lassen Sie ihn nicht mit den anderen reden. «Dann sagte er abwesend:»Er hat gelogen. Er kam von Martinique. Die Franzosen wurden ihm seine Handelsfahrten nie erlauben, wenn sie jederzeit selbst belagert werden konnten. «Er klopfte auf die Karte.»Nein, Mr. Farquhar, mag sein, da? er von Martinique kommt, aber sein Bestimmungsort ist ein anderer.»

Vibart kam herein und zog wegen der Decksbalken den Kopf ein.»Mr. Okes meldet, da? die Ladung mit dem ubereinstimmt, was Sie bereits wissen, Sir. Aber unter der Hauptladung sind neue Stengen und Fasser mit Salzfleisch verstaut. Au?erdem eine Menge Ersatzsegel und Tauwerk.»

«Genau, wie ich dachte. «Bolitho fuhlte sich sonderbar euphorisch.»Der Lugger bringt Vorrate von Martinique nach… «Sein Finger glitt uber die auf der Karte eingezeichneten Inseln.»Ja, wohin?«Seine Augen wanderten von Vibarts dusterem zu Farquhars verblufftem Gesicht.»Bringen Sie den spanischen Schiffer noch mal her.»

Bolitho trat an die Heckfenster und beugte sich uber das Wasser, wie um seine Gedanken zu ordnen. Ihm schien, da? der Spanier von den franzosischen Schiffen in Martinique so offen erzahlt hatte, weil er wu?te, da? britischen Patrouillenschiffen diese Nachricht bereits bekannt war. Der Spanier bildete sich offenbar ein, da? ihm, Bolitho, der Hauptpunkt entgangen war. Er drehte sich rasch um, als der Mann durch die Tur gesto?en wurde.»Horen Sie gut zu«, sagte er beherrscht, doch so schroff, da? der Spanier zu zittern begann.»Sie haben mich belogen. Ich habe Ihnen gesagt, was mit Ihnen passieren wurde, nicht wahr?«Er sprach jetzt gefahrlich leise.»Also, noch einmal: Ihr Bestimmungsort?»

Der Mann wankte.»Bitte, Exzellenz. Die mich toten, wenn es herausfinden.»

«Und ich werde Sie toten, wenn Sie mich warten lassen. «Bolitho bemerkte, da? Herrick die Szene von der Tur aus fasziniert verfolgte.

«Wir segeln nach Insel Mola, Kapitan. «Der Mann schien zusammengeschrumpft zu sein.»Die Ladung ist fur Schiffe dort.»

Herrick und Farquhar wechselten verstandnislose Blicke.

Bolitho beugte sich uber seine Karte.»Mola ist hollandisch. «Er ma? die Entfernung mit dem Zirkel ab.»Drei?ig Meilen nordostlich unserer gegenwartigen Postition. «Seine Augen bohrten sich mitleidslos in den Spanier.»Wie oft sind Sie schon dorthin gesegelt?»

«Oft, Exzellenz. «Der Spanier sah aus, als musse er sich ubergeben.»Soldaten dort, franzosische Soldaten. Kommen von Norden. Haben auch Schiffe.»

Bolitho atmete langsam aus.»Naturlich. De Grasse wurde nie den Versuch unternehmen, seine Schiffe gegen Jamaika oder eine andere Insel zu schicken, wenn er sich nicht voller Infanterieunterstutzung sicher ware und ein Ablenkungsmanover an anderem Ort in der Hinterhand hatte. «Er sah die anderen an.»Unsere Flotte beobachtet Martinique im Suden und wartet, da? sich die Franzosen regen, doch die ganze Zeit uber sickern sie vom amerikanischen Festland ein und sammeln sich zu einem gro?en, entscheidenden Schlag.»

Vibart sagte:»Wir mussen die Cassius informieren, Sir.»

«Wir konnten mit dem Lugger das Flaggschiff suchen, Sir«, sagte Herrick lebhaft von der Tur her,»und selber hier in Bereitschaft bleiben.»

Назад Дальше