«Zwei. «Kirk brullte und zuckte hilflos an der Grating. Aus seinem Mund flo? Blut, und Herrick wu?te, da? er sich die Zunge aufgebissen hatte.
«Drei. «Packwood zogerte, ehe er wieder zuschlug. Seine Augen wurden glasig, als die Peitsche Kirks Rucken blutig ri?.
Vibarts Stimme ubertonte die Trommel.»Harter, Packwood, ersparen Sie dem Kerl nichts, wenn Sie nicht mit ihm tauschen wollen.»
So war es weitergegangen, Schlag fur Schlag, begleitet vom unmenschlichen Rasseln der Trommel. Nach dem ersten
Dutzend sackte Kirk zusammen und gab keinen Ton mehr von sich. Doch als der Wundarzt Ellice grimmig feststellte:»Er lebt noch, vertragt aber nicht mehr viel«, fauchte Vibart:»Weitermachen mit der Bestrafung.»
Herrick hatte bemerkt, da? sich Fahnrich Neale an Maynards Armel klammerte, wahrend die Auspeitschung weiterging. Kirk war mager, und nach achtzehn Schlagen glaubte Herrick, unter der zerfleischten Haut Knochen und Muskeln zu sehen. Dann ubernahm Josling die Peitsche und streifte mit den Fingern Fleischfetzen davon ab. Nach einem kurzen Blick in Vibarts ausdrucksloses Gesicht machte er sich an das zweite Dutzend. Nach dem zwanzigsten Schlag fiel Mr. Quintal ihm in den Arm und sagte fest:»Das reicht, Sir. Er stirbt. «Kirks blutiger Korper wurde nach unten geschafft, aber erst, nachdem Wundarzt Ellice das Eingreifen des Bootsmanns unterstutzt hatte.»Vielleicht ubersteht er es«, hatte er unbestimmt geknurrt.»Sagen kann ich es nicht. Ich glaube, seine Nieren sind geplatzt. »
Herrick forschte nach einem Zeichen von Mitleid oder Triumph in Vibarts schweren Zugen. Doch sie zeigten lediglich steinerne Gleichmutigkeit. Captain Pomfret hatte Auspeitschungen zugesehen, als waren sie ein brutaler Sport. Der blutige Abschlu? erregte ihn stets auf eine Weise, als hatte er einen perversen Sexualakt erlebt. Nichts davon bei Vibart. Vibart sah man uberhaupt kein Gefuhl an, ganz gleich welcher Art.
Herrick wandte sich hastig ab, als Vibart im Kajutsniedergang auftauchte und in den Wind schnuffelte. Vibart musterte den seltsam kupferfarbenen Himmel und sagte gedehnt:»Der Wind hat aufgefrischt. Wir werden in zehn Minuten die Segel bergen. «Sein Blick streifte Proby.»Haben Sie unsere Position? Unsere
Herrick blickte hinauf. Das Schiff lief perfekt. Vibart wurde offenbar um so nervoser, je naher sie der Insel kamen. Nicht furchtsam. Er hatte bei keiner Gelegenheit irgendwelche
Zeichen von Furcht gezeigt. Nein, das lag tiefer, hatte mit der lauernden Moglichkeit eines Fehlschlags zu tun.
Vibart bemerkte, da? Herrick ihn ansah, und fauchte:»Haben Sie die Enterkommandos eingeteilt?»
«Aye, Sir. Alle Boote au?er der Gig sind klar. Die Gig ist fur diese Aufgabe nicht geeignet.»
«Das wei? ich selber, Mr. Herrick. «Vibarts Augen waren rot unterlaufen.»Sie ubernehmen den Gesamtbefehl. Maynard, Packwood und Parker befehligen die anderen drei Boote. «Seine Blicke glitten finster uber die an Deck beschaftigten Leute.»Als Steuermannsmaat ist Parker der ideale Mann, die
«Wir sind jetzt drin. Es kommt nicht darauf an, was ich erwarte.»
Proby befragte seine gro?e Taschenuhr und sagte:»Pfeifen Sie alle Mann an Deck. Klar zum Segelbergen.»
Herrick fragte sich, warum Vibart das so lange hinausgeschoben hatte. In der Ferne hatte er mehrmals Fischerboote gesehen. Es lag wirklich kein Sinn darin, die Eile der
noch durch Vollzeug anzuzeigen.
Die Matrosen kletterten die Wanten hinauf und zogen sich die schwankenden Rahen entlang. Bei der unbehaglichen Bewegung des Schiffs war das Segelbergen eine gefahrliche Arbeit.
Vibart sagte murrisch:»Auf diese Weise sind wir weniger leicht auszumachen. Und da der Wind standig auffrischt, erspart es uns die Muhe, spater Segelbergen zu mussen. «Er schien laut zu denken.
Proby legte die Hande um den Mund und rief heiser:»Marssegel und Kluver, mehr brauchen wir nicht. Schnell!»
Gefolgt von Vibarts Blicken und angetrieben durch die Rufe ihrer Maate, kampften die Manner mit der schlagenden Leinwand und verfluchten den Wind und die tuckischen Segel, die alles daransetzten, die Manner von den Rahen zu schleudern. Als sich Bramsegel und Gro?segel schlie?lich den kampfenden Matrosen ergaben und sich die Leinwandflache verringerte, spurte Herrick, wie die
an Fahrt verlor.
Er beobachtete die langen Wellenberge und schatzte die Entfernung zwischen ihnen ab. In Lee von Nevis wurde es geschutzter sein, uberlegte er, aber selbst dann wurde es schwerfallen, die zum Angriff abgesetzten Boote zusammenzuhalten. Er sah Okes an der Leereling stehen und fragte sich, warum Vibart nicht Okes fur das Kommando ausgewahlt hatte. Wenn Okes sich gewandelt hatte und nun verla?lich war, hatte die Wahl eigentlich auf ihn fallen mussen.
Hauptmann Rennie schlenderte uber das Achterdeck heran und sagte:»Meinen Gluckwunsch, Herrick. Und Erfolg heute nacht! Ich kame gern mit, aber Seesoldaten sind dafur kaum geeignet.»
«Danke. «Herrick lachelte.
Rennie deutete auf Okes.»Man mochte meinen, unser kommandierender Offizier wei? mehr, als wir dachten, hm? Diese Attacke vertraut er einem Mann, der so weich wie Butter ist, nicht an.»
«Leise!«Herrick blickte fluchtig zum offenen Oberlicht.»Ihre Bemerkungen konnten ernstgenommen werden.»
Rennie zuckte mit den Schultern, senkte aber die Stimme.»Zum Henker mit der Vorsicht! Ich komme mir wie ein Mann auf einer dunnen Eisflache vor.»
Er ging davon, und Herrick sah die Matrosen hinabklettern. Wenn blo? Bolitho hier ware, um sie alle zu inspirieren und zu fuhren, dachte er. Er sah schon die
nach Antigua hineinsegeln — unter einem Vibart, der sich vor Selbstgefalligkeit aufblahte, wahrend Hurrarufe und Gluckwunsche ihre Ruckkehr zur Flotte und zum Ruhm unterstrichen. Doch er wurde Bitterkeit empfinden, dachte Herrick. Denn ohne Bolitho ware die
nie so weit gekommen, und falls Vibart das Kommando behielt, sah er in der Tat fur sich keine Zukunft.
Tobias Ellice kam den Niedergang herauf. Er fuhrte die Hand an seinen schabigen Hut und rulpste.»Kirk ist tot«, grunzte er dann abrupt.»Ich habe ihn fein sauberlich einnahen lassen.»
«Gut«, erwiderte Herrick.»Ich werde es im Logbuch eintragen. «Der Atem des Wundarztes roch nach Rum, und Herrick fragte sich, wie der Mann seinen Pflichten nachkommen konnte.
«Sie konnen auch eintragen, da? mir dieses Schiff und ihr alle bis hier steht. «Ellice schwankte betrunken und ware gefallen, hatte Herrick ihn nicht gestutzt.»Ihr behandelt sie wie Hunde«, murmelte er und schuttelte dann den Kopf.»Nein, nicht wie Hunde, die leben im Vergleich dazu wie Konige.»
Herrick betrachtete ihn verdrossen.»Sind Sie fertig?»
Ellice zog ein riesiges rotes Taschentuch aus dem Scho? seines Rockes und schnaubte laut.»Sie haben gut spotten, Mr. Herrick. Sie legen heute nacht ab, um Ruhm zu erlangen und zu kampfen. «Er bleckte die Zahne und versuchte, Herrick mit seinen wa?rigen Augen klar zu erkennen.»Aber Sie werden ein anderes Lied singen, wenn Sie unten bei mir darauf warten, da? die Sage Ihren hubschen Arm, ein Bein oder gar zwei abtrennt.»
«Nur zwei?«Herrick musterte ihn mit bitterem Humor.
Ellice wurde plotzlich ernst, sein vom Rum umnebelter Verstand hakte sich an Herricks Frage fest.»Man kann ohne sie leben, mein Junge. Ich habe es oft gesehen.»
Herrick sah ihm nach, als er zur Heckreling ging. Wieder war ein Mann gestorben. Wer kam als nachster an die Reihe?
Bryan Ferguson nahm noch ein Entermesser aus der tiefen Lade und reichte es Old Ben Strachan. Strachan prufte die Klinge, beugte sich uber den Schleifstein und zog das Entermesser uber den rotierenden Stein. Seine Augen blitzten hell in den fliegenden Funken.
Ferguson blickte durch das Zwischendeck. Das Schiff rollte und stampfte, und die schaukelnden Laternen warfen hupfende Schatten. Merkwurdig, wie es ihm jetzt gelang, das Gleichgewicht zu halten, ja selbst sein Magen widerstand nun der lauernden Qual der Seekrankheit. Im Vergleich zu dem sonstigen Leben war das niedrige Zwischendeck heute merkwurdig menschenleer. Bis auf die Manner, die zum Enterkommando gehorten, waren alle an Deck, um das Schiff fur die Aktion vorzubereiten. Old Strachan konzentrierte sich auf sein Messerschleifen. Wahrend Ferguson ihn beobachtete, horte er das drohende Rumpeln der Lafetten. Offenbar wurden die Kanonen sorgfaltig geladen und dann wieder hinter den geschlossenen Stuckpforten verlascht. Die Decks waren bereits mit Sand bestreut, und er horte Mr. Brock seinem Magazinkommando letzte Instruktionen erteilen.
Starker Rumgeruch drang in das Zwischendeck, und Ferguson drehte sich zu den unten verbliebenen, eng beieinander sitzenden Leuten um, die sich eine kurze Ruhepause gonnen durften, ehe sie in die Boote mu?ten.»Wie wird es ablaufen?«fragte er Strachan.»Was meinst du?»
Strachan prufte die Klinge und legte sie sorgsam auf den Haufen der schon gescharften Messer.»Schwer zu sagen, Junge. Ich habe das selbst ein paarmal mitgemacht. Manchmal war nach einigen Gebeten und Sto?seufzern alles vorbei, und ehe man's sich versah, war man wieder wohlbehalten an Bord. Und manchmal wunderte man sich, da? man uberhaupt noch lebte.»
Ferguson konnte sich die zermurbenden Schrecken eines Angriffs bei volliger Finsternis nicht vorstellen und nickte blo?. Seine neuen Pflichten als Schreiber hielten ihm solche Gefahren vom Leibe und hatten ihn von seinen Gefahrten noch weiter getrennt. Er mu?te sich jetzt vollig darauf konzentrieren, mit dem Ersten Offizier klarzukommen. Vibart las jeden Befehl und jeden Bericht mindestens zweimal, und einer Ruge lie? er stets die Androhung einer Strafe folgen. Ferguson dachte an die Auspeitschungen, besonders an die jungste. Er hatte die Hande vor das Gesicht schlagen mogen. Kirk war im Schiffslazarett gestorben, aber seine schluchzenden Schreie schienen noch immer im Logis zu hangen.
«Die See wird ziemlich rauh«, sagte Strachan.»Ich mochte nicht dabei sein. «Er schuttelte den grauen Kopf.»War so schwarz wie 'n Schweinebauch, als ich vorhin die Nase hinaussteckte. «Onslow, der gro?e Matrose von der
«sind wir ihnen gleich — und bereit!»
Lugg, ein Geschutzmaat, kam den Niedergang herunter und spahte mit zusammengekniffenen Augen ins Dammerlicht.»Los, ihr da! An Deck, und zwar schnell. Jeder Mann ein Entermesser und achtern aufstellen.»
Onslow sah ihn an.»Was denn, keine Pistolen?»
Lugg antwortete eisig:»Ich werde dir was mit der Pistole versetzen, wenn du dich weiter so auffuhrst.»
Stahl klirrte gegen Stahl, als sich jeder hastig ein Entermesser griff. Ferguson redete den einen oder anderen an, erhielt aber keine Antwort. Strachan wischte sich die Hande ab und murmelte:»Spar dir den Atem, Junge. Die denken an das, was vor ihnen liegt. Spater gibt's genug zu reden. Sollte mich nicht wundern.»
John Allday zogerte, so lange es ging. Dann nahm er ein Entermesser und schwang es langsam im Lampenlicht. Danach sagte er leise:»Sieh dich vor Onslow vor, Bryan. Er ist der geborene Unruhestifter. Ich traue ihm nicht uber den Weg.»
Ferguson sah seinen Freund uberrascht und irgendwie schuldbewu?t an. Seit seiner Abkommandierung zum Schreiber des Kapitans war er Allday und seinem stillen Schutz entglitten, und wenn er ins Zwischendeck kam, hatten ihn stets Onslow oder dessen Freund Pook in Gesprache und Spekulationen gezogen.
Allday bemerkte Fergusons Unsicherheit und fugte hinzu:»Du hast die Auspeitschung gesehen, Bryan. La? es dir eine Warnung sein.»
«Aber Onslow ist doch auf unserer Seite, nicht wahr?«Ferguson bemuhte sich zu verstehen.»Du hast doch gehort, was er heute gesagt hat. Ihm steht es ebenso bis hier wie uns allen.»
«Ich habe es gehort. «Alldays Mund verzog sich zu grimmigem Lacheln.»Aber er redet nur. Er gehort nicht zu denen, die an die Grating kommen.»
Old Strachan murmelte:»Ich hab' 'nen Burschen wie ihn auf der alten
Ferguson rief noch:»Viel Gluck!«, aber Allday rannte bereits hinauf. Im ersten Augenblick konnten seine Augen die Finsternis, die das stampfende Schiff einhullte, nicht durchdringen. Uber den Masten schimmerten zwischen den niedrig treibenden Wolken hin und wieder ein paar Sterne.
Die Maate riefen Namen auf, und die Manner ordneten sich unter Fluchen und Scharren neben den Booten zu den verschiedenen Enterkommandos. Die Boote waren bereits aus den Klampen und klar zum Ausschwenken.
Allday sah Leutnant Herricks wei?e Rockaufschlage, die sich schwach gegen den dunklen Himmel abzeichneten, und war froh, da? er seinem Boot zugeteilt worden war. Fahnrich Maynard war ein ganz netter Junge, aber es mangelte ihm an Erfahrung und Selbstvertrauen. Allday bemerkte, wie Maynard verstohlen mit seinem kleinen Freund Neale flusterte.
«Hort her, Jungs«, sagte Herrick scharf.»Ich fuhre mit der Barkasse. Der Kutter folgt direkt im Kielwasser, danach die Pinasse. Mr. Parker macht mit der Jolle den Schlu?. «Des heulenden Windes wegen mu?te er schreien, und Allday sah unruhig auf das schaumende Wasser und den immer hoher spritzenden Gischt. Sie wurden schwer pullen mussen, dachte er, und spuckte automatisch in die Hande.
Er spitzte die Ohren, als Bootsmannsmaat Parker meldete:»Alle da, Mr. Herrick. Sechsundsechzig Mann.»
«Sehr gut. Ich werde den. . «Er stockte und sagte rauh:»Ich werde Mr. Vibart informieren.»
Allday bi? sich auf die Lippen. Zwischen Herrick und dem neuen Kommandanten herrschte keine gro?e Liebe. Er sah Onslow lassig an einem Piekenstander lehnen und mu?te an Fergusons Unruhe denken. Sonderbar, wie eifrig Onslow darauf ausgewesen war, da? Ferguson zum Schreiber ernannt wurde, grubelte er. Und wie gelegen es kam, da? Mathias, Bolithos ursprunglicher Schreiber, im Laderaum zu Tode gekommen war.
«Den Kutter ausschwenken!«Mr. Quintal tastete sich zur Talje.»Fiert ab das Boot!»
Allday stockte. Lebhaft trat ihm ein Bild vor Augen. Damals, als Mathias durch Sturz umgekommen war, hatte er als Ausguck im Mastkorb gesessen. Merkwurdig, da? er nicht fruher daran gedacht hatte. Er hatte den Schreiber durch die kleine Luke steigen sehen, und kurz darauf fand man ihn bewu?tlos, sterbend. Aber davor war bereits jemand im Laderaum gewesen. Er sah kurz zu Onslow hinuber, entsann sich des genauen Augenblicks und der Tatsache, da? Onslow den Sturz des Schreibers gemeldet hatte. Er spurte Quintais harte Hand auf der Schulter und griff wieder mit den anderen an die Talje. Die See schien urplotzlich immer hoher zu steigen und die
im Vergleich dazu zu schrumpfen.