In seine durcheinanderrasenden Gedanken drang Onslows beilaufige Bemerkung:»Die Kerle sollen unseren Stahl kosten!»
Wen meinte er damit? fragte sich Allday.
XI Kriegsgluck
Das schwere Arbeitsboot der
uberlastet durch das zusatzliche Enterkommando, nahm Wasser uber, sobald es aus dem Windschutz der Fregatte herauskam.
Herrick druckte sich in eine Ecke des Hecks und spahte uber die Kopfe der schwer pullenden Leute. Dunkelheit und Spritzwasser behinderten die Sicht. Er versuchte, sich auf den festgelegten Angriffsplan zu konzentrieren, doch als die Zeit sich hinzog und das Arbeiten des Bootes sich verstarkte, wurde ihm immer klarer, da? sich alles gegen ihn verschworen hatte. Der Wind hatte zugenommen, und er brauchte nicht erst seinen kleinen Kompa? zu befragen, um zu wissen, da? er nach Osten abgekommen war. Damit war der Leeschutz, den ihm die Insel hatte bieten sollen, verloren, ausgetauscht gegen das zornige Toben hochgehender Seen mit wei?en Schaumkopfen und die kreisenden Muster der von halbverborgenen Felsen zuruckflutenden Brandung. Immer wieder blickte er nach achtern, froh, da? der Kutter in seinem Kielwasser folgte. Die Riemen peitschten teils uber einen Wellenkamm, teils wurden sie, wenn das Boot in ein Wellental sauste, bis an die Dollen begraben.
Ryan, ein im Steuern geubter Vollmatrose, druckte die Pinne hin und her und brullte:»Das Boot benimmt sich jammerlich, Sir. Die Jungs sind schon alle fertig,»
Herrick nickte schweigend. Der langsame, muhselige Schlag zeigte, da? die Manner sehr erschopft und kaum noch in der Lage waren, einen Angriff auszufuhren. Immer wieder qualte ihn der Gedanke, da? Vibart die Boote zu fruh ausgesetzt hatte. Die Insel war noch immer ein schwarzer Fleck auf dem dunklen Schild der Nacht, und von den Orientierungspunkten war bis jetzt nicht die geringste Spur zu sehen.
Ihn packte Wut, wenn er daran dachte, wie brusk Vibart ihn zuletzt behandelt hatte. Vibart war nur von dem Wunsch beherrscht gewesen, die Boote ablegen zu sehen. Kein Alternativplan, keine Absprache, wie er sich bei einer moglichen Entdeckung verhalten sollte.
Die
Ryan rief:»Eine starke Stromung, Sir. Sie druckt uns von der Landspitze weg. «Es klang erbittert.»Wir werden lange pullen mussen, um wieder ranzukommen.»
Wie um seine Worte zu unterstreichen, erhob sich in dem dunklen Boot Stimmengemurmel.»Wir sollten umkehren«, rief jemand.»Wir haben keine Chance mehr.»
«Ruhe!«Herrick starrte uber das Boot.»Soll uns die ganze Insel horen?»
«Ob wir nicht unter dem Kap kurz beidrehen sollten, Sir?«flusterte Ryan. Es klang leicht beschamt.»Dort konnten sich die Manner verschnaufen, um es dann noch mal zu versuchen.»
Herrick nickte. In seinem Kopf formte sich ein Plan.»Gute Idee. Signal an den Kutter, Ryan. «Er ubernahm die Ruderpinne, wahrend der Vollmatrose die Blende der Laterne offnete und zweimal nach achtern blinkte.»Im Schlag bleiben!«fauchte er die Leute an den Riemen an.»Zugleich, zugleich!«Und dann:»Die ubrigen lenzen weiter. Und gebt auf die Riemen acht. Leise eintauchen!»
«Kutter dreht, Sir«, meldete Ryan.»Die Pinasse sehe ich auch.»
«Na, Gott sei Dank. «Herrick dachte nicht mehr an die murrenden Matrosen. Die Silhouette des Landes verfestigte sich zu einer gezackten, uberhangenden Klippe. Sie gehorte zu Dogwood Point, gewi?, aber sie waren noch weiter abgetrieben, als er gefurchtet hatte. Sie waren nicht nur ein Stuck von der Klippe entfernt, sondern sogar noch auf der falschen Seite. Wahrend er verzweifelt nach vorn starrte, lie? die heftige Bewegung des Bootes nach. Sie glitten in geschutzteres Wasser, und die Riemen tauchten regelma?iger ein. Er sagte leise:»Ganz vorsichtig mit den Riemen! Hort sich ja an wie eine Rinderherde.»
Das Boot ritt unbehaglich die Dunung aus. Die erschopften Matrosen fielen uber ihre Riemen und sogen gierig die feuchte Luft ein. Die Pinasse schob sich aus der Dunkelheit und legte sich neben sie. Der Kutter ging auf die andere Seite und kam dicht heran, da Fahnrich Maynard etwas fragen wollte.
«Was sollen wir tun, Mr. Herrick?»
«Hier ein bi?chen liegenbleiben«, sagte Herrick langsam. Er wollte Zeit gewinnen, um seine unklaren Gedanken zu ordnen. Maynards Frage klang verloren und verwirrt. Herrick wunschte, da? sich Maynard vor den Leuten mehr zusammennehmen wurde. Es ging alles schon schlecht genug. Dann fragte er:»Wo bleibt Mr. Parker mit der Jolle?»
Maynard zuckte mit den Schultern, und Bootsmannsmaat Packwood rief von der Pinasse heruber:»Wir haben ihn schon lange aus den Augen verloren, Mr. Herrick.»
Herrick mu?te sich alle Muhe geben, um ruhig zu sprechen.»Vielleicht ist er umgekehrt.»
«Eher gesunken«, murmelte ein Seemann.
«Kommen Sie langsseits. «Herrick fa?te einen Entschlu?.»Aber legen Sie Fender aus.»
Er wartete und hielt den Atem an, als die beiden Boote langsseits kamen. Bei jedem Sto?, bei jedem Knirschen erwartete er, an Land Rufe oder das unheilvolle Knattern von Gewehrfeuer zu horen. Doch nur der Wind und zischender Gischt unterbrachen seine Worte, als Maynard und Packwood sich den Hals verrenkten, um ihn zu verstehen.
«Wenn wir um das Kap pullen, wird es fur einen Angriff zu spat.»
«Meiner Meinung nach war die Strecke, die wir pullen mu?ten, zu lang«, knurrte Maynard verdrossen.»Es war von Anfang an unmoglich.»
«Niemand hat nach Ihrer Meinung gefragt«, zischte Herrick. Seine Heftigkeit uberraschte ihn selbst, und er setzte hastig hinzu:»Dort soll es einen Streifen Strand geben, darauf werden wir zuhalten. Mr. Packwood wartet mit der halben Mannschaft von jedem Boot und halt sich so dicht wie moglich bei den Klippen. «Er wartete, fuhlte, wie die Spannung an seinen Nerven zerrte.»Verstanden?»
Sie nickten zweifelnd, und er fuhr fort:»Mr. Maynard begleitet mich mit drei?ig Mann an Land. Wir klettern die Landspitze hinauf. Von oben konnen wir bestimmt zur anderen Seite hinabsehen. Wenn die
Cassius
Doch noch immer fand er Zeit, sich Bolitho unter diesen Umstanden vorzustellen. Die Vorstellung seines unbewegten Gesichts half ihm, Festigkeit zu gewinnen, und er sagte ohne zu stocken:»Anrudern, Kurs auf die Felsen. Aber ich will keinen Laut horen, von keinem!»
Ein Boot nach dem anderen pullte landwarts, und als die dunklen Felsen sie schon beinahe einschlossen, sprangen die ersten Manner fluchend in das flache Wasser.
Sinnlos, das Kommando jetzt noch in Gruppen zu spalten, entschied Herrick. Sie hatten schon zu viel Zeit verloren und genug dem Zufall uberlassen. Er beobachtete, wie die drei Boote drehte, und befahl dann scharf:»Mr. Maynard, Sie kommen mit mir. McIntosh ubernimmt hier unten das Kommando. «Er mu?te eine Weile nachdenken, ehe ihm die Namen der von ihm ausgewahlten Manner einfielen.»Allday und Martin folgen mir ebenfalls. «Allday schien ein fahiger Mann, und Martin, der sich in Dorset einst als Wilddieb karglich durchgeschlagen hatte, war flink und gerauschlos wie eine Katze.
Wahrend sie schweigend die steile Klippe hinaufkletterten, dachte Herrick von neuem an Bolitho und seinen verwegenen Angriff auf die Insel Mola. Jeder Art von Gefahr hatte er dort die Stirn bieten mussen und doch einen Erfolg errungen, wenn auch auf Kosten seines Lebens. Mit Mola verglichen, war dieser Streich hier gar nichts, uberlegte er grimmig. Doch warum hatte er auf einem Alternativplan zum Angriff beharrt? Vielleicht weil er sich von Anfang an darauf vorbereitete, sich zur wartenden
zuruckzuziehen, ohne uberhaupt den Versuch zu machen, den Auftrag zu erfullen?
Er stolperte und ware beinahe auf die Felsen hinabgesturzt, aber eine Hand packte ihn, und Allday sagte:»Geben Sie bei solchen Klippen auf jeden Schritt acht, Sir. Der Boden fuhlt sich sicher an, aber die Steine sitzen nur locker.»
Herrick starrte ihn an. Naturlich, Allday war nicht nur Seemann, sondern auch Schafer gewesen. Nach den felsigen Klippen und Hugeln Cornwalls war das hier fur ihn wahrscheinlich ein Kinderspiel.
Als lase Allday Herricks Gedanken, murmelte er:»Ich mu?te oft uber solche Abhange, wenn ich hinter einem verirrten Lamm her war.»
Beide verstummten schlagartig, als Martin hervorstie?:»Sir, da oben ist ein Posten.»
«Wo?«Herrick versuchte etwas zu erkennen.»Sind Sie sicher, Mann?»
Martin nickte nachdrucklich.»Da druben. Etwa drei?ig Yards entfernt. Ich hab Schritte gehort. Da!«Seine Augen funkelten erregt.»Haben Sie es gehort?»
«Ja. «Herrick sank auf einen vorspringenden, nassen Grasstreifen. Ein Posten da oben. Warum, was steckte dahinter? Bei Nacht reichte der Blick nicht weit uber den Rand der Klippe hinaus.»Wir schleichen uns an und sehen nach, was los ist.»
Sie hoben ihre Waffen an, damit sie nicht an die tuckischen Steine stie?en, und robbten hinuber. Ihre weitaufgerissenen Augen schmerzten vor Anstrengung.
«Martin nach links«, befahl Herrick schlie?lich.»Allday nimmt die Seeseite. «Die beiden krochen davon.»Wir schieben uns den Abhang hinauf, Mr. Maynard. Ich habe so ein Gefuhl, da? hier etwas nicht stimmt.»
Allday kam als erster zuruck, geduckt huschte er von Busch zu Busch.»Die
Herrick fuhlte sich merkwurdig erleichtert. Im Ungewissen zu tappen, war stets schlimmer, als Schwierigkeiten ins Gesicht zu sehen. Fast zu sich selber sagte er:»Blo? zwei Posten, sagen
Sie?»
Martin nickte.»Aye, Sir. Und etwa drei?ig Mann liegen neben den Geschutzen. «Er kicherte.»Ich konnte ihnen leicht die Kehlen durchschneiden.»
«Vielleicht mussen Sie es. «Ihm war plotzlich klar, was zu tun war. Die
«Gehen Sie hinunter zum Stand, Mr. Maynard«, befahl er kurz.»Schicken Sie alle verfugbaren Manner so schnell wie moglich herauf. Legen Sie die Boote vor Anker, die restlichen Manner lassen Sie an Land schwimmen. Unterrichten Sie McIntosh und die anderen, da? ich die Batteriestellung nehmen und die Geschutze gefechtsunfahig machen will. Dann gehen wir in die Boote und greifen wie geplant die
Martin zog ein Messer aus dem Gurtel und gab sein schweres Entermesser Allday, ehe er frohgemut sagte:»Kein Problem, Sir. Scheint aber nicht ganz fair, wie?»
Martin und Maynard tauchten in der Dunkelheit unter, und Herrick sagte leise:»Diese Soldaten mussen wahrend des Schlafens stumm gemacht werden. Erstochen oder erschlagen, ganz gleich, aber sie durfen auf keinen Fall Alarm schlagen.»
Allday zuckte zusammen, als weiter unten Maynards Dolch gegen einen Stein klirrte, und sagte dann:»Sie oder wir, so steht es doch, nicht wahr, Sir?»
«Was macht Ihr Arm, Mr. Belsey?«Der Steuermann regte sich irgendwo in der pechschwarzen Finsternis. Er wu?te, da? Bolitho nur gefragt hatte, um das entnervende Schweigen zu brechen. Man hatte Bolitho mit Farquhar und Belsey unter Deck geschafft und ohne gro?e Umstande irgendwo im Vorschiff in einen leeren Laderaum gesperrt. Nach einem Versuch, sich zu unterhalten, waren sie bald verstummt, und jeder hatte sich seinen Befurchtungen hingegeben.
«Geht einigerma?en, Sir«, antwortete Belsey.»Aber bei diesem Schlingern bricht mir der Schwei? aus.»
Wahrend der letzten Stunde hatte sich die unruhige Bewegung standig verstarkt. Der Laderaum lag unterhalb der Wasserlinie, und dadurch machte sich das laute Arbeiten in den Verbanden des vor Anker liegenden Schiffes nur noch mehr bemerkbar. Die Mannschaft hatte bereits mehr Ankerkette gesteckt, denn durch sein plotzliches Drehen fegte der Wind nun mit steigender Wut uber die zuvor noch geschutzte Reede.
«Vielleicht lauft die
wieder nach drau?en«, sagte Belsey.»Bei diesem Wetter werden sie doch sicher keine Boote ausbringen?»
Bolitho war froh, da? die anderen sein Gesicht nicht erkennen konnten. Ein Wetterumschlag wurde an Vibarts Entschlossenheit, einen Sieg zu erringen, wenig andern. Seit vom Abhang zu den verborgenen Verteidigern hinabsignalisiert worden war, spurte er eine wachsende Verzweiflung und die peinigende Gewi?heit, da? der
und ihrer Besatzung Unheil und Vernichtung bevorstanden. Doch er war machtlos, konnte keinem einzigen helfen. Das Schiff krangte in einem tiefen Wellental, und er fuhlte plotzlich einen Druck an der Schulter. Die
Phalarope
«Ich wunschte, irgend etwas wurde geschehen«, sagte Farquhar.»Dieses Warten geht mir auf die Nerven.»
Bolitho drehte sich so, da? er den hellen Spalt in der Tur des Laderaums sah. Der Lichtstreifen erlosch, wenn der Wachposten drau?en im schmalen Gang seinen Standort anderte. Als er seine verkrampften Glieder zurechtzurucken versuchte, fuhlte er den warmen Stahl am Bein und entsann sich des versteckten Dolches. Was nutzte er ihnen nun? Genausogut hatte er ihn in der Kajute lassen konnen.