Bruderkampf: Richard Bolitho, Kapitan in Ketten - Kent Alexander 5 стр.


Als er schlie?lich, unfahig, seiner Besorgnis langer Herr zu werden, an Deck kroch, fand er Herrick auf seinem Posten und das Hauptdeck ode und leer.

Der junge Leutnant hatte ihm von dem Vorfall berichtet: eine» Deputation «aus Besorgnis wegen des sterbenden Fisher. Das war alles. Vibart drang weiter in ihn, doch Herrick blieb fest, und sein Zorn schlug in Verachtung um, als seine Blicke auf Vibarts geladene Pistolen und den Sergeanten der Seesoldaten an der Kajutentur fielen.

Am nachsten Morgen raste Pomfret, als ware tatsachlich eine Meuterei ausgebrochen.»Beschwerden?«hatte er Vibart quer durch die breite Kajute angebrullt.»Die Kerle wagen es, sich zu beschweren?«Ohne da? ihm etwas eingeblasen werden mu?te, betrachtete er das Verhalten der Manner als Anschlag auf seine Autoritat.

Schlie?lich wurde die Fregatte zur kriegsgerichtlichen Untersuchung nach Portsmouth beordert, und Vibart schopfte neue Hoffnung. Alles ging sehr schnell. Die Unruhestifter wurden vom Schiff geholt und die Fregatte fur einen langen Einsatz ausgerustet. Pomfret war in seiner Kajute geblieben. Murrisch hatte er vor sich hingebrutet, bis man ihn abkommandierte. Aber fur ihn, Vibart, war kein Beforderungsschreiben eingetroffen. Kein eigenes Kommando, weder uber die

noch uber ein anderes Schiff.

Er stand wieder genau da, wo er gestanden hatte, als er zu Pomfret auf die Fregatte kam. Nur da? Bolitho, der neue Kapitan, eine vollig andere Personlichkeit als Pomfret war.

Er schuttelte die Gedanken ab, als Maynard atemlos rief:»Sir,

Signal vom Hugel!»

Vibart zog seinen Degen und hieb damit in einen kleinen Busch.

«Hat der Kapitan also richtig vermutet. «Er schwenkte den Arm in einem Halbkreis.»Vorwarts, Leute. Pflanzt euch beiderseits der Stra?e auf und wartet, bis Mr. Farquhars Abteilung ihnen den Ruckweg verlegt hat. Ich mochte nicht, da? einer entwischt. «Die Manner nickten und stolperten auf die Busche zu. Sie schwangen ihre Knuppel und ruckten die Gurtel mit den Entermessern zurecht.

Das eigentliche Zusammentreffen uberraschte selbst Vibart. Die Leute kamen wie sorglose Spazierganger dahergeschlendert und nicht wie Manner, die der Zwangsrekrutierung entwischen wollten. Es waren ungefahr funfzig. Dicht beisammen kamen sie den schmalen Weg entlang. Sie plauderten, manche sangen sogar, wahrend sie sich ohne bestimmtes Ziel von Falmouth und dem Meer entfernten. Farquhars schlanke Silhouette zeichnete sich gegen den Himmel ab, und Vibart trat aus dem Gebusch. Er hob den Degen, und seine Leute sperrten hinter ihm die Stra?e.

«Im Namen des Konigs! Zur Musterung in Reihe antreten!»

Seine Stimme loste die Erstarrung. Einige machten kehrt und rannten die Stra?e zuruck, nur um beim Anblick Farquhars und seiner Manner, die die Musketen auf sie richteten, keuchend stehen zu bleiben. Einer versuchte, den Hugel hinauf zu entkommen, doch Josling, ein Bootsmannsmaat, holte mit dem Knuppel aus. Der Mann schrie auf, rollte den Abhang hinunter in eine Pfutze und umklammerte mit der Hand sein Knie. Josling drehte ihn mit dem Fu? um, betastete kurz das blutende Bein des Mannes und meldete Vibart dann beilaufig:»Nichts weiter passiert, Sir.»

Tief erschrocken lie?en sich die Leute widerstandslos auf der Stra?e in Reih und Glied aufstellen. Vibart betrachtete die Reihe abschatzend. Alles war so einfach verlaufen, da? er am liebsten gegrinst hatte.

Brock sagte:»Zweiundfunfzig, Sir. Alle gesund.»

Einer der Aufgegriffenen sturzte vor, sank auf die Knie und wimmerte.»Bitte, Sir, bitte. Mich nicht!«Tranen liefen ihm uber das Gesicht, und Vibart fragte rauh:»Und warum nicht?»

«Wegen meiner Frau, Sir. Sie ist krank. Sie braucht mich!«Er rutschte auf den Knien ein Stuck vor.»Ohne meine

Unterstutzung stirbt sie, Sir, so wahr mir Gott helfe. Sie stirbt.»

«Stellt den Mann auf die Fu?e«, befahl Vibart angeekelt,»er macht mich krank.»

Am Ende der Reihe sagte ein anderer gepre?t:»Ich bin Schafer und vom Dienst freigestellt. «Er blickte sich suchend um, bis seine Augen an Brock hangenblieben.»Fragen Sie ihn, Sir. Der Stuckmeister wird es bestatigen.»

Brock ging lassig auf ihn zu und hob seinen Stock.»Roll den Armel hoch!«Es klang gelangweilt, ja gleichgultig. Mehrere verga?en ihr Elend und beugten sich vor, um die Szene zu beobachten.

Der Mann trat einen halben Schritt zuruck, aber nicht schnell genug. Brocks Hand packte sein grobes Hemd wie eine Stahlklaue und ri? den Armel auf. Eine Tatowierung aus ineinanderverflochtenen Fahnen und Kanonen wurde sichtbar. Brock trat einen Schritt zuruck und wiegte sich auf den Hacken.»Nur ein Seemann hat eine solche Tatowierung. «Er sprach langsam und ruhig.»Nur ein Mann, der auf einem Schiff des Konigs gedient hat, konnte mich als Stuckmeister erkennen.»

Ohne Warnung sauste sein Stock durch das trube Sonnenlicht. Als er wieder neben ihm baumelte, blutete das Gesicht des Mannes, wo der Hieb es beinahe bis zum Knochen aufgerissen hatte. Der Stuckmeister sah ihn gerade an.»Am meisten mi?fallt es mir, wenn man mich fur einen Dummkopf halt. «Er drehte sich um und dachte nicht mehr an den Mann.

Ein Matrose brullte:»Wieder ein Signal vom Hugel, Sir. Noch eine Gruppe.»

Vibart steckte den Degen in die Scheide.»Sehr gut. «Seine Blicke glitten kalt uber die zitternde Reihe.»Ihr nehmt einen ehrenhaften Dienst auf. Die erste Lektion habt ihr eben gelernt. Seht zu, da? ich euch keine zweite beibringen mu?.»

Maynard trat zu ihm, sein Gesicht war bekummert.»Ein Jammer, da? es keinen anderen Weg gibt, Sir.»

Vibart wurdigte ihn keiner Antwort, wie schon den Mann, der wegen seiner Frau gebettelt hatte. Solche Au?erungen hatten weder Sinn noch Bedeutung.

Von nun ab zahlte fur diese Leute nur noch das Leben auf dem Schiff.

Bolitho nippte an seinem Portwein und wartete, bis das Madchen den Tisch abgeraumt hatte. Er war seit so langem an magere und schlecht zubereitete Schiffskost gewohnt, da? ihm der gute Lammbraten schwer im Magen lag.

An der gegenuberliegenden Tischseite trommelte sein Vater, James Bolitho, mit den Fingern ungeduldig auf die polierte Platte, ehe er einen langen Schluck trank. Er wirkte gezwungen, ja sogar nervos, seit sein Sohn das Haus betreten hatte. Bolitho betrachtete ihn schweigend.

Sein Vater hatte sich sehr verandert. Er hatte ihn in seiner Kindheit selten zu Gesicht bekommen und seitdem auch nicht oft. Eigentlich nur bei den seltenen Gelegenheiten, wenn er von fernen Kriegen und aus entlegenen Landern nach Hause gekommen war, von Unternehmungen, uber die die Kinder nur Vermutungen anstellen konnten. Dachte Bolitho an ihn, so hatte er einen hochgewachsenen und ernsten Mann in Marineuniform vor Augen, dessen Selbstdisziplin den Raum fullte, sobald er durch die vertraute Tur zwischen den Ahnenportrats trat: Manner wie er, wie sein Sohn, in erster Linie Seeleute.

Wahrend Bolitho unter Sir Henry Langford als Midshipman fuhr, horte er von der Verwundung seines Vaters. Es war in Indien geschehen, im Kampf um die sich rasch entwickelnden Kolonien. Er fand ihn alt und verbittert wieder. Aus der Stammrolle der Marine gestrichen zu sein, wie ehrenhaft auch immer, bedeutete fur ihn mehr als der Verlust eines Armes. Es war, als habe man ihn des Lebens beraubt.

In Falmouth wurde er als aufrechter und gerechter Richter geachtet. Bolitho wu?te jedoch nur zu genau, da? das Herz seines Vaters noch immer der See gehorte, den Schiffen, die mit den Gezeiten kamen und gingen.

Bolitho hatte einen Bruder und zwei Schwestern. Beide Schwestern waren nun verheiratet, eine mit einem Grundbesitzer, die andere mit einem Offizier der Garnison. Uber Hugh, seinen alteren Bruder, hatten sie bis jetzt noch kein Wort gewechselt. Bolitho wartete, da? sein Vater sich au?ern wurde, denn wie er vermutete, war es Hugh, um den seine Gedanken vor allem kreisten.

«Ich habe dein Schiff einlaufen sehen, Richard. «Die Finger trommelten auf dem Tisch.»Eine feine Fregatte, und in Westindien wirst du fur die Familie zweifelsohne Ehre einlegen. «Er schuttelte sorgenvoll den Kopf.»England braucht jetzt alle seine Sohne. Wir haben die ganze Welt zum Feind.»

Das Haus war totenstill. Nach dem Schwanken des Decks und dem Knarren der Rahen wirkte es wie eine andere Welt. Selbst die Geruche waren anders. Es fehlten die Ausdunstungen zusammengepferchter Leiber, die Geruche von Teer und Salz, von Kochdunst und Nasse.

Und es wirkte einsam. Bolitho dachte an seine Mutter. Jung und lebhaft, so stand sie ihm vor Augen. Er war auf See gewesen, als eine kurze, aber todliche Krankheit sie hinraffte.

Sein Vater stand auf und trat an den Kamin. Uber die Schulter sagte er schroff:»Das mit deinem Bruder hast du wohl schon gehort?»

Bolitho straffte sich.»Nein. Ist er denn nicht auf See?»

«Auf See?«Sein Vater schuttelte den Kopf.»Nun ja, ich habe es dir nicht mitgeteilt. Vermutlich hatte ich es dir schreiben sollen, aber im tiefsten Herzen hoffte ich noch immer, da? er seine Haltung andern wurde. Niemand hatte dann davon erfahren.»

Bolitho wartete. Sein Bruder Hugh war stets der Augapfel seines Vaters gewesen. Als sie sich das letztemal begegneten, war er Leutnant der Kanalflotte gewesen und Anwarter auf dieses Haus und das Familienerbe. Bolitho hatte seinem Bruder nie besonders nahe gestanden und es auf ganz naturlichen Geschwisterneid zuruckgefuhrt. Jetzt war er sich dessen nicht so sicher.

«Ich hatte gro?e Hoffnungen auf Hugh gesetzt. «Sein Vater sprach in das Kaminfeuer.»Ich bin nur froh, da? seine Mutter nicht mehr erleben mu?, was aus ihm geworden ist.»

«Kann ich auf irgendeine Weise helfen?«Bolitho sah, wie die Schultern seines Vaters bebten, als er seine Stimme zu beherrschen suchte.

«Nein. Hugh ist nicht mehr bei der Marine. Er hat Spielschulden gemacht. Er hatte ja immer einen Hang zum Spieltisch, das wei?t du. Aber diesmal geriet er in ernste Schwierigkeiten. Es kam zu einem Duell mit einem anderen Offizier. Er totete ihn.»

Bolitho begann klarer zu sehen. Deshalb die geringe Dienerschaft. Deshalb war die Halfte des zum Haus gehorenden Landes an einen Bauern verkauft worden.

«Du hast seine Schulden beglichen?«Er sprach so gelassen wie moglich.»Ich habe etwas Prisengeld. Wenn damit. .»

Sein Vater hob die Hand.»Nicht notig. Es war meine Schuld. Ich war blind, habe den Jungen falsch erzogen. Dafur mu? ich eben zahlen. «Und matter setzte er hinzu:»Er hat der Marine den Rucken gekehrt, obwohl er wu?te, wie sehr sein Verhalten mich schmerzen mu?te. Nun ist er fort.»

Bolitho fuhr hoch.»Fort?»

«Ja, nach Amerika. Seit zwei Jahren habe ich nichts mehr von ihm gehort. Es liegt mir auch nichts daran. «Er wandte sich um. Der Ausdruck seiner Augen strafte die zuletzt geau?erten Worte Lugen.»Nicht zufrieden damit, seiner Familie Schande gemacht zu haben, mu?te er auch noch seine Heimat verraten.»

Bolitho dachte an das Chaos und die vielen Toten bei der Katastrophe von Philadelphia und sagte langsam:»Vielleicht hat ihn der Ausbruch der Rebellion an der Ruckkehr gehindert.»

«Du kennst deinen Bruder, Richard. Haltst du das fur wahrscheinlich? Er mu?te immer recht haben, stets die Trumpfkarten in der Hand halten. Nein, ich kann ihn mir nicht in einem Gefangenenlager vorstellen, nicht ihn.»

Das Madchen kam herein und knickste ungeschickt.»Verzeihung, Sir. Ein Offizier ist drau?en und mochte Sie sprechen.»

«Das wird Herrick sein, mein Dritter Leutnant«, sagte Bolitho schnell.»Ich bat ihn, ein Glas mit uns zu trinken. Ich werde ihn wegschicken, wenn es dir nicht recht ist.»

Doch sein Vater richtete sich gerade auf und zog seinen Rock zurecht.»Nein, mein Junge. La? ihn hereinkommen. Meine Scham darf nicht den Stolz auf den mir gebliebenen Sohn mindern.»

«Es tut mir sehr leid, Vater«, sagte Bolitho leise.»Das wenigstens sollst du wissen.»

«Danke. Ja, ich wei? es. Und dabei dachte ich immer: Der Kleine wird nie seinen Weg in der Marine machen. Du bist stets der Traumer gewesen, der, bei dem man nie etwas vorhersagen konnte. Ich furchte, ich habe dich Hughs wegen vernachlassigt. «Er seufzte.»Nun ist es zu spat. «Man horte Schritte auf dem Flur, und er setzte eilig hinzu:»Vielleicht sehen wir uns nie wieder, mein Junge. Aber ich mochte dir etwas geben. «Er schluckte.»Hugh sollte ihn bei seiner Beforderung zum Kapitan bekommen. «Er holte einen Degen aus dem Schrank. Er war alt und mit Patina uberzogen, doch Bolitho wu?te, da? er kostbarer war als jeder glanzende Stahl und alle Vergoldung.

Bolitho zogerte.»Deines Vaters Degen? Du hast ihn immer getragen.»

James Bolitho nickte. Er drehte den Degen behutsam in den Handen.»Ja, ich habe ihn immer getragen. Er war ein guter Freund. «Er reichte die Waffe seinem Sohn.»Nimm ihn. «Er lachelte plotzlich.»Und dann wollen wir gemeinsam deinen Dritten begru?en.»

Als Herrick unsicher das gro?e Zimmer betrat, sah er nur seinen lachelnden Gastgeber und seinen neuen Kapitan, der eine dem anderen wie aus dem Gesicht geschnitten. Doch Bolitho sah den Schmerz in den Augen seines Vaters und war bewegt.

Sonderbar. Wie stets war er nach Haus gekommen, um Trost und Rat zu finden. Und doch hatte er weder die Schwierigkeiten noch die Gefahren seines neuen Kommandos erwahnt, auch nicht die gro?e Verantwortung, die ihm wie ein Schwert uber dem Haupt hing.

Diesmal war er derjenige gewesen, der Trost und Rat spenden sollte, und er schamte sich, weil er keine Antwort geben konnte.

In der Morgendammerung des folgenden Tages lichtete die

den Anker und setzte Segel. Nicht Hochrufe begleiteten ihre Abfahrt, sondern die Tranen und Fluche der Frauen und alten Manner, die von der Mole aus dem Schiff nachblickten.

Die Luft ging scharf und frisch. Und als die Rahen kreischend herumschwangen und das Schiff krangend von Land ablief, stand Bolitho an der Heckreling. Sein Teleskop wanderte langsam uber die grunen Hugel und Hange und die an ihrem Fu? zusammengedrangte Stadt.

Er hatte jetzt eine vollzahlige Besatzung. Die Zeit wurde die neuen Leute zu Matrosen machen. Mit ein wenig Geduld und Verstandnis wurden vielleicht Manner aus ihnen werden, auf die ihr Land stolz sein konnte.

Das Leuchtfeuer von St. Anthony's blieb achtern zuruck, der alte Leuchtturm, der dem heimkehrenden Seemann den ersten heimatlichen Gru? entbot. Bolitho fragte sich, wann er ihn wiedersehen wurde, und ob uberhaupt. Er dachte auch an seinen

Vater, der allein in dem alten Haus mit seinen Erinnerungen und enttauschten Hoffnungen sa?.

Bolitho wandte sich um. Sein Blick fiel auf einen der Schiffsjungen, ein Kind von etwa zwolf Jahren. Der Junge schluchzte hemmungslos und winkte zum Land zuruck, das im Dunst verschwamm.»Wei?t du, da? ich nicht alter war als du, als ich zur See ging?«fragte Bolitho.

Der Junge rieb sich mit der schmutzigen Hand die Nase und starrte den Kapitan aus weit aufgerissenen Augen an.

«Du wirst England wiedersehen«, setzte Bolitho hinzu.»Sei unbesorgt. «Er wand sich hastig ab, um dem Jungen die eigene Ungewi?heit zu verbergen.

Am Rad sang Proby aus:»Kurs Sudsudwest. Voll und bei!»

Dann, wie um die Langeweile der Reise abzukurzen, ging er zur Leereling und spuckte ins Meer.

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