Немецкий с улыбкой. Учись смеяться не плача / Lerne lachen ohne zu weinen - Курт Тухольский 3 стр.


„Heil! Ihr verdammten Syrier! In jüdischer Geilheit habt ihr die Psychoanalyse erfunden, um euern dreckigen Trieben freie Bahn zu schaffen[62]! Nichts ist euch heilig, während wir uns sehr heilig sind. Ihr verseucht die Städte und das Land mit eurer niedrigen Auffassung vom Geschlechtlichen, dem ihr ohne Weihe frönt! Ihr denkt überhaupt nur an blonde Weiber! Wir denken an schwarzgelockte Männer. (Ihr stürzt euch auf die Weiber. Wir uns auf die Männer.) Ihr erkennt keine Zucht an und keine Sitte. Syrier. Asiaten. Eunuchen. Schmarotzer. November-Verbrecher. Demokraten. Bolschewisten. Man sollte euch schlagen, dass die rote Suppe spritzt. Im übrigen sind wir die deutsche Kultur! Heil!“

Na, es ist gut; hier haben Sie eine Zigarre. Nichts zeigt die erschreckende Geistlosigkeit dieser deutschen Bewegung, gehätschelt von den Richtern, geduldet von zahllosen Polizeiverwaltungen, bezahlt von den Unternehmern, die eine Garde gegen die Wut der Arbeitslosen brauchen und zwei Garden gegen ihre eignen Arbeiter, bejubelt von ratlosen, ausgepowerten Proletariern, besonders auf dem Lande… nichts zeigt die traurige Geistesverfassung dieser Leute so an, wie die völlige Verständnislosigkeit gegenüber der Zeit, in der sie leben. Sie sehen nicht. Sie hören nicht. Und der irdische Kirdorf ernährt sie doch.

Nicht zu spüren, wie diese Heilmethoden dem Gefühl für die tiefe Not entsprungen sind, in der die Zeitgenossen stecken; niemals die Sprechstunde eines Seelenarztes in der Großstadt besucht zu haben; immer die eigne, sprungbereite Plumpheit auf die andern zu projizieren und nicht zu begreifen, dass in der Sexualität vom Grinsen bis zum Lächeln alle Stadien möglich sind… man muss schon ein Hitler-Mann sein, um das vollbringen zu können. Paneth steht selbstverständlich weit über diesem Sumpf. Er ist für die Sittlichkeit, nicht für das Muckertum.

Er ist vor allem kein Hohepriester, und das macht das Buch und den Mann so sympathisch. Er wirft manchen seiner Berufskollegen rechtens vor, wie jeder von ihnen auf sein „System“ schwört, als ob man alle Kranken nach einer einzigen Methode behandeln könnte. Das betont auch Jung, grade bei ihm ist das doppelt beachtlich, weil er die psychoanalytischen Elemente noch in den fernen Kulturen Asiens erkennt, ohne sie nun kopierend zu übernehmen. Paneth sieht die Sache so an:

Der durchschnittliche städtische Mitte-leuropäer befindet sich fast immer im Vorstadium der Neurose. Was kann man für ihn tun?

Man kann ihn analysieren. Damit ist die Sache jedoch nicht abgetan, wie die extremen Freudianer glauben. Man muss nicht nur analysieren, nicht nur auflösen, man muss auch wieder zusammensetzen, also die von Jung geforderte Synthese suchen. Man muss den Menschen zu sich selber verhelfen – schon in der Soziologie Simmels findet sich die schöne Erkenntnis, dass es fast niemand zu sich selber gebracht hat. Und hier zu helfen: das ist keine Aufgabe des Marxismus und keine des Nationalismus – das ist eine Aufgabe der Seelenkunde.

Die Definitionen des Panethschen Buches sind für jeden, der unter sich und unter seiner Zeit leidet, eine kleine Erlösung. Paneth sagt allerdings, dass es dem Neurotiker in den meisten Fällen[63] nicht möglich sein wird, sich selber zu heilen, weil er sich dazu in Arzt und Patienten spalten müsste, was nicht ungefährlich ist, und weil er dann sehr viel Kraft auf diesen Heilungsversuch in sich verwendet, also grade das tut, was er zu tun kaum fähig ist. Es muss schon einer da sein, der den Knaben an die Hand nimmt und ihn über den Damm führt. Und man kann nur wünschen, dass in den öffentlichen Beratungsstellen der Krankenhäuser viele solcher Männer säßen, wie Paneth einer ist. Was zu bezweifeln sein dürfte: der Durchschnittsarzt steckt noch tief im mechanistischen Darwinismus.

Und auch für den, der das Buch nicht aus egoistischen Interessen liest, springt viel Lehrreiches über die Zeit heraus, die ja von Neurotikern repräsentiert wird. (Hier sei Hitler ausgenommen; er ist nicht einmal ein Besessener. O, wäre er wenigstens verdreht!) Zu Ende formuliert ist bei Paneth die Definition der Zeit-Störungen; statt: Spannung – Entspannung finden wir: Erschlaffung – Krampf; Explosionen, die „nur heftig sind, aber nicht stark“… lest das nach.

Und legt das Büchlein in die richtige Schublade. Es ist keine Bibel, sondern eine Fibel. Es ist der saubere Versuch, auf dem Gebiet der Seelenkunde, nicht losgelöst von allem andern, aber auch nicht fachlich überbetont, den Menschen zu helfen. Sie haben es nötig[64].

Übungen zur Erzählung

I. Übersätzen Sie ins Deutsch:

1. Маленьких детей нельзя оставлять без присмотра (предоставлять самим себе).

2. Давайте приведем все факты к общему знаменателю.

3. Юрген очень милый; друзья у него появляются сами собой.

4. Большинство ошибок кроется в том, что у человека узкий (ограниченный) горизонт мыслей.

5. Мы постоянно вынуждены выбирать меньшее из двух зол.

II. Adverb oder Adjektiv? Übersätzen Sie ins Russiche:

1. Neuerdings ist ihre Besserung beachtlich.

2. Er wahrt seine Arbeit wörtlich eifersüchtig!

3. Ihre Tochter ist außerordentlich fleißig und klug.

4. Du gehst zur Party lediglich, wenn dein Bruder mitgeht.

5. Das ist allerdings schwer, einen Berg hin-unterzusteigen.

III. Wählen Sie die richtige Form:

1. An-in-auf den meisten Fällen ist die Geisteskrankheit nicht zu heilen.

2. Die Neurosen ergeben sich darauf-daran-daraus, dass der Mensch sich stets unzufrieden fühlt.

3. Gibt es Nachricht über-auf-um seine Prüfung?

4. Heutiges Spiel ist nach-zu-von großer Wichtigkeit für ihn.

5. Auf-an-nach dieser Methode werden mehrere Viren bewältigt.

Schlüssel zur Übungen:

I.

1. Man darf die kleine Kinder nicht auf sich selbst stellen.

2. Lasst uns alle Fakten auf einen Generalnenner bringen.

3. Jurgen ist so nett; neue Freunde treten von ihm von selbst auf.

4. Die meisten Fehler stecken darin, dass der Mensch einen beschränkten Gesichtskreis hat.

5. Wir sind gezwungen, stets das kleinere von zwei Übeln wählen.

II.

1. Adjektiv. В последнее время ее выздоровление значительно (заметно).

2. Adverb. Он охраняет свою работу прямо-таки (буквально) ревниво!

3. Adverb. Ваша дочь чрезвычайно прилежная и умная.

4. Adverb. Ты пойдешь на вечеринку исключительно, если твой брат пойдет с тобой.

5. Adverb. Это действительно трудно, спускаться с горы.

III.

1. In

2. Daraus

3. Über

4. Von

5. Nach

Blick in ferne Zukunft

…Und wenn alles vorüber ist[65] —; wenn sich das Alles totgelaufen hat: der Hordenwahnsinn, die Wonne, in Massen aufzutreten, in Massen zu brüllen und in Gruppen Fahnen zu schwenken, wenn diese Zeitkrankheit vergangen ist, die die niedrigen Eigenschaften des Menschen zu guten umlügt[66]; wenn die Leute zwar nicht klüger, aber müde geworden sind; wenn alle Kämpfe um den Fascismus ausgekämpft und wenn die letzten freiheitlichen Emigranten dahingeschieden sind —:

dann wird es eines Tages wieder sehr modern werden, liberal zu sein.

Dann wird einer kommen, der wird eine gradezu donnernde Entdeckung machen: er wird den Einzelmenschen entdecken. Er wird dahinter kommen: Herrschaften, es gibt einen Organismus, Mensch geheißen, und auf den kommt es an. Ob der glücklich ist, das ist die Frage. Dass der frei ist, das ist das Ziel. Gruppen sind etwas Sekundäres – der Staat ist etwas Sekundäres. Es kommt nicht darauf an, dass der Staat lebe – es kommt darauf an, dass der Mensch lebe.

Dieser Mann, der so spricht, wird eine große Wirkung hervorrufen. Die Leute werden seiner These zujubeln und werden sagen: „Das ist ja ganz neu! Welch ein Mut! Das haben wir noch nie gehört! Eine neue Epoche der Menschheit bricht an! Welch ein Genie haben wir unter uns[67]! Auf, auf! Die neue Lehre —!“

Und seine Bücher werden gekauft werden oder vielmehr die seiner Nachschreiber, denn der erste ist ja immer der Dumme.

Und dann wird sich das auswirken, und hunderttausend schwarzer, brauner und roter Hemden werden in die Ecke fliegen und auf den Misthaufen. Und die Leute werden wieder Mut zu sich selber bekommen, ohne Mehrheitsbeschlüsse und ohne Angst vor dem Staat, vor dem sie gekuscht hatten wie geprügelte Hunde. Und das wird dann so gehen, bis eines Tages…

Ignaz Wrobel

Die Großen

Kein Kind versteht die Erwachsenen – so, wie ja auch die Erwachsenen gewöhnlich ihre Kinder nicht verstehn. Die Kinder sehen auf die Großen herab… Was die alles machen! was die so für Sorgen haben! weshalb sie sich laut gebärden und was sie nicht sehen und mit welchen geheimnisvollen Arbeiten sie sich befassen und wichtig tun! Kein Kind versteht die Erwachsenen; es fühlt sie nur manchmal.

Nun bin ich auch erwachsen und verstehe meine Miterwachsenen doch nicht sehr schön. Es ist wohl vor allem der tierische Ernst[68], von dem der Weise als von dem Kennzeichen niedriger Naturen spricht, der mich fernhält. Wie nehmen sie es alles ernst! Sich und ihren Beruf und ihr Haus und ihre Familie und ihr Vaterland und ihre Partei und ihr Geld, na, das vor allem – und da ist kaum ein Augenblick, in dem sie sich einmal selber auf den Kopf spucken können, über sich selber lachen, einmal aus sich herausgehen… nicht doch. Ich stehe daneben wie Chaplin: ich muss immerzu den Kopf schütteln. Und sehe an mir herunter: Ja, trage ich denn noch kurze Hosen? Nein, im allgemeinen nicht. Ich sollte doch nun auch als Original-Erwachsener mit den Großen groß tun… ich kann nicht. Das ist sehr gefährlich – man darf es gar nicht laut sagen; dann nehmen sie einen nicht mehr für voll. „Der Mann is nich zerjeehs“, sagen sie dann. Ich kenne Kaufleute, die sind jünger als ich; wenn die vom Geschäft sprechen, bin ich wieder sieben Jahre, klettere meinem Papa auf dem Schoß herum, und der sagt: „Jetzt störe mal nicht! Also, Herr Fahrenholz – wir haben bei der Kontrolle festgestellt…“ Dabei war Vater nicht ernster, als er unbedingt musste, er hatte Humor – aber wenn er über seine Geschäfte sprach, dann machte er das ganz ernst und vernünftig, und ich verstand kein Wort. Ich sah an ihm hoch…

Ich sehe heute an den Erwachsenen hoch. Das kommt vielleicht auch daher, dass sie alle einen richtigen Beruf haben, der sie ergriffen hat (sie bilden sich ein: den sie ergriffen haben). Wenns windig ist, halten sie sich an dem fest. Ja, ich kann das auch – aber dann muss ich mich verstellen. Im Laufe der Jahre lernt man so allmählich, was man in den verschiedenen Lagen tun muss: hier lügen und da mit Applomb die Wahrheit sagen und auf alle Fälle furchtbar ernst sein. Manchmal juckt es mich gradezu, während solch eines Gesprächs, Verzeihung: Verhandlung, pardon: Konferenz, den Partner ein bisschen in die Seite zu schubsen und zu sagen: „Max. Das ist doch alles Zimt. Hör mal zu, wir wollen das so machen…“ Aber das darf man nicht. Man muss sein Gesicht glatt halten, wie wenn ein unsichtbares Monokel drin säße, kalt und hart, römisch-japanisch, und dann muss man sagen: „Ich habe da noch einige Bedenken. Die Ziffer IV des Vertrages…“ So muss man. Aber man möchte das nicht.

Und daher bringts denn auch unsereiner zu nichts. Geld will ernst genommen werden; sonst kommt es nicht zu dir. Und ich werde immer jünger und werde wohl mit siebzig reifenspielend im Tiergarten angetroffen werden und selig die Kinderbücher meiner Jugend lesend. Und wenn mir heute auf dem Lande Kinder begegnen, die scheu den fremden, dicken Mann grüßen, dann möchte ich immer hingehn und sagen: Kinder, ich gehöre ja eigentlich zu euch – nicht zu euerm Lehrer! Aber das glauben sie mir nicht, für sie bin ich ein Erwachsener. Und für die Erwachsenen ein halbes Kind. Man hats gar nicht leicht im menschlichen Leben.

Es gibt keinen Neuschnee

Wenn du aufwärts gehst[69] und dich hochaufatmend umsiehst, was du doch für ein Kerl bist, der solche Höhen erklimmen kann, du, ganz allein —: dann entdeckst du immer Spuren im Schnee. Es ist schon einer vor dir da gewesen.

Glaube an Gott. Verzweifle an ihm. Verwirf alle Philosophie. Lass dir vom Arzt einen Magenkrebs[70] ansagen und wisse: es sind nur noch vier Jahre, und dann ist es aus. Glaub an eine Frau. Verzweifle an ihr. Führe ein Leben mit zwei Frauen. Stürze dich in die Welt. Zieh dich von ihr zurück…

Und alle diese Lebensgefühle hat schon einer vor dir gehabt; so hat schon einer geglaubt, gezweifelt, gelacht, geweint und nachdenklich in der Nase gebohrt, genau so. Es ist immer schon einer da gewesen.

Das ändert nichts, ich weiß. Du erlebst es ja zum ersten Mal. Für dich ist es Neuschnee, der da liegt. Es ist aber keiner, und diese Entdeckung ist zuerst sehr schmerzlich. In Polen lebte einmal ein armer Jude, der hatte kein Geld, zu studieren, aber die Mathematik brannte ihm im Gehirn. Er las, was er bekommen konnte, die paar spärlichen Bücher, und er studierte und dachte, dachte für sich weiter. Und erfand eines Tages etwas, er entdeckte es, ein ganz neues System, und er fühlte: ich habe etwas gefunden. Und als er seine kleine Stadt verließ und in die Welt hinauskam, da sah er neue Bücher, und das, was er für sich entdeckt hatte, gab es bereits: es war die Differentialrechnung. Und da starb er. Die Leute sagen: an der Schwindsucht. Aber er ist nicht an der Schwindsucht gestorben.

Am merkwürdigsten ist das in der Einsamkeit. Dass die Leute im Getümmel ihre Standard-Erlebnisse haben, das willst du ja gern glauben. Aber wenn man so allein ist wie du, wenn man so meditiert, so den Tod einkalkuliert, sich so zurückzieht und so versucht, nach vorn zu seh-en —: dann, sollte man meinen, wäre man auf Höhen, die noch keines Menschen Fuß je betreten hat[71]. Und immer sind da Spuren, und immer ist einer dagewesen, und immer ist einer noch höher geklettert als du es je gekonnt hast, noch viel höher.

Das darf dich nicht entmutigen. Klettere, steige, steige. Aber es gibt keine Spitze. Und es gibt keinen Neuschnee.

Kaspar Hauser

Zur soziologischen Psychologie der Löcher

Das darf dich nicht entmutigen. Klettere, steige, steige. Aber es gibt keine Spitze. Und es gibt keinen Neuschnee.

Kaspar Hauser

Zur soziologischen Psychologie der Löcher

Ein Loch ist da, wo etwas nicht ist.

Das Loch ist ein ewiger Kompagnon des Nicht-Lochs: Loch allein kommt nicht vor, so leid es mir tut[73]. Wäre überall etwas, dann gäbe es kein Loch, aber auch keine Philosophie und erst recht keine Religion, als welche aus dem Loch kommt. Die Maus könnte nicht leben ohne es, der Mensch auch nicht: es ist beider letzte Rettung, wenn sie von der Materie bedrängt werden. Loch ist immer gut.

Wenn der Mensch „Loch“ hört, bekommt er Associationen: manche denken an Zündloch, manche an Knopfloch und manche an Goebbels.

Das Loch ist der Grundpfeiler dieser Gesellschaftsordnung, und so ist sie auch. Die Arbeiter wohnen in einem finstern, stecken immer eins zurück, und wenn sie aufmucken, zeigt man ihnen, wo der Zimmermann es gelassen hat[74], sie werden hineingesteckt, und zum Schluss überblicken sie die Reihe dieser Löcher und pfeifen auf dem letzten. In der Ackerstraße ist Geburt Fluch; warum sind diese Kinder auch grade aus diesem gekommen? Ein paar Löcher weiter, und das Assessorexamen wäre ihnen sicher gewesen.

Das Merkwürdigste an einem Loch ist der Rand. Er gehört noch zum Etwas, sieht aber beständig in das Nichts, eine Grenzwache der Materie. Das Nichts hat keine Grenzwache: während den Molekülen am Rande eines Lochs schwindlig wird, weil sie in das Loch sehen, wird den Molekülen des Loches… festlig? Dafür gibt es kein Wort. Denn unsre Sprache ist von den Etwas-Leuten gemacht; die Loch-Leute sprechen ihre eigne.

Das Loch ist statisch; Löcher auf Reisen gibt es nicht. Fast nicht.

Löcher, die sich vermählen, werden ein Eines, einer der sonderbarsten Vorgänge unter denen, die sich nicht denken lassen. Trenne die Scheidewand zwischen zwei Löchern: gehört dann der rechte Rand zum linken Loch? oder der linke zum rechten? oder jeder zu sich? oder beide zu beiden? Meine Sorgen möcht ich haben.

Wenn ein Loch zugestopft wird: wo bleibt es dann? Drückt es sich seitwärts in die Materie? oder läuft es zu einem andern Loch, um ihm sein Leid zu klagen[75] – wo bleibt das zugestopfte Loch? Niemand weiß das: unser Wissen hat hier eines.

Wo ein Ding ist, kann kein andres sein. Wo schon ein Loch ist: kann da noch ein andres sein?

Und warum gibt es keine halben Löcher —?

Manche Gegenstände werden durch ein einziges Löchlein entwertet; weil an einer Stelle von ihnen etwas nicht ist, gilt nun das ganze übrige nichts mehr. Beispiele: ein Fahrschein[76], eine Jungfrau und ein Luftballon.

Das Ding an sich muss noch gesucht werden; das Loch ist schon an sich[77]. Wer mit einem Bein im Loch stäke[78] und mit dem andern bei uns: der allein wäre wahrhaft weise. Doch soll dies noch keinem gelungen sein. Größenwahnsinnige behaupten, das Loch sei etwas Negatives. Das ist nicht richtig: der Mensch ist ein Nicht-Loch, und das Loch ist das Primäre. Lochen Sie nicht; das Loch ist die einzige Vorahnung des Paradieses, die es hienieden gibt. Wenn Sie tot sind, werden Sie erst merken, was leben ist. Verzeihen Sie diesen Abschnitt; ich hatte nur zwischen dem vorigen Stück und dem nächsten ein Loch ausfüllen wollen.

Übungen zur Erzählung

I. Übersätzen Sie ins Deutsch:

1. Каждое новое открытие в физике меняет самые основы (опорные представления) современной науки.

2. Оглянись, какая красота вокруг!

3. Он смотрит все фильмы, какие только может достать.

4. Не давай себе падать духом, и у тебя все получится.

5. Еще никому не удавалось ее переубедить.

II. Falsch oder richtig?

1. Der Erzähler zählt zu einem halben Kind.

2. Manche Gegenstände werden durch ein einziges Löchlein verteuert.

3. Der Loch kommt allein vor.

4. Es gibt ein Augenblick, in dem alle Großen sich einmal selber auf den Kopf spucken.

5. Der Erzähler wird gern die Kinderbücher seiner Jugend lesen.

III. Antworten Sie:

1. Warum heißt die Erzählung ”Es gibt keinen Neuschnee”? Was meint der Schriftsteller?

2. Was ist die letzte Rettung von Materie?

3. Was gefällt dem Erzähler nicht an Erwachsenen?

4. Was findet der Schriftsteller wichtiger – den Staat oder den Einzelmenschen?

5. Was gehört zu Dinge an sich?

Schlüssel zur Übungen:

I.

1. Jede neue Entdeckung in der Physik erschüttert die Grundpfeiler der modernen Wissenschaft.

2. Sehe dich um, was für Schönheit ringsumher!

3. Er sieht alle Filme an, was er bekommen kann.

4. Lass dich nicht entmutigen und du schaffst das.

5. Es ist noch keinem gelungen, sie umzustimmen.

II.

1. Richtig

2. Falsch (sie werden entwertet)

3. Falsch (Der kommt allein nicht vor)

4. Falsch (Es gibt kaum so ein Augenblick)

5. Richtig

III.

1. Der Schriftsteller meint, dass es nichts Neues gibt, Alles ist schon mal gewesen.

2. Die Löcher sind es.

3. Ihm gefällt nicht, dass sie es alles so maßlos ernst nehmen.

4. Er behauptet, dass der Staat und andere Gruppen etwas Sekundäres sind.

5. Die Löcher sind an sich.

Der Herr Soundso

Die Sprache hat gesiegt – es ist nichts mehr zu machen[79]. Nun steht der Unfug auch im Duden… Die schauerliche neue Ausgabe dieses höchst nötigen Nachschlagewerkes, ein Augenpulver[80], vierspaltig[81], beinah so unübersichtlich wie das berliner Telephonbuch: der „GROSZE“ Duden hats auch. Da steht auf Seite 517:

„sowieso (unter allen Umständen, jedenfalls); der Herr Sowieso“. Es ist zum Weinen[82]. Denn auf Seite 516 steht richtig:

„soundso (unbestimmt wie); Paragraph soundso; der Herr Soundso“. Beides kann nicht richtig sein; eines kann nur richtig sein; was ist richtig?

Bei Courteline kommt einmal eine Dame in einen Buchladen und fragt den Sortimenter nach einem Buch, dessen Titel sie vergessen habe. „Von wem solls denn sein?“ Von Daudet. „Von Alphonse Daudet?“ Ja. Der Buchhändler zählt auf. Nein, das nicht: nicht die Briefe aus meiner Mühle und nicht dies und nicht das… es sei, aber der Herr Buchhändler müsse nichts schlechtes denken, man sei Gottseidank eine verheiratete Frau… es handele sich… kurz: dass Buch sei etwas… ein wenig… wie? „Von Daudet?“ – Ja. Der Buchhändler denkt nach. Er führt keine Erotika, kein Buchhändler führt Erotika… und Daudet? Der verzweifelte Buchhändler sagt alle unanständigen Buchtitel auf, die er kennt – aber von Daudet ist keines darunter. Und es ergibt sich, dass die immer mehr errötende Dame den Titel eines Daudetschen Buches daneben verstanden hat. Das Buch heißt: „Le Petit Chose“ [83]. Der kleine Dingsda.

Denn – so lehrt die Moral dieser Geschichte – wenn man den Namen eines Mannes nicht weiß, so nennt man ihn Herr X oder Herr Dingsda oder Herr Soundso, weil ja „soundso“ etwas Unbestimmtes bedeutet. Gussy Holl hat für Leute ihr unbekannten Namens die Bezeichnung „Herr Pimm“ eingeführt, aber das steht wieder nicht im Duden.

Immerhin scheint mir Pimm noch zulässiger als „Herr Sowieso“, was eine klar erkennbare Verwechslung mit dem „Soundso“ ist… aber es ist nichts mehr zu machen. Alle Leute sagen es. Weil wir aber nicht Eduard Engel[84] heißen und also der Sprache nicht nachbelfern, wenn sie einmal anders will als wir —: so wollen wir uns damit begnügen, es nicht zu schreiben, und wir wollen nicht weinen, sondern die Sowieso-Sager mit jener höchst schauderhaften Klischee-Redensart entlassen: „Das sowieso.“

Mir fehlt ein Wort

Ich werde ins Grab sinken, ohne zu wissen, was die Birkenblätter tun. Ich weiß es, aber ich kann es nicht sagen. Der Wind weht durch die jungen Birken; ihre Blätter zittern so schnell, hin und her, dass sie… was? Flirren? Nein, auf ihnen flirrt das Licht; man kann vielleicht allenfalls sagen: die Blätter flimmern… aber es ist nicht das. Es ist eine nervöse Bewegung, aber was ist es? Wie sagt man das? Was man nicht sagen kann, bleibt unerlöst – „besprechen“ hat eine tiefe Bedeutung. Steht bei Goethe „Blattgeriesel“? Ich mag nicht aufstehen, es ist so weit bis zu diesen Bänden, vier Meter und hundert Jahre. Was tun die Birkenblätter —?

(Chor): „Ihre Sorgen möchten wir… Hat man je so etwas… Die Arbeiterbewegung… macht sich da niedlich mit der deutschen Sprache, die er nicht halb so gut schreibt wie unser Hans Grimm…“ Antenne geerdet, aus.

Ich weiß: darauf kommt es nicht an; die Gesinnung ist die Hauptsache; nur dem sozialen Roman gehört die Zukunft; und das Zeitdokument – o, ich habe meine Vokabeln gut gelernt. Aber ich will euch mal was sagen:

Wenn Upton Sinclair[85] nun auch noch ein guter Schriftsteller wäre, dann wäre unsrer Sache sehr gedient. Wenn die pazifistischen Theaterstücke nun auch noch prägnant geschrieben wären, dass sich die Sätze einhämmern, dann hätte unsere Sache den Vorteil davon. Sprache ist eine Waffe. Haltet sie scharf. Wer schludert, der sei verlacht, für und für. Wer aus Zeitungswörtern[86] und Versammlungssätzen seines dahinlabert, der sei ausgewischt, immerdar. Lest dazu das Kapitel über die deutsche Sprache in Alfons Goldschmidts „Deutschland heute“. Wie so vieles, ist da auch dieses zu Ende gesagt.

Was tun die Birkenblätter —? Nur die Blätter der Birke tun dies; bei den andren Bäumen bewegen sie sich im Winde, zittern, rascheln, die Äste schwanken, mir fehlt kein Synonym, ich habe sie alle. Aber bei den Birken, da ist es etwas andres, das sind weibliche Bäume – merkwürdig, wie wir dann, wenn wir nicht mehr weiterkönnen, immer versuchen, der Sache mit einem Vergleich beizukommen; es hat ja eine ganze österreichische Dichterschule gegeben, die nur damit arbeitete, dass sie Eindrücke des Ohres in die Gesichtsphäre[87] versetzte und Geruchsimpressionen ins Musikalische – es ist ein amüsantes Gesellschaftsspiel gewesen, und manche haben es Lyrik genannt. Was tun die Birkenblätter? Während ich dies schreibe, stehe ich alle vier Zeilen auf und sehe nach, was sie tun. Sie tun es. Ich werde dahingehen und es nicht gesagt haben.

Übungen zur Erzählung

I. Übersätzen Sie ins Deutsch:

1. Я очень устал. Я больше не могу.

2. Кто будет халтурить, не получит хороших оценок.

3. Мы обязательно придумаем, как справиться с этой проблемой.

4. Я должен проверить отчет, прежде, чем сдам его.

5. Наш телевизор, похоже, сломался: картинка мигает.

II. Welches Wort fehlt?

1. Unsere Kinder sind jetzt erwachsen. Da ist nicht zu ______________.

2. Von _______ soll der Film, den Sie suchen, sein?

3. Es kommt ____________ an! Es handelt sich ________ unsere Gesundheit!

4. Er kann alle Titel der Bücher von seinem Lieblingsschriftsteller ________________.

5.Philosophie Nietzsches hat eine ___________ Bedeutung für seinen Leben.

III. Themen zum Besprechen:

1. Was glauben Sie, wer ist der berühmteste Mensch der Welt?

2. Ist es genau so, dass alles, was man empfinden oder entdecken kann, ist schon mals gewesen?

3. Können Sie sagen, dass ihre Generation kriegablehnend ist?

4. Gilt noch heute die Auffassung über kleinbürgerliche und grossbürgerliche Neurosen?

5. Ist Nostalgie eine Schwäche oder eine Stärke?

Schlüssel zur Übungen:

I.

1. Ich bin sehr müde. Ich kann nicht weiter.

2. Wer schuldert, wird keine gute Note erhalten.

3. Wir denken unbedingt aus, wie diesem Problem beizukommen.

4. Ich muss den Bericht nachsehen, bevor ich den abgebe.

5. Unser Fernseher scheint kaputt gegangen: das Bild flimmert.

II.

1. machen

2. wem

3. drauf; um

4. aufzählen

5. tiefe

Wörterverzeichnis

A

abbilden изображать, представлять; отражать, воспроизводить

Abendmahl, das причастие

Abendmahlzeit, die <-en> ужин

Aberglaube, der <-ns> суеверие

abgeben отдавать; вручать; сдавать; передавать; вверять; сообщать, выражать

Abgeordneter, der депутат

ablehnen отклонять, не принимать; отказываться; отвергать

abräumen убирать

Absägung, die <-, -en> увольнение, снятие с должности

abscheulich отвратительный, мерзкий; ужасно, невообразимо (о степени проявления чего-л.)

Absetzung, die <-, -en> смещение, отстранение от должности

abtun отмахиваться; разделаться (с чем-л.)

Abwehr, die <-> оборона; сопротивление; защита

allzuviel слишком много

amüsant занятный, занимательный

anbrechen открывать; наступать

Andeutung, die <-, -en> намек; предложение

aneinandergeraten подраться; сойтись в рукопашную

anerkennen признавать; ценить

anheimelnd знакомый; родной; близкий; уютный

ängstlich боязливый, трусливый; пугливый; испуганный

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