Im Reiche des silbernen Löwen I - Karl May 6 стр.


»Wie könnt Ihr nur so fragen! Die beiden Snuffles sind stets und gern dabei, wenn es gilt, einen Menschen, welcher in der Patsche steckt, herauszuholen. Meinst du nicht auch, alter Tim?«

»Yes,« nickte dieser. »Müssen uns beeilen!«

»Allerdings. Fünf Weiße, von denen drei keine Westmänner sind, gegen siebzig Rote, welche sich auf dem Kriegspfade befinden, das ist keineswegs das höchste der Gefühle. Aber, Mr. Shatterhand, sagt mir einmal, ob Ihr das für wahr haltet, was dieser Perkins und sogenannte Scout jetzt vorgebracht hat!«

»Ich denke, daß wir es glauben können, denn hätte er abermals gelogen, so wäre es um ihn geschehen. Wir haben es nach seiner Angabe mit einem Fremden, seinen zwei Dienern und zwei Westmännern zu thun. Wenn man nur wüßte, was diese beiden letzteren für Kerle sind.«

»Es sind tüchtige Leute, Sir, sehr tüchtige Leute,« versicherte Perkins.

»Wenn sie gerade so tüchtig sind, wie Ihr seid, so mag Gott ihnen und den drei Fremden gnädig sein! Also vorwärts! Wir haben hier schon zu viel Zeit versäumt.«

Wir stiegen auf und folgten der nach Westen, also flußaufwärts führenden Fährte. Man sagt, es pflege bei jedem Unglück auch ein Glück zu sein, und dieses Wort konnten wir hier auch in Anwendung bringen. Daß der Fremde, wie ich die Ueberzeugung hegte, von den Roten eingeholt und überfallen werden würde, das war ein Unglück für ihn; ein Glück war es dagegen zu nennen, daß die Indianer den feigen Scout nicht gesehen hatten, denn sie glaubten infolgedessen hinter sich alles in Sicherheit und ahnten nicht, daß Leute ihnen folgten, welche sich der Bedrohten annehmen wollten.

Ich glaubte, daß Perkins zuletzt die Wahrheit gesagt hatte; Beweise hatte ich freilich nicht dafür, denn die Spuren der Weißen waren am Lagerplatze so von den Indsmen zertreten worden, daß sie gar nicht mehr unterschieden werden konnten; ich hoffte aber, unterwegs auf deutlichere Zeichen zu treffen. Diese Erwartung ging schon nach einiger Zeit in Erfüllung, als wir eine Stelle erreichten, an welcher die Roten halten geblieben waren. Wir zügelten unsere Pferde auch, und Jim Snuffle sagte:

»Hier scheint ihnen etwas ein- oder aufgefallen zu sein, denn sie haben sich beraten. Wenn man nur wüßte, worüber!«

»Ich weiß es,« erklärte ich.

»Nun?«

»Ueber die Zahl der Weißen, denen sie folgten.«

»Meint Ihr? Warum?«

»Sie sind bisher in der Spur der Weißen geritten; hier aber haben sie dieselbe verlassen, und zwei von ihnen sind abgestiegen, um sie zu untersuchen. Es scheint, daß sie unterwegs verschiedener Meinung geworden sind und hier haben sehen wollen, wer die richtige hat. Da sie sich an dieser Stelle in acht genommen haben, die Fährte der Bleichgesichter zu verderben, so ist dieselbe auch für uns noch deutlich zu erkennen, und ich will schauen, was wir von Perkins Aussagen zu halten haben.«

»Ja, schaut nach, Sir!« forderte mich der gefangene Scout auf. »Ihr werdet finden, daß alles genau so ist, wie ich gesagt habe.«

Ich sprang ab und betrachtete die Eindrücke auf das sorgfältigste. Es war schwer, sehr schwer, zur Gewißheit zu kommen, denn die Stelle, an welcher die Roten die Fährte geschont hatten, war gar nicht lang, und es kam mir sehr darauf an, die verkehrte Spur eines Pferdehufes zu entdecken; aber nach längerem Messen und Vergleichen gelangte ich doch zu dem gewünschten Resultate. Um noch sicherer zu sein, trat ich zu dem Pferde, welches der Scout jetzt ritt, und untersuchte einen Hufstapfen desselben. Jim Snuffle schüttelte darüber verwundert den Kopf und fragte:

»Warum denn das, Sir! Wir haben es doch nicht mit diesem Pferde zu thun?«

»Sogar sehr,« antwortete ich. »Ich will doch wissen, ob Perkins die Wahrheit gesagt hat.«

»Könnt Ihr das denn am Hufe seines Pferdes ablesen?«

»Ja.«

»Alle Wetter! Das brächte der Sohn meines Vaters nicht fertig. Wie fangt Ihr es nur an?«

»Sehr einfach. Es sind wirklich sechs Weiße hier geritten, und einer von ihnen ist zurückgekehrt.«

»Sagt Euch das die Fährte?«

»Ja.«

»Das ist gefährlich, Sir!«

»Warum?«

»Weil die Indsmen die Eindrücke hier auch untersucht haben; sie mußten da ebenso wie Ihr sehen, daß jemand zurückgeritten ist; also wissen sie, daß er sich hinter ihnen befindet und werden ihm einen Hinterhalt legen, in den wir leicht fallen können.«

»Habt keine Sorge! Sie haben nichts bemerkt. Es ist nur der Eindruck eines einzigen Hufes da, und der ist so leicht und undeutlich, daß nur ich ihn entdecken konnte, weil ich wußte, daß Perkins behauptet, umgekehrt zu sein. Er hat die Wahrheit gesagt. Ich sah einen umgekehrten Stapfen, welcher vom linken Hinterfuße seines Pferdes stammt.«

»Well! Aber wenn die Indsmen gerade diesen einzigen Stapfen auch bemerkt hätten?«

»Dann würden sie nicht weit von hier eine Falle gestellt haben, die mir sicher nicht entgehen würde. Ich werde scharf achtgeben. Reiten wir weiter!«

Wir setzten den unterbrochenen Ritt fort, und als ich selbst nach einer halben Stunde nichts davon entdeckt hatte, daß ein Hinterhalt gelegt worden sei, waren die Snuffles überzeugt, daß ich recht gehabt hatte.

Nach einiger Zeit kamen wir an die Stelle, wo Perkins umgekehrt war; seine Gefährten hatten nicht auf ihn warten, sondern langsam weiterreiten wollen; die Entscheidung lag also nicht hier, sondern weiter vorn. Darauf sahen wir, daß zwei Indianer die Spur verlassen hatten, der eine nach der rechten und der andere nach der linken Seite.

»Ob die etwa als Späher fortgeritten sind?« fragte Jim Snuffle.

»Jedenfalls. Der Anführer hat aus der Spur ersehen, daß er den Weißen nahe war, und diese Kundschafter vorangeschickt, um Gewißheit zu erhalten. Es wird sich bald zeigen, wo sie wieder zu dem Trupp gestoßen sind.«

Ungefähr eine Viertelstunde später kehrte erst die Spur des einen und dann auch diejenige des andern zu der Hauptfährte zurück, und wir konnten nun erwarten, in nicht langer Zeit den Ort des Ueberfalles zu erreichen. Da die Roten sich sehr leicht noch dort befinden konnten, war die äußerste Vorsicht nötig, wenn wir nicht riskieren wollten, ganz unerwartet auf sie zu stoßen. Darum ritt ich eine Strecke voran, jeden Augenblick bereit, von ihnen bemerkt oder gar angegriffen zu werden.

Glücklicherweise ging diese Befürchtung nicht in Erfüllung, obgleich das Terrain für mich gefährlich war. Es gab nämlich zerstreutes Strauchwerk, und ich konnte hinter jedem Busche einen oder auch mehrere Feinde erwarten. Da hatte das Gesträuch plötzlich ein Ende, und ich sah auf dem vor mir liegenden Plane, höchstens drei Minuten von mir entfernt, die Indsmen lagern. Hätte mein Pferd nur vier oder fünf Schritte weiter gethan, so wäre ich sehr wahrscheinlich von ihnen bemerkt worden.

Ihre Tiere, welche freigegeben worden waren, tummelten sich nach Belieben herum; sie selbst bildeten einen Kreis, in dessen Innern eine wichtige Verhandlung geführt zu werden schien. Er war aber so dicht, daß der Blick nicht zwischen den einzelnen Personen hindurchdringen konnte. Ich ritt eine kleine Strecke zurück, stieg ab, band mein Pferd an und forderte die Snuffles, welche jetzt anlangten, auf, dasselbe zu thun.

»Absteigen?« fragte Jim. »Warum? Dürfen wir nicht weiter?«

»Nein. Die Indianer halten da draußen.«

»Alle Wetter! Haben wir sie endlich eingeholt! Haben sie die Weißen fest?«

»Ja.«

»Doch nicht ermordet?«

»Das glaube ich nicht.«

»Gut, laßt einmal sehen!«

Wir hoben den treulosen Scout vom Pferde, banden ihn an einem Busche fest und gingen dann so weit nach vorn, wie es möglich war, ohne gesehen zu werden.

»Wahrhaftig, es sind Comantschen,« sagte Jim. »Meinst du nicht auch, alter Tim?«

»Nein. Die Indianer halten da draußen.«

»Alle Wetter! Haben wir sie endlich eingeholt! Haben sie die Weißen fest?«

»Ja.«

»Doch nicht ermordet?«

»Das glaube ich nicht.«

»Gut, laßt einmal sehen!«

Wir hoben den treulosen Scout vom Pferde, banden ihn an einem Busche fest und gingen dann so weit nach vorn, wie es möglich war, ohne gesehen zu werden.

»Wahrhaftig, es sind Comantschen,« sagte Jim. »Meinst du nicht auch, alter Tim?«

»Yes,« antwortete dieser in seiner einsilbigen Weise.

»Sie stehen eng beisammen. Die Weißen sieht man nicht. Wie könnt Ihr da wissen, daß sie sich dort befinden, Mr. Shatterhand?«

»Ich vermute es.«

»Vermuten? Das ist keine Gewißheit!«

»Hier doch beinahe. Seht Ihr nicht dort rechts zwei Pack Pferde stehen?«

»Allerdings. Alle Wetter! Die gehören ja dem Fremden. Sie haben ihn also!«

»Natürlich! Welchen Grund hätten die Indianer, hier in der Verfolgung eine Pause zu machen, um sich über irgend etwas zu beraten? Es ist gewiß, daß sie die Weißen fest haben.«

»Was werden sie mit ihnen thun?«

»Das werden wir bald erfahren. Es kommt dabei viel darauf an, ob bei dem Ueberfalle Blut geflossen ist. Wurde ein Roter verwundet oder gar getötet, so wird man den Weißen keine lange Frist geben.«

»Sondern sie gleich hier abschlachten. Ja, das ist auch meine Meinung.«

»Die meinige aber nicht.«

»Meint Ihr, daß sie sie weiter fortschleppen werden?«

»Ja, wenn auch nicht allzuweit. Die Verurteilung und Hinrichtung von Gefangenen geschieht bei den Indianern, wenn es möglich ist, stets mit der gebräuchlichen Feierlichkeit, zu welcher ein geeigneter Lagerplatz erforderlich ist; aber die Stelle, an welcher sie sich jetzt befinden, paßt nicht dazu. Erstens giebt es da kein Wasser für einen vielstündigen oder gar noch längern Aufenthalt, und zweitens ist sie nicht sicher genug. Sie liegt zu frei; wer sich dort befindet, kann leicht gesehen werden. Darum denke ich, daß die Comantschen bald aufbrechen werden, um sich einen bessern Platz zu suchen.«

»Wenn man wüßte, wo er liegt, könnte man ihn vorher aufsuchen, um sie zu beschleichen.«

»Jedenfalls wenden sie sich dem Flusse zu; aber ihnen vorankommen, das würde ein höchst gefährliches Beginnen sein.«

»Warum?«

»Weil man, um sicher zu sein, nicht nur die Gegend überhaupt, sondern die spezielle Stelle kennen müßte, wo sie lagern wollen. Kennt man diese nicht, so riskiert man, entdeckt zu werden. Es ist gar nicht zu vermeiden, daß man Spuren hinterläßt, welche am Tage bemerkt werden müssen. Wartet man zufälligerweise gar an dem Punkte auf sie, wo sie bleiben wollen, so ist man unbedingt verraten.«

»Well, so gehen wir ihnen nicht voran, sondern folgen hinter ihnen her! Die Hauptfrage ist, ob es uns gelingen wird, ihre Gefangenen zu befreien.«

»Darüber läßt sich jetzt noch gar nichts sagen.«

»Wenigstens nichts weiter, als daß die Ausführung unsers Vorhabens eine ganz verteufelte, gefährliche Sache ist. Wir sind nur drei gegen siebenzig Personen; das will etwas beißen.«

»Mit Ziffern darf man in solchen Fällen nicht rechnen; dies wäre nur dann nötig, wenn wir einen offenen Angriff beabsichtigten; da wir aber nur durch List zum Ziele kommen können, haben wir es mit geistigen Faktoren zu thun.«

»Geistige Faktoren, sehr gut, wirklich sehr gut, Sir! Meint Ihr, daß Jim Snuffle und Tim Snuffle solche geistige Faktoren sind?«

»Ich hoffe es, da es uns nur in diesem Falle gelingen kann, die Roten zu überlisten.«

»Ueberlisten? Hm, was das betrifft, so denke ich, daß wir uns nicht allzu dumm anstellen werden. Meinst du nicht, alter Tim?«

»Yes!«

»Meschschurs, darf ich eine Bitte aussprechen?« ließ sich da der Gefangene hören.

»Welche?« fragte ich.

»Ich bin mit daran schuld, daß meine Gefährten in diese Lage geraten sind; also ist es meine Pflicht, mich auch daran zu beteiligen, daß sie befreit werden. Bindet mich los; gebt mir die Freiheit, und Ihr sollt sehen, daß ich alles thue, was Ihr von mir verlangen könnt!«

»Ja, wenn wir Euch trauen könnten,« antwortete Jim.

»Ihr könnt es. Ich gebe Euch die Versicherung «

»Schweigt!« fiel ich ihm in die Rede. »Wer seine Kameraden in der Gefahr so feig und treulos verläßt, dem ist nie zu trauen.«

»Es war ja nur der Schreck, Sir!«

»Selbst wenn wir dies zugeben wollten, stände zu erwarten, daß Ihr wieder erschreckt.«

»Auf keinen Fall. Ich weiß ja nun, wen wir vor uns haben, und kann nicht mehr überrascht werden.«

»Und Eure Feigheit? Wir haben vor, unser Leben zu wagen; dazu aber seid Ihr nicht der passende Mann.«

»Ich wage es!«

»Fällt Euch nicht ein! Und die List, die Geistesgegenwart, auf die es hier vor allen Dingen ankommt! Ihr habt bewiesen, daß von beiden bei Euch keine Spur vorhanden ist.«

Er wollte seine Bitten und Versicherungen fortsetzen; ich verbot es ihm und wendete meine Aufmerksamkeit wieder den Indianern zu, deren Beratung jetzt zu Ende war. Sie kamen in Bewegung; der Kreis löste sich auf, und nun sahen wir, daß innerhalb desselben mehrere Menschen gelegen hatten, welche nicht aufstehen konnten, also wohl gefesselt oder gar tot waren. Sie wurden aufgehoben und auf Pferde gebunden; dann ordneten sich die Roten zu einem Zuge, welcher sich in nördlicher Richtung in Bewegung setzte, also so, wie ich vermutete hatte, denn dort lag der Fluß. An der Spitze ritt ein alter Häuptling. Er war zwar zu weit von uns entfernt, als daß ich sein Gesicht erkennen konnte, aber ein Häuptling war er, weil er die Federn trug, und alt mußte er sein, weil sein hinten lang abfallendes Haar von grauer Farbe war.

In der angegebenen Richtung gab es wieder Wald, unter dessen Bäumen sie verschwanden. Der Vorsicht halber warteten wir noch einige Zeit; dann begaben wir uns nach dem Orte, an welchem sie die Beratung gehalten hatten.

Es war dort von einem eigentlichen Spurenlesen keine Rede, denn der Boden war so zertreten und zerstampft, daß man Einzelheiten gar nicht unterscheiden konnte. Hier mußten die Weißen überfallen worden sein. Sie hatten sich gewehrt, denn wir entdeckten Blutspuren. Das war schlimm, sehr schlimm für sie und auch uns höchst unlieb, weil es uns zum schnellen Handeln zwang und wir also nicht erwarten konnten, bis sich uns eine günstigere Gelegenheit als hier und heute bieten würde.

Es galt vor allen Dingen, den Indianern zu folgen. Wir thaten dies, aber nicht direkt, sondern wir machten einen Bogen nach dem Walde und suchten erst dann, als wir ihn erreicht hatten, die Stelle auf, an welcher sie in ihn eingedrungen waren. Von hier aus durften wir uns ohne allzu große Gefahr auf ihrer Fährte halten; der Sicherheit wegen aber stieg ich aus dem Sattel und ging, den andern vielleicht fünfzig Schritte voran, mitten auf der sehr gut ausgetretenen Spur weiter. Meine Schritte verursachten kein Geräusch, während meinem Auge und Ohre auf eine mich sicherstellende Entfernung hin nichts entgehen konnte. Es läßt sich denken, daß unser Vordringen ein langsames war, doch konnten wir dies nicht ändern. Möglich, daß für die Weißen große Gefahr im Verzuge war, aber wir konnten sie doch auch nicht dadurch retten, daß wir uns selbst preisgaben.

So verging Stunde um Stunde; es wurde Nachmittag, und wenn ich bisher für die Gefangenen sehr gefürchtet hatte, so begann ich jetzt, wieder Hoffnung zu schöpfen. Wenn die Indianer so spät an ihren Lagerplatz gelangten, fanden sie heute keine Zeit mehr, die Bleichgesichter unter Einhaltung der gewohnten Gebräuche hinzurichten; sie mußten dies bis morgen hinausschieben, und am Abende und während der Nacht gab es dann Zeit und wohl auch Gelegenheit, den Mord zu verhindern. Am meisten hoffte ich von dem Umstande, daß die Comantschen von unserer Anwesenheit keine Ahnung hatten. Sie befanden sich auf ihrem Gebiete; sie wußten, daß dies jetzt von jedermann, der nicht zu ihnen gehörte, gemieden wurde, und so stand zu erwarten, daß sie strenge Sicherheitsmaßregeln für überflüssig halten würden.

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