»Allerdings. Er ist neu, und ich habe volle zweihundert Piaster dafür bezahlt!«
»Das ist gut. Ich würde gar nicht zugeben, daß dieses Butterwerk in einen schmutzigen Mantel getan werde.«
»Allah hat dir den schönen Sinn für die Reinlichkeit verliehen; du mußt ihm Zeit deines Lebens dafür dankbar sein, denn Sauberkeit ist die schönste Zierde des Weibes. Aber ich sage dir, daß ich mich ganz derselben Gottesgabe erfreue. Es würde meine Seele schmerzen und mein Herz mit Traurigkeit erfüllen, wenn ich mir meinen neuen Mantel voll Butterflecken machen müßte.«
»O, Butter ist gut! Ein Butterfleck im Mantel ist keine Schande. Butter ist weder Fischtran noch Pferdefett.«
»Aber niemand wird es diesen Flecken ansehen, daß sie von deiner Butter verursacht wurden!«
»Teurer Herr, du bist ein vornehmer Herr; es kann dir ganz gleichgültig sein, ob man die Flecken deines Mantels für Butter- oder Tranflecken hält. Ziehe ihn aus und wende ihn um, so wird man sie vielleicht gar nicht bemerken.«
»Weißt du nicht, daß es verboten ist, sich in Gegenwart eines Weibes eines Kleidungsstückes zu entledigen?«
»O, du bist mein Freund, mein Retter, und du trägst ja eine Jacke und eine Weste unter dem Mantel!«
»Dennoch möchte ich mich nicht gegen die Gesetze der Höflichkeit und Sittsamkeit versündigen. Erlaube, daß ich diese Eßwaren in meine Pferdedecke tue!«
»Ist sie rein?«
»Ja. Ich pflege sie täglich auszuklopfen.«
»Ich muß mich überzeugen. Klopfe einmal!«
Diese Verhandlung gab mir unendlichen Spaß. Ich war nicht darauf gekommen, die Decke zu reinigen. Sie war hinter dem Sattel festgeschnallt und zeigte sehr deutliche Spuren des Staubes, der sich während des gestrigen Rittes festgesetzt hatte. Ich schnallte sie los und rollte sie auf.
»Schüttle einmal!« befahl die holde Erdbeere.
Ich gehorchte, und der Staub flog in einer sehr sichtbaren Wolke von der Decke ab. Dennoch meinte die Frau: »Ja, sie ist rein. Hebe also dieses Butterwerk auf und tue es hinein.«
Ich bildete aus der Decke einen Sack, in welchen ich alle Backwaren stopfte, die nach und nach von der Erde aufzunehmen waren.
So erreichten wir das Gebüsch, in welchem ich den Esel angebunden hatte. Beim Anblick der am Boden liegenden Körbe schlug sie die Hände hoch zusammen und rief:
»O Allah! O Ayescha! O Fathme! Welch ein Unheil hat dieses Tier angerichtet! Da liegen die Körbe am Boden und dabei alle meine Delikatessen! Doch nein, nicht alles ist da. Es fehlt sehr viel. Wo ist es?«
Sie warf einen fragenden Blick auf mich und fuhr fort:
»Effendi, diese Sachen schmecken sehr süß und sehr gut!«
»Ich glaube es!«
»Liebst du Süßigkeiten?«
»Zuweilen.«
»Hast du vielleicht das, was hier fehlt, gegessen?«
»Nein.«
»Sage mir die Wahrheit! Ich werde dir nicht zürnen, sobald du es nur bezahlst!«
»Ich habe es nicht gegessen, holde Tschileka.«
»Aber wo ist es hin? Wo liegt es? Ich muß meinem Manne von jedem Stück Rechenschaft ablegen!«
»Ich sage dir, daß es nicht gegessen worden ist.«
»Was denn?«
»Gefressen!«
»Gefressen? Von wem?«
»Von diesem deinem Maulesel.«
»O Unglück, o Verwegenheit! Glaubst du denn wirklich daß ein Maulesel Zuckerwerk fressen kann?«
»Ich habe ihn ja dabei erwischt!«
»Du hast es mit deinen eigenen Augen gesehen?«
»Mit diesen meinen Augen.«
»Und mich hat er niemals merken lassen, daß er Süßigkeiten liebt! Dieser Heuchler! Dieser Scheinheilige! Effendi, willst du mir einen Gefallen erzeigen?«
»Einen einzigen? Habe ich dir nicht bereits bewiesen, daß ich dir gern gefällig bin?«
»Ja, du hast alles an mir getan, was ich von dir begehrte. Nimm jetzt einmal deine Reitpeitsche und haue das Tier so um den Kopf, daß die Ohren herunterfliegen!«
»Das werde ich nicht tun.«
»Nicht? Warum nicht?«
»Das würde Tierquälerei sein.«
»Was geht das dich an! Gehört der Esel dir?«
»Nein.«
»Sondern mir! Nicht?«
»Ja freilich.«
»Nun, er ist mein, und mein Eigentum kann ich quälen, so viel ich will. Also schlage nur zu!«
»Verzeihe, daß ich es doch nicht tue. Hast du dem Esel gesagt, daß er diese Sachen nicht essen soll?«
»Nein.«
»Da hast du einen großen Fehler begangen. Er hat geglaubt, das Zuckerwerk fressen zu dürfen, weil es Eigentum seiner Herrin ist. Beim nächsten Ritt darfst du nicht versäumen, es ihm klar zu machen.«
»O, das werde ich gleich jetzt, und ich hoffe, daß er meine Worte sehr gut verstehen wird!«
Sie zog meine Reitpeitsche aus der Sattelöse und trat damit zu dem Esel, welcher sie mißtrauisch anblickte und dabei besorgt mit den Ohren wedelte.
»Was hast du getan?« schrie sie ihn an. »Weißt du, was du bist? Ein Spitzbube, ein großer Spitzbube! Hier hast du deine Strafe!«
Er erhielt einen kräftigen Hieb über den Kopf.
»Ein Leckermaul!«
Sie versetzte ihm einen zweiten Hieb.
»Ein heimtückischer Schurke!«
Ein dritter Hieb sauste durch die Luft. Aber der Maulesel schien keine gute Erziehung genossen zu haben und seine Herrin in nur geringem Grade zu respektieren. Er machte eine blitzschnelle Wendung und schlug mit den beiden Hinterhufen nach ihr aus. Das ging so schnell, daß ich kaum Zeit gefunden hatte, sie auf die Seite zu reißen.
Jetzt war aller Aerger vorüber. Sie zitterte vor Angst.
»Effendi,« sagte sie bebend, »was hat er getan? Nach mir ausgeschlagen hat er!«
»Ja.«
»Der Elende! Das undankbare Vieh! Weißt du nicht, ob er mich getroffen hat?«
»Ich glaube nicht, daß du getroffen worden bist. Fühlst du denn Schmerz?«
»Natürlich, ja! Mein ganzer Körper scheint eine einzige Beule zu sein.«
»O weh! Eine solche Beule wird schwer zu heilen sein!«
»Ja. Aber doch glaube ich, daß die Hufe an mir vorübergegangen sind. Nicht?«
»Ich glaube, dasselbe bemerkt zu haben.«
»Allah sei Dank! Wenn er mich auf die Brust getroffen hätte, so wäre ich eine Leiche; oder gar in das Gesicht! Er hätte mir einen Zahn ausschlagen können, vielleicht auch alle. Ich werde dieses Ungeheuer nie wieder schlagen!«
»Daran tust du recht. Ich sagte dir, daß ich es nicht tun würde; du aber achtetest nicht auf meinen Rat.«
»Aber der Esel ist mein Eigentum. Wie darf er es wagen, nach mir zu schlagen! Ich bin erschrocken, daß ich am ganzen Leibe bebe. Siehst du mich zittern?«
»Ja, ich sehe es!«
»Halte mich!«
»Wird dies wirklich notwendig sein? Ist es so schlimm?«
»Ja, es ist sehr schlimm! Es ist sogar so schlimm, daß ich mich setzen muß, um mich zu erholen.«
Eine ätherischer gestaltete Dame hätte sich in ästhetisch malerischer Weise niedersinken lassen. Tschileka machte zwar auch den Versuch dazu, aber das Gewicht ihres Körpers war zu groß; sie verlor das Gleichgewicht und kam infolgedessen mit so rapider Schnelligkeit zur Erde, daß ich kaum Zeit fand, den Korb wegzureißen, in welchen sie sich sonst gesetzt hätte.
»Ah, ich danke dir!« sagte sie. »Jetzt muß ich Atem holen. Ich schnappe nach Luft.«
Dies tat sie auch buchstäblich. Dann, als sie regelmäßig zu atmen vermochte, sagte sie:
»Jetzt wirst du mir alles, was übrig ist, hier in die Körbe tun und dann den Sattel wieder in Ordnung bringen. Dann brechen wir auf.«
Ich gehorchte auch diesem Befehl, im Innern sehr gespannt darauf, wie es mir möglich sein werde, sie in den Sattel zu bringen. Es kostete schon eine bedeutende Anstrengung, ihr beim Aufstehen behilflich zu sein. Als dies gelungen war, blickte sie sich ratlos um.
»Was suchst du?« fragte ich.
»Was suchst du?« fragte ich.
»Eine Treppe, eine kleine Treppe.«
»Eine Treppe? Wo soll hier im freien Felde eine Treppe herkommen?«
»Aber ich brauche sie doch, um aufzusteigen!«
»O weh! Das ist allerdings sehr schlimm!«
Nun ließ auch ich meinerseits den Blick ziemlich ratlos in die Runde schweifen.
»Dort,« sagte sie, »Dort sehe ich einen Baumstumpf. Führe mich hin!«
Es gelang mir mit einiger Anstrengung, sie auf den Stumpf und von da in den Sattel zu bringen. Der arme Maulesel brach unter ihrer Last fast zusammen, schien aber doppelte Kräfte zu bekommen, als er bemerkte, daß der Ritt heimwärts ging. Schon nach kurzer Zeit sah ich einige weit zerstreute Häuser von weitem.
»Ist das Dschnibaschlü?« fragte ich.
»Nein; das ist erst Klein-Dschnibaschlü. Aber wir wohnen da,« antwortete sie.
Wir langten dort an und ritten an einigen armseligen Gebäuden vorüber, bis wir ein etwas größeres Haus erreichten, nach dessen hinterer Fronte meine Begleiterin einlenkte.
Dort gab es mehrere Gruben, in welche man Fässer eingelassen hatte. Diese Fässer waren mit farbigen Flüssigkeiten gefüllt. Wir befanden uns also bei der Wohnung des Färbers und Bäckers Boschak.
Die Amazone stieß einen schrillen Schrei aus, den sie noch einige Male wiederholte. Dann öffnete sich ein kleines, in der Nähe stehendes Bretterhäuschen, und eine männliche Gestalt mit einem Vogelgesicht kam herbei.
Der ganze Anzug dieses Menschen bestand aus einer Art von Badehose. Aber nicht dieser Umstand fiel mir auf, sondern die Färbung der Haut frappierte mich. Sein Körper schillerte in allen Nuancen vom tiefsten Dunkelbraun bis zum schreiendsten Orange. Und dabei machte der Mensch ein so unbefangenes, ernstes Gesicht, als ob diese Malerei sich ganz von selbst verstehe.
Ich war vom Pferde gestiegen und erwartete das Kommende mit lebhafter Neugierde.
»Sydschyrda, meine Treppe!« befahl sie.
Also Sydschyrda, das ist Star, hieß der Mann. Hm, es gibt ja allerdings auch Prachtstare, wie jeder Ornitholog weiß. Der Gerufene schritt gravitätisch zur Hintertür ins Haus hinein und brachte wirklich eine mehrstufige Treppenleiter herbei, welche er neben den Maulesel stellte. Die Reiterin stieg ab.
»Was macht mein Mann?« fragte sie.
»Ich weiß es nicht,« war die Antwort.
»Nun, er muß doch etwas machen!«
»Nein.«
»Dummkopf! Wo ist er denn?«
»Weiß es nicht.«
»Doch im Zimmer?«
»Nein.«
»In der Kammer?«
»Nein.«
»Wo denn sonst?«
»Ich weiß es nicht.«
»Er ist doch daheim?«
»Nein.«
»Also fortgegangen?«
»Ja.«
»Warum sagtest dus nicht gleich? Schaffe den Esel fort!«
Der farbenprächtige Mensch hatte seine Antworten in höchst feierlicher Weise gegeben, mit einem Ernste, als ob es sich um die hochwichtigste Angelegenheit handele. Jetzt ergriff er den Esel beim Zügel und wollte fort.
»Erst abladen, natürlich!« schrie sie ihn an.
Er nickte ihr verständnisvoll zu und machte sich nun daran, die Körbe abzunehmen.
»Komm nun mit herein, Effendi!« lud sie mich ein.
Ich hatte mein Pferd an einen in den Boden gerammten Pfahl gebunden und folgte ihr. Es drang mir ein starker Geruch von Butter und heißer Sodalauge entgegen. Links bemerkte ich eine Vorrichtung, welche ich für den Backofen zu halten geneigt war, denn ein Dachsbau konnte sich doch nicht hier im Wohnhause befinden. Rechts war der Eingang in den Wohnraum.
Als wir da eintraten, stand ich dem leibhaftigen, allerdings jüngeren Ebenbilde meiner »Erdbeere« gegenüber. Ich konnte nicht im Zweifel sein, daß es ihre Tochter sei.
Diese war nach bulgarischer Weise, doch häuslich leicht gekleidet, hatte keine so uninteressanten Züge und besaß die größte Schönheit des orientalischen Weibes, die Wohlbeleibtheit, beinahe in demselben Grade wie ihre Mutter.
Sie stand vor einigen Schüsseln und war im Begriffe, von der darin befindlichen Milch die Haut mittels der zwei Zeigefinger nach ihrem weit geöffneten Munde zu führen.
»Ikbala, was tust du da?« fragte die Mutter.
»Derisini tschykar-im ich häute ab,« antwortete die Gefragte.
»Nereje wohin?«
»Aghyz itschine in den Mund hinein.«
»Aber diese Häute sollst du doch auf einen Teller oder in einen Topf tun, keineswegs aber in den Mund.«
»Es schmeckt gut!«
Das war allerdings ein sehr triftiger Grund, welchen das Mädchen da angab. Die Mutter ließ ihn auch gelten, denn sie trat auf die Tochter zu, klopfte ihr zärtlich auf die volle Wange und sagte in liebkosendem Tone:
»Benim tschüstlüka mein Leckermäulchen!«
Dieses Leckermäulchen richtete einen sehr erstaunten Blick auf mich. Die Mutter erklärte:
»Dieser Effendi will sich hier bei uns ausruhen.«
»Warum?«
»Er ist ermüdet.«
»So mag er draußen im Grase liegen. Wie kannst du ohne Schleier mit einem Fremden verkehren und ihn zu mir bringen, da du doch weißt, daß ich hier keinen Schleier trage?«
»O, er ist mein Freund, mein Erretter!«
»Warst du in Gefahr?«
»In großer Lebensgefahr.«
Jetzt richtete die Tochter ihre Augen mit verminderter Strenge auf mich; dann sagte sie:
»Du kannst noch gar nicht zurück sein. Es muß dir unterwegs etwas geschehen sein?«
»Freilich ist mir etwas geschehen.«
»Was denn?«
»Ein Unglück.«
»Das vermute ich allerdings. Aber was denn für ein Unglück?«
»Ich hatte nicht daran gedacht, daß heute einer der fünfzig unglücklichen Tage des Jahres ist; sonst wäre ich daheim geblieben. Ich war kaum eine halbe Stunde geritten, da tat sich vor mir die Erde auf «
»O Allah!« sagte die Tochter erschrocken.
»Ein blauer Rauch stieg hervor,« fuhr die Mutter fort.
»Wai sana wehe dir!«
»Und aus diesem Rauche trat ein Geist, ein Gespenst hervor, welcher hundertvierundvierzig Arme nach mir ausstreckte «
»Allah beschütze dich! Es gibt viele und schlimme Gespenster auf der Erde!«
»Allerdings, mein Kind. Mein Esel erschrak natürlich ebenso wie ich und entfloh, so schnell er konnte. Ich bin eine sehr gute Reiterin, wie du weißt; aber ich kam dennoch zu Falle, und der Esel entfloh.«
»Welch ein Unglück! Ist er fort?«
»Nein. Dieser Effendi kam geritten, nahm den Esel gefangen und hob auch mich von der Erde auf, um mich heimzugeleiten. Wo ist dein Vater?«
»Er ist in das Dorf gegangen.«
»Was will er da?«
»Er will Rosinen und Mandeln kaufen.«
»Hat er gesagt, wann er wieder kommt?«
»Er sagte, daß er nicht lange ausbleiben werde.«
»So bediene diesen Effendi, bis ich zurückkehre. Ich muß ein anderes Kleid anlegen.«
Sie wollte sich durch eine zweite Tür zurückziehen, aber ihre Tochter faßte sie am Arme und sagte:
»Sage mir vorher, was aus dem Geiste, aus dem Gespenste geworden ist.«
»Ich habe keine Zeit; frage den Effendi, er wird es dir sagen.«
Damit entfernte sich die Schlaue und überließ es mir, ihr Gespenstermärchen bis zu Ende zu führen.
Was mich betrifft, so hatte ich mich bereits nach den ersten, zwischen Mutter und Tochter gewechselten Worten auf eine an der Wand liegende Matte gesetzt.
Die junge »Erdbeere« sah sich nun mit mir allein und war in sichtlicher Verlegenheit. Nach einer Pause fragte sie:
»Bist du müde, Effendi?«
»Nein.«
»Oder hungrig?«
»Auch nicht, mein Kind.«
»Aber durstig?«
»Es ist warm. Würdest du mir einen Schluck Wasser geben, du Tochter der Holdseligkeit?«
Da griff sie nach einer der Milchschüsseln, von deren Inhalt sie mit ihren zarten Zeigefingern das »Dicke« vorhin >abgehäutet< hatte. Sie hielt mir die Schüssel vor und sagte: