Der Oelprinz - Karl May 4 стр.


seid?«

»Warum nicht? Zielen ist doch zielen!«

»So? Wie weit könnt Ihr denn treffen?«

»Doch jedenfalls so weit, wie die Kugel läuft.«

»Sagen wir zweihundert Schritte?«

»Well.«

»Ungefähr so weit entfernt steht die zweite Hütte da drüben. Glaubt Ihr, sie zu treffen?«

»Die Hütte?« meinte Sam in beleidigtem Tone. »Die trifft ein Blinder, grad wie mit der Nadel den Rockärmel.«

»So wollt Ihr wohl sagen, daß das Ziel kleiner sein soll?«

»Yes.«

»Wie groß ungefähr?«

»Wie meine Hand.«

»Und das glaubt Ihr zu treffen, mit diesem Euerm Schießzeuge hier?«

»Yes.«

»Unsinn! Dieser Lauf muß ja gleich beim ersten Schuß zerplatzen, und wenn er das nicht thut, so ist er so krumm gezogen, daß Eure Kugeln um jede Hausecke biegen, nie aber gerade fliegen werden.«

»Versucht es doch einmal!«

»Wollen wir wetten? Ihr habt ja Geld dazu.«

»Nicht nur Geld, sondern auch Lust.«

»Wieviel setzt Ihr?«

»Soviel wie Ihr.«

»Also einen Dollar?«

»Einverstanden.«

»So gilt also die Wette. Aber wir wollen nicht nach jener Hütte schießen, weil der Besitzer es wohl nicht dulden würde, sondern ich «

»Schießt nach der meinigen!« unterbrach ihn der Wirt. »Ich klebe an die hintere Front ein Papier, so groß wie meine Hand; dies ist das Ziel.«

Dieser Vorschlag wurde angenommen. Man begab sich nach der hintern Seite; das Papier wurde angeklebt, und dann zählte Buttler zweihundert Schritte ab. Er setzte einen Dollar, und Sam gab den seinigen. Darauf loste man, wer zuerst schießen solle. Das Los fiel auf Buttler. Er stellte sich in der abgemessenen Entfernung auf, zielte nur ganz kurz, drückte ab und traf das Papier.

Nun war die Reihe an Sam. Er machte die krummen Beinchen möglichst weit auseinander, legte seine Liddy an, bog sich weit, weit nach vorn und zielte eine lange, lange Zeit. In dieser Stellung sah er aus wie ein Photograph, welcher sich unter die Hülle seines Apparates beugt, um nach seinem Objekte zu visieren. Alle lachten. Da endlich krachte der Schuß, und Sam flog zur Seite, das Gewehr fallen lassend und mit der Hand die rechte Backe haltend. Das Gelächter wurde zum förmlichen Gejohle.

»Hat Euch die Flinte gestoßen, wohl gar einen Hieb gegeben?« fragte Buttler.

»Yes, sogar eine Ohrfeige ists gewesen!« antwortete der Kleine wehmütig.

»Das Ding haut also; es scheint Euch selbst gefährlicher zu sein als andern Leuten. Wollen sehen, ob Ihr getroffen habt.«

Auf dem Papier war keine Spur von der Kugel zu bemerken. Man suchte lange, lange Zeit, bis endlich einer, welcher zur Seite gegangen war, unter dröhnendem Lachen den andern zurief:

»Kommt her zu mir! Es konnte mir nicht einfallen, hier zu suchen; aber da steckt sie, da, wer sie sehen will. Kommt her! Der Schnaps läuft aus dem Loche!«

Jedenfalls zum Transporte bestimmt, stand an der Seite des Hauses, vielleicht zehn Schritte von demselben entfernt, ein volles Branntweinfaß. In dieses war die Kugel geflogen, und man sah den Inhalt in einem fingerdicken Strahle aus dem frischen Schußloche strömen. Das jetzt entstehende Gelächter wollte kein Ende nehmen. Der Wirt aber fluchte und verlangte Entschädigung. Als Sam ihm dieselbe zusagte, beruhigte er sich und trieb mit dem Hammer einen hölzernen Pflock in das Loch, um dasselbe zu schließen.

»Also nicht einmal das Haus habt Ihr getroffen!« rief Buttler dem ganz verdutzt dreinschauenden Kleinen zu, »Ich habe Euch ja gesagt, daß Eure Kugeln um alle Ecken biegen werden. Der Dollar ist mein. Wollt Ihr noch einen wagen, Mr. Grinell?«

»Yes,« antwortete Sam.

Mit dem zweiten Schusse traf er wenigstens das Haus, aber ganz unten an der Ecke, während das Ziel oben in der Mitte der Mauer sich befand. So gab er noch vier oder fünf Schüsse ab, ohne dem Papier näher zu kommen, und verlor noch ebensoviele Dollars. Darüber wurde er zornig und rief aus:

»Es ist nur, weil es bloß um einen Dollar geht. Ich glaube, wenn es mehr gälte, könnte ich besser zielen.«

»Mir recht,« lachte Buttler. »Wieviel wollt Ihr parieren?«

»Soviel wie Ihr.«

»Sagen wir zwanzig?«

»Yes!«

Sam verlor auch diese zwanzig, verlor sie aber, weil er wieder ganz genau in dieselbe Ecke traf. Buttler strich das Geld ein und fragte:

»Noch einmal gefällig, Mr. Grinell?«

Dabei zwinkte er seinen Leuten heimlich und vergnügt mit den Augen zu.

»Yes,« antwortete Sam. »Es muß doch einmal werden.«

»Denke es auch. Wie hoch?«

»Wie Ihr wollt.«

»Fünfzig Dollar.«

»Yes.«

»Oder wir sagen lieber hundert?«

»Das ist zu viel. Ich bin zwar überzeugt, daß ich jetzt endlich treffen werde, aber es thut mir leid, Euch eine solche Summe abzunehmen, Mr. wie heißt Ihr denn eigentlich, Sir?«

»Buttler,« antwortete der Gefragte zu schnell und also unvorsichtig. Wahrscheinlich hätte er einen andern Namen genannt, wenn er nicht durch Sams Frage so plötzlich überrumpelt worden wäre.

»Schön, Mr. Buttler,« fuhr er fort. »Also nicht hundert; es ist zu viel.«

»Nonsense! Was ich gesagt habe, das halte ich; es fragt sich nur, ob Ihr Mut habt.«

»Mut? Den hat ein Schneider immer.«

»Also hundert?«

»Yes.«

Buttler war so sicher, das Ziel zu treffen, während Sam natürlich wieder danebenschießen würde, daß er diesmal noch kürzer zielte als vorher. Oder regte ihn die Höhe der Summe auf, kurz und gut, seine Kugel kam neben, zwar hart aber doch neben dein Papiere in die Mauer zu sitzen. Das raubte ihm aber nicht die gute Laune, denn sein Gegner traf jedenfalls nicht so nahe an das Ziel. Im schlimmsten Falle konnte es zum Stechen kommen, und da war ihm der Sieg dann sicher.

Jetzt zielte Sam, aber wohin? Nach der Mauerecke, wohin er bisher stets getroffen hatte und wo von ihm, außer dem ersten Schusse, Kugel auf Kugel saß.

»Was fällt Euch ein, Mr. Grinell,« rief Buttler erstaunt, »Ihr zielt ja nach der Ecke!«

»Versteht sich ganz von selbst,« antwortete der Kleine getrost.

»Warum denn aber?«

»Habe erst jetzt mein Gewehr begriffen.«

»Wieso?«

»Scheint seinen eigenen Willen, seine Launen zu haben. Ziele ich nach dem Papiere da oben in der Mitte, so geht die Kugel da hinunter in die Ecke. Ziele ich aber nach der Ecke, so wird sie wohl hinauf nach dem Papiere fliegen.«

»Das ist Verrücktheit!«

»Nicht von mir, sondern von der Flinte. Paßtmal auf!«

Er drückte ab, und die Kugel saß ganz genau in der Mitte des Zieles.

»Seht Ihr nun, daß ich recht hatte!« lachte der Kleine. »Gewonnen! Gebt die hundert Dollar heraus, Mr. Buttler!«

Die Summen waren noch nicht gesetzt worden. Buttler zögerte, der Aufforderung Folge zu leisten; es kam ihm der Gedanke, die Zahlung zu verweigern; dann aber hatte er einen Einfall, den er für besser hielt; er zog also die Goldstücke aus seiner Tasche, gab sie Sam und sagte:

»Halten wir auf?«

»Wie Ihr wollt.«

»Oder setzen wir noch einmal?«

»Meinetwegen!«

»Aber nicht hundert, sondern zweihundert!«

»Sir, das ist zu viel!«

»Für mich nicht. Oder habt Ihr Angst bekommen?«

»Angst? Fällt mir nicht ein!«

»Also zweihundert; aber gleich gesetzt!«

»Gut! Da mein Kamerad Mr. Berry mag den Unparteiischen machen und das Geld verwahren, und wir nehmen ein neues Papier mit einem Punkte genau in der Mitte. Wessen Kugel diesem am nächsten sitzt, der hat gewonnen.«

»Einverstanden,« erklärte Buttler; »aber wir schießen nicht auf zwei- sondern auf dreihundert Schritte!«

»Da treffe ich nichts!«

»Ist auch nicht nötig. Vorwärts, Mr. Grinell, zweihundert Dollar heraus!«

»Da treffe ich nichts!«

»Ist auch nicht nötig. Vorwärts, Mr. Grinell, zweihundert Dollar heraus!«

Sam gab Dick Stone das Geld. Buttler schien nicht mehr so viel zu besitzen, denn er ging zu mehreren seiner Gefährten, um sich von ihnen aushelfen zu lassen. Als er die Summe beisammen hatte, gab er sie auch an Dick, welcher sehr wohl wußte, weshalb ihn Sam als Unparteiischen vorgeschlagen hatte. Nachdem ein neues Papier angeklebt worden war, zählte man dreihundert Schritte ab, und Buttler machte sich zum Schusse bereit.

»Ziele besser als vorhin!« rief ihm einer seiner Männer zu.

»Schweig!« antwortete er zornig. »Ein Schneider sticht mich nicht aus!«

»Vorhin aber doch!«

»War nur Zufall, weiter nichts.« Er zielte diesesmal doch viel länger und sorgfältiger als vorher. Sein Schuß traf das Papier, wenn auch nicht den Mittelpunkt desselben.

»Prachtschuß, Hauptschuß, famoser Schuß!« belobten ihn seine Gefährten.

Er nickte siegesgewiß dazu und hielt es für unter seiner Würde, auf Sam nun acht zu geben. Dieser stand bereit zum Schusse und rief seinem Gegner zu:

»Mr. Buttler, macht einmal die Augen auf!«

»Warum?«

»Ich werde diesmal grad den Punkt in der Mitte treffen.«

»Bildet Euch das nicht ein! Ihr könnt ihn in dieser Entfernung gar nicht sehen und kaum das Papier erkennen.«

»Ist auch nicht nötig, denn ich habe ihn doch nicht zu sehen, sondern zu treffen. Paßt auf, eins zwei drei!«

Bei eins stellte er sich in Positur, bei zwei legte er an, und bei drei krachte sein Schuß. Ein zwölf- oder dreizehnstimmiger Ruf des Schreckens oder des Aergers folgte; er hatte wirklich den Mittelpunkt getroffen. Dick Stone eilte zu ihm, hielt ihm das Geld hin und sagte:

»Nimm rasch, alter Sam, sonst bekommst du es dann nicht!«

»Well, würden mir es später aber doch noch geben müssen.«

Er steckte es ein und schritt dann der Hütte zu.

»Ein unbegreifliches, ein verdammtes Glück ist das!« rief ihm Buttler zornig entgegen. »So ein Zufall ist noch gar nicht dagewesen!«

»Bei mir allerdings noch nicht,« gestand Sam ein, und zwar ganz der Wahrheit gemäß, denn er war ein so vortrefflicher Schütze, daß er keines Zufalles bedurfte. Buttler aber nahm diese Worte in andrem Sinne und sagte:

»So gebt das Geld wieder heraus!«

»Herausgeben? Warum? Aus welchem Grunde?«

»Weil Ihr soeben zugegeben habt, daß das Ziel nicht von Euch, sondern durch den Zufall getroffen worden ist.«

»Schön! Aber der Zufall hat sich meiner Hand und meiner Flinte bedient; er hat das Ziel getroffen, also die Wette gewonnen; ihm gehört das Geld, und ich werde es ihm geben, sobald ich ihm zum nächstenmal begegne.«

»Das soll wohl ein Witz sein, Sir?« fragte Buttler drohend, und zugleich bildeten seine Leute einen engen Kreis um ihn und Sam.

Dieser letztere zeigte nicht die mindeste Besorgnis, sondern antwortete ruhig:

»Sir, Schneider pflegen keine Witze zu machen, wenn es sich um Geld handelt. Es ist mein Ernst. Wollen wir weiter schießen?«

»Nein; ich habe mit Euch, aber nicht mit Eurem Zufalle wetten wollen. Ist Euch derselbe immer so günstig?«

Er gab seinen Gefährten einen verstohlenen Wink, auf Feindseligkeiten zu verzichten; Sam bemerkte denselben aber doch und antwortete:

»Stets, nämlich wenn es sich der Mühe lohnt, eines lumpigen Dollars wegen aber nicht; da geht meine Kugel lieber in die Ecke.«

Eben wollten sie sich um diese Ecke wenden, um nach der vorderen Seite des Hauses zurückzukehren, als ihnen jemand entgegenkam. Dieser jemand war Sam Hawkens Maultier, dessen Kopf neugierig nach seinem Herrn auszublicken schien. Buttler, welcher vorangegangen war, stieß mit dem Tiere fast zusammen.

»Häßliches Vieh!« rief er aus, der Mary einen Fausthieb gegen den Kopf gebend. »Ist ein wahres, richtiges Schneiderpferd! Einem andern könnte es im ganzen Leben nicht einfallen, sich auf eine solche Bestie zu setzen!«

»Sehr richtig!« stimmte Sam bei. »Nur fragt es sich, warum?«

»Warum? Aus Abscheu natürlich! Was denn sonst?«

»Es läßt sich gut sagen, aus Abscheu, wenn der Grund wo ganz anders liegt.«

»Wo soll er denn liegen?«

»Im Unvermögen.«

»Wieso? Wie meint Ihr das? Wollt Ihr etwa sagen, daß man Euern Ziegenbock nicht reiten könne?«

»Das behaupte ich nicht, Sir; ich wollte nur soviel sagen, daß ihn nur ein sehr guter Reiter besteigen kann.«

Er sagte diese Worte in einem so eigenartigen Tone, daß Buttler rasch frug:

»Meint Ihr etwa, daß ich kein guter Reiter bin, daß ich mit Eurer Bestie nicht fortkäme?«

»Das ist nicht meine Meinung gewesen, Sir, obgleich sehr zu erwarten steht, daß es Euch binnen einer Minute abwerfen würde.«

»Mich? Den besten Reiter zwischen Frisco und New Orleans? Ihr seid verrückt!«

Sam maß ihn mit einem neugierigen Blicke vom Kopfe an bis zu den Füßen herab und fragte dann in ungläubigem Tone:

»Ihr der beste Reiter? Das glaube ich nicht. Ihr seid nicht zum Reiter gebaut; dazu sind Eure Beine zu lang.«

»Nicht zum Reiter gebaut!« lachte Buttler auf. »Was will ein Schneider vom Reiten verstehen! Als Ihr vorhin hier ankamt, hingt Ihr auf Euerm Viehzeuge wie ein Affe auf dem Kamele, und da wollt Ihr vom Reiten sprechen? Laßt Euch nicht auslachen! Euer Maultier nehme ich so zwischen die Schenkel, daß es binnen fünf Minuten zusammenbricht!«

»Oder Euch binnen einer Minute herunterwirft!«

»Sagt Ihr das wirklich im Ernste?«

»Yes.«

»Wollen wir wetten?«

»Ich setze zehn Dollar!«

»Ich auch!«

»Daß es mich nicht herunterwirft!«

»Und ich behaupte dies aber!«

»Gut, fertig, zehn Dollar heraus!«

Sam zog das Geld hervor und gab es Dick Stone wieder. Buttler borgte es sich von seinen Gefährten und gab es dann auch an Dick. Lieber hätte er es einem seiner Leute anvertraut, wollte aber keinen Verdacht erwecken.

»Eine miserable Wette!« sagte der Wirt zu ihm. »Um zehn Dollar zu gewinnen, auf ein solches Scheusal steigen! Diesmal aber werdet Ihr sicher gewinnen.«

Buttler nahm die alte Mary beim Zügel und führte sie von der Ecke fort nach dem vor dem Hause liegenden freien Platz.

»Also binnen einer Minute herunter!« rief er Hawkens zu. »Sitze ich dann noch darauf, habe ich gewonnen.«

»Darf ich mit dem Tiere reden?« fragte Sam.

»Warum nicht? Redet mit ihm, pfeift mit ihm oder singt mit ihm, ganz wie Ihr wollt!«

Es hatten sich zwei Gruppen gebildet. Auf der einen Seite stand Sam mit Dick und Will, auf der andern der Wirt mit den Leuten Buttlers. Dieser letztere stieg auf. Das Maultier ließ es sich ruhig gefallen und stand still und unbeweglich, als ob es aus Holz geschnitzt sei, Da sagte Sam:

»Bocke ihn ab, meine gute Bucking-Mary!«

Augenblicklich machte das Maultier einen runden, hohen Katzenbuckel, ging mit allen Vieren in die Luft, streckte sich da aus und kam mit dem Reiter zu gleicher Zeit wieder auf dem Erdboden an; es stand auf derselben Stelle, Buttler aber saß nicht mehr im Sattel, sondern neben der Mary unten auf dem Boden. Seine Leute schrieen überrascht auf; er sprang empor und rief ergrimmt:

»Dieses Vieh ist des Teufels! Erst steht es fromm wie ein Lamm, und dann geht es ganz plötzlich wie ein Ballon in die Luft!«

»Da wäre es besser, Ihr wäret Luftschiffer anstatt Reiter; das Geld ist mein,« antwortete Sam, indem er es einstrich.

»Zum Henker! Ich weiß nicht, ob ich richtig verstanden habe. Sagtet Ihr dem Tiere nicht, daß es mich abbocken solle?«

»Yes.«

»Sir, das verbitte ich mir!«

»Pshaw! Ihr habt gesagt, daß ich mit ihm reden kann, ganz wie ich will.«

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