Der Oelprinz - Karl May 5 стр.


»Pshaw! Ihr habt gesagt, daß ich mit ihm reden kann, ganz wie ich will.«

»Aber zu meinem Schaden!«

»Nein, sondern zu Eurem Nutzen. Ihr braucht ja nur zu hören, was ich sage, so wißt Ihr, was das Tier thun wird und wie Ihr Euch dagegen zu verhalten habt, wenn Ihr ein so guter Reiter seid, wie Ihr vorhin sagtet.«

»Well, so werde ich das nächstemal sicher gewinnen; ich lasse mich nicht wieder herabbocken. Setzt Ihr noch einmal zehn Dollar?«

»Gern.«

Buttler borgte sich das Geld zum zweitenmal, gab es Dick und sagte zu Sam, indem er wieder aufstieg:

»Nun, sagt dem Racker doch wieder, was er thun soll!«

Sam lachte kurz und lustig auf und rief dem Maultier zu:

»Streif ihn ab, meine liebe Striping-Mary!«

Die Mary setzte sich augenblicklich in galoppierende Bewegung, gegen welche keine Bemühung Buttlers etwas half, schlug einen Bogen nach der unteren Hausecke zu und rannte, bei derselben angekommen, nach der oberen Ecke hin, und zwar so eng an der Mauer, daß das rechte Bein Buttlers an der Ecke hängen blieb und er, wenn er sich dasselbe nicht arg zerschinden oder gar brechen lassen wollte, aus dem Sattel mußte; er wurde »abgestreift« und kam wieder auf die liebe Erde zu sitzen.

»Alle neunundneunzigtausend Teufel!« schrie er wütend, indem er sich erhob und sein Knie befühlte. »Diese Bestie ist ein wahres Höllenvieh. Ich war natürlich auf das Abbocken gefaßt. Wie könnt Ihr ihm da befehlen, daß es mich abstreifen soll?«

Diese Frage galt Sam, welcher antwortete:

»Es ist ausgemacht worden, daß ich mit dem Maultiere sprechen, pfeifen oder auch singen kann, ganz wie es mir beliebt. Daran halte ich fest. Das Geld ist mein.«

Er strich es ein. Buttler hinkte zum Wirte hin und sagte halblaut zu ihm:

»Gib mir zwanzig Dollar! Meine Leute haben nichts mehr.«

»Wollt Ihr wieder wetten?« fragte der Irländer.

»Natürlich!«

»Ihr werdet abermals verlieren!«

»Jetzt ganz gewiß nicht wieder!«

»Und wenn aber doch? Von wem bekomme ich dann mein Geld?«

»Von mir, Halunke, von mir!«

»Aber wann?«

»Bis morgen früh.«

»Morgen früh? Wenn er Euch alles abgenommen hat?«

»Dummkopf! Das ist nur geborgt. Meine Leute würden wohl nicht so ruhig zusehen, wenn sie nicht wüßten, daß ich morgen früh wieder nicht nur zu meinen Verlusten bin, sondern noch viel mehr habe.«

»Ah, die zweitausend Dollar dieses Schneiders?«

»Yes.«

»Nehmt Euch in acht, Sir! Dieser Kerl ist doch nicht ganz so dumm, wie wir gedacht haben.«

»Pshaw! Alles Zufall!«

»Mit dem Schießen, ja; aber das mit dem Maultiere wohl nicht.«

»Auch das! Das Tier ist ein altes, ausrangiertes Zirkusvieh, welches er für einige Dollar erhalten hat. Es kann diese beiden Kunststücke; das ist alles, Zufall, nur Zufall. Also her mit dem Gelde! Ich muß einstweilen wenigstens die letzten zweimal zehn Dollar wieder haben.«

Als ihm der Wirt das Geld aus dem Hause geholt hatte, rief er Sam Hawkens zu:

»Wettet Ihr noch mal mit?«

»Ja, doch nun zum letztenmal.«

»Einverstanden; aber um zwanzig Dollar!«

»Yes.«

»Da ist das Geld. Dazu gebe ich die heiligste Versicherung, daß mich Euer Scheusal jetzt nicht herunterbringt, es kann machen, was es immer will.«

Er stieg auf, nahm die Mary kurz in die Zügel und fest zwischen die Schenkel und horchte zu Sam hin, was dieser befehlen würde, ob abbocken oder abstreifen. Der Kleine aber gebot keins von beiden, sondern rief:

»Wälze ihn ab, meine liebe Rolling-Mary!«

Das Maultier warf sich augenblicklich nieder und rollte sich wie eine Walze auf dem Boden hin. Wenn Buttler sich nicht alle Glieder zerquetschen oder gar zerbrechen lassen wollte, mußte er die Zügel fahren lassen und die Füße aus den Steigbügeln nehmen. Kaum fühlte die Mary, daß sie ihn los war, so sprang sie auf, trabte zu ihrem Herrn hin, stieß ein triumphierendes Geschrei aus und rieb ihr Maul an seiner Schulter.

Buttler erhob sich langsam vom Boden, befühlte und betastete sich oben und unten, hinten und vom und machte ein ganz unbeschreibliches Gesicht. Er war wütend über die mehrfache Blamage, welche er erlitten hatte, und wollte sich dies doch nicht merken lassen. Dazu schmerzten ihn alle seine Knochen und Muskeln, denn er hatte unter der Mary wie unter einer Drehrolle gelegen.

»Beliebt es Euch vielleicht, noch einmal zu wetten?« rief ihm Sam Hawkens zu.

»Geht zum Satan, sowohl mit Eurem Zufalle wie mit Eurer schändlichen Bestie!« antwortete der Gefragte, indem er sich niedersetzte.

»Habe mit dem Satan keine Geschäfte, Mr. Buttler, werde also dahin gehen, wohin es mir gefällt.«

»Nach Prescott doch?«

»Yes.«

»Schon heut?«

»Nein. Werden heut hier in San Xavier del Bac bleiben.«

»Habt ihr euch schon nach einem Obdache umgesehen?«

»Nein. Ist nicht nötig; werden im Freien schlafen, «

»Habt ihr zu essen?«

»Noch nicht. Dachten hier was zu bekommen.«

»Damit steht es schlimm. Es ist nichts mehr zu haben. Ihr könnt euch also nur dann satt essen, wenn ihr unsre Gäste sein wollt. Seid also klug, und nehmt meine Einladung an!«

»Thue es hiermit, Sin Wann werdet ihr speisen?«

»Wenn das Fleisch angekommen ist. Ich werde euch benachrichtigen.«

Damit waren die Wetten beendet und war auch das Gespräch vorüber. Die beiden Gruppen hielten sich nun jede wieder für sich selbst.

»Hast ein famoses Geschäft gemacht!« sagte Dick Stone zu Sam. »Wollte, ich wäre an deiner Stelle!«

»Ist gar nicht nötig, denn wir teilen natürlich, wenn ich mich nicht irre. Halten uns wahrhaftig für Schneider, hihihihi! Und Buttler heißt der Kerl!«

»Sind also die zwölf Finders. Schlechte Gesellschaft das, zum Abendessen!«

»Hätte nicht notwendig gehabt, ihre Einladung anzunehmen; haben ja in unsren Satteltaschen noch Proviant für einen ganzen Tag, was ganz gut bis Tucson reicht; hege aber meine gute Absicht dabei. Will sie nämlich festnehmen.«

»Ohne Kampf?«

»Ohne.«

»Aber wie?«

»Das wird sich finden.«

»Hätten wohl lieber fortreiten sollen von hier; ist ein sehr gefährliches Plaster für uns, das hiesige.«

»Wieso?«

»Werden dir den Gewinn natürlich wieder abnehmen wollen, und wenn nicht mit List, dann mit Gewalt. Wohl nur deshalb sind wir zum Essen geladen worden.«

»Versteht sich am Rande des Teiches. Soll ihnen aber schwer werden. Fürchte mich nicht vor ihnen, besonders da ich gesehen habe, wie leicht sie sich nasführen lassen. Uns für Schneider zu halten, uns, das Kleeblatt!«

»Haben sogar von diesem Kleeblatte gehört und uns einen Augenblick lang wirklich für dasselbe gehalten!«

»So daß Buttler euch die Köpfe untersuchte. Hätte der Kerl auf dem meinigen eine Entdeckungsreise unternommen, so wäre es ihm nicht länger in den Sinn gekommen, ein Kleeblatt für drei Schneider zu halten, hihihihi! Besaß einst auch mein eigenes Haar mit samt der Haut, an welche es gewachsen war, habe es von Kindesbeinen an ehrlich und mit vollem Rechte getragen, und kein Advokat hat es gewagt, es mir streitig zu machen, bis so ein oder zwei Dutzend Pawnees um mich waren, und mir das Fell bei lebendigem Leibe vom Kopfe schnitten und rissen. Bin dann nach Tekama gegangen und habe mir eine neue Haut gekauft; nannten es Perrücke und kostete mich drei dicke Bündel Biberfelle, wenn ich mich nicht irre. Schadet aber nichts, denn das neue Fell ist zuweilen praktischer als das alte, besonders im Sommer; kann es abnehmen, wenn mich schwitzt und es waschen und kämmen, ohne mich auf den Kopf zu kratzen. Und wenn abermals ein Roter meinen Skalp verlangen sollte, so kann ich ihm denselben verehren, ohne daß es ihm vorher Mühe und mir Schmerzen macht.«

»Und wie albern,« fiel Will Parker ein, »daß sie wirklich glaubten, wir wollten droben am Gila Biber, sogar graue Bären fangen!«

»War gar nicht so albern, wie du denkst,« erklärte Sam. »Haben ja sehr deutlich gesehen, daß du ein Greenhorn bist, und einem solchen ist eben alles zuzutrauen, auch daß er auf einem Heuboden Seehunde und Walfische fangen will. Sprachen davon, daß sie Fleisch erwarten. Wo sie es herbekommen? Ob etwa von Tucson? Ist kaum zu glauben. Wahrscheinlich auch ein Gaunerstreich. Werden es sich stehlen wollen behold, da kommen sie gezogen; werden sie also nun wohl kennen lernen.«

Er deutete nach vorn, wo auf dem freien Platze ein großer, langer, mit vier Ochsen bespannter Blahewagen erschien, dem noch drei andre folgten. Ein sehr gut bewaffneter Reiter ritt voran, das war der Scout. Neben den Wagen ritten zwei Knaben oder Jünglinge, welche auch Messer, Revolver und Doppelbüchsen trugen. Die Ochsentreiber waren nicht beritten. In zweien der Wagen gab es Insassen; man sah sie neugierig unter der Blahe hervorblicken.

Der Scout hatte wohl die Absicht gehabt, hier halten zu lassen; aber als er die Gesellschaft vor der Schnapsschänke erblickte, verfinsterte sich sein Gesicht, und er ritt weiter; die Wagen folgten ihm natürlich.

»Verdammt!« sagte einer der Finders mit unterdrückter Stimme zu dem Wirte. »Da scheint aus dem Braten heut abend nichts zu werden.«

»Warum nicht?«

»Weil sie weiterfahren. Wer weiß, wie weit von hier sie dann halten.«

»Werden nicht weit kommen. Man sah, daß die Ochsen müde waren. Hast du das Gesicht des Scout bemerkt?«

»Nein.«

»Es verfinsterte sich, als er euch erblickte. Es ist in ihm Verdacht gegen euch entstanden, weil ihr ihn zu weit ausgefragt habt. Er hätte wohl hier Lager gemacht und ist nur euretwegen wieder fort, weit aber keineswegs, wohl nur bis ans Ende des Ortes, wo es Gras für die Rinder gibt.«

»Ich werde einmal nachsehen.«

»Thu das nicht. Wenn er dich sieht, wächst sein Mißtrauen.«

»Das ist richtig,« bestätigte Buttler. »Wir müssen warten, bis es dunkel geworden ist; dann gehe ich selbst mit einigen von euch ihnen nach. Sie werden ihre

Ochsen frei grasen lassen; wir führen einen von denselben fort und schlachten ihn.«

»Und werdet entdeckt!« warf der Wirt ein.

»Was nennst du entdeckt? Wenn jemand kommt, so sitzen wir bei dir und essen gebratenes Rind; das ist alles. Der fehlende Ochse aber liegt weit draußen vor dem Dorfe, zwar erstochen und angeschlachtet, aber wer will beweisen, daß wir die Thäter sind?«

»Wir essen grad das Stück Fleisch, welches an dem toten Ochsen fehlt!«

»Das ist kein Beweis, denn wir haben es soeben von einem unbekannten Roten gekauft. Und will man uns trotzdem noch weiter belästigen, so haben wir Gewehre und Messer, uns jeden Lästigen vom Halse zu schaffen.«

»Die drei Schneider da drüben essen mit?«

»Ja. Weißt du, Paddy, was für einen Gedanken ich habe?«

»Nun?«

»Wir machen sie betrunken.«

»Um sie dann ?«

»Ja, um sie dann ganz so, wie du meinst.«

»Bei mir im Hause?«

»Ja, drin in der Stube. Hier im Freien wäre es unmöglich. Man könnte versteckte Zeugen haben.«

»Aber es ist für mich höchst gefährlich, eine solche That in meinem Hause, in meiner Stube geschehen zu «

»Schweig! Du bekommst von dem, was wir bei den Kerls finden, dreihundert Dollar; das ist genug für die kleine Belästigung bist du einverstanden?«

»Ja, denn ich sehe, es geht nicht wohl anders. Aber ich befürchte, daß sich die Kerls schwer berauschen lassen werden.«

»Leicht, sehr leicht im Gegenteile. Hast du nicht gesehen, daß sie deinen Schnaps wegschütteten?«

»So etwas sieht jeder Wirt!«

»Daraus folgt doch, daß sie keine Schnapstrinker sind und also nichts vertragen können. Nach einigen Gläsern werden sie toll und voll betrunken sein.«

»Ich bin der Ansicht: Daraus folgt, daß sie keine Schnapstrinker sind und also keinen trinken werden. Wie wollt ihr sie da betrunken machen?«

»Hm, auch das wäre möglich. Hast du denn gar nichts andres als nur Schnaps?«

Der Wirt machte ein Gesicht, welches pfiffig sein sollte, und antwortete:

»Für gute Freunde und wenn es ehrlich bezahlt wird, habe ich irgendwo ein Fäßchen sehr hitzigen Kalientewein aus Kalifornien liegen «

»Kalientewein? Alle Wetter, den mußt du schaffen!« fiel Buttler ein. »Ein einziger Liter davon wirft die drei Schneider um, und für uns wird dieser Kaliente eine wahre Wonne sein. Wieviel soll er kosten?«

»Vierzig Liter sechzig Dollar.«

»Etwas teuer, aber einverstanden. Du bekommst also dreihundertsechzig Dollar von dem, was uns die nächste Nacht einbringt.«

»Warum wollt ihr solche Umwege mit diesen Schneidern machen, Sir? Sie einladen, mit ihnen essen, sie unterhalten, dann berauschen und so weiter? Gibt es denn keinen kürzern und bessern Weg?«

»Das sehr wohl; aber Paddy, ich will dir sagen: Es liegt in dem Habitus dieser drei Männer so ein Etwas, was mich nicht so ganz an die Schneider glauben läßt. Ich habe es mir überlegt. Die Schüsse, welche der Kleine gethan hat, sind Meisterschüsse gewesen, sogar die ersten Fehlschüsse. Wir sahen ihn nach dem Papiere zielen, und doch hat er mit einer blitzschnellen Bewegung des Gewehres, welche wir gar nicht bemerkt haben, genau Kugel auf Kugel in die Ecke geschickt. Schau hin, wie sie da sitzen! Sie sehen nicht ein einziges Mal her, 0 bewahre; aber ich sage dir, daß sie trotzdem alles so genau wissen, als ob sie ihre Augen immerwährend hierher richteten. Ich kenne diese maskierten Späherblicke. Und ihre Haltung! Als ob sie jeden Augenblick bereit wären, ihre Revolver abzudrücken. Hätte einer von ihnen eine Perücke aufgehabt, so würde ich jetzt darauf schwören, daß sie das gefürchtete Kleeblatt sind. Und auch trotzdem, daß sie es nicht sein können, müssen wir uns vorsehen. Ueberfallen, überrumpeln lassen die sich nicht so leicht, wenigstens nicht ohne daß sie blitzschnell mit ihren Messern und Kugeln zur Hand sind.«

»Aber zwölf oder gar dreizehn gegen drei; da muß der Ausgang doch wohl sicher sein!«

»Allerdings; aber von den zwölf, also von uns, werden dabei sicher einige getötet oder gar verwundet. Eine Betäubung durch einen tüchtigen Rausch ist da das sicherste und ungefährlichste «

Buttler hielt mitten in der Rede inne, deutete nach dem freien Platze hinüber und fuhr fort:

»Da kommt die sonderbare Gestalt, welche hinter dem Wagen herritt; sie ist zurückgeblieben, sieht den Zug nicht mehr und weiß nun augenscheinlich nicht, wohin sie sich wenden soll.«

Der Ausdruck »sonderbare Gestalt«, dessen er sich bediente, war sehr zutreffend und sagte eher zu wenig als zu viel. Indem sie langsam nähergeritten kam, machte sie in kurzen, fast genau abgemessenen Zeiträumen die regelmäßigsten Pendelbewegungen auf dem Pferde, jetzt mit den Beinen weit nach hinten und den Kopf vornüber gesunken, dann rasch mit demselben nach hinten und mit den beiden Beinen nach vorn. Der Körper war in einen langen, weiten Regenmantel und der Kopf in ein großes Wiener Saloppentuch gehüllt, dessen Zipfel bis auf den Rücken des Pferdes herunter fiel. An den Füßen trug die Figur Zeugstiefeletten; über die eine Schulter hing eine Flinte, und unter dem grauen Mantel schien ein Säbel zu stecken. Das Gesicht, welches

aus dem Tuche hervorblickte, war bartlos, voll und rot, so daß man, besonders bei dieser Art sich zu kleiden, jetzt wirklich nicht zu sagen vermochte, ob ein Maskulinum oder Femininum da auf dem langsamen, hagern Klepper saß. Und das Alter des rätselhaften Wesens? War diese Frau ein männlicher Mensch, so mochte er fünfunddreißig Jahre zählen; war dieser Mann aber eine Dame, so stand sie sicher im Anfange der Vierzig. Jetzt war sie bei den Tischen angekommen, hielt das Pferd an und grüßte in hohem Kopf- oder Fisteltone:

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