Im Westen nichts Neues / На Западном фронте без перемен. Книга для чтения на немецком языке - Эрих Мария Ремарк 11 стр.


Jetzt steht er auf, unauffällig kriecht er durch den Raum, verweilt einen Augenblick und rutscht dann dem Ausgang zu. Ich lege mich herum und frage: »Wo willst du hin?«

»Ich bin gleich wieder da«, sagt er und will an mir vorbei. »Warte doch noch, das Feuer lässt schon nach.«

Er horcht auf, und das Auge wird einen Moment klar. Dann hat es wieder den trüben Glanz wie bei einem tollwütigen Hund, er schweigt und drängt mich fort. »Eine Minute, Kamerad!« rufe ich.

Kat wird aufmerksam. Gerade als der Rekrut mich fortstößt, packt er zu, und wir halten ihn fest.

Sofort beginnt er zu toben: »Lasst mich los, lasst mich raus, ich will hierraus!«

Er hört auf nichts und schlägt um sich, der Mund ist nass und sprüht Worte, halbverschluckte, sinnlose Worte. Es ist ein Anfall von Unterstandsangst, er hat das Gefühl, hier zu ersticken, und kennt nur den einen Trieb: hinauszugelangen. Wenn man ihn laufen ließe, würde er ohne Deckung irgendwohin rennen. Er ist nicht der erste.

Da er sehr wild ist und die Augen sich schon verdrehen, so hilft es nichts, wir müssen ihn verprügeln, damit er vernünftig wird. Wir tun es schnell und erbarmungslos und erreichen, dass er vorläufig wieder ruhig sitzt. Die andern sind bleich bei der Geschichte geworden; hoffentlich schreckt es sie ab. Dieses Trommelfeuer ist zuviel für die armen Kerle; sie sind vom Feldrekrutendepot gleich in einen Schlamassel geraten, der selbst einem alten Mann graue Haare machen könnte.

Die stickige Luft fällt uns nach diesem Vorgang noch mehr auf die Nerven. Wir sitzen wie in unserm Grabe und warten nur darauf, dass wir zugeschüttet werden. Plötzlich heult und blitzt es ungeheuer, der Unterstand kracht in allen Fugen* unter einem Treffer, glücklicherweise einem leichten, dem die Betonklötze standgehalten haben. Es klirrt metallisch und fürchterlich, die Wände wackeln, Gewehre, Helme, Erde, Dreck und Staub fliegen. Schwefeliger* Qualm dringt ein. Wenn wir statt in dem festen Unterstand in einem der leichten Dinger säßen, wie sie neuerdings gebaut werden, lebte jetzt keiner mehr.

Die Wirkung ist aber auch so schlimm genug. Der Rekrut von vorhin tobt schon wieder, und zwei andere schließen sich an. Einer reißt aus und läuft weg. Wir haben Mühe mit den beiden andern. Ich stürze hinter dem Flüchtenden her und überlege, ob ich ihm in die Beine schießen soll; da pfeift es heran, ich werfe mich hin, und als ich aufstehe, ist die Grabenwand mit heißen Splittern, Fleischfetzen und Uniformlappen bepflastert. Ich klettere zurück.

Der erste scheint wirklich verrückt geworden zu sein. Er rennt mit dem Kopf wie ein Bock gegen die Wand, wenn man ihn loslässt. Wir werden nachts versuchen müssen, ihn nach hinten zu bringen. Vorläufig binden wir ihn so fest, dass man ihn beim Angriff sofort wieder losmachen kann.

Kat schlägt vor, Skat zu spielen; was soll man tun, vielleicht ist es leichter dann. Aber es wird nichts daraus, wir lauschen auf jeden Einschlag, der näher ist, und verzählen uns bei den Stichen oder bedienen nicht die Farbe. Wir müssen es lassen. Wie in einem gewaltig dröhnenden Kessel sitzen wir, auf den von allen Seiten losgeschlagen wird.

Noch eine Nacht. Wir sind jetzt stumpf vor Spannung. Es ist eine tödliche Spannung, die wie ein schartiges Messer unser Rückenmark* entlang kratzt. Die Beine wollen nicht mehr, die Hände zittern, der Körper ist eine dünne Haut über mühsam unterdrücktem Wahnsinn, über einem gleich hemmungslos ausbrechenden Gebrüll ohne Ende. Wir haben kein Fleisch und keine Muskeln mehr, wir können uns nicht mehr ansehen, aus Furcht vor etwas Unberechenbarem. So pressen wir die Lippen aufeinander es wird vorübergehen es wird vorübergehen vielleicht kommen wir durch.

* * *

Mit einem Male hören die nahen Einschläge auf. Das Feuer dauert an, aber es ist zurückverlegt, unser Graben ist frei. Wir greifen nach den Handgranaten, werfen sie vor den Unterstand und springen hinaus. Das Trommelfeuer hat aufgehört, dafür liegt hinter uns ein schweres Sperrfeuer. Der Angriff ist da.

Niemand würde glauben, dass in dieser zerwühlten Wüste noch Menschen sein könnten; aber jetzt tauchen überall aus dem Graben die Stahlhelme auf, und fünfzig Meter von uns entfernt ist schon ein Maschinengewehr in Stellung gebracht, das gleich losbellt.

Die Drahtverhaue* sind zerfetzt. Immerhin halten sie noch etwas auf. Wir sehen die Stürmenden kommen. Unsere Artillerie funkt. Maschinengewehre knarren, Gewehre knattern. Von drüben arbeiten sie sich heran. Haie und Kropp beginnen mit den Handgranaten. Sie werfen, so rasch sie können, die Stiele* werden ihnen abgezogen, zugereicht. Haie wirft sechzig Meter weit, Kropp fünfzig, das ist ausprobiert und wichtig. Die von drüben können im Laufen nicht viel eher etwas machen, als bis sie auf dreißig Meter heran sind.

Wir erkennen die verzerrten Gesichter, die flachen Helme, es sind Franzosen. Sie erreichen die Reste des Drahtverhaus und haben schon sichtbare Verluste. Eine ganze Reihe wird von dem Maschinengewehr neben uns umgelegt; dann haben wir viele Ladehemmungen*, und sie kommen näher.

Ich sehe einen von ihnen in einen spanischen Reiter stürzen, das Gesicht hoch erhoben. Der Körper sackt zusammen, die Hände bleiben hängen, als wollte er beten. Dann fällt der Körper ganz weg, und nur noch die abgeschossenen Hände mit den Armstümpfen hängen im Draht.

Im Augenblick, als wir zurückgehen, heben sich vorn drei Gesichter vom Boden. Unter einem der Helme ein dunkler Spitzbart und zwei Augen, die fest auf mich gerichtet sind. Ich hebe die Hand, aber ich kann nicht werfen in diese sonderbaren Augen, einen verrückten Moment lang rast die ganze Schlacht wie ein Zirkus um mich und diese beiden Augen, die allein bewegungslos sind, dann reckt sich drüben der Kopf auf, eine Hand, eine Bewegung, und meine Handgranate fliegt hinüber, hinein.

Wir laufen zurück, reißen spanische Reiter in den Graben und lassen abgezogene Handgranaten hinter uns fallen, die uns einen feurigen Rückzug sichern. Von der nächsten Stellung aus feuern die Maschinengewehre.

Aus uns sind gefährliche Tiere geworden. Wir kämpfen nicht, wir verteidigen uns vor der Vernichtung. Wir schleudern die Granaten nicht gegen Menschen, was wissen wir im Augenblick davon, dort hetzt mit Händen und Helmen der Tod hinter uns her, wir können ihm seit drei Tagen zum ersten Male ins Gesicht sehen, wir können uns seit drei Tagen zum ersten Male wehren gegen ihn, wir haben eine wahnsinnige Wut, wir liegen nicht mehr ohnmächtig wartend auf dem Schafott*, wir können zerstören und töten, um uns zu retten und zu rächen.

Wir hocken hinter jeder Ecke, hinter jedem Stacheldrahtgestell und werfen den Kommenden Bündel von Explosionen vor die Füße, ehe wir forthuschen. Das Krachen der Handgranaten schießt kraftvoll in unsere Arme, in unsere Beine, geduckt wie Katzen laufen wir, überschwemmt von dieser Welle, die uns trägt, die uns grausam macht, zu Wegelagerern, zu Mördern, zu Teufeln meinetwegen, dieser Welle, die unsere Kraft vervielfältigt in Angst und Wut und Lebensgier, die uns Rettung sucht und erkämpft. Käme dein Vater mit denen drüben, du würdest nicht zaudern, ihm die Granate gegen die Brust zu werfen!

Die vorderen Gräben werden aufgegeben. Sind es noch Gräben? Sie sind zerschossen, vernichtet es sind nur einzelne Grabenstücke, Löcher, verbunden durch Laufgänge, Trichternester, nicht mehr. Aber die Verluste derer von drüben häufen sich. Sie haben nicht mit so viel Widerstand gerechnet.

* * *

Es wird Mittag. Die Sonne brennt heiß, uns beißt der Schweiß in die Augen, wir wischen ihn mit dem Ärmel weg, manchmal ist Blut dabei. Der erste etwas besser erhaltene Graben taucht auf. Er ist besetzt und vorbereitet zum Gegenstoß, er nimmt uns auf. Unsere Artillerie setzt mächtig ein und riegelt den Vorstoß ab.

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Es wird Mittag. Die Sonne brennt heiß, uns beißt der Schweiß in die Augen, wir wischen ihn mit dem Ärmel weg, manchmal ist Blut dabei. Der erste etwas besser erhaltene Graben taucht auf. Er ist besetzt und vorbereitet zum Gegenstoß, er nimmt uns auf. Unsere Artillerie setzt mächtig ein und riegelt den Vorstoß ab.

Die Linien hinter uns stocken. Sie können nicht vorwärts. Der Angriff wird zerfetzt durch unsere Artillerie. Wir lauern. Das Feuer springt hundert Meter weiter, und wir brechen wieder vor. Neben mir wird einem Gefreiten der Kopf abgerissen. Er läuft noch einige Schritte, während das Blut ihm wie ein Springbrunnen aus dem Halse schießt.

Es kommt nicht ganz zum Handgemenge, die andern müssen zurück. Wir erreichen unsere Grabenstücke wieder und gehen darüber hinaus vor.

Oh, dieses Umwenden! Man hat die schützenden Reservestellungen erreicht, man möchte hindurchkriechen, verschwinden; und muss sich umdrehen und wieder in das Grauen hinein. Wären wir keine Automaten in diesem Augenblick, wir blieben liegen, erschöpft, willenlos. Aber wir werden wieder mit vorwärts gezogen, willenlos und doch wahnsinnig wild und wütend, wir wollen töten, denn das dort sind unsere Todfeinde jetzt, ihre Gewehre und Granaten sind gegen uns gerichtet, vernichten wir sie nicht, dann vernichten sie uns!

Die braune Erde, die zerrissene, zerborstene braune Erde, fettig unter den Sonnenstrahlen schimmernd, ist der Hintergrund rastlos dumpfen Automatentunis, unser Keuchen ist das Abschnarren der Feder, die Lippen sind trocken, der Kopf ist wüster als nach einer durchsoffenen Nacht so taumeln wir vorwärts, und in unsere durchsiebten, durchlöcherten Seelen bohrt sich quälend eindringlich das Bild der braunen Erde mit der fettigen Sonne und den zuckenden und toten Soldaten, die da liegen, als müsste es so sein, die nach unsern Beinen greifen und schreien, während wir über sie hinwegspringen.

Wir haben alles Gefühl füreinander verloren, wir kennen uns kaum noch, wenn das Bild des andern in unseren gejagten Blick fällt. Wir sind gefühllose Tote, die durch einen Trick, einen gefährlichen Zauber noch laufen und töten können.

Ein junger Franzose bleibt zurück, er wird erreicht, hebt die Hände, in einer hat er noch den Revolver man weiß nicht, will er schießen oder sich ergeben , ein Spatenschlag spaltet ihm das Gesicht. Ein zweiter sieht es und versucht, weiterzuflüchten, ein Bajonett zischt ihm in den Rücken. Er springt hoch, und die Arme ausgebreitet, den Mund schreiend weit offen, taumelt er davon, in seinem Rücken schwankt das Bajonett. Ein dritter wirft das Gewehr weg, kauert sich nieder, die Hände vor den Augen. Er bleibt zurück mit einigen andern Gefangenen, um Verwundete fortzutragen.

Plötzlich geraten wir in der Verfolgung an die feindlichen Stellungen.

Wir sind so dicht hinter den weichenden Gegnern, dass es uns gelingt, fast gleichzeitig mit ihnen anzulangen. Dadurch haben wir wenig Verluste. Ein Maschinengewehr kläfft, wird aber durch eine Handgranate erledigt. Immerhin haben die paar Sekunden für fünf Bauchschüsse bei uns ausgereicht. Kat schlägt einem der unverwundet gebliebenen Maschinengewehrschützen mit dem Kolben das Gesicht zu Brei. Die andern erstechen wir, ehe sie ihre Handgranaten heraus haben. Dann saufen wir durstig das Kühlwasser aus.

Überall knacken Drahtzangen, poltern Bretter über die Verhaue, springen wir durch die schmalen Zugänge in die Gräben. Haie stößt einem riesigen Franzosen seinen Spaten in den Hals und wirft die erste Hand-granate; wir ducken uns einige Sekunden hinter einer Brustwehr, dann ist das gerade Stück des Grabens vor uns leer. Schräg über die Ecke zischt der nächste Wurf und schafft freie Bahn, im Vorbeilaufen fliegen geballte Ladungen in die Unterstände, die Erde ruckt, es kracht, dampft und stöhnt, wir stolpern über glitschige Fleischfetzen, über weiche Körper, ich falle in einen zerrissenen Bauch, auf dem ein neues, sauberes Offizierskäppi liegt.

Das Gefecht stockt. Die Verbindung mit dem Feinde reißt ab. Da wir uns hier nicht lange halten können, werden wir unter dem Schütze unserer Artillerie zurückgenommen auf unsere Stellung. Kaum wissen wir es, als wir in größter Eile noch in die nächsten Unterstände stürzen, um von Konserven an uns zu reißen, was wir gerade sehen, vor allem die Büchsen mit Corned beef* und Butter, ehe wir türmen.

Wir kommen gut zurück. Es erfolgt vorläufig kein weiterer Angriff von drüben. Über eine Stunde liegen wir, keuchen und ruhen uns aus, ehe jemand spricht. Wir sind so völlig ausgepumpt, dass wir trotz unseres starken Hungers nicht an die Konserven denken. Erst allmählich werden wir wieder so etwas wie Menschen.

Das Corned beef von drüben ist an der ganzen Front berühmt. Es ist mitunter sogar der Hauptgrund zu einem überraschenden Vorstoß von unserer Seite, denn unsere Ernährung ist im allgemeinen schlecht; wir haben ständig Hunger.

Insgesamt haben wir fünf Büchsen geschnappt. Die Leute drüben werden ja verpflegt, das ist eine Pracht gegen uns Hungerleider mit unserer Rübenmarmelade, das Fleisch steht da nur so herum, man braucht bloß danach zu greifen. Haie hat außerdem ein dünnes französisches Weißbrot erwischt und hinter sein Koppel geschoben wie einen Spaten. An einer Ecke ist es ein bisschen blutig, doch das lässt sich abschneiden.

Es ist ein Glück, dass wir jetzt gut zu essen haben; wir werden unsere Kräfte noch brauchen. Sattessen ist ebenso wertvoll wie ein guter Unterstand; deshalb sind wir so gierig danach, denn es kann uns das Leben retten.

Tjaden hat noch zwei Feldflaschen Kognak erbeutet. Wir lassen sie reihum gehen.

* * *

Der Abendsegen beginnt. Die Nacht kommt, aus den Trichtern steigen Nebel. Es sieht aus, als wären die Löcher von gespenstigen Geheimnissen erfüllt. Der weiße Dunst kriecht angstvoll umher, ehe er wagt, über den Rand hinwegzugleiten. Dann ziehen lange Streifen von Trichter zu Trichter.

Es ist kühl. Ich bin auf Posten und starre in die Dunkelheit. Mir ist schwach zumute, wie immer nach einem Angriff, und deshalb wird es mir schwer, mit meinen Gedanken allein zu sein. Es sind keine eigentlichen Gedanken; es sind Erinnerungen, die mich in meiner Schwäche jetzt heimsuchen und mich sonderbar stimmen.

Die Leuchtschirme gehen hoch und ich sehe ein Bild, einen Sommerabend, wo ich im Kreuzgang des Domes bin und auf hohe Rosenbüsche schaue, die in der Mitte des kleinen Kreuzgartens blühen, in dem die Domherren begraben werden. Rundum stehen die Steinbilder der Stationen des Rosenkranzes. Niemand ist da; eine große Stille hält dieses blühende Viereck umfangen, die Sonne liegt warm auf den dicken grauen Steinen, ich lege meine Hand darauf und fühle die Wärme. Über der rechten Ecke des Schieferdaches strebt der grüne Domturm in das matte, weiche Blau des Abends. Zwischen den beglänzten kleinen Säulen der umlaufenden Kreuzgänge ist das kühle Dunkel, das nur Kirchen haben, und ich stehe dort und denke daran, dass ich mit zwanzig Jahren die verwirrenden Dinge kennen werde, die von den Frauen kommen.

Das Bild ist bestürzend nahe, es rührt mich an, ehe es unter dem Aufflammen der nächsten Leuchtkugel zergeht.

Ich fasse mein Gewehr und rücke es zurecht. Der Lauf ist feucht, ich lege meine Hand fest darum und zerreibe die Feuchtigkeit mit den Fingern.

Zwischen den Wiesen hinter unserer Stadt erhob sich an einem Bach eine Reihe von alten Pappeln. Sie waren weithin sichtbar, und obschon sie nur auf einer Seite standen, hießen sie die Pappelallee. Schon als Kinder hatten wir eine Vorliebe für sie, unerklärlich zogen sie uns an, ganze Tage verbrachten wir bei ihnen und hören ihrem leisen Rauschen zu. Wir saßen unter ihnen am Ufer des Baches und ließen die Füße in die hellen, eiligen Wellen hängen. Der reine Duft des Wassers und die Melodie des Windes in den Pappeln beherrschten unsere Phantasie. Wir liebten sie sehr, und das Bild dieser Tage lässt mir jetzt noch das Herz klopfen, ehe es wieder geht.

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