Fauteuil, der Armstuhl, Lehnsessel
Habseligkeiten, die jemandes Besitz, der nur aus ein paar (meist wenig wertvollen) Dingen besteht
waten einsinkend gehen, durchs Wasser
Tetanusspritze, die eine Injektion gegen Wundstarrkrampf (eine Krankheit, bei der nach der Infektion einer Wunde Muskelkrämpfe, Fieber und Atemnot auftreten)
Mucks, der meist in keinen Mucks machen / sagen (gespr.) kein Wort sagen und kein Geräusch machen
Hand voll, die eine kleine Menge oder Anzahl
Folterknecht, der jemand, der die Folter (höchste Pein, Qual) ausführt
Blamage, die ein Vorfall oder eine Angelegenheit, die für jemanden sehr peinlich ist
Herbesthal ein Ort
einduseln eindämmern, in einen Halbschlaf geraten
Litanei, die ein Gebet, bei dem einmal der Priester und einmal die Leute in der Kirche sprechen
Heide, der jemand, der keiner der großen Religionen angehört
Jagdschein, der das Attestat über die Unzurechnungsfähigkeit
etwas in Anspruch nehmen etwas (das man angeboten bekommen hat) für sich nutzen, gebrauchen
Fiebertafel, die schriftlich festgehaltene Werte der Fiebermessungen
Fimmel, der eine übertriebene Leidenschaft oder eine komische Gewohnheit
Klumpfuß, der eine Fußkrankheit; Missbildung des Fußes, die Fußsohle ist nach innen und oben gewendet
Karnickel, das Kaninchen; Versuchskaninchen, das jemand, an dem man etwas (besonders Medikamente) testet
Schreikrampf, der ein langes, lautes Schreien, das man nicht beenden kann (meist wegen einer extremen psychischen Belastung)
Rechenschaft, die ein Bericht darüber, warum man etwas getan hat oder wie man seine Pflicht erfüllt hat
Kreuz-Solo, der eine Kombintion von bestimmten Karten beim Skatspielen
Zanderinstitut, das das Institut für Heilgymnastik, benannt nach Gustav Zander, schwedischem Arzt, der Geräte zur Behandlung der Wirbelsäule (Zanderapparate) erfunden hat
Krepppapier, das ein raues (elastisches) Papier mit vielen kleinen Falten
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Wir zählen die Wochen nicht mehr. Es war Winter, als ich ankam, und bei den Einschlägen der Granaten wurden die gefrorenen Erdklumpen fast ebenso gefährlich wie die Splitter. Jetzt sind die Bäume wieder grün. Unser Leben wechselt zwischen Front und Baracken. Wir sind es teilweise schon gewohnt, der Krieg ist eine Todesursache wie Krebs und Tuberkulose, wie Grippe und Ruhr. Die Todesfälle sind nur viel häufiger, verschiedenartiger und grausamer.
Unsere Gedanken sind Lehm, sie werden geknetet vom Wechsel der Tage sie sind gut, wenn wir Ruhe haben, und tot, wenn wir im Feuer liegen. Trichterfelder draußen und drinnen.
Alle sind so, nicht wir hier allein was früher war, gilt nicht, und man weiß es auch wirklich nicht mehr. Die Unterschiede, die Bildung und Erziehung schufen, sind fast verwischt und kaum noch zu erkennen. Sie geben manchmal Vorteile im Ausnutzen einer Situation; aber sie bringen auch Nachteile mit sich, indem sie Hemmungen wachrufen, die erst überwunden werden müssen. Es ist, als ob wir früher einmal Geldstücke verschiedener Länder gewesen wären; man hat sie eingeschmolzen, und alle haben jetzt denselben Prägestempel. Will man Unterschiede erkennen, dann muss man schon genau das Material prüfen. Wir sind Soldaten und erst später auf eine sonderbare und verschämte Weise noch Einzelmenschen.
Es ist eine große Brüderschaft, die ein Schimmer von dem Kameradentum der Volkslieder, dem Solidaritätsgefühl von Sträflingen und dem verzweifelten Einanderbeistehen von zum Tode Verurteilten seltsam vereinigt zu einer Stufe von Leben, das mitten in der Gefahr, aus der Anspannung und Verlassenheit des Todes sich abhebt und zu einem flüchtigen Mitnehmen der gewonnenen Stunden wird, auf gänzlich unpathetische Weise. Es ist heroisch und banal, wenn man es werten wollte doch wer will das?
Es ist darin enthalten, wenn Tjaden bei einem gemeldeten feindlichen Angriff in rasender Hast seine Erbsensuppe mit Speck auslöffelt, weil er ja nicht weiß, ob er in einer Stunde noch lebt. Wir haben lange darüber diskutiert, ob es richtig sei oder nicht. Kat verwirft es, weil er sagt, man müsse mit einem Bauchschuss rechnen, der bei vollem Magen gefährlicher sei als bei leerem.
Solche Dinge sind Probleme für uns, sie sind uns ernst, und es kann auch nicht anders sein. Das Leben hier an der Grenze des Todes hat eine ungeheuer einfache Linie, es beschränkt sich auf das Notwendigste, alles andere liegt in dumpfem Schlaf; das ist unsere Primitivität und unsere Rettung. Wären wir differenzierter, wir wären längst irrsinnig, desertiert oder gefallen. Es ist wie eine Expedition im hohen Eise; jede Lebensäußerung darf nur der Daseinserhaltung dienen und ist zwangsläufig darauf eingestellt. Alles andere ist verbannt, weil es unnötig Kraft verzehren würde. Das ist die einzige Art, uns zu retten, und oft sitze ich vor mir selber wie vor einem Fremden, wenn der rätselhafte Widerschein des Früher in stillen Stunden wie ein matter Spiegel die Umrisse meines jetzigen Daseins außer mich stellt, und ich wundere mich dann darüber, wie das unnennbare Aktive, das sich Leben nennt, sich angepasst hat selbst an diese Form. Alle anderen Äußerungen liegen im Winterschlaf, das Leben ist nur auf einer ständigen Lauer gegen die Bedrohung des Todes, es hat uns zu denkenden Tieren gemacht, um uns die Waffe des Instinktes zu geben, es hat uns mit Stumpfheit durchsetzt, damit wir nicht zerbrechen vor dem Grauen, das uns bei klarem, bewusstem Denken überfallen würde, es hat in uns den Kameradschaftssinn geweckt, damit wir dem Abgrund der Verlassenheit entgehen, es hat uns die Gleichgültigkeit von Wilden verliehen, damit wir trotz allem jeden Moment des Positiven empfinden und als Reserve aufspeichern gegen den Ansturm des Nichts. So leben wir ein geschlossenes, hartes Dasein äußerster Oberfläche, und nur manchmal wirft ein Ereignis Funken. Dann aber schlägt überraschend eine Flamme schwerer und furchtbarer Sehnsucht durch.
Das sind die gefährlichen Augenblicke, die uns zeigen, dass die Anpassung doch nur künstlich ist, dass sie nicht einfach Ruhe ist, sondern schärfste Anspannung zur Ruhe. Wir unterscheiden uns äußerlich in der Lebensform kaum von Buschnegern; aber während diese stets so sein können, weil sie eben so sind und sich durch Anspannung ihrer Geisteskräfte höchstens fortentwickeln, ist es bei uns umgekehrt: unsere inneren Kräfte sind nicht auf Weiter-, sondern auf Zurückentwicklung angespannt. Jene sind entspannt und selbstverständlich so, wir sind es äußerst angespannt und künstlich. Und mit Schrecken empfindet man nachts, aus einem Traum aufwachend, überwältigt und preisgegeben der Bezauberung heranflutender Gesichte, wie dünn der Hak und die Grenze ist, die uns von der Dunkelheit trennt wir sind kleine Flammen, notdürftig geschützt durch schwache Wände vor dem Sturm der Auflösung und der Sinnlosigkeit, in dem wir flackern und manchmal fast ertrinken. Dann wird das gedämpfte Brausen der Schlacht zu einem Ring, der uns einschließt, wir kriechen in uns zusammen und starren mit großen Augen in die Nacht. Tröstlich fühlen wir nun den Schlafatem der Kameraden, und so warten wir auf den Morgen.
* * *Jeder Tag und jede Stunde, jede Granate und jeder Tote wetzen an diesem dünnen Halt, und die Jahre verschleißen ihn rasch. Ich sehe, wie er allmählich schon um mich herum niederbricht. Da ist die dumme Geschichte mit Detering.
Jeder Tag und jede Stunde, jede Granate und jeder Tote wetzen an diesem dünnen Halt, und die Jahre verschleißen ihn rasch. Ich sehe, wie er allmählich schon um mich herum niederbricht. Da ist die dumme Geschichte mit Detering.
Er war einer von denen, die sich sehr für sich hielten. Sein Unglück war, dass er in einem Garten einen Kirschbaum sah. Wir kamen gerade von der Front, und dieser Kirschbaum stand in der Nähe des neuen Quartiers an einer Wegbiegung überraschend in der Morgendämmerung vor uns. Er hatte keine Blätter, aber er war ein einziger weißer Blütenbusch.
Abends war Detering nicht zu sehen. Er kam schließlich an und hatte ein paar Zweige mit Kirschblüten in der Hand. Wir machten uns lustig und fragten, ob er auf Brautschau wolle. Er gab keine Antwort, sondern legte sich auf sein Bett. Nachts hörte ich ihn rumoren, er schien zu packen. Ich witterte Unheil und ging zu ihm. Er tat, als wäre nichts, und ich sagte ihm: »Mach keinen Unsinn, Detering.«
»Ach wo ich kann nur nicht schlafen.«
»Weshalb hast du denn die Kirschzweige geholt?«
»Ich werde doch wohl noch Kirschzweige holen dürfen«, antwortet er verstockt und nach einer Weile: »Zu Hause habe ich einen großen Obstgarten mit Kirschen. Wenn die blühen, sieht das vom Heuboden aus wie ein einziges Bettlaken, so weiß. Es ist jetzt die Zeit.«
»Vielleicht gibts bald Urlaub. Es kann auch sein, dass du, als Landwirt, abkommandiert wirst.«
Er nickt, aber er ist abwesend. Wenn diese Bauern aufgerührt sind, haben sie einen sonderbaren Ausdruck, eine Mischung von Kuh und sehnsüchtigem Gott, halb blöde und halb hinreißend. Um ihn von seinen Gedanken abzubringen, verlange ich ein Stück Brot von ihm. Er gibt es mir ohne Einschränkung. Das ist verdächtig, denn er ist sonst knauserig. Deshalb bleibe ich wach. Es passiert nichts, er ist morgens wie sonst.
Wahrscheinlich hat er gemerkt, dass ich ihn beobachtet habe. Am übernächsten Morgen ist er trotzdem fort. Ich sehe es, sage jedoch nichts, um ihm Zeit zu lassen, vielleicht kommt er durch. Nach Holland haben es schon verschiedene Leute geschafft.
Beim Appell aber fällt sein Fehlen auf. Nach einer Woche hören wir, dass er gefasst ist von den Feldgendarmen, diesen verachteten Kommisspolizisten. Er hatte die Richtung nach Deutschland genommen das war natürlich aussichtslos , und ebenso natürlich hatte er alles sehr dumm angefangen. Jeder hätte daraus wissen können, dass die Flucht nur Heimweh und momentane Verwirrung war. Doch was begreifen Kriegsgerichtsräte hundert Kilometer hinter der Linie davon? Wir haben nichts mehr von Detering vernommen.
* * *Aber auch auf andere Weise bricht es manchmal heraus, dieses Gefährliche, Gestaute wie aus überhitzten Dampfkesseln. Da ist auch noch das Ende zu berichten, das Berger fand.
Schon lange sind unsere Gräben zerschossen, und wir haben die elastische Front, so dass wir eigentlich keinen richtigen Stellungskrieg mehr führen. Wenn Angriff und Gegenangriff hin und her gegangen sind, bleibt eine zerrissene Linie und ein erbitterter Kampf von Trichter zu Trichter. Die vordere Linie ist durchbrochen, und überall haben sich Gruppen festgesetzt, Trichternester, von denen aus gekämpft wird.
Wir sind in einem Trichter, seitlich sitzen Engländer, sie rollen die Flanke* auf und gelangen hinter uns. Wir sind umzingelt*. Es ist schwierig, sich zu ergeben, Nebel und Rauch schwanken über uns hin, niemand würde erkennen, dass wir kapitulieren wollen, vielleicht wollen wir es auch gar nicht, das weiß man selbst nicht in solchen Momenten. Wir hören die Explosionen der Handgranaten herankommen. Unser Maschinengewehr bestreicht den vorderen Halbkreis. Das Kühlwasser verdampft, wir reichen die Kästen eilig herum, jeder pisst hinein, so haben wir wieder Wasser und können weiterfeuern. Aber hinter uns kracht es immer näher. In einigen Minuten sind wir verloren.
Da rast ein zweites Maschinengewehr auf kürzeste Entfernung los. Es steckt im Trichter neben uns, Berger hat es geholt, und nun setzt ein Gegenangriff von hinten ein, wir kommen frei und finden Verbindung nach rückwärts.
Als wir nachher in einigermaßen guter Deckung sind, erzählt einer von den Essenholern, dass ein paar hundert Schritte entfernt ein verwundeter Meldehund* liege.
»Wo?« fragt Berger.
Der andere beschreibt es ihm. Berger geht los, um das Tier zu holen oder es zu erschießen. Noch vor einem halben Jahr hätte er sich nicht darum gekümmert, sondern wäre vernünftig gewesen. Wir versuchen, ihn zurückzuhalten. Doch als er ernsthaft geht, können wir nur sagen: »Verrückt!« und ihn laufenlassen. Denn diese Anfälle von Frontkoller werden gefährlich, wenn man den Mann nicht gleich zu Boden werfen und festhalten kann. Und Berger ist ein Meter achtzig groß, der kräftigste Mann der Kompanie.
Er ist tatsächlich verrückt, denn er muss durch die Feuerwand; aber es ist dieser Blitz, der irgendwo über uns allen lauert, der in ihn eingeschlagen ist und ihn besessen macht. Bei andern ist es so, dass sie zu toben anfangen, dass sie wegrennen, ja einer war da, der sich mit Händen und Füßen und Mund immerfort in die Erde einzugraben versuchte.
Es wird natürlich auch viel simuliert mit solchen Sachen, aber das Simulieren ist ja eigentlich auch schon ein Zeichen. Berger, der den Hund erledigen will, wird mit einem Beckenschuss weggeholt, und einer der Leute, die es tun, kriegt sogar dabei noch eine Gewehrkugel in die Wade.
* * *Müller ist tot. Man hat ihm aus nächster Nähe eine Leuchtkugel in den Magen geschossen. Er lebte noch eine halbe Stunde bei vollem Verstande und furchtbaren Schmerzen. Bevor er starb, übergab er mir seine Brieftasche und vermachte mir seine Stiefel dieselben, die er damals von Kemmerich geerbt hat. Ich trage sie, denn sie passen mir gut. Nach mir wird Tjaden sie bekommen, ich habe sie ihm versprochen.
Wir haben Müller zwar begraben können, aber lange wird er wohl nicht ungestört bleiben. Unsere Linien werden zurückgenommen. Es gibt drüben zu viele frische englische und amerikanische Regimenter. Es gibt zuviel Corned beef und weißes Weizenmehl. Und zuviel neue Geschütze. Zuviel Flugzeuge.
Wir aber sind mager und ausgehungert. Unser Essen ist so schlecht und mit so viel Ersatzmitteln gestreckt, dass wir krank davon werden. Die Fabrikbesitzer in Deutschland sind reiche Leute geworden uns zerschrinnt die Ruhr die Därme. Die Latrinenstangen sind stets dicht gehockt voll; man sollte den Leuten zu Hause diese grauen, gelben, elenden, ergebenen Gesichter hier zeigen, diese verkrümmten Gestalten, denen die Kolik das Blut aus dem Leibe quetscht und die höchstens mit verzerrten, noch schmerzbebenden Lippen sich angrinsen: »Es hat gar keinen Zweck, die Hose wieder hochzuziehen «
Unsere Artillerie ist ausgeschossen sie hat zuwenig Munition , und die Rohre sind so ausgeleiert, dass sie unsicher schießen und bis zu uns herüberstreuen. Wir haben zuwenig Pferde. Unsere frischen Truppen sind blutarme, erholungsbedürftige Knaben, die keinen Tornister tragen können, aber zu sterben wissen. Zu Tausenden. Sie verstehen nichts vom Kriege, sie gehen nur vor und lassen sich abschießen. Ein einziger Flieger knallte aus Spaß zwei Kompanien von ihnen weg, ehe sie etwas von Deckung wussten, als sie frisch aus dem Zuge kamen.
»Deutschland muss bald leer sein«, sagt Kat.
Wir sind ohne Hoffnung, dass einmal ein Ende sein könnte. Wir denken überhaupt nicht so weit. Man kann einen Schuss bekommen und tot sein; man kann verletzt werden, dann ist das Lazarett die nächste Station. Ist man nicht amputiert, dann fällt man über kurz oder lang einem dieser Stabsärzte in die Hände, die das Kriegsverdienstkreuz im Knopfloch, einem sagen: »Wie, das bisschen verkürzte Bein? An der Front brauchen Sie nicht zu laufen, wenn Sie Mut haben. Der Mann ist k.v.* Wegtreten!«