Im Westen nichts Neues / На Западном фронте без перемен. Книга для чтения на немецком языке - Эрих Мария Ремарк 26 стр.


Kat erzählt eine der Geschichten, die die ganze Front von den Vogesen bis Flandern entlanglaufen, von dem Stabsarzt, der Namen vorliest auf der Musterung und, wenn der Mann vortritt, ohne aufzusehen, sagt: »K.v. Wir brauchen Soldaten draußen.« Ein Mann mit Holzbein tritt vor, der Stabsarzt sagt wieder: k.v. »Und da«, Kat hebt die Stimme, »sagt der Mann zu ihm: >Ein Holzbein habe ich schon; aber wenn ich jetzt hinausgehe und wenn man mir den Kopf abschießt, dann lasse ich mir einen Holzkopf machen und werde Stabsarzt!<« Wir sind alle tief befriedigt über diese Antwort.

Es mag gute Ärzte geben, und viele sind es; doch einmal fällt bei den hundert Untersuchungen jeder Soldat einem dieser zahlreichen Heldengreifer in die Finger, die sich bemühen, auf ihrer Liste möglichst viele a.v*. und g.v*. in k.v. zu verwandeln.

Es gibt manche solcher Geschichten, sie sind meistens noch viel bitterer. Aber sie haben trotzdem nichts mit Meuterei und Miesmachen zu tun; sie sind ehrlich und nennen die Dinge beim Namen; denn es besteht sehr viel Betrug, Ungerechtigkeit und Gemeinheit beim Kommiss. Ist es nicht viel, dass trotzdem Regiment auf Regiment in den immer aussichtsloser werdenden Kampf geht und dass Angriff auf Angriff erfolgt bei zurückweichender, zerbröckelnder Linie?

Die Tanks sind vom Gespött zu einer schweren Waffe geworden. Sie kommen, gepanzert, in langer Reihe gerollt und verkörpern uns mehr als anderes das Grauen des Krieges.

Die Geschütze, die uns das Trommelfeuer herüberschicken, sehen wir nicht, die angreifenden Linien der Gegner sind Menschen wie wir aber diese Tanks sind Maschinen, ihre Kettenbänder laufen endlos wie der Krieg, sie sind die Vernichtung, wenn sie fühllos in Trichter hineinrollen und wieder hochklettern, unaufhaltsam, eine Flotte brüllender, rauchspeiender Panzer, unverwundbare, Tote und Verwundete zerquetschende Stahltiere Wir schrumpfen zusammen vor ihnen in unserer dünnen Haut, vor ihrer kolossalen Wucht werden unsere Arme zu Strohhalmen und unsere Handgranaten zu Streichhölzern.

Granaten, Gasschwaden und Tankflottillen Zerstampfen, Zerfressen, Tod.

Ruhr, Grippe, Typhus Würgen, Verbrennen, Tod. Graben, Lazarett, Massengrab mehr Möglichkeiten gibt es nicht.

Bei einem Angriff fällt unser Kompanieführer Bertinck. Er war einer dieser prachtvollen Frontoffiziere, die in jeder brenzligen Situation vorne sind. Seit zwei Jahren war er bei uns, ohne dass er verwundet wurde, da musste ja endlich etwas passieren. Wir sitzen in einem Loch und sind eingekreist. Mit den Pulverschwaden weht der Gestank von Öl oder Petroleum herüber. Zwei Mann mit einem Flammenwerfer werden entdeckt, einer trägt auf dem Rücken den Kasten, der andere hat in den Händen den Schlauch, aus dem das Feuer spritzt. Wenn sie so nahe herankommen, dass sie uns erreichen, sind wir erledigt, denn zurück können wir gerade jetzt nicht. Wir nehmen sie unter Feuer. Doch sie arbeiten sich näher heran, und es wird schlimm. Bertinck liegt mit uns im Loch. Als er merkt, dass wir nicht treffen, weil wir bei dem scharfen Feuer zu sehr auf Deckung bedacht sein müssen, nimmt er ein Gewehr, kriecht aus dem Loch und zielt, liegend aufgestützt. Er schießt im selben Moment schlägt eine Kugel bei ihm klatschend auf, er ist getroffen. Doch er bleibt liegen und zielt weiter einmal setzt er ab und legt dann aufs neue an; endlich kracht der Schuss. Bertinck lässt das Gewehr fallen, sagt: »Gut«, und rutscht zurück. Der hinterste der beiden Flammenwerfer ist verletzt, er fällt, der Schlauch rutscht dem andern weg, das Feuer spritzt nach allen Seiten, und der Mann brennt.

Bertinck hat einen Brustschuss. Nach einer Weile schmettert ihm ein Splitter das Kinn weg. Der gleiche Splitter hat noch die Kraft, Leer die Hüfte aufzureißen. Leer stöhnt und stemmt sich auf die Arme, er verblutet rasch, niemand kann ihm helfen. Wie ein leerlaufender Schlauch sackt er nach ein paar Minuten zusammen. Was nützt es ihm nun, dass er in der Schule ein so guter Mathematiker war.

* * *

Die Monate rücken weiter. Dieser Sommer 1918 ist der blutigste und der schwerste. Die Tage stehen wie Engel in Gold und Blau unfassbar über dem Ring der Vernichtung. Jeder hier weiß, dass wir den Krieg verlieren. Es wird nicht viel darüber gesprochen, wir gehen zurück, wir werden nicht wieder angreifen können nach dieser großen Offensive, wir haben keine Leute und keine Munition mehr.

Doch der Feldzug geht weiter das Sterben geht weiter Sommer 1918 Nie ist uns das Leben in seiner kargen Gestalt so begehrenswert erschienen wie jetzt; der rote Klatschmohn auf den Wiesen unserer Quartiere, die glatten Käfer an den Grashalmen, die warmen Abende in den halbdunklen, kühlen Zimmern, die schwarzen, geheimnisvollen Bäume der Dämmerung, die Sterne und das Fließen des Wassers, die Träume und der lange Schlaf o Leben, Leben, Leben!

Sommer 1918 Nie ist schweigend mehr ertragen worden als in dem Augenblick des Aufbruchs zur Front. Die wilden und aufpeitschenden Gerüchte von Waffenstillstand und Frieden sind aufgetaucht, sie verwirren die Herzen und machen den Aufbruch schwerer als jemals!

Sommer 1918 Nie ist das Leben vorne bitterer und grauenvoller als in den Stunden des Feuers, wenn die bleichen Gesichter im Schmutz liegen und die Hände verkrampft sind zu einem einzigen: Nicht! Nicht! Nicht jetzt noch! Nicht jetzt noch im letzten Augenblick!

Sommer 1918 Wind der Hoffnung, der über die verbrannten Felder streicht, rasendes Fieber der Ungeduld, der Enttäuschung, schmerzlichste Schauer des Todes, unfassbare Frage: Warum? Warum macht man kein Ende? Und warum flattern diese Gerüchte vom Ende auf?

* * *

Es gibt so viele Flieger hier, und sie sind so sicher, dass sie auf einzelne Leute Jagd machen wie auf Hasen. Auf ein deutsches Flugzeug kommen mindestens fünf englische und amerikanische. Auf einen hungrigen, müden deutschen Soldaten im Graben kommen fünf kräftige, frische andere im gegnerischen. Auf ein deutsches Kommissbrot kommen fünfzig Büchsen Fleischkonserven drüben. Wir sind nicht geschlagen, denn wir sind als Soldaten besser und erfahrener; wir sind einfach von der vielfachen Übermacht zerdrückt und zurückgeschoben.

Einige Regenwochen liegen hinter uns grauer Himmel, graue zerfließende Erde, graues Sterben. Wenn wir hinausfahren, dringt uns bereits die Nässe durch die Mäntel und Kleider, und so bleibt es die Zeit vorne auch. Wir werden nicht trocken. Wer noch Stiefel trägt, bindet sie oben mit Sandsäcken zu, damit das Lehmwasser nicht so rasch hineinläuft. Die Gewehre verkrusten, die Uniformen verkrusten, alles ist fließend und aufgelöst, eine triefende, feuchte, ölige Masse Erde, in der die gelben Tümpel* mit spiralig roten Blutlachen stehen und Tote, Verwundete und Überlebende langsam versinken.

Der Sturm peitscht über uns hin, der Splitterhagel reißt aus dem wirren Grau und Gelb die spitzen Kinderschreie der Getroffenen, und in den Nächten stöhnt das zerrissene Leben sich mühsam dem Schweigen zu. Unsere Hände sind Erde, unsere Körper Lehm und unsere Augen Regentümpel. Wir wissen nicht, ob wir noch leben.

Dann stürzt die Hitze wie eine Qualle feucht und schwül in unsere Löcher, und an einem dieser Spätsommertage, beim Essenholen, fällt Kat um. Wir beide sind allein. Ich verbinde seine Wunde; das Schienbein scheint zerschmettert zu sein. Es ist ein Knochenschuss, und Kat stöhnt verzweifelt: »Jetzt noch gerade jetzt noch «

Ich tröste ihn. »Wer weiß, wie lange der Schlamassel noch dauert! Du bist erst mal gerettet «

Die Wunde beginnt heftig durchzubluten. Kat kann nicht allein bleiben, damit ich eine Bahre zu holen versuche. Ich weiß auch nirgendwo eine Sanitätsstation in der Nähe.

КОНЕЦ ОЗНАКОМИТЕЛЬНОГО ОТРЫВКА

Die Wunde beginnt heftig durchzubluten. Kat kann nicht allein bleiben, damit ich eine Bahre zu holen versuche. Ich weiß auch nirgendwo eine Sanitätsstation in der Nähe.

Kat ist nicht sehr schwer; deshalb nehme ich ihn auf den Rücken und gehe zurück mit ihm zum Verbandsplatz.

Zweimal machen wir Rast. Er hat starke Schmerzen durch den Transport. Wir sprechen nicht viel. Ich habe den Kragen meiner Jacke aufgemacht und atme heftig, ich schwitze, und mein Gesicht ist gedunsen von der Anstrengung des Tragens. Trotzdem dränge ich, dass wir weitergehen, denn das Terrain ist gefährlich.

»Gehts wieder, Kat?«

»Muss wohl, Paul.«

»Dann los.«

Ich richte ihn auf, er steht auf dem unverletzten Bein und hält sich an einem Baum fest. Dann fasse ich vorsichtig das verwundete Bein, er gibt sich einen Ruck, und ich nehme auch das Knie des gesunden Beines unter den Arm.

Unser Weg wird schwieriger. Manchmal pfeift eine Granate heran. Ich gehe, so schnell ich vermag, denn das Blut von Kats Wunde tropft zu Boden. Wir können uns nur schlecht schützen vor den Einschlägen, denn ehe wir Deckung nehmen, sind sie längst vorüber. Um abzuwarten, legen wir uns in einen kleinen Trichter. Ich gebe Kat Tee aus meiner Feldflasche. Wir rauchen eine Zigarette. »Ja, Kat«, sage ich trübsinnig, »nun kommen wir doch noch auseinander.«

Er schweigt und sieht mich an.

»Weißt du noch, Kat, wie wir die Gans requirierten? Und wie du mich aus dem Schlamassel holtest, als ich noch ein kleiner Rekrut und zum erstenmal verwundet war? Damals habe ich noch geweint. Kat, es sind fast drei Jahre jetzt.«

Er nickt.

Die Angst vor dem Alleinsein steigt in mir auf. Wenn Kat abtransportiert ist, habe ich keinen Freund mehr hier.

»Kat, wir müssen uns auf jeden Fall wiedersehen, wenn wirklich Frieden ist, ehe du zurückkommst.«

»Glaubst du, dass ich mit dem Knochen da noch mal k.v. werde?« fragt er bitter.

»Du wirst ihn in Ruhe ausheilen. Das Gelenk ist ja in Ordnung. Vielleicht klappt es doch damit.«

»Gib mir noch eine Zigarette«, sagt er.

»Vielleicht können wir irgend etwas später zusammen machen, Kat.« Ich bin sehr traurig, es ist unmöglich, dass Kat Kat, mein Freund, Kat mit den Hängeschultern und dem dünnen, weichen Schnurrbart, Kat, den ich kenne auf eine andere Weise als jeden anderen Menschen, Kat, mit dem ich diese Jahre geteilt habe , es ist unmöglich, dass ich Kat vielleicht nicht wiedersehen soll.

»Gib mir deine Adresse für zu Hause, Kat, auf jeden Fall. Und hier ist meine, ich schreibe sie dir auf.«

Den Zettel schiebe ich in meine Brusttasche. Wie verlassen ich schon bin, obschon er noch neben mir sitzt. Soll ich mir rasch in den Fuß schießen, um bei ihm bleiben zu können? Kat gurgelt plötzlich und wird grün und gelb. »Wir wollen weiter«, stammelt er.

Ich springe auf, glühend, ihm zu helfen, ich nehme ihn hoch und setze mich in Lauf, einen gedehnten, langsamen Dauerlauf, damit sein Bein nicht zu sehr schlenkert.

Mein Hals ist trocken, es tanzt mir rot und schwarz vor den Augen, als ich verbissen und ohne Gnade weiterstolpernd, endlich die Sanitätsstation erreiche.

Dort breche ich in die Knie, habe aber noch so viel Kraft, nach der Seite umzufallen, wo Kats gesundes Bein ist. Langsam richte ich mich nach einigen Minuten wieder auf. Meine Beine und meine Hände zittern heftig, ich habe Mühe, meine Feldflasche zu finden, um einen Schluck zu nehmen. Die Lippen beben mir dabei. Aber ich lächele Kat ist geborgen.

Nach einer Weile unterscheide ich den verworrenen Stimmenschwall, der sich in meinem Ohr fängt.

»Das hättest du dir sparen können«, sagt ein Sanitäter.

Ich sehe ihn verständnislos an.

Er zeigt auf Kat. »Er ist ja tot.«

Ich begreife nicht. »Er hat einen Schienbeinschuss«, sage ich.

Der Sanitäter bleibt stehen. »Das auch «

Ich drehe mich um. Meine Augen sind noch immer trübe, der Schweiß ist mir jetzt von neuem ausgebrochen, er läuft über die Lider. Ich wische ihn fort und sehe zu Kat hin. Er liegt still. »Ohnmächtig«, sage ich rasch.

Der Sanitäter pfeift leise: »Das kenne ich nun doch besser. Er ist tot. Darauf halte ich jede Wette.«

Ich schüttele den Kopf. »Ausgeschlossen! Vor zehn Minuten noch habe ich mit ihm gesprochen. Er ist ohnmächtig.« Kats Hände sind warm, ich fasse ihn bei den Schultern, um ihn mit Tee abzureiben. Da fühle ich meine Finger nass werden. Als ich sie hinter seinem Kopf hervorziehe, sind sie blutig. Der Sanitäter pfeift wieder durch die Zähne: »Siehst du «

Kat hat, ohne dass ich es bemerkt habe, unterwegs einen Splitter in den Kopf bekommen. Nur ein kleines Loch ist da, es muss ein ganz geringer, verirrter Splitter gewesen sein. Aber er hat ausgereicht. Kat ist tot.

Ich stehe langsam auf.

»Willst du sein Soldbuch und seine Sachen mitnehmen?« fragt der Gefreite mich.

Ich nicke, und er gibt sie mir.

Der Sanitäter ist verwundert. »Ihr seid doch nicht verwandt?«

Nein, wir sind nicht verwandt. Nein, wir sind nicht verwandt.

Gehe ich? Habe ich noch Füße? Ich hebe die Augen, ich lasse sie herumgehen und drehe mich mit ihnen, einen Kreis, einen Kreis, bis ich innehalte. Es ist alles wie sonst. Nur der Landwehrmann Stanislaus Katczinsky ist gestorben.

Dann weiß ich nichts mehr.

Es ist Herbst. Von den alten Leuten sind nicht mehr viele da. Ich bin der letzte von den sieben Mann aus unserer Klasse hier.

Jeder spricht von Frieden und Waffenstillstand. Alle warten. Wenn es wieder eine Enttäuschung wird, dann werden sie zusammenbrechen, die Hoffnungen sind zu stark, sie lassen sich nicht mehr fortschaffen, ohne zu explodieren. Gibt es keinen Frieden, dann gibt es Revolution.

Ich habe vierzehn Tage Ruhe, weil ich etwas Gas geschluckt habe. In einem kleinen Garten sitze ich den ganzen Tag in der Sonne. Der Waffenstillstand kommt bald, ich glaube es jetzt auch. Dann werden wir nach Hause fahren.

Hier stocken meine Gedanken und sind nicht weiterzubringen. Was mich mit Übermacht hinzieht und erwartet, sind Gefühle. Es ist Lebensgier, es ist Heimatgefühl, es ist das Blut, es ist der Rausch der Rettung. Aber es sind keine Ziele.

Wären wir 1916 heimgekommen, wir hätten aus dem Schmerz und der Stärke unserer Erlebnisse einen Sturm entfesselt. Wenn wir jetzt zurückkehren, sind wir müde, zerfallen, ausgebrannt, wurzellos und ohne Hoffnung. Wir werden uns nicht mehr zurechtfinden können.

Man wird uns auch nicht verstehen denn vor uns wächst ein Geschlecht, das zwar die Jahre hier gemeinsam mit uns verbrachte, das aber Bett und Beruf hatte und jetzt zurückgeht in seine alten Positionen, in denen es den Krieg vergessen wird, und hinter uns wächst ein Geschlecht, ähnlich uns früher, das wird uns fremd sein und uns beiseite schieben. Wir sind überflüssig für uns selbst, wir werden wachsen, einige werden sich anpassen, andere sich fügen, und viele werden ratlos sein; die Jahre werden zerrinnen, und schließlich werden wir zugrunde gehen.

Aber vielleicht ist auch alles dieses, was ich denke, nur Schwermut und Bestürzung, die fortstäubt, wenn ich wieder unter den Pappeln stehe und dem Rauschen ihrer Blätter lausche. Es kann nicht sein, dass es fort ist, das Weiche, das unser Blut unruhig machte, das Ungewisse, Bestürzende, Kommende, die tausend Gesichter der Zukunft, die Melodie aus Träumen und Büchern, das Rauschen und die Ahnung der Frauen, es kann nicht sein, dass es untergegangen ist in Trommelfeuer, Verzweiflung und Mannschaftsbordells.

Die Bäume hier leuchten bunt und golden, die Beeren der Ebereschen stehen rot im Laub, Landstraßen laufen weiß auf den Horizont zu, und die Kantinen summen wie Bienenstöcke von Friedensgerüchten.

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