Wird denn viel solchen Weines eingeführt ins Erzstift?
Ew. Hochfürstliche Gnaden unterthänigst aufzuwarten, ja; man bringet auf Wasser und Land überflüssig aus allen Landen herzu, als nämlich vom Rhein, Neckher (Nekar), aus Elsaß, Franken, auch Osterwein (aus Österreich), Marchwein (aus Steiermark), aus Hungern (Ungarn), viel aus Welschland, so man sie heißet Terrant, Raifel, Muscatell, Malvasier von Napoli, Romanier, so in Griechenland wachset, Rosatzer auch und Farnätscher, Veltliner, und aus dem Etschland Traminer und Höpfwein und dergleichen noch manche, die des Thalhammer Zunge besser kennet als Dero unterthäniger Knecht!
Ich staune! Wußte wahrlich nicht, daß meine Salzburger so gern und viel der schweren und teuren Weine trinken!
Voreilig sprach Ludwig Alt: Sie trinken nicht, o Herr, sie saufen ihn! Ein Laster ist's, ein allgemeines in ganz Deutschland, und es hilft so viel wie nichts, mag man dagegen wettern oder sich selber eines guten Wandels befleißigen. Der Saufteufel hat sie alle am Kragen, Männerleut und Weibes, ein Halbes können Kinder selbst schon zutrinken, die Eltern lehren's wohl den Kleinen! Ein Kreuz ist's und ein Elend mit dem Weinteufel!
Und der Bürgermeister weiß sich nicht Rat, sothanem Laster wirksam zu steuern? fragte der Landesherr.
Dero Gnaden unterthänigst aufzuwarten, ich nicht, und besseren Leuten kann ich die Rumorknechte nicht auf den Leib hetzen!
So! Nun es erscheinet mir günstig, daß der Landesherr sich Rats weiß, ich weiß ein Mittel, doch ist es nicht an der Zeit, es heute schon zu publizieren. Ich will es mir merken, und dem Saufteufel rücke ich an den Leib, ich zwing' ihn, darauf könnt Ihr Euch verlassen!
Das kann, o hoher Herr, der Menschheit nur zum Segen gereichen! sprach Salome, der die übermäßige Trinklust ein Greuel war, und die es peinlich berührte zu sehen, wie namentlich die jungen Bürgersöhne ohne Rücksicht auf die Anwesenheit des Landesherrn dem Wein in großen Mengen zusprachen.
Eure Zustimmung erquickt meinen Sinn, wie Eure Anmut mein Herz ergötzt! Ich wünsche mir nichts Besseres, als mit Euch, teure Salome, auch die Maßnahmen der Regierung beraten zu können. Seid Ihr dazu gewillt?
Salome fühlte den tieferen, verhüllten Sinn dieser Frage, und heiße Röte schoß in des klugen Mädchens Wangen, ein Zittern lief durch ihren Körper, bebenden Tones erwiderte sie: Wie sollt' ich je in solche Lage kommen? Gebannt in die engen Schranken der Häuslichkeit, gezwungen nach Zeit und Art, zu stiller Arbeit, Sinn und Zunge gefesselt! Doch was will ich sagen, da Fürstentöchter es kaum anders haben und verdorren schier in dumpfer Kemenate!
So sehnt Salome sich hinaus in die Freiheit glanzerfüllter Welt?
Nicht das ist meines Sinnes Streben, gnädigster Herr! Ich kenne die gezogenen Grenzen und beug' mich willig diesem Gebot. Was ich ersehne heiß, wär' ein Erfassen vieler Dinge, die man kaum dem Namen nach uns einst gelehrt! Denkt nur, hoher Gebieter, wie karg die Kost gewesen, die uns Mädchen man gereicht! Ein winzig Kritzeln, etwas Lesen, des Mehreren von heiliger Religion, und in der Erdbeschreibung hat es vollauf genügt zu wissen, daß fern im Süden liegt das heilige, ewige Rom.
Sothanes will auch mich nicht viel bedünken, doch mag's für deutsche Fürstentöchter genügen. Ihr aber, Schön-Salome, wollt mit Gram herabdrücken Euren edlen Geistes feine Bildung! So manch' Gespräch, die feingesetzten Worte, sie verraten Euren hellen Geistes hohen Flug, die Klage über geringen Unterricht in jungen Jahren stimmt nicht zur staunenswerten Kenntnis vieler Dinge. Ich nannt' Euch doch vorhin schon einen Diplomaten, wollt' stecken Euch in meiner Juristen Schar, und warum? Weil Eures Verstandes Schärfe, ein klug Erfassen dessen, was kaum der Zunge Laut noch ausgesprochen, schon bethätigt ist vom aufgeweckten Kopf. Ihr dürstet wohl nach Erweiterung von Gedanken, denkt an hohe Ziele, die in Mädchenkemenaten nicht wollen Wurzel fassen? Gern beut ich die Hand, Euch zu verhelfen zum Flug in des Geistes höhere Regionen! Mein Fürstenwort geb' ich zum Pfand!
Das Mahl war zu Ende und die Zeit sehr vorgeschritten, der Tanz sollte beginnen. Die höfische Etikette verlangte vom Fürsten und Erzbischof, sich nun ins Palais zurückzuziehen, so gern Wolf Dietrich auch mit Salome noch gesprochen. Ich sehe Euch bald wieder! flüsterte er dem schönen Fräulein zu, und ein heißes Verlangen flog durch seinen geschmeidigen Körper. Noch ein lodernder Blick, dann erhob sich der Fürst, um den nun die Höflinge sich scharten.
Leutselig wandte sich der Fürst nun an den Bürgermeister und sprach in formvollendeter Rede, die dem Ruf Wolf Dietrichs als vorzüglicher Kanzelredner voll entsprach, seinen fürstlichen Dank aus für das Fest und die gute Tafel. Geschmeichelt akklamierten die Patrizier den Landesherrn mit lebhaften Hochrufen, unter welchen Wolf Dietrich sich von beiden Alts, dann von Salome verabschiedete. Freundlich nickend nach allen Seiten schritt der junge Fürst durch den Saal, Trompetenschall und Trommelwirbel ertönte, bis die Ratsherren vom Geleite zurückkehrten.
Die Jugend bekam ihr Recht, die Ratsherren zogen sich in eine Stube zurück, um sich vom Bürgermeister Näheres über die fürstlichen Äußerungen erzählen zu lassen, und die Frauen hielten ein Plauderstündchen ab, das völlig Salome und den ihr vom jungen Fürsten gewordenen, geradezu auffälligen Huldigungen gewidmet war. Salome selbst fühlte sich erschöpft und müde; jetzt sich von Junkern und Bürgersöhnen zum Tanz führen zu lassen, war dem Fräulein unmöglich. Zu viele Gedanken kreisten durch den Kopf, es schwindelte Salome, und unabweisbar ward das Verlangen, allein zu sein in traulich stiller Kemenate. So trat Salome just im Augenblick, da Wilhelm Alt sich zu den Ratsherren in die Nebenstube begeben wollte, zum Vater und bat ihn um Geleit nach Hause.
Ein durchdringender Blick schien in des Mädchens Seele lesen zu wollen, nur widerwillig gab Alt seine Zustimmung mit dem Beifügen, daß die Muhme Salome nach Hause bringen solle; zugleich wurde ein Stadtknecht, deren einige im Erdgeschoß des Trinkhauses auf Verwendung harrten, beauftragt, den Damen die Leuchte vorauszutragen.
Unauffällig entfernten sich Muhme und Nichte, denen auf der verschneiten Gasse der Knecht das Lämpchen vorantrug. Die frische Luft der Winternacht erquickte Salome und gierig atmeten die Lungen den reinen Odem ein. Frau Alt kam außer Atem durch das hastige Fragen, was der Fürst denn alles zu erzählen wußte, und durch die begeisterten Lobreden auf die Leutseligkeit desselben. Die Muhme merkte dabei gar nicht, daß Salome sich schweigend verhielt, und daß der Knecht um eine halbe Gassenlänge vorausgegangen ist. Jäh verstummte die geschwätzige Bürgermeisterin, als hinter ihrem Rücken eine Männerstimme ertönte:
Die Schlanke ist's! Schnell!
Blitzschnell ward ein Tuch um den Kopf der Muhme geworfen, Salome ward von vermummten Männern umringt, emporgehoben und in eine inzwischen herangebrachte Sänfte gesteckt, die in raschem Tempo dem Domplatz zu weggetragen wurde. Das alles vollzog sich schnell und lautlos; nur die entsetzte Bürgermeisterin kreischte, doch erstickte das dicke Tuch ihre Jammertöne. Bis Frau Alt dieses Tuch vom Kopf gezogen, war die Stelle menschenleer, nachtschwarz alles ringsum, die Gasse nur vom Schneelicht schwach beleuchtet. Ist es Spuk gewesen? Haben böse Geister das Mädchen von ihrer Seite gerissen oder ist Salome in den Erdboden versunken?
Der Knecht kam mißmutig ob solcher Verzögerung zurück und machte aus seiner Stimmung kein Hehl. Dabei merkte er aber am Gezeter der Bürgermeisterin, daß sich etwas Absonderliches ereignet haben müsse. Ist 'leicht etwas passiert? fragte er.
Der Knecht kam mißmutig ob solcher Verzögerung zurück und machte aus seiner Stimmung kein Hehl. Dabei merkte er aber am Gezeter der Bürgermeisterin, daß sich etwas Absonderliches ereignet haben müsse. Ist 'leicht etwas passiert? fragte er.
Mord und Totschlag! Mich haben sie ermordet und Salome ist verschwunden! Du bist mir ein wackerer Beschützer in Nacht und Not! kreischte verzweifelnd Frau Alt.
Fassungslos starrte der Knecht die Bürgermeisterin an und leuchtete ihr mit dem Lämpchen ins runzelige Gesicht. Dann drehte er sich ringsum, als wollte er im Schnee das verschwundene Fräulein suchen.
Bring' nur mich schnell nach Hause, und dann lauf' zum Bürgermeister, vermeld' ihm den Raub unserer Nichte, es sollen die Stadtknechte, die Büttel fahnden! Laßt Sturm läuten! Huhu, dort kommt wieder so ein schwarzer Mordbube, der Beelzebub selber!
Erschrocken griff der Knecht die Bürgermeisterin beim Arm und riß sie mit sich im Sturmlauf zum Trinkhaus, das durch die Hilferufe beider im Nu alarmiert war. Die Kunde von einer Entführung Salomes wirkte auf die Festgesellschaft geradezu lähmend, sie ernüchterte die Männer und verursachte Weibern Krämpfe. Ludwig Alt vermochte das Ereignis nicht zu fassen und rief immer wieder: Nicht möglich! Ein Mädchenraub in unserer stillen, ehrsamen Stadt von der Gasse weg! Es kann nicht wahr sein!
Vater Wilhelm Alt schwur, die ihm angethane Schmach rächen zu wollen, wer immer der Mädchenräuber sein möge.
Sämtliche Rumorknechte und Büttel wurden aufgeboten, die nun nach Hause verlangenden Festgäste auf dem Heimweg schützend zu begleiten. Doch nichts von Räubern, nicht ein Schatten zeigte sich in den wie ausgestorben scheinenden, schneeerfüllten, vom Mondlicht schwach erleuchteten Gassen Salzburgs.
Beide Alts aber, von handfesten Knechten begleitet, visitierten unter Anführung des Rottmeisters die Thore der festgeschlossenen Stadt und hielten bei den Türmern Umfrage, ob jemand zu Roß, Wagen oder mit einer Sänfte Auslaß begehrt und erhalten habe. Dies war nach bestimmten Erklärungen der Türmer nicht der Fall, ratlos kehrten beide Alts in ihre Behausungen zurück. In Wilhelm Alt, dem Vater Salomes, aber stieg ein furchtbarer Verdacht auf, der ihm die Nachtruhe raubte.
II
Im Keutschachhofe, der erzbischöflichen Residenz, war trotz der späten Stunde reges Leben gemäß der von Wolf Dietrich seiner Zeit eigenhändig festgesetzten Hofstaatsordnung, es harrten das Hofgesinde wie die höheren Chargen bis hinauf zum Hofmarschalk der Rückkehr des Fürsten vom Festmahl im Trinkhause und wagte niemand, so der Dienst traf, sich zurückzuziehen, denn Wolf Dietrich verstand sich darauf, seine Leute in Atem und Ordnung zu halten, so vieler bei Hof es auch waren.
Zur Verwunderung der Begleiter hatte der Fürst den Weg zur Residenz zu Fuß genommen, neben sich den Kämmerer vom Dienst, einen jungen, treuergebenen Adeligen, den Wolf Dietrich mehr als die übrigen (im ganzen vier) Kämmerer mit seinem Vertrauen auszeichnete. Voraus schritten die Lichtträger, Lakaien bildeten rückwärts die Bedeckung.
Was der Fürst mit seinem Kämmerer besprach, blieb der Begleitung unverständlich, einmal weil sich Wolf Dietrich der italienischen Sprache bediente, und dann aus dem Grunde, weil sehr leise und geheimnisvoll gesprochen ward.
Als sich der Zug lautlos dem Portal des langgestreckten Keutschachhofes näherte, ertönte ungebührlicher Lärm im Palais, den des Fürsten seines Ohr schier augenblicklich wahrnahm und der Wolf Dietrich veranlaßte, dem Vorläufer und den Lichtträgern zu befehlen, stehen zu bleiben. Er selbst, vom Kämmerling auf dem Fuße gefolgt, trat rasch und leise ein und überrumpelte dadurch die zeternde Gruppe von Thürhütern und Lakaien, die willens schien, sich an einem blassen, armselig gekleideten Weibe zu vergreifen. Eben erhielt die schluchzende Frau einen Fausthieb, da stand der Fürst auch schon mitten im Knäuel und sein Begleiter drängte kraftvoll die Leute zurück. Scharf befahl Wolf Dietrich augenblickliche Ruhe, Zornesröte bedeckte seine Wangen, und die Adern schwollen sichtbar an. Wer erfrecht sich bei Hof solcher Aufführung? Was soll der Lärm in meinem fürstlichen Hause? Was will das Weib zu später Stunde?
Vor Schreck und Überraschung verstummte die Dienerschaft, niemand fand ein Wort der Erwiderung, doch das arme Weib that einen Kniefall vor dem Fürsten und bat um Barmherzigkeit in höchster Not.
Man hat in Bittangelegenheiten die festgesetzte Audienzstunde einzuhalten! Gen Mitternacht wird nicht gebettelt! grollte der Fürst.
Gnädiger Herr! Übet Barmherzigkeit! Bis Taganbruch kann ich nimmer warten, derweil stirbt mir der Mann!
In Wolf Dietrichs Herz regte sich das Mitgefühl, weichen Tones fragte er nach dem Begehr des armen Weibes.
Euer Gnaden Leibmedikus hätt' ich gern gebeten um Hilfe, etzliches aus der fürstlichen Kuchel.
Ist jemand schwer krank bei dir?
Ja, gnädiger Herr, der Mann und zwei Kinder!
Und mein Medikus, was ist's mit ihm? Ist er nicht mitgegangen?
Einer der Lakaien erkannte die günstige Gelegenheit, alle Schuld am üblen Auftritt bequem auf die Schultern des Leibarztes schieben zu können, und erstattete Bericht, daß der Medikus es abgelehnt habe, in später Nachtstunde den Berg hinaufzuklettern bis zum Häuschen des armen Weibes, wasmaßen der Medikus nur für den Fürsten da sei, nicht für das gemeine Volk.
Wolf Dietrich befahl schneidend scharfen Tones, es solle der Medikus augenblicklich geweckt, dem Weibe Wein und Atzung in einem Korbe verabreicht werden. Und einer plötzlichen Gefühlsregung folgend, wandte sich der junge Fürst zum Kämmerer: Du besorgst, was ich dir befohlen. Alphons bringt den Medikus und Dienerschaft mit der Spende für die Armen nach. Ich werde selbst inspizieren. Lichtträger voraus!
Der Kämmerer wagte zu sagen: Hochfürstliche Gnaden! Es ist spät, und schlecht der Weg hinan zum Berg!
Besorge, was ich befohlen! Hilfe zu bringen, ist eine der schönsten Aufgaben eines Fürsten. Schicke mir den Medikus nach, mach' ihm flinke Beine!
Auf Befehl mußte das Weib mit dem Vorläufer vorausgehen, der Armen schwindelte ob der jähen Wendung und der Gewißheit, daß der hochgemute Fürsterzbischof selbst zu später Stunde Einkehr halten will in der Hütte des Elends.
Man hatte das schier verfallene Häuschen am Wege zum Nonnbergkloster noch nicht erreicht, kam der Leibmedikus schon hinterdrein angepustet, nach Luft und Fassung schnappend.
Einer der Lichtträger mußte mit in die Stube, das Weib führte Wolf Dietrich und den Arzt in ein Gemach, welches in seiner Dürftigkeit den an Prunk gewohnten Fürsten erschaudern ließ. Auf Stroh lag der Mann, auf einem Ballen Fetzen zwei Kinder, abgemagert schier zum Skelett, gelbfarbig, hohläugig, wimmernd vor Schmerzen und Hunger.
Wieder warf sich das abgezehrte Weib in die Kniee und hob flehentlich die Arme zum Fürsten empor: Habt Dank, o Herr, und helft in größter Not!
Schrecklich! flüsterte ergriffen Wolf Dietrich, dieweilen man prasset am üppigen Mahle, verhungern mir hier etzliche Unterthanen! Auf einen Wink begann der Hofarzt seine Thätigkeit; Wolf Dietrich ließ die inzwischen herbeigeschafften Vorräte an Wein, Fleisch und Brot in ein Nebengemach stellen und zog sich mit seiner Begleitung zurück, nicht ohne Auftrag gegeben zu haben, daß von nun an täglich der armen Familie Proviant aus der Hofküche geliefert werden müsse.
Mit einem Frohgefühle in der Brust, schritt der Fürst die steile, frischbeschneite Gasse wieder hinab, und bis er den Palast erreichte, kündeten vom nahen Dom die Glockenschläge Mitternacht.
Von all' den Hofschranzen ehrerbietig erwartet, hatte Wolf Dietrich nur für seinen Vertrauten, dem ersten der Kämmerer, ein Auge, ihm warf er einen fragenden Blick zu, und als der junge Baron bejahend nickte, glitt ein Lächeln des Triumphes über das Antlitz des jungen, heißblütigen Fürsten.