Grobe Hände packten meine Schultern, zogen mich weg.
»Lass mich in Ruhe!«, brüllte ich.
»Du erschreckst die ganzen Tiere«, schnauzte der Mann mich an. »Ein nutzloses Mädchen hat kein Recht darauf hier herunter zu rennen, ihnen Angst zu machen. Sieh, was du getan hast. Der ganze Ort ist in Aufruhr.«
Als er mich zurückzerrte, trat und kämpfte ich. »Lass mich los!«, brüllte ich.
»Ich werde deinen dünnen, kleinen Hals brechen, wenn du nicht aufhörst zu schreien.«
Er packte mich mit beiden Händen, verengte seine Finger um meiner Kehle, würgte mich. Ich krallte nach seinen Handgelenken, versuchte seine Hände wegzuziehen, aber er war zu stark. Mein Herz hämmerte und meine Brust hob sich schwer, während ich darum kämpfte zu atmen.
Der Mann drehte mich herum, wandte Obolus seinen Rücken zu. »Warum kommt ein dummes Kind hierher, schreit und «
Seine Worte wurden abgeschnitten und seine Finger lockerten sich um meine Kehle. Obolus Rüssel schlang sich dann um die Taille des Mannes und hob ihn vom Boden.
»Nein, Obolus!«, krächzte ich. »Setz ihn ab.« Ich rieb meine Kehle und spürte die Handabdrücke des Mannes, wo er meinen Hals umklammert hatte.
Obolus hielt den brüllenden Mann kopfüber, hoch in der Luft. Die Tunika des Mannes fiel über seinen Kopf herunter und ein Stock stürzte aus seinem Gürtel, während er trat und versuchte den Rüssel des Elefanten zu packen.
Ich blickte auf den Stock. Er hatte die Länge meines Unterarms, war mit Gold besetzt und hatte komplizierte Reben und Blätter eingeschnitzt. Das Gold an einem Ende war in einen kleinen stumpfen Haken geformt und das gegenüberliegende Ende war flach. Der Stock sah wie eine Art von Schlagstock aus. Ich bemerkte, dass ein paar andere Männer ähnliche Stöcke hatten, aber ihre waren mit Silber oder Kupfer anstatt Gold besetzt.
Einige Männer rannten mit ihren langstieligen Haken herbei, aber anstatt Obolus dazu zu bringen den Mann loszulassen, begannen sie zu lachen. Das brachte den Mann sogar noch mehr auf.
»Schlagt ihn!«, brüllte er. »Tötet ihn. Holt mich hier runter.«
Die Männer lachten nur und zeigten auf den baumelnden Mann. Sogar die Wasserjungen kamen, um den Spaß zu beobachten.
»Obolus!«, brüllte ich und klatschte gegen sein Bein. »Bitte tu ihm nicht weh.«
Der Elefant kippte seinen Kopf, um mich anzuschauen. Ich streckte meine Hand weit nach oben und tätschelte den unteren Teil seines Ohrs. Er blinzelte, schaute den Mann für einen Moment an, dann zu mir herunter.
Ich wusste, dass es nur ein wenig Druck von Obolus riesigem Rüssel brauchte, um das Leben aus dem Mann zu drücken.
»Setz ihn ab.« Meine Stimme brach, klang überhaupt nicht kraftvoll.
Obolus senkte den Mann zu Boden, gab seinen Griff frei. Der Kerl fiel in den Schmutz, landete schwer auf der Hüfte, fiel dann flach auf seinen Rücken. Zwei Arbeiter knieten sich hin, versuchten ihm aufzuhelfen.
»Das ist besser«, sagte ich zu Obolus und nahm das Ende seines Rüssels in meine Hände, blickte dann zu ihm hoch. »Ich danke dir noch einmal, dass du mein Leben gerettet hast, aber dieser Mann war nur wütend, weil ich dich und die anderen Elefanten aufgebracht habe.«
Der Mann auf dem Boden keuchte nach Atem, während der Aufruhr entlang des Pfads sich beruhigte. Die Elefantenbabys hörten auf zu rennen und senkten ihre Rüssel, um mich und Obolus zu beobachten, der das Ende seines Rüssels an meine Wange legte, um mein Gesicht und meine Haare zu beschnüffeln.
»Jetzt«, sagte ich, »werde ich dir eine Melone zu essen geben und ich verspreche, dass ich nicht wieder rennend und brüllend komme, wenn du nicht wegen jeder kleinen Sache wütend wirst.«
Ich hob eine große gelbe Melone neben dem Heuhaufen auf und streckte sie ihm hin. Er kringelte seinen Rüssel ein und öffnete seinen Mund. Ich schob sie hinein und lachte, als er sie zermalmte. Er senkte seinen Kopf für mich und ich betätschelte die Seite seines Gesichts.
»Guter Junge.«
»Ich werde sie umbringen!«
Als ich die Reibeisenstimme hinter mir hörte, drehte ich mich um und wich gegen Obolus Bein zurück.
Der Mann krabbelte auf seine Füße.
»Nein«, sagte ein anderer Mann, der den ersten Mann mit einer Hand auf seinem Arm zurückhielt. »Siehst du, wie sie ihn beruhigt hat?« Er war ein großer Mann, breite Schultern und muskulös, aber seine Augen waren tief und gedankenvoll. Er schaute mit einem netten Gesichtsausdruck auf mich. »Du bist diejenige, die Obolus aus dem Fluss gezogen hat, oder?«
Ich nickte.
»Das dachte ich mir.« Er nahm den anderen Mann am Arm. »Ukaron, du weißt, dass diese armen Tiere auf Dinge reagieren, von denen wir nicht wissen können. Du hast gesehen, wie er ihre Kommandos befolgt hat, als ob sie ihr ganzes Leben lang gemeinsam geübt haben. Ich habe das nur einmal zuvor gesehen, als sie diesen Jungen von Indienhergebracht haben, derjenige, der von einem römischen Speer in Messina gefällt wurde. Wie war sein Name?«
»Ponichard.« Ukaron staubte sich ab. »Was ist schon dabei?«
Ich starrte Ukaron an. Die Haut seines Gesichts war zu eng, zog seine Lippen in einem ständigen spöttischen Lächeln zurück, und seine Wangenknochen und sein Kinn stießen beinahe durch die Oberfläche. Seine Augen waren schlaff und feucht wie bei einem kranken Mann, aber vielleicht war das, weil Obolus ihn beinahe umgebracht hatte.
»Es war das Gleiche, Ukaron«, sagte der andere Mann. »Dieser Junge, Ponichard, als er zum ersten Mal den Elefanten Xetos traf. Du erinnerst dich daran, welch ein übel gesinntes Tier er sein konnte. Vom ersten Moment an, als Ponichard seine Hände auf ihn legte, stand Xetos jedoch zu Diensten des Jungen, so sehr, dass wir das Biest einschläfern mussten, als der Junge im Kampf starb. Und jetzt hat Obolus ein starkes Band mit diesem Kind geformt und sie mit ihm. Ich wage es nicht zu versuchen zu erklären, welchen Zweck die Götter für solche Dinge haben, genauso wie ich ihre unendliche Weisheit nicht hinterfrage. Ich schlage vor, dass du mit dieser Beziehung zwischen Biest und Kind nicht herumpfuschst.«
»Du liegst ziemlich falsch, Kandaulo.« Ukaron behielt seine Augen auf mir, während er mit dem Mann sprach. »Sie ist ein Dämonenkind. Sie versuchte diese Tiere in Panik zu versetzen, so dass sie das Lager zerstören. Wenn irgendwelche Götter involviert sind, sind es die Götter der Unterwelt.« Er wischte mit einem haarigen Unterarm über seinen Mund, schnappte seinen Schlagstock von dem Mann neben ihm und stürmte davon.
»Jetzt geh, Mädchen«, sagte Kandaulo. »Und wenn du dich das nächste Mal entlang der Elefanten Straße traust, schlage ich vor, dass du es leise tust.«
»Ja, Kandaulo. Das werde ich.« Ich tätschelte das Ende des Rüssels, der auf meiner Schulter zu ruhen kam. Die graue Haut des Elefanten schien rau und kalt mit all den Falten, aber sie fühlte sich weich an, und er hatte eine behutsame Berührung. »Auf Wiedersehen, mein großer Freund. Schlaf gut heute Nacht.«
Obolus griff nach mehr Heu und ich schnappte eine Handvoll für ihn, aber dann erinnerte ich mich.
»O nein«, flüsterte ich. »Yzebels Weinkrug!«
Ich ließ das Heu fallen und rannte die Elefanten Straße wieder hoch.
Kapitel Vier
Alles, was ich fand, war ein großer, schlammiger Weinfleck auf dem Pfad. Ich fiel auf meine Knie und stieß meine Finger in den purpurfarbenen und braunen Schlamm, wollte nicht glauben, was meine Augen mir sagten. Aber es war wahr: Yzebels kostbarer Rosinenwein war weg. Ich war gescheitert.
Sie hatte mir vertraut den Wein im Austausch für Brot zum Bäcker zu bringen, aber ich hatte nicht einmal den halben Weg geschafft. Der Anblick vom lebendigen Obolus hatte mein Verantwortungsgefühl komplett durcheinandergebracht und meine eigenen Gefühle hatten mein Verlangen etwas Gutes für Yzebel zu tun überschattet. Um alles noch schlimmer zu machen, war der Krug verschwunden. Jemand hat ihn genommen und nur einen Fußabdruck mit Sandalen im Schlamm hinterlassen. Wie könnte ich ihn jemals ersetzen?
Mein Herz sank und ich begann zu weinen. Yzebel würde mir niemals wieder vertrauen.
»Hast du etwas verloren?«, kam eine vertraute Stimme von hinter mir.
Ich schaute in die weichen braunen Augen des jungen Mannes vom Fluss. Derjenige, dessen Umhang ich trug Tendao.
»Yzebels Wein.« Ich wischte mit meinen schlammigen Fingern über meine Wange. »Er ist weg.«
Er streckte seine Hand aus, um mir hochzuhelfen, und der Schlamm schien ihm nichts auszumachen. »Hättest du den Wein eigentlich für Brotlaibe zu Bostar bringen sollen?«
Ich nickte.
»Weißt du, warum Yzebel Brot wollte?«
Wir gingen die Elefanten Straße hoch in Richtung der Gabelung im Pfad.
»Für die Soldaten, wenn sie heute Abend an ihre Tische kommen.«
»Ja, sie mag es Brot für sie zur Abendessenszeit zu haben.«
»Ich habe sie im Stich gelassen, Tendao. Und jetzt muss ich zu ihr gehen und sagen, welch schreckliche Sache ich getan habe.«
»Ja, du musst es ihr erzählen«, sagte er. »Aber bevor du das tust, lass uns am Zelt von Lotaz anhalten.«
Ich hatte von dieser Lotaz nicht gehört, aber ich hatte es nicht eilig mit leeren Händen zu Yzebel zurückzukehren und mein Scheitern zuzugeben.
Ich versuchte dem Bild von Yzebels ernstem Gesicht zu entfliehen, indem ich an andere Dinge dachte. Die Erde der Elefanten Straße fühlte sich weich und warm unter meinen nackten Füßen an. Ich dachte an die hunderte von Elefanten und Menschen, die über viele Jahreszeiten darüber trampelten, die Erde in einen feinen Puder gearbeitet haben. Eichen und Kiefern säumten den Pfad, boten Schatten für die Tiere. Lange Schatten bedeckten jetzt viel des breiten Wegs.
Oben auf dem Hügel gingen wir nach rechts, den Weg, den ich früher hätte gehen sollen. Nach einer Weile trafen wir auf ein Zelt, das aus feinem, dünnem Material gemacht war. Die roten, gelben und blauen Farben des gestreiften Stoffs glommen in der Dämmerung. Schatten flackerten von der Lampe, die im Inneren brannte. Ein ausgefranstes Vordach stand davor, unterstützt von zwei Metallspeeren, die in die Erde getrieben waren. Ein schwarzer Mann saß mit überkreuzten Beinen unter dem Vordach.
»Geh zu diesem Sklaven.«
Tendao hielt mich etwas entfernt davon an, sagte mir dann, was ich zu dem Mann sagen sollte. Ich wiederholte die Anweisungen ihm gegenüber, stellte sicher, dass ich verstand.
»Aber er sieht so gemein aus, Tendao. Wirst du mit mir gehen?«
»Nein. Du musst das allein machen.«
Der Sklave beobachtete mich aufmerksam, während ich auf ihn zutrottete, schleppten sich meine Füße über die Erde, waren widerwillig mich dorthin zu bringen, wo ich nicht hingehen wollte.
Zehn Schritte entfernt hielt ich an und sagte: »Lotaz.«
Er antwortete nicht; starrte mich nur an, bis ich meine Augen auf den Boden senkte. Schließlich sprach er.
»Das ist das Zelt von Lotaz. Welches Geschäft hast du hier?«
»Es geht mir um Tendaos Geschäft.«
Der Sklave sprang auf seine Füße und eilte hinein. Einen Moment später kam eine dünne Frau heraus. Sie war von einem Paar Öllampen, die von den Speerstützen schwangen, von beiden Seiten erleuchtet. Lotaz war schön in einer seidenen Robe in Blassblau und einem Paar passender Schläppchen. Ein breiter scharlachroter Gürtel aus gewobenen Kordeln umschnallte ihre schmale Taille und eine feine goldene Kette hielt die Scheide eines mit Juwelen besetzten Dolchs. Die kleine Waffe schwang bei jeder Bewegung über ihre Schenkel. Ihre Lippen waren rot angemalt und ihre Wangen im Rosa einer Rosenknospe gefärbt, was einen weichen Kontrast zu ihrem cremefarbenen Teint bildete. Eine silberne und goldene Kette verlief genau passend über ihre Kehle.
Der Sklave kam und stellte sich hinter sie, seine Arme dabei über seiner bloßen Brust verschränkt. Er ragte wie ein riesiger, dunkler Schatten auf, stellte einen scharfen Kontrast zur weißen Haut der Frau dar,
»Was weißt du von Tendao?«, fragte sie mich.
»Ich soll dir sagen, dass er tun wird, wie du verlangt hast.«
Sie blickte an mir vorbei, suchte den dunklen Pfad in beide Richtungen ab. Ich schaute auch in diese Richtung, aber Tendao war nicht zu sehen.
»Warum hat er dich geschickt?«
Ich schüttelte meinen Kopf, wusste nicht, wie ich antworten sollte.
»Wann wird die Aufgabe vollendet sein?« Lotaz Stimme klang scharf und fordernd.
»Morgen, vor Sonnenuntergang«, antwortete ich mit den Worten, die Tendao mich zu sagen angewiesen hatte.
Sie schien widerwillig mit mir in dieser Transaktion umzugehen. Noch verstand ich, warum ich im Auftrag von Tendao zu Lotaz gekommen war.
Nach einem Moment sagte sie: »Sehr wohl. Warte hier.«
Lotaz ging ins Innere und kehrte bald zurück. In einer Hand trug sie einen Weinkrug, der demjenigen beinahe identisch war, den ich verloren hatte. Ihre andere Hand blieb geschlossen, die Finger fest verkrampft. Viele verzierte Armketten klimperten an ihrem Handgelenk, als sie eine Bewegung machte den Weinkrug herüberzureichen. Aber dann hielt sie an.
»Warum kommst du in so schmutzigem Zustand zu mir?«
Ich schaute auf meine ausgestreckten Hände; sie waren mit getrocknetem Schlamm verkrustet. Als ich versuchte sie abzuwischen, verschwand der Sklave hinter dem Zelt und kam mit einer tönernen Schale mit Wasser zurück, stellte sie dann zu meinen Füßen. Ich kniete mich hin, um mich zu waschen, mein Gesicht brannte vor Erniedrigung. Ich wusch mich schnell, stand auf und wischte meine Hände an meinem Umhang ab.
Der Sklave schenkte mir ein rasches Lächeln und zwinkerte, als er zwischen mich und die Frau trat. Er hob die Schale auf und bewegte sich wieder an seinen Platz. Ich wusste nicht, ob er Mitleid mit mir hatte oder nur versuchte mit einem Mitsklaven freundlich zu sein. Lotaz ließ mich mich allerdings wie eine Sklavin fühlen.
Sie reichte mir den Krug und ich nahm ihn in meine Arme ich würde diesen nicht fallen lassen.
»Dieser Wein ist die Bezahlung für die Arbeit, die Tendao für mich tun wird«, sagte Lotaz. »Ich werde ihm nicht mehr als das bezahlen.«
Sie streckte ihre andere Hand aus und öffnete langsam ihre Finger. Zwei perfekt zusammenpassende Perlen, groß und sehr schön, ruhten in der Handfläche der Frau. Alles, was ich tun konnte, war auf den schimmernden Glanz der kostbaren Kleinode zu starren, die im gelben Licht der Lampen leuchteten
»Nimm sie«, kommandierte Lotaz. »Und stell sicher, dass die Perlen unverzüglich zu Tendao gehen. Sie werden benutzt werden, um die Arbeit zu machen. Verstehst du mich?«
Ich nickte, verlagerte den Wein, um meine rechte Hand zu befreien, so dass ich die Perlen von Lotaz schnappen konnte. Ich stand still, starrte zu der Frau hoch, wusste nicht, was ich als nächstes tun sollte.
»Geh weiter!«, sagte sie mit einem Winken ihrer Hand, scheuchte mich wie eine lästige Mücke weg.
Ich eilte den dunklen Pfad in die Richtung entlang, die Tendao mir gesagt hatte, in die ich gehen sollte. Gerade bevor ich die Ecke erreichte, blickte ich zurück, um zu sehen, dass Lotaz und der Sklave mich beobachteten. Ich verspürte große Erleichterung, als ich hinter einem Zaun aus Pflöcken vorbeiging, wo Tendao wartete.