Jetzt wo sie sie eilig weggebracht hatten, damit sie ihr und Sebastians Kind gebären konnte, war es noch schlimmer.
„Willst du mit mir tanzen?“, fragte eine Adelsfrau. Um Jan ging die Feier weiter, die Musik war wieder im vollen Gange, als gefeiert wurde, dass sich Sophias Hochzeit in die bevorstehende Geburt des Thronerbens verwandelte.
Die Frau war wunderschön, elegant gekleidet und anmutig. Wenn er sie vor einem Jahr getroffen hätte, hätte Jan vielleicht Ja zum Tanzen gesagt und zu fast allem, was sie vorgeschlagen hätte. Jetzt konnte er es nicht mehr. Er spürte nichts, als er sie ansah, denn sie anzustarren, war wie auf eine Kerze starren im Vergleich zur Sonne. Sophia war die Einzige, die ihm etwas bedeutete.
„Es tut mir leid“, sagte er und versuchte nett und zuvorkommend zu sein, all die Dinge, die er sein sollte. „Aber … da gibt es jemanden, in den ich verliebt bin.“
„Wartet jemand in Ishjemme auf dich?“, fragte die Adelsfrau mit einem neckischen Lächeln. „Das heißt, sie ist nicht hier.”
Sie griff nach einem der Schnüre von Jans Wams und Jan nahm sanft aber bestimmt ihre Handgelenke. “Wie ich gesagt habe”, sagte er mit einem reuigen Lächeln, „ich liebe sie sehr. Ich möchte nicht beleidigend sein, aber ich bin nicht interesiert.“
“Ein ehrlicher Mann”, sagte die Adelsfrau und drehte sich um. „Wer immer sie ist, ich hoffe, sie weiß, wie glücklich sie ist.“
„Wenn die Dinge nur so einfach wären“, sagte Jan mit einem Kopfschütteln.
Er lief auf der Feier herum und versuchte dabei kein Geist zu sein. Das Letzte was er wollte, war jemandem die Freude heute verderben und erst recht nicht Sophias. Das war der schwerste Teil daran, dass er sie so liebte, fand er: es war unmöglich so egoistisch zu sein, wie er hätte sein sollen. Er sollte auf Sebastian eifersüchtig sein, sollte ihn mit Leidenschaft hassen. Sollte wütend auf Sophia sein, dass sie einen Mann gewählt hatte, der sie bereits einmal sitzen gelassen hatte.
Er konnte das nicht. Er liebte Sophia dafür viel zu sehr. Er wollte, dass sie glücklich war, mehr als alles andere auf der Welt.
“Gehts dir gut, Jan?”, fragte ihn Lucas und kam mit der Art von Geschmeidigkeit, die Jan dankbar machte, dass die beiden niemals miteinander kämpfen mussten. Jan hatte immer gedacht, dass er kämpfen könnte, aber Sophias Geschwister waren was ganz anderes.
Vielleicht war es deswegen gut, dass Jans Gedanken von anderen nicht gelesen werden konnten, sonst hätten sie vielleicht gekämpft. Jan zweifelte, dass Lucas es gut aufnehmen würde, wenn er wüsste, wie hoffnungslos Jan in seine Schwester verliebt war.
„Mir geht’s gut“, sagte Jan. „Vielleicht ein wenig zu viel Adlige, die versuchen mich zu angeln, wie ein Fischer einen Schwertfisch.“
„Ich hatte dasselbe Problem“, sagte Lucas. „Und es ist schwer zu feiern, wenn man gleichzeitig an etwas anderes denkt.“
Für einen Moment dachte Jan, dass Lucas vielleicht irgendwie den Schutz den er aufgestellt hatte, überwunden und Dinge gesehen hatte, die er nicht hätte sehen sollen. Vielleicht war es auch so klar auf seine Stirn geschrieben, dass es nicht mal einen Gedankenleser brauchte.
„Ich freue mich für meine Schwestern“, sagte Lucas mit einem Lächeln. „Aber ein Teil von mir will, dass unsere Eltern all das hier miterleben und ich weiß, dass ich jetzt unterwegs sein könnte, um sie zu finden. Vielleicht hätte ich sie hier herbringen können, um bei Sophias Hochzeit dabei zu sein und bei der Geburt ihres Enkelkindes.“
“Oder vielleicht müssen wir manchmal stark sein und Dinge akzeptieren, die nicht so geschehen, wie wir sie haben wollen”, sagte Jan. „Und das heißt, dass du hier sein musst. Du wirst deinen Neffen oder deine Nichte kennenlernen.“
“Nichte”, sagte Lucas. “Visionen nehmen den Spaß am Raten. Du hast aber recht Jan. Ich werde warten. Du bist ein guter Mensch, Cousin.”
Er tätschelte Jans Arm.
“Danke”, sagte Jan, auch wenn er sich nicht sicher war, ob er das glauben sollte. Ein wirklich guter Mann würde nicht hoffen, dass Sophia vielleicht alles für ihn aufgeben und ihn so lieben würde, wie er sie.
“Aber jetzt”, sagte Lucas, “ich habe dich gesucht, weil eine Nachricht mit dem Vogel für dich gekommen ist. Der Junge, der es vom Vogelhaus gebracht hat, steht dort drüben.“
Jan schaute hinüber, wo ein junger Mann an einem der Banketttische stand und Essen ergatterte, als wenn er unsicher wäre, ob das wirklich für Menschen wie ihn gedacht war.
„Danke“, sagte Jan.
„Kein Problem. Ich sollte wieder zurück zu Sophia gehen. Ich will schließlich da sein, wenn meine Nichte auf die Welt kommt.”
Lucas ging und ließ Jan alleine zu dem Boten gehen. Der Junge sah ein wenig schuldig aus, als Jan sich näherte. Er stopfte einen Kuchen in seinen Mund und kaute eilig.
„Du musst dir keine Sorgen machen“, sagte Jan. „Die Feier ist für alle auch für dich. Es gibt Dinge, die jeder feiern sollte.
„Ja, mein Lord“, sagte der Junge. Er hielt eine Nachricht hoch. „Das ist etwas für Sie gekommen.“
Er hielt Jan eine eng gerollte Nachricht hin.“Das ist für Sie gekommen.“
Jan, Endi hat Ishjemme eingenommen. Er tötet Menschen. Rika ist seine Gefangene. Ich muss tun, was er sagt. Wir brauchen Hilfe. Oli
Die Nachricht ließ Jan vor Schreck erstarren. Er konnte es nicht glauben. Endi würde so etwas niemals tun. Er würde Ishjemme niemals so verraten. Oli würde aber auch nicht lügen und Endi … naja, ihm hatte es schon immer gefallen, sich herumzuschleichen und es war sehr auffällig, dass so viele ihrer Schiffe mitten im Kampf nach Ashton umgedreht waren.
Dennoch, der Gedanke, dass sein Bruder eine Art Coup geplant hatte, war schwer zu verstehen. Wenn jemand anderes diese Nachricht geschickt hätte, hätte Jan das einfach als Lüge abgetan. Aber so … er wusste nicht, was er tun sollte.
„Ich kann es den anderen nicht sagen“, sagte er zu sich selbst. Wenn er es seinen Geschwistern erzählte, würden sie zurück nach Ishjemme fahren wollen, um sicherzugehen, dass es in Sicherheit war und das würde Sophia die Unterstützung nehmen, die sie gerade so sehr brauchte. Er konnte so eine Nachricht aber auch nicht ignorieren.
Das hieß, dass er nach Hause fahren müsste.
Jan wollte nicht nach Hause fahren. Er wollte hier sein, so nahe wie möglich an Sophia. Er wollte da sein, falls es noch mehr Gewalt gab, falls sie oder seine Geschwister ihn brauchten. Ashton erholte sich gerade erst von den Konflikten, die es ruiniert hatte und jetzt zu gehen fühlte sich an, als wenn er die Stadt im Stich ließ. Als wenn er Sophia im Stich ließ.
„Sophia braucht mich nicht“, sagte Jan.
„Wie bitte, mein Lord?“, fragte der Bote.
“Nichts”, sagte Jan. “Können Sie eine Nachricht für mich aufnehmen … und sie Sophia bringen, wenn sie sie hören kann. Bringen Sie Ihr die Nachricht, die Sie mir gegeben haben, und sagen Sie Ihr, dass ich gegangen bin, um die Dinge zu klären. Sagen Sie ihr, dass …“ Er konnte keines der Dinge sagen, die er sagen wollte. „Sagen Sie ihr, dass ich bald zurückkomme.“
„Ja, mein Lord“, sagte der Bote.
Jan ging in Richtung Hafen davon. Die Schiffe von der Invasion waren immer noch da und einige davon würden ihm zuhören, wenn er nach Hilfe fragte. Er würde nicht viele mitnehmen, er konnte den Gedanken, Sophia ungeschützt zurückzulassen nicht aushalten, aber er würde eine Art Armee brauchen, wenn er seinen Bruder überzeugen wollte, aufzugeben.
Sophia brauchte ihn im Moment nicht, aber es schien, dass sein jüngerer Bruder und seine Schwester ihn brauchten. So sehr Jan es auch hasste Ashton verlassen zu müssen, er konnte das nicht ignorieren. Er konnte nicht tatenlos zusehen, wie Endi Ishjemme mit Gewalt einnahm. Er würde hinfahren und herausfinden, was wirklich los war und damit umgehen. Wenn er damit fertig war, wusste er vielleicht, was er mit der Frau tun sollte, die er liebte.
KAPITEL SIEBEN
Sophia lag auf einem Bett, in das die Hebamme sie gesteckt hatte. Diener hatten sich um sie herum versammelt und ein paar Adlige und genug Menschen, sodass sie sich fragte, ob eine Königin überhaupt irgendeine Privatsphäre hatte. Sie hätte sie hinaus beordert, wenn sie den Atem dazu gehabt hätte. Sie konnte nicht einmal Sebastian darum bitten, weil die Hebamme recht eindeutig damit gewesen war, dass es keine Männer im Zimmer geben sollte, auch keine Könige.
„Sie machen das gut“, versicherte ihr die Hebamme, auch wenn Sophia die Sorgen in ihren Gedanken sehen konnte. Die Vorbereitungen für ungefähr Hundert Dinge, die schief gehen konnten. Es war unmöglich ihr Talent im Moment zurückzuhalten, Gedanken überkamen sie in Wellen, welche zu dem Schmerz ihrer Wehen zu passen schienen.
“Ich bin schon da”, rief Kate und eilte in das Zimmer. Sie schaute sich unter all den Menschen um.
Wer sind die ganzen Menschen? Schickte sie zu Sophia.
Ich will nicht, dass sie hier sind, schaffte es Sophia durch die Schmerzen zu sagen. Bitte Kate.
„Okay“, rief Kate in einer Stimme, die wahrscheinlich besser zu ihrer neuen Rolle bei der Armee gepasst hätte. „Alle, die nicht ich oder die Hebamme sind, raus! Nein, keine Widerrede. Das ist eine Geburt und keine öffentliche Veranstaltung. Raus!“
Die Tatsache, dass ihre Hand über ihrer Schwerthülle lag, half wahrscheinlich dabei die Leute in Bewegung zu setzen und in weniger als einer Minute war das Zimmer leer und nur noch sie drei waren übrig.
„Besser?“, fragte Kate und nahm ihre Hand.
„Danke“, sagte Sophia und schrie dann, als eine neue Wehe sie durchfuhr.
„Da sind ein paar Baldrianblätter in der Schüssel“, sagte die Hebamme. „Sie werden Ihnen bei den Schmerzen helfen. Weil Sie ja gerade alle Diener losgeworden sind, sind Sie jetzt zu meiner Hilfe geworden, Ihre Hoheit!“
“Sophia wird sie nicht brauchen”, sagte Kate.
Sophia fühlte sich auf jeden Fall so, als würde sie sie brauchen, aber dann verstand sie, was ihre Schwester meinte. Kate berührte ihren Geist und sie fühlte auch Lucas, beide arbeiteten daran ihre Gedanken von dem Schmerz abzubringen, raus aus der Hülle ihres Körpers.
Wir sind für dich da, schickte Lucas und dein Königreich ebenso.
Sophia fühlte das Königreich um sich herum, so wie sie es schon ein paar Mal gespürt hatte. Die Verbindung war unbestreitbar. Sie war nicht nur die Königin, sie war ein Teil davon, im Einklang mit der lebenden Macht von allem, was innerhalb seiner Grenzen atmete, mit der Energie des Winds und des Flusses mit der kühlen Stärke der Berge.
Die Stimme der Hebamme klang von weit entfernt. „Sie müssen bei der nächsten Wehe pressen, Ihre Majestät. Seien Sie bereit. Pressen.”
Pressen, Sophia, schickte Kate.
Sophia fühlte ihren Körper antworten, auch wenn er jetzt so weit weg schien, so weit weg, dass der Schmerz der auf sie wartete, wie etwas schien, das jemand anderem passierte.
Du musst stärker pressen, schickte Kate.
Sophia gab sich Mühe und sie konnte Schmerzensschreie hören, die wohl ihre eigenen waren, auch wenn es sich anfühlte, als wenn sie das nicht berührte. Es berührte jedoch das Königreich. Sie sah Sturmwolken über sich, sie fühlte die Erde unter sich beben. Mit so wenig Kontrolle dieser Verbindung, wie sie hatte, konnte sie den Sturm nicht aufhalten.
Die Sturmwolken wurden zu einem Strom von Regen, der die Flüsse anschwellen ließ und die Menschen durchnässte. Der Sturm war kurz und mächtig, die Sonne kam so schnell wieder zum Vorschein, als wenn nie etwas passiert wäre und im Nachklang bildete sich ein Regenbogen.
Du kannst wieder zu dir kommen, Sophia, schickte Lucas. Schau dir deine Tochter an.
Er und Kate zogen Sophia wieder hinein, zogen sie wieder zurück zu sich selbst, sodass sie wieder in den Raum schaute, und schwer atmete, während die Hebamme ein wenig weiter entfernt stand und bereits einen kleinen Menschen in Windeln wickelte. Lucas war jetzt da, er hatte offensichtlich die Anweisung der Hebamme ignoriert.
Sophia fühlte eine Welle der Freude über sich hereinbrechen, als sie ihre Tochter weinen hörte, sie gluckerte wie Babys es taten, wenn sie ihre Mutter wollten.
“Sie hört sich stark an”, sagte Kate und nahm das Baby mit überraschender Sanftheit und wartete darauf, dass die Hebamme ging, ehe sie das Baby Sophia hinhielt. Sophia griff nach ihrer Tochter, schaute in die Augen, die die ganze Welt in sich aufzunehmen schienen. Im Moment war ihre Tochter die ganze Welt.
Die Vision traf Sophia so plötzlich, dass sie keuchte.
Eine rothaarige junge Frau stand in einem Thronraum, Vertreter aus Hundert Ländern knieten vor ihr. Sie ging auf die Straßen, verteilte Brot an die Armen, pflückte Blumen, die sie zu ihren Füßen fand, sodass sie lächelnd einen Blumenkranz für eine Gruppe von Kindern machen konnte. Sie griff nach einer verwelkten Blume und erweckte sie wieder zum Leben…
… sie strich mitten durch ein Kampffeld, ein Schwert in ihrer Hand, dass sie auf die sterbenden Körper richtete und ihre Versuche zurück ins Leben zu kehren beendete. Sie beugte sich nach einem jungen Mann und saugte mit nur einer Berührung das Leben aus ihm heraus und gab es in die große Macht, die sie ihre eigenen Truppen heilen lassen würde.
… Sie tanzte auf einem Ball, lachte, als sie sich drehte, offensichtlich geliebt von denen um sie herum. Künstler arbeiteten an einer Seite des Zimmers mit allem von Malereien über Steine bis hin zur Magie, sie erschufen Arbeiten, die so wunderschön waren, das es schon fast wehtat, sie anzusehen. Sie hieß die Armen beim Fest willkommen, nicht als Wohltat, sondern weil sie keinen Unterschied darin sah, ihren Freunden zu essen zu geben und allen anderen was zu essen zu geben, die hungrig waren…
… Sie stand am Rand einer Kampfgrube, vor einer Gruppe von Adligen, die zitterten, als sie sich hinknieten und die mit einer Mischung aus Furcht und Hass zu ihr aufblickten, die Sophia zusammenzucken ließ, als sie es sah.
„Ihr habt mich betrogen“, sagte sie in einer Stimme mit fast perfekter Schönheit. „Ihr hättet alles haben können und alles was ihr hättet tun müssen, war meinen Befehlen zu folgen.“
„Und nichts Besseres zu sein, als Sklaven!“, sagte einer der Männer.
Sie trat in ihre Richtung, ein Schwert in ihrer Hand. „Es muss einen Preis dafür geben.“
Sie kam näher und das Töten begann, während um sie herum die Menge nur ein Wort rief, ein Name immer und immer wieder „Christina, Christina…“
Sophia kam wieder zu sich selbst, starrte auf ihre Tochter und verstand nicht, was gerade passiert war. Sophia verstand das Gefühl einer echten Vision jetzt, aber sie verstand nicht, was all das bedeutete. Es fühlte sich wie zwei Sets von Visionen auf einmal an, jede im Widerspruch zu dem anderen. Sie konnten nicht wahr sein, oder?
„Sophia was ist los?“, fragte Kate.
„Ich … ich hatte eine Vision“, sagte Sophia. „Eine Vision über meine Tochter.“
„Was für eine Vision?“, fragte Lucas.
„Ich verstehe das nicht“, sagte Sophia. „Ich habe sie gesehen und die Hälfte der Zeit hat sie diese wunderbaren Dinge getan und der Rest … es war so grausam, so teuflisch.“
Zeig es uns, schlug Kate vor.
Sophia gab sich Mühe, schickte Bilder der Vision an beide. Dennoch fühlte sie sich nicht, als wenn sie ihnen den ganzen Sinn davon schickte. Sie konnten nicht übermitteln wie wunderbar, und wie schrecklich sich das anfühlte, wie mächtig real all das war, selbst im Vergleich zu den anderen Visionen, die sie gehabt hatte.
„Darf ich ihre Gedanken ansehen?“, fragte Lucas, als Sophia fertig war.
Sophia nickte und dachte, dass er nach irgendwelchen Anzeichen suchte, dass ihre Tochter nicht das war, was sie zu sein schien. Nach dem was Siobhan versucht und nachdem sie versucht hatte, ihr Ungeborenes zu übernehmen, war die Aussicht darauf schrecklich.