Ehre wem Ehre gebührt - Морган Райс 5 стр.


„Was denkt deine Mutter?“ fragte sie.

Royce grinste.

„Ich glaube, sie liebt dich mehr als ich es tue, falls das überhaupt möglich ist“, lachte er.

Genovevas Lachen drang bis in seine Seele.

„Und deine Eltern?“ fragte er.

Ihr Gesicht verfinsterte sich, wenn auch nur für eine Sekunde, doch ihm schwand der Mut.

„Ist es meinetwegen?“ fragte er.

Sie schüttelte den Kopf.

„Sie haben dich in ihr Herz geschlossen“, erwiderte sie. „Sie sind nur…“ seufzte sie. „Wir sind noch nicht verheiratet. Wenn es nach ihnen ginge, könnte es nicht schnell genug gehen. Sie haben Angst um mich.“

Royce verstand. Ihre Eltern fürchteten die Adligen. Unverheiratete Bauern, wie Royce und Genoveva es waren, hatten keinerlei Rechte; wenn die Adligen es wollten, so konnten sie jede Frau nehmen und sie für sich beanspruchen. Bis sie verheiratet sein würden. Dann wären sie sicher.

„Schon bald“, sagte Genoveva und ihr Lächeln leuchtete.

„Sind sie erleichtert, weil ich es bin oder weil du vor den Adligen in Sicherheit sein wirst, wenn wir erst einmal verheiratet sind?“

Sie lachte und schlug ihn neckend.

„Sie lieben dich wie den Sohn, den sie niemals hatten!“ sagte sie. „Und ich liebe dich auch. Hier, das ist für dich.“

Sie streckte ihm etwas entgegen, das an einem Faden hing. Es war kaum mehr als ein Stück Draht. Doch es enthielt eine Locke von Genoveva. Für Royce jedoch war es das kostbarste, was er jemals gesehen hatte. Er nahm es an sich und steckte es in sein Hemd, ganz nah an seinem Herzen.

Er griff nach ihrem Arm und küsste sie.

„Royce!“ rief eine Stimme.

Royce drehte sich um und sah seine drei Brüder in einer großen Gruppe mit Genovevas Schwestern und Cousinen den Hügel hinaufkommen. Sie alle hielten Sicheln und Heugabeln in der Hand und waren bereit, den Arbeitstag anzugehen. Royce atmete tief durch, denn er wusste, dass die Zeit des Abschieds gekommen war. Sie waren immer noch Bauern, und sie konnten es sich nicht erlauben, sich einen ganzen Tag frei zu nehmen. Die Hochzeit musste bis zum Sonnenuntergang warten.

Royce machte es an diesem Tag nichts aus zu arbeiten, doch litt er mit Genoveva. Er wünschte, dass er ihr mehr zu bieten gehabt hätte.

„Ich wünschte, du könntest dir heute frei nehmen“, sagte Royce.

Sie lächelte erst, und dann lachte sie.

„Das Arbeiten macht mich glücklich. Es lenkt mich ab. Vor allem“, sagte sie und beugte sich vor um seine Nase zu küssen, „von dem Gedanken wie lange es dauert, bis ich dich heute wieder zu Gesicht bekomme.“

Sie küssten sich, und sie drehte sich mit einem Kichern um, hakte sich bei ihren Schwestern und Cousinen ein und war zusammen mit ihnen schon bald auf dem Weg in Richtung der Felder. Sie alle waren ganz aufgeregt an diesem wunderbaren Sommertag.

Royces Brüder tauchten hinter ihm auf, klopften ihm auf die Schulter, und schon machten sich die vier auf ihren eigenen Weg in die entgegengesetzte Richtung den Hügel hinab.

„Komm schon du verliebter Vogel!“ sagte Raymond. Der älteste Bruder war Royce wie ein Vater. „Das kann noch bis heute Abend warten!“

Seine beiden anderen Brüder lachten.

„Sie hat dich wirklich am Haken“, fügte Lofen hinzu, der mittlere von ihnen, der kleiner und gedrungener war als die anderen.

„Es gibt keine Hoffnung für dich“, stimmte Garet mit ein. Als Jüngster von ihnen war er nur wenige Jahre älter als Royce und stand diesem am nächsten. Allerdings stand er mit ihm auch am deutlichsten im Konkurrenzkampf. „Noch nicht einmal verheiratet und schon verloren.“

Die drei lachten und wollten ihn damit aufziehen. Royce stimmte mit ein als sie sich auf den Weg zur Feldarbeit begaben. Er blickte noch einmal über seine Schulter und erhaschte einen letzten Blick auf Genoveva, die den Hügel hinablaufend verschwand. Sein Herz hüpfte als auch sie sich noch einmal nach ihm umwandte und ihm von weit weg ein Lächeln schenkte. Ihr Lächeln rührte seine Seele.

Heute Abend, meine Liebe, dachte er. Heute Abend.

*

Genoveva arbeitete auf den Feldern, hob und schwang umgeben von etwa einem dutzend Schwestern und Cousinen ihre Sense. Sie alle waren an diesem denkwürdigen Tag bester Laune, und Genoveva nur mit halbem Herzen bei der Arbeit. Sie hielt immer wieder inne, nachdem sie einige Male die Sense geschwungen hatte und stützte sich auf ihren langen Schaft während sie in den blauen Himmel blickte, die grandiosen gelben Felder betrachtete und an Royce dachte. Jedes Mal schlug ihr Herz dabei schneller. Heute war der Tag, von dem sie seit Kindertagen geträumt hatte. Es war der wichtigste Tag in ihrem Leben. Nach dem heutigen Tage würden sie und Royce für immer zusammenleben; nach dem heutigen Tage würden sie ihr eigenes kleines Häuschen beziehen, ein einfaches Ein-Raum-Häuschen am Rande der Felder, ein bescheidenes Plätzchen, das ihre Eltern ihr hinterlassen hatten. Es wäre ein Neubeginn in ihren Rollen als Mann und Frau.

Genoveva strahlte bei dem Gedanken. Nichts hatte sie jemals sehnlicher gewollt, als mit Royce zusammen zu sein. Er war immer an ihrer Seite gewesen seitdem sie ein Kind gewesen war, und sie hatte nie für einen anderen Augen gehabt. Auch wenn er der jüngste der vier Brüder war, so hatte sie stets das Gefühl gehabt, dass Royce etwas Besonderes hatte, das ihn von allen anderen, die sie getroffen hatte, unterschied. Sie wusste nicht genau, worin genau dieser Unterschied bestand, und sie vermutete, dass auch er es nicht wusste. Doch sah sie etwas in ihm, etwas, das größer war als dieses Dorf, dieser Landstrich. Es war ihr, als läge sein Schicksal andernorts.

„Und was wird aus seinen Brüdern?“ fragte eine Stimme.

Genoveva kehrte in die Gegenwart zurück. Sie drehte sich zu der kichernden Sheila ihrer ältesten Schwester, hinter der zwei ihrer Cousinen standen.

„Er hat immerhin drei! Die kannst du unmöglich alle haben!“ setzte sie lachend hinzu.

„Ja worauf wartest du?“ stimmte ihre Cousine zu. „Wir warten darauf, vorgestellt zu werden.“

Genoveva lachte.

„Ich habe euch bereits vorgestellt“, antwortete sie. „Viele Male.“

„Das reicht nicht!“ erwiderte Sheila während die anderen lachten.

„Sollte deine Schwester nicht seinen Bruder heiraten?“

Genoveva lächelte.

„Es gäbe nichts schöneres für mich“, antwortete sie. „Aber ich kann nicht an ihrer Stelle sprechen. Ich kenne nur Royces Herz.“

„Überzeuge sie!“ drängte eine andere ihrer Cousinen.

Genoveva lachte erneut. „Ich werde mein Bestes geben.“

„Und was wirst du tragen?“ rief ihre Cousine dazwischen. „Du hast noch immer nicht entschieden, welches Kleid du – “

Ein Geräusch, das plötzlich durch die Luft zu ihnen drang, eines bei dem Genoveva sofort unwohl zumute wurde, veranlasste sie ihre Sense sinken zu lassen und sich dem Horizont zuzuwenden. Sie wusste, noch bevor sie es ganz verstanden hatte, dass es ein unheilvolles Geräusch war, eines das Ärger bedeuten würde.

Sie drehte sich um und starrte auf den Horizont, und als sie das tat, fanden ihre größten Ängste Bestätigung. Das Geräusch von Getrappel wurde hörbar. Ein Gefolge aus Pferden tauchte auf dem Hügel auf. Ihr Herz stockte als sie die Reiter sah, die in feinste Seide gekleidet, ein grüngoldenes Banner trugen, in dessen Mitte ein Bär prangte und das Haus Nors ankündigten.

Die Adligen kamen.

Genoveva machte dieser Anblick wütend. Diese habgierigen Männer hatten ihrer Familie und allen anderen Bauernfamilien einen Zehnten nach dem anderen abgenommen. Sie hatten alles genommen, was sie kriegen konnten und lebten wie Könige. Und immer noch war es nicht genug.

Genoveva sah, wie sie heranritten, und sie betete mit ganzer Seele, dass sie einfach vorbeireiten und nicht zu ihnen kommen würden. Allerdings hatte sie sie viele Sonnenzyklen nicht mehr in diesen Feldern gesehen.

Genoveva musste zu ihrem Entsetzen mitansehen, wie sie plötzlich drehten und auf sie zu ritten.

Nein, bat sie still. Nicht jetzt. Nicht hier. Nicht heute.

Doch sie ritten und ritten, kamen näher und näher ganz klar auf sie zu. Die Kunde von ihrer Hochzeit musste sich verbreitet haben, und das ermunterte sie, zuzugreifen bevor es zu spät war.

Die anderen Mädchen scharten sich instinktiv um sie. Sheila drehte sich zu ihr und umklammerte wie wild ihren Arm.

„LAUF!“ befahl sie ihr und schubste sie.

Genoveva drehte sich um und erblickte das offene kilometerweite Feld vor sich. Sie wusste, dass es irrsinnig gewesen wäre – sie würde nicht weit kommen. Sie würden sie trotzdem einfangen – jedoch ohne Würde.

„Nein“, antwortete sie ruhig und gelassen.

Sie umklammerte den Griff ihrer Sense und hielt sie vor sich.

„Ich werde ihnen entgegentreten.“

Sie sahen sie verblüfft an.

„Mit deiner Sense?“ fragte ihre Cousine ungläubig.

„Vielleicht kommen sie ohne böse Absicht“, pflichtete eine andere Cousine ihr bei.

Doch Genoveva sah sie herannahen und langsam schüttelte sie ihren Kopf.

„Nein, das tun sie nicht“, antwortete sie.

Sie sah, wie sie näherkamen und wartete darauf, dass sie langsamer würden – doch zu ihrer Überraschung hielten sie das Tempo. In ihrer Mitte ritt Manfor, ein höhergestellter Adliger um die zwanzig, den sie verachtete. Er war Herzog des Königreiches, ein Junge mit vollen Lippen, hellen Augen, goldenen Locken und einem höhnischen Lächeln auf den Lippen. Es war als würde er permanent auf die Welt hinabblicken.

Sie kamen noch näher und Genoveva sah das grausige Grinsen in seinem Gesicht und seinen Blick, der über ihren Körper glitt, als wäre er ein Stück Fleisch. Sie waren weniger als zwanzig Meter entfernt, da hob Genoveva ihre Sense und machte sich bereit.

„Sie werden mich nicht mitnehmen“, seufzte sie resignierend und an Royce denkend. Jetzt wünschte sie ihn sich mehr als alles andere an ihrer Seite.

„Genoveva tu das nicht“, schrie Sheila.

Genoveva rannte mit erhobener Sense auf sie zu. Adrenalin schoss durch ihre Adern. Sie wusste nicht, woher sie den Mut nahm, doch sie brachte ihn auf. Sie stürmte mit kampfbereiter Sense auf sie zu und ließ sie auf den ersten Adligen, der ihr in die Quere kam, niedergehen.

Doch sie waren zu schnell. Sie ritten wie der Donner und als sie die Sense niederschwang, da hob einer von ihnen seinen Stock, schwang diesen und schlug ihr die Sense aus der Hand. Sie spürte den schrecklichen Widerstand bis in ihre Hand hinein und musste mitansehen, wie ihre Waffe durch die Luft flog und in einem nahegelegenen Heuhaufen landete.

Einen Moment später galoppierte Manfor an ihr vorbei, lehnte sich nach vorne und schlug ihr mit seiner Gantelet aus Metall ins Gesicht.

Genoveva schrie und wurde von der Wucht des Schlags herumgeschleudert. Sie landete mit dem Gesicht zuerst im Heu, brennender Schmerz flammte auf.

Die Pferde blieben abrupt stehen, und Reiter stiegen von ihnen ab, um Genoveva mit groben Händen zu greifen. Sie wurde auf ihre Füße gestellt, ihr war noch immer schwindelig von dem Schlag, den sie hatte einstecken müssen.

Sie stand mit wackeligen Beinen da und sah zu Manfor auf, der vor ihr stand. Seine höhnische Grimasse tauchte unter seinem Helm auf.

„Lasst mich gehen!“ zischte sie. „Ich bin nicht Euer Eigentum!“

Sie hörte Schreie hinter sich und blickte zu ihren Schwestern und Cousinen, die ihr zu Hilfe eilen wollten, sie retten wollten – und sie sah mit Schrecken, wie die Ritter sie zu Boden schlugen.

Genoveva hörte Manfors widerliches Gelächter als er nach ihr griff, sie auf den Rücken seines Pferdes schmiss und ihre Handgelenke zusammenband. Einen Augenblick später stieg er hinter ihr auf, gab dem Pferd die Sporen und ritt von dannen. Die Mädchen kreischten hinter ihr als sie sich immer weiter entfernte. Sie versuchte, sich zu befreien, doch sie war unfähig, sich zu wehren, denn er hielt sie wie in einem Schraubstock gepackt.

„Wie falsch du liegst junges Mädchen“, antwortete er lachend. „Du gehörst mir.“

KAPITEL FÜNF

Royce stand inmitten eines Weizenfeldes, das er mit Hilfe seiner Sichel bearbeitete während sein Herz beim Gedanken an seine Braut vor Freude hüpfte. Er konnte kaum fassen, dass ihr Hochzeitstag nun wirklich gekommen war. In seiner Erinnerung hatte er Genoveva schon immer geliebt und der heutige Tag würde der denkwürdigste in seinem Leben werden. Morgen schon würde er mit ihr an seiner Seite erwachen, in einem neuen eigenen Häuschen und einem neuen Leben, das vor ihnen lag. Er konnte die Schmetterlinge in seinem Bauch spüren. Er wünschte sich nichts sehnlicher.

Während er seine Sichel schwang, dachte Royce an das nächtliche Training mit seinen Brüdern. Sie hatten sich unablässig mit Holzschwertern bekämpft, manchmal auch mit echten, doppelgewichteten, die so schwer waren, dass man sie kaum halten konnten, doch sollten sie sie stärker und schneller machen. Auch wenn er jünger als seine anderen drei Brüder war, so hatte Royce bemerkt, dass er der beste Kämpfer unter ihnen war, geschickter mit dem Schwert, schneller im Angriff und bei der Verteidigung. Es war, als wäre es aus einem anderen Eisen geschmiedet. Er war anders, das wusste er. Doch er wusste nicht wie. Und das machte ihn unruhig.

Woher hatte er sein Talent zum Kämpfen? Warum war er so anders? Das ergab alles keinen Sinn. Sie waren Brüder, in ihren Adern floss das gleiche Blut. Auch waren sie vier unzertrennlich, machten alles zusammen, ob es dabei ums Kämpfen oder die Arbeit im Feld ging. Das war auch der einzige Wehrmutstropfen dieses fröhlichen Tages: würde sein Umzug bedeuten, dass er sich von seinen Brüdern entfernen würde? Er schwor sich still, dass egal was auch geschah, er das nicht zulassen würde.

Royce Gedanken wurden durch ein Geräusch, das von Rande des Feldes kam, unterbrochen, ein für diese Tageszeit ungewöhnliches Geräusch, ein Geräusch, das er an solch einem perfekten Tag nicht hören wollte. Pferde. Ungeduldiges Getrappel.

Royce drehte sich besorgt um, gleiches taten seine Brüder. Seine Sorge wurde noch größer als er Genovevas Schwestern und Cousinen ausmachte. Sie ritten auf ihn zu und Royce konnte bereits die in ihre Gesichter geätzte Panik und Dringlichkeit erkennen.

Royce hatte Mühe zu verstehen, was er dort sah. Wo war Genoveva? Warum kamen sie alle auf ihn zugeritten?

Sein Herz verkrampfte sich als er verstand, dass etwas Furchtbares geschehen sein musste.

Er ließ seine Sichel fallen, so wie auch seine Brüder und das Dutzend weiterer Bauern aus ihrem Dorf, und sie rannten ihnen entgegen. Die erste die er erreichte war Sheila, Genovevas Schwester. Sie stieg von ihrem Pferd ab, noch bevor es vollständig zum Stehen gekommen war und griff Royce bei seiner Schulter.

„Was ist los?“ schrie Royce. Er griff ihre Schultern und er spürte wie sie zitterte.

Sie brachte zwischen ihren Tränen kaum die Worte über die Lippen.

„Genoveva!“ schrie sie voller Entsetzen. „Sie haben sie mitgenommen!“

Royce trafen diese Worte wie der Schlag und schreckliche Szenen tauchten vor seinem inneren Auge auf.

„Wer?“ rief er, seine Brüder hatten sich neben ihn gestellt.

„Manfor!“ schrie sie. „Aus dem Hause Nors!“

Royce spürte das Herz in seiner Brust pochen, und Empören stieg in ihm auf. Seine Braut. Geholt von den Adligen, als wäre sie ihr Eigentum. Blut stieg ihm ins Gesicht.

„Wann!?“ fragte er und drückte Sheilas Arm fester als er es wollte.

„Gerade eben!“ antwortete sie. „Wir haben uns diese Pferde geholt, um es dir schnellstmöglich mitzuteilen!“

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