Das Gewicht der Ehre - Морган Райс 7 стр.


Bevor sie zuschlug, sah er die Männer ratlos an der Ecke des Kanals vorbeilaufen, nicht imstande, die Tür unter ihnen zu sehen, die sich gerade schloss.

Alec fand sich im Untergrund, in einem schwarzen, unterirdischen Kanal wieder und er rannte verblüfft, das Wasser spritzte an seinen Knöcheln hoch. Sie liefen kreuz und quer und bogen ab und schon bald sahen sie wieder Sonnenlicht.

Alec sah, dass sie sich in einem riesigen Steinraum befanden, unter den Straßen der Stadt. Sonnenlicht schien durch die Gitterstäbe von oben hinein und er war erstaunt als er sah, dass sie von mehreren jungen Männern in ihrem Alter umgeben waren, deren Gesichter mit Dreck verschmiert waren, ihm aber natürlich und aufgeschlossen zulächelten. Sie alle hielten, schwer atmend an und Marco lächelte und begrüßte seine Freunde.

„Marco”, sagten sie, ihn umarmend.

„Jun, Saro, Bagi”, antwortete Marco.

Sie alle traten nach vorne und er umarmte jeden einzelnen, grinsend, diese Männer waren offenbar wie Brüder für ihn.

Sie waren alle ungefähr in seinem Alter und so groß wie Marco, breitgeschultert, mit starken Gesichtern und dem Aussehen von Jungs, die es geschafft hatten ihr ganzes Leben lang auf der Straße zu überleben. Sie waren Jungen, die offensichtlich für sich selbst sorgen mussten.

Marco zog Alec nach vorne.

„Dies”, sagte er, „ist Alec. Er ist jetzt einer von uns.“

Einer von uns. Alec gefiel wie das klang. Es fühlte sich gut an irgendwo hinzugehören. Sie alle ergriffen seinen Unterarm und einer von ihnen, der Größte,

Bagi, schüttelte seinen Kopf und grinste.

„Du bist also derjenige, der diese ganze Aufregung verursacht hat?“ fragte er mit einem Lächeln.

Alec lächelte betreten zurück.

„Der Typ hat mich geschubst”, sagte Alec.

Die anderen lachten alle.

„Ein Grund so gut wie jeder andere unser Leben heute zu riskieren“, antwortete Saro ehrlich.

„Du bist jetzt in der Stadt, Landjunge”, sagte Jun streng, nicht lächelnd wie die anderen.

„Du hättest uns alle töten können. Das war dumm. Hier interessiert es die Leute nicht – sie werden dich schubsen – oder noch viel schlimmer. Halt deinen Kopf unten und pass auf wo du hingehst. Wenn dich jemand anstößt, geh weg oder es kann sein, dass du einen Dolch in deinem Rücken findest. Diesmal hattest du Glück. Das ist Ur. Du weißt nie, wer die Straße überquert und die Leute hier töten dich aus irgendeinem Grund – und manche, auch ganz ohne Grund.“

Seine neuen Freunde drehten sich plötzlich um und gingen tiefer in die höhlenartigen Tunnel hinein und Alec beeilte sich aufzuholen und auch Marco schloss sich ihnen an. Sie alle schienen diesen Ort wie ihre Westentasche zu kennen, denn sogar in dem schummrigen Licht, durchkreuzten sie mit Leichtigkeit diese unterirdischen Hallen, von denen das Geräusch von Wasser, das von den Wänden tropfte, wiederhallte. Sie alle waren offenbar hier aufgewachsen. Es gab Alec ein Gefühl von Unzulänglichkeit, in Soli aufgewachsen, ein Kontrast zu diesem Ort, der so weltlich war und diese Jungs, die so clever auf der Straße waren. Sie alle hatten offensichtlich Prüfungen und Entbehrungen erlitten, die sich Alec nicht vorstellen konnte. Sie waren rau, und waren offenkundig in mehr als ein paar Auseinandersetzungen verwickelt gewesen und zusätzlich erschienen sie wie Überlebenskünstler.

Als sie in einigen Gassen abgebogen waren, stiegen die Jungen eine steile Metallleiter hinauf und schon fand sich Alec über dem Boden, in den Straßen, in einem anderen Teil Urs und in eine andere Menschenmasse eintauchend wieder. Alec schaute sich um, und sah einen großen Platz mit einem kupfernen Brunnen in seiner Mitte, er erkannte ihn nicht wieder, er war kaum fähig sich all die Viertel dieser ausgedehnten Stadt zu merken.

Die Jungen blieben vor einem niedrigen, untersetzten, unbekanntem Gebäude aus Stein stehen, welches genauso wie die anderen aussah mit seinem gedeckten Dach aus roten Ziegeln.

Bagi klopfte zweimal und einen Moment später wurde die anonyme, verrostete Tür geöffnet.

Sie alle gingen schnell hinein und die Tür wurde umgehend hinter ihnen zugeschlagen.

Alec fand sich in einem schummrigen Raum wieder, Tageslicht kam nur durch Fenster von weit oben herein und er drehte sich um als er das Geräusch des Schmiedehammers erkannte, der gegen den Amboss schlug, und inspizierte interessiert den Raum. Er hörte das Zischen der Schmiede und sah die vertrauten Wolken des Dampfes und fühlte sich direkt zu Hause.

Er musste sich nicht weiter umsehen um zu wissen, dass er in einer Schmieder war und dass diese voll von Schmieden war, die Waffen bearbeiteten. Sein Herz schlug schnell vor Aufregung.

Ein großer, dünner Mann mit einem kurzen Bart, möglicherweise in seinen Vierzigern, das Gesicht geschwärzt vom Ruß, kam näher und wischte sich seine Hände an der Schürze ab. Er nickte Marcos Freunden respektvoll zu und sie nickten zurück.

„Fervil”, sagte Marco.

Fervil drehte sich um und als er Marco sah, leuchtete sein Gesicht auf. Er trat vorwärts und umarmte ihn.

„Ich dachte, du wärst zu den Flammen gegangen”, sagte er.

Marco grinste zurück.

„Nicht mehr”, antwortete er.

„Sind deine Jungen bereit zu arbeiten?“ fügte er hinzu. Und dann sah er zu Alec rüber.

„Und wen haben wir hier?“

„Meinen Freund”, antwortete Marco. „Alec. Ein guter Schmied, begierig sich unserem Vorhaben anzuschließen.“

„Ist er das?“ fragte Fervil skeptisch.

Er betrachtete Alec mit harten Augen und sah an ihm auf und ab, als ob er unbrauchbar war.

„Ich bezweifle das”, antwortete er, „so, wie der aussieht. Er sieht unglaublich jung aus. Aber wir können ihn zum Schrott sammeln gebrauchen. Nimm das”, sagte er und drückte Alec einen Eimer mit Metallschrott in die Hand. „Ich lasse dich wissen, wenn ich dich brauche.“

Alec errötete, empört. Er wusste nicht warum dieser Mann ihm solch eine Abneigung gegenüberbrachte – vielleicht fühlte er sich bedroht. Er merkte wie die Schmiede ruhig wurde und er sah, dass ihn die anderen Jungen beobachteten. Auf vielerlei Art erinnerte ihn das an seinen Vater und das machte ihn nur noch wütender.

Es brodelte immer noch in ihm und er war nicht länger gewillt, seit dem Tod seiner Familie,  Dinge zu tolerieren, die er vorher toleriert hatte.

Als die anderen sich gerade zum Gehen umdrehten, ließ Alec den Metalleimer auf den Boden fallen und es klirrte laut auf dem Steinfußboden. Alle drehten sich verblüfft um und die Schmiede wurde ruhig als die anderen die Konfrontation beobachteten.

„Mach, dass du aus meinem Laden kommst.“, knurrte Fervil.

Alec ignorierte ihn; stattdessen trat er hinter ihn zum nächsten Tisch und hob eine lange Klinge auf, hielt sie vor sich und überprüfte sie.

„Ist das Ihre Handarbeit?“ fragte Alec

„Und wer bist du, dass du dir erlaubst mir Fragen zu stellen?“ verlangte Fervil zu wissen.

„Ist es deine Handarbeit?“ fragte Marco für seinen Freund einstehend.

„Ja, ist es“, antwortete Fervil defensiv.

Alec nickte.

„Es ist Schrott”, stellte er fest.

Ein Keuchen drang durch den Raum.

Fervil stellte sich zu seiner vollen Größe auf und schaute wütend und finster zu ihm.

„Deine Männer können jetzt gehen“, knurrte er, „Ihr alle. Ich habe genügend Schmiede hier.“

Alec behauptete seinen Platz.

„Und es ist nichts wert“, konterte er.

Fervil wurde rot und trat bedrohlich näher und Marco fuhr mit seiner Hand zwischen sie.

„Wir gehen”, sagte Marco.

Alec stellte plötzlich die Spitze der Klinge auf den Boden, hob seinen Fuß hoch – und mit einem sauberen Stoß, zerbrach er sie in zwei Teile.

Scherben flogen überall durch den Raum.

„Sollte ein gutes Schwert das tun?“ fragte Alec mit einem trockenen Lächeln.

Fervil schrie und ging auf Alec los – und als dieser sich ihm näherte, hielt Alec das gezackte Ende der kaputten Klinge hoch und stoppte damit Fervils Angriff.

Die anderen Schmiede sahen die Situation eskalieren, zogen ihre Schwerter und stürzten nach vorne um Fervil zu verteidigen, während Marco und seine Freunde sich hinter Alec versammelten. Alle standen sie sich angespannt gegenüber.

„Was tust du?“ fragte Marco Alec. „Wir sind alle aus dem gleichen Grund hier. Das ist Wahnsinn.“

„Und deswegen kann ich sie nicht mit Schrott kämpfen lassen”, antwortete Alec.

Alec ließ das kaputte Schwert fallen und zog langsam ein langes Schwert aus seinem Gürtel.

„Das ist meine Handarbeit”, sagte Alec laut. „Ich fertigte dies selbst in der Schmiede meines Vaters an. Eine bessere Arbeit wirst du nie finden.“

Alec drehte plötzlich sein Schwert herum, nahm die Klinge und hielt sie Fervil mit dem Griff zuerst entgegen.

In der angespannten Stille, sah Fervil hinunter, zweifelsohne hatte er damit nicht gerechnet. Er griff nach dem Schwert, Alec blieb wehrlos zurück und im ersten Moment schien es als ob er in Erwägung zog Alec damit zu erstechen.

Dennoch stand Alec stolz und furchtlos vor ihm.

Fervils Gesicht entspannte sich langsam, als ihm bewusst wurde, dass Alex sich ihm wehrlos gegenüberstellte und betrachtete ihn mit mehr Respekt. Es sah nach unten und besah sich das Schwert. Er nahm es in seine Hand, hielt es ins Licht und dann endlich, nach einer langen Zeit, sah er beeindruckt zurück zu Alec.

„Deine Arbeit?“ fragte er, mit Ungläubigkeit in seiner Stimme.

Alec nickte.

„Und ich kann noch viele mehr davon schmieden”, antwortete er.

Er trat einen Schritt nach vorne und sah Fervil fest in die Augen.

„Ich will Pandesier umbringen”, sagte Alec. „Und ich will es mit richtigen Waffen tun.“

Eine lange, dicke Stille schwebte über dem Raum, als Fervil endlich langsam mit dem Kopf schüttelte und lächelte.

Er senkte das Schwert, hielt es ausgestreckt und Alec ergriff es. Langsam ließen alle Männer ihre Waffen sinken.

„Ich denke”, sagte Fervil breit grinsend, „wir werden einen Platz für dich finden.“

KAPITEL ACHT

Aidan lief die einsame Waldstraße entlang, er war so weit weg von Allem, war er kannte, wie noch nie in seinem Leben und er fühlte sich völlig alleine auf der Welt. Wenn er nicht seinen Waldhund neben sich gehabt hätte, wäre er gänzlich verzweifelt und hoffnungslos gewesen; aber Fynn gab ihm sogar, so schwer verletzt er auch war Stärke, und Adrian streichelte über sein kurzes, weißes Fell. Beide humpelten, beide verwundet von ihrem Treffen mit diesem wilden Kutschfahrer, jeder Schritt wurde immer schmerzvoller und der Himmel dunkler. Mit jedem gehumpelten Schritt, den er nahm, gelobte er, wenn er diesen Mann jemals wieder sehen sollte, dann würde er ihn eigenhändig umbringen.

Fynn winselte neben ihm und Aidan reichte zu ihm hinüber und streichelte seinen Kopf. Der Hund war fast so groß wie er, eher eine wilde Bestie als ein Hund. Aidan war nicht nur dankbar für seine Begleitung, sondern auch für die Tatsache, dass Fynn ihm das Leben gerettet hatte. Er hatte Fynn damals gerettet, weil etwas in ihm sich nicht umdrehen konnte – und nun hatte er als Belohnung sein Leben zurückbekommen. Er würde es wieder und wieder tun, auch wenn es bedeuten würde hier draußen, im Nichts, ausgesetzt und auf dem sicheren Weg des Verhungerns und des Todes zu sein. Es war es immer noch wert.

Fynn winselte wieder und Aidan teilte seine Hungerqualen mit ihm.

„Ich weiß, Fynn”, sagte Aidan. „Ich bin auch hungrig.“

Aidan schaute hinunter auf Fynns Wunden, aus denen immer noch Blut sickerte, und schüttelte mit dem Kopf, er fühlte sich schrecklich hilflos.

„Ich würde alles tun um dir zu helfen”, sagte Aidan. „Ich wünschte nur, ich wüsste wie.“

Aidan lehnte sich über ihn und gab ihm einen Kuss auf den Kopf, sein Fell war weich und Fynn lehnte seinen Kopf an Aidans. Es war die Umarmung von zwei Wesen, die auf dem Todesmarsch waren. Die Geräusche von wilden Tieren wurden immer lauter und stiegen zu einer Symphonie in dem immer schwärzer werdenden Wald an. Aidan spürte seine Beine brennen und wusste, dass er nicht viel weiter gehen konnte und das sie hier draußen sterben würden. Sie waren immer noch Tage von allem entfernt und wenn die Nacht hereinbrach, waren sie verletzlich. Fynn so kraftvoll wie er war, war nicht in der Lage irgendetwas zu bekämpfen und Aidan, verletzt und ohne Waffe erging es nicht besser. Kein einziger Karren war seit Stunden vorbeigekommen und es würden auch keine, so vermutete er, in den nächsten Tagen, vorbeikommen.

Aidan dachte an seinen Vater, der irgendwo da draußen war und er hatte das Gefühl er hatte ihn enttäuscht. Wenn er schon sterben müsste, dann wünschte Aidan er würde es an der Seite seines Vaters für einen höheren Zweck kämpfend, oder zu Hause in Volis tun. Nicht hier, allein, mitten im Nirgendwo. Jeder Schritt, so schien es, brachte ihm den Tod näher.

Aidan dachte über sein kurzes Leben nach, dachte an die Menschen, die er gekannt und geliebt hatte, an seinen Vater und seine Brüder, aber vor allem an seine Schwester Kyra. Er wunderte sich, wo sie wohl war und ob sie es geschafft hatte Escalon zu durchqueren und ob sie auf ihrer Reise nach Ur überlebt hatte. Er fragte sich, ob sie wohl überhaupt an ihn dachte und ob sie stolz auf ihn wäre, jetzt, wo er versuchte in ihre Fußstapfen zu treten, und Escalon zu durchqueren, auf seine eigene Art, um seinem Vater und der Bestimmung zu helfen. Er fragte sich, ob er jemals ein großer Krieger geworden wäre und es machte ihn tief traurig, dass er sie nie mehr wiedersehen würde.

Aidan merkte wie er mit jedem Schritt hinabsank und es gab nicht viel was er noch tun konnte, außer seinen Wunden und seiner Erschöpfung nachzugeben. Er ging langsamer und langsamer und schaute zu Fynn hinüber, auch er zog seine Beine qualvoll nach. Bald mussten sie sich also hinlegen und hier mitten auf der Straße rasten, egal was kommen würde. Es war eine schreckliche Vorstellung.

Aidan glaubte in Ohnmacht fallen zu müssen, als er dachte er hätte etwas gehört. Er blieb stehen und lauschte und auch Fynn stoppte und sah fragend zu ihm hoch. Aidan hoffte und betete. Bildete er sich Sachen ein? Aber da war es wieder. Er war sich diesmal sicher. Ein Quietschen von Rädern. Von Holz. Von Eisen. Es war ein Karren.

Aidan drehte sich herum, sein Herz setzte einen Schlag aus, während er in das verblassende Licht schielte. Zuerst sah er nichts. Aber dann, kam etwas langsam in sein Blickfeld. Ein Karren. Mehrere Karren..

Sein Herz schlug ihm bis zur Kehle, er hörte das Poltern, hörte die Pferde und sah die Karawane in seine Richtung kommen. Jedoch wurde seine Aufregung durch die Frage gemildert ob diese Karren feindlich sein könnten. Wer sollte sonst auf dieser langen, kargen Straße, so weit weg von allem reisen? Er konnte nicht kämpfen und auch in Fynn, der halbherzig knurrte, war nicht mehr viel Kampf übrig. Sie waren der Gnade von wem auch immer ausgeliefert. Es war ein furchteinflößender Gedanke.

Das Geräusch wurde ohrenbetäubend, während sich die Karren näherten, und Aidan, der mutig in der Mitte der Straße stand, realisierte, dass er sich nicht verstecken konnte. Er musste an sein Glück glauben. Er dachte, er würde Musik hören als sie näherkamen und das verstärkte seine Neugierde. Sie gewannen an Geschwindigkeit und für einen Moment fragte er sich, ob sie ihn umfahren würden.

Dann plötzlich verlangsamte die gesamte Karawane und blieb vor ihm stehen, da er die Straße blockierte. Sie starrten auf ihn herunter, der Staub fiel auf sie alle hinab, es war eine große Gruppe, die aus etwa fünfzig Leuten bestand und Aidan blinzelte überrascht auf als er sah, dass es keine Soldaten waren.

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