Köder Null - Джек Марс 5 стр.


Dies war ein Raum, in dem man Geheimnisse besprach, ein Raum ohne Ohren. Sie wusste zwar nicht, was gleich besprochen würde, doch Joanna Barkley war sich sicher, dass dies der genaue Grund war, aus dem sie gehofft hatte, schnell nach Washington zurückzukehren.

„Bitte“, sagte Basheer und zeigte auf die Sitzgelegenheiten im Zimmer. „Setzen Sie sich.“

Sie ließ sich auf einem cremefarbenen Diwan nieder, doch lehnte sich nicht zurück und machte keine Anstalten, es sich bequem zu machen. Joanna saß mit geradem Rücken auf dem Rand eines Kissens und legte die Hände in den Schoß. „Womit habe ich eine solche Audienz verdient?“, wagte sie zu fragen und übersprang damit jegliche Formalitäten, die vielleicht zu erwarten gewesen wären.

Basheer genehmigte sich ein seltenes Lächeln.

Es war kein Geheimnis, dass die Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten und Saudi-Arabien sich seit König Ghazis Krankheit verschlechtert hatten. Ghazi war ein Verbündeter gewesen, doch als er krank wurde und aus dem Scheinwerferlicht der Öffentlichkeit verschwand, blieben jene, die für ihn sprechen sollten, seltsam still. Die Monarchie von Saudi-Arabien war der absolute Machthaber und herrschte über alle Regierungsgewalten, weshalb die USA es für umsichtig hielt, sich im Geheimen über die Aktivitäten des Kronprinzen Basheer zu informieren.

Was sie herausfanden, gefiel ihnen nicht besonders.

Um die Dinge noch zu verschlimmern, war sich Joanna außerdem nur zu bewusst, dass der ehemalige Prinz sich streng an die Gesetze der Scharia hielt und ihm Frauen in Machtpositionen gar nicht gefielen. Seiner Meinung nach waren und würden sie niemals gleichberechtigt sein. Sie war ihm nicht ebenbürtig, ganz einfach.

„Ich möchte mich gerne kurz über die Zukunft der Beziehungen zwischen unseren Ländern unterhalten“, begann der König.

Joanna lächelte zurück. „Bevor Sie weitersprechen, Hoheit, möchte ich Ihnen mitteilen, dass ich nicht über die Autorität verfüge, um Genehmigungen im Namen meines Landes zu autorisieren.“

„Ja“, stimmte ihr der König zu. „Doch Sie können alles, was wir bei diesem Treffen besprechen, an den Präsidenten weiterleiten.“

Joanna ließ sich ihre Empörung über die Andeutung, sie wäre eine Botin, nicht anmerken, stattdessen schwieg sie.

„Ich habe gehört, dass die USA den Ajatollah des Iran diese Woche willkommen heißen“, fuhr Basheer fort.

„Das stimmt.“ Joanna hatte den Besuch selbst organisiert. Ein wichtiger Teil von Präsident Rutledges Bemühungen, Frieden zwischen den USA und dem Nahen Osten zu schließen, war ein strategisches Bündnis mit dem Iran. Sie zielten hoch, doch wie bei den meisten Dingen ihres Lebens näherte sich Joanna dem Problem diplomatisch und unvoreingenommen an. So fand sie heraus, dass eine Lösung durchaus möglich wäre. „Unsere Länder versöhnen sich. Ein Abkommen wird derzeit von den Vereinten Nationen entworfen.“

Der weißgekleidete Geistliche blies seine Nasenflügel auf. Es war eine kaum merkbare Bewegung, hätte er nicht wie eine Statue neben den Doppeltüren gestanden. So stocksteif wie er da stand, hätte die winzige Geste auch ein lautes Knurren sein können.

„Ich glaube, dass Sie vielleicht noch nicht ganz, äh, wie soll ich es nennen - informiert sind“, entgegnete ihr Basheer hochmütig. „Sie sind ja schließlich noch neu -“

„Ich bin neu in diesem Amt“, unterbrach ihn Joanna. „Ich kann Ihnen versichern, dass ich kein Neuling bin.“

Was mache ich da? rügte sie sich. Normalerweise reagierte sie nicht auf eine herablassende Haltung oder sogar offenen Spott. Doch etwas an diesem jungen König und seinem denkmalhaften Berater reizte sie auf eine Weise, die sie noch nie zuvor gespürt hatte. Es war nicht nur eine Geringschätzung ihrer selbst, es war eine Geringschätzung ihres Geschlechts, eine generelle Annahme, dass alle Frauen ihnen unterlegen wären. Sie wusste jedoch, dass sie sich beherrschen musste. Dies war ihre erste wichtige diplomatische Mission, seit sie das Amt der Vizepräsidentin angetreten hatte, und sie würde nicht zulassen, dass sie schiefging.

Basheer nickte. „Natürlich. Ich wollte eigentlich sagen, dass Sie sich der Geschichte zwischen unseren Ländern vielleicht nicht bewusst sind. Damit meine ich Saudi-Arabien und Iran. Wir sind Erzfeinde und als solche können wir ein solches Abkommen nicht gutheißen. Es gibt da ein Sprichwort: ,Der Feind meines Feindes ist mein Freund.‘ Dieselbe Logik führt uns zu: ,Der Freund meines Feindes ist mein Feind.‘“

Joanna biss sich auf die Zunge und schluckte hinunter, was sie dem eigenwilligen König nur zu gern gesagt hätte. Statt Löcher in die falsche Logik zu stechen, antwortete sie: „Darf ich dann fragen, welch weisen Rat Sie vorschlagen, Sir?“

„Eine Entscheidung, Madam Vizepräsidentin“, erwiderte Basheer. „Ein Bündnis mit dem Iran ist eine Beleidigung für mein Land, mein Volk und meine Familie.“

„Eine Entscheidung“, wiederholte Joanna. Basheers Forderung, dass die Vereinigten Staaten sich entscheiden müssten, nur mit einem der beiden Frieden zu schließen, war lächerlich - falls, entschied sie, er sie nicht auf die Probe stellte. „Ich hoffe, Sie verstehen, dass es unser Ziel ist, Frieden mit allen Nahost-Nationen zu schließen. Nicht nur mit dem Iran und nicht nur mit Saudi-Arabien. Dies ist nicht persönlich, es ist Diplomatie.“

„Ich muss es aber persönlich nehmen“, erwiderte der König sofort. „In meiner neuen Rolle als Monarch erwartet man von mir, dass ich Stärke zeige -“

„Das können Sie ja immer noch“, unterbrach ihn Joanna, „indem Sie mitmachen. Friede ist keine Schwäche.“

„Friede ist nicht möglich“, verbesserte Basheer. „Die Geschichte der Spannungen zwischen unseren Nationen geht weiter als das, was Sie vielleicht aus Büchern oder Reportagen erfahren haben -“

Wut brodelte in ihr auf. „Bei allem Respekt -“

„Doch Sie bestehen darauf, mich zu unterbrechen!“, ärgerte sich der König.

Joanna zuckte zurück. Anscheinend war Basheer es nicht gewöhnt, dass ihn jemand unterbrach, und schon gar keine Frau. „Hoheit“, sagte sie mit gemäßigtem Tonfall, „Ich glaube nicht, dass dies der beste Zeitpunkt ist, um darüber zu sprechen. Ganz davon abgesehen, dass es mir gar nicht möglich ist, einfach zu gewähren, worum Sie bitten.“

„Was man mir schuldet“, verbesserte Basheer sie.

„Ich würde das auch gar nicht tun“, sagte sie mit lauterer Stimme, „selbst wenn ich könnte.“ Ein Feuer entfachte in ihr, das sie nicht ignorieren oder löschen konnte. „Nun, wir wissen alle Bescheid über Ihre … Verbindungen, König Basheer. Ihre persönlichen Bündnisse mit einigen eher anstößigen Fraktionen.“

Sobald Basheer seine Augen zusammenkniff und sie musterte, bereute sie es. Nicht nur hatte sie indirekt zugegeben, dass die USA ihn überwacht hatte, sondern auch, dass sie informiert waren über die zunehmenden Verbindungen zwischen dem Saudi-Königshaus und aggressiven Gruppen von Aufständischen, sowohl innerhalb als auch außerhalb ihrer Grenzen.

„Gehen Sie“, knurrte Basheer.

Das war die ganze Zeit der Plan, dachte Joanna sarkastisch, während sie aufstand. Sie sparte sich alle weiteren Worte und brachte nur ein kurzes „Danke für Ihre Gastfreundschaft” hervor. Dann machte sie auf dem Absatz kehrt und schritt auf die Tür zu.

„Ich glaube, Sie verstehen mich nicht“, sagte Basheer laut. „Ich bitte nicht Sie darum, zu gehen. Ich befehle den Vereinigten Staaten, mein Land zu verlassen. Die Botschaften sind mit sofortiger Wirkung geschlossen. Und alle amerikanischen Soldaten, amerikanischen Bürger und amerikanischen Diplomaten werden hiermit deportiert. Wir kappen alle Verbindungen, bis ihre Regierung zu Sinnen kommt und bereit ist, ernsthaft darüber zu sprechen.“

Joanna Barkley fiel der Mund ein wenig auf, während sie versuchte einzuschätzen, ob Basheer das ernst meinte oder nur bluffte. Alle Anzeichen wiesen darauf hin, dass es ihm todernst war. „Sie würden sich uns zum Feind machen, aus reiner Boshaftigkeit dem Iran gegenüber?“

„Sie haben mich zuerst zu Ihrem Feind gemacht.“ Basheer zeigte auf die Tür, ohne aufzustehen. „Gehen Sie jetzt und richten Sie das Ihrem Präsidenten aus.“

Es gab nichts mehr zu sagen. Vizepräsidentin Joanna Barkley zog die Tür zum Vorzimmer auf, ohne den stoischen Geistigen, der daneben stand, auch nur eines Blickes zu würdigen. Sofort schlug ihr der Lärm des allgemeinen Geredes entgegen. Sie hatte fast vergessen, dass die Bestattungsfeier weiterging. Doch sie kümmerte sich nicht darum, während sie zur anderen Seite des breiten Saales ging, wo ihre zwei Secret-Service-Agenten warteten.

„Lasst uns aufbrechen“, sagte sie ihnen kurz angebunden. „Und holt mir Präsident Rutledge ans Telefon, bevor wir abheben.“

Sie befürchtete, dass sie bei ihrer ersten diplomatischen Aufgabe als Vizepräsidentin versagt hatte. Es sollte eigentlich alles einfach und routinemäßig ablaufen. Doch sie befürchtete noch viel mehr, dass Frieden mit einem Land des Nahen Ostens Krieg mit einem anderen bedeuten würde.

*

„So eine Unverschämtheit!“ knurrte Basheer auf Arabisch, während er im Vorzimmer auf und ab ging. „Die hat einen Mut! Deshalb versagt Amerika. Genau deswegen werden sie versagen. Rutledge ist schwach. Die Frau ist unausstehlich. Wäre sie eine Saudi, dann würde ich sie öffentlich hinrichten lassen!“

Der Scheich hatte sich mehrere Minuten lang nicht bewegt, obwohl er wirklich Lust hatte, das dünne Messer zu ziehen, das er im Ärmel versteckt hatte, um damit der amerikanischen Politikerin die Kehle aufzuschneiden.

Er trat zwei lange Schritte hinein ins Zimmer. Seine schlaksigen Beine trugen ihn mehrere Meter auf seinen König zu. „Geduld, Hoheit. Das ist nicht der richtige Zeitpunkt, um die Haltung zu verlieren. Sie müssen jetzt Disziplin und Takt an den Tag legen.“

Basheer nickte, doch seine Lippen presste er immer noch verbissen zusammen. „Ja“, stimmte er zu. „Sie haben Recht. Selbstverständlich.“

Unter normalen Umständen wäre ein Stammesscheich wie Salman niemals die rechte Hand des Königs. Doch während andere sich bei Ghazi eingeschmeichelt hatten, blickte Salman in die Zukunft und widmete seine Aufmerksamkeit dem ältesten Sohn, Basheer, der eines Tages König würde. Seitdem der Prinz sechzehn war, hatte Salman jede Gelegenheit genutzt, um den Jungen zu manipulieren. Er erinnerte ihn an seine Erhabenheit. Spornte ihn an, ein stärkerer König als sein Vater es je war zu werden. Redete ihm ein, dass der Westen gestürzt und das Saudi-Königreich gleichzeitig erweitert werden müsste. Salman wäre niemals König - doch er könnte an der Seite des Königs stehen. So spräche man seinen Namen auf der ganzen Welt im gleichen Atemzug aus.

„Ich fürchte, dass wir vorschnell gehandelt haben“, murmelte Basheer. „Das ist kein gutes Zeichen für uns.“

„Ganz im Gegenteil“, versicherte Salman ihm. „Sie haben gezeigt, dass Sie einen starken Willen haben. Als Nächstes müssen wir beweisen, dass Ihr Handeln genauso schlagkräftig ist.“

„Wie? Sagen Sie mir wie“, flehte Basheer ihn an. „Wenn die ein erfolgreiches Abkommen mit dem Iran treffen, dann haben wir keine Verbündeten. Die Welt wird uns für Idioten halten. Wir können uns gegen keine US-Armee wehren. Wir können uns keinen Krieg mit denen leisten.“

„Nein“, stimmte Salman ihm zu und legte eine dürre Hand auf die Schulter des jungen Königs. „Das können wir nicht. Aber vielleicht brauchen wir das auch gar nicht. Es gibt einen Plan, Hoheit, der wurde schon in Bewegung gesetzt. Wenn wir ihn durchziehen, dann wird die westliche Welt eine schmerzhafte Lektion erhalten - und die Welt wird zum Zeugen unseres Aufstiegs.“

KAPITEL DREI

Don’t worry

About a thing,

’Cause every little thing…

’Cause every little thing…


„Verdammt“, murmelte Null. „Das weißt du.“ Er hatte das Lied gepfiffen und dabei den Text im Kopf aufgesagt - die Mädchen hatten ihn mehrmals darum gebeten, mit dem Singen aufzuhören - aber er hatte noch nie die Zeile vergessen. „Wie war das noch?“

„Redest du mit dir selbst?“ fragte Sara, als sie in die kleine Küche seiner Wohnung in Bethesda, Maryland, kam. Sie trug Jogginghosen, ihr blondes Haar war zerzaust und den dunklen Ringen unter ihren Augen nach zu urteilen hatte sie vergessen (oder keine Lust gehabt), sich am Abend zuvor abzuschminken.

„Na klar.“ Null küsste sie auf den Kopf, während sie den Kühlschrank öffnete. „Guten Morgen, Liebes.“

„Hm“, antwortete Sara darauf und zog den Krug Orangensaft hervor. Seit Thanksgiving wohnte sie bei Null - seit sie aus der Rehabilitationsanstalt, zu der er sie geschickt hatte, abgehauen war und fast unter einem Pier gekidnappt worden wäre. Sie war sechzehn, jetzt fast siebzehn, erinnerte er sich, doch ihre Gesichtszüge waren so reif, dass man sie leicht für mindestens zwei Jahre älter halten könnte. Es war so schon schmerzhaft, dass seine Mädchen erwachsen wurden. Doch es war noch schlimmer, dass sie durch das Trauma schneller gereift war, und am schlimmsten, dass sie jeden Tag ihrer verstorbenen Mutter ähnlicher sah.

„Was machst du da?“, fragte sie und reckte ihren Hals über seine Schulter, um in die Pfanne zu spähen.

„Oh, das hier? Das, meine Liebe, ist eine Frittata.“ Null hob die Bratpfanne an, schüttelte sie zwei Mal und wendete die Frittata gekonnt in der Luft.

Sara rümpfte ihre Nase. „Sieht aus wie ein Omelette.“

„Ist auch so ähnlich. Die Nachbarin des Omelettes könnte man sagen. So, als ob ein Omelette und eine Pizza ein Baby hätten. Eine Frittata.“

„Bitte sag nicht mehr -“

„Frittata.“

Sara rollte mit den Augen und trank einen großen Schluck Orangensaft. „Du bist komisch.“

„Hallo Mäuschen“, verkündete Maya, als sie in die Küche kam. „Gib mir auch was davon ab.“ Sie trug Shorts und einen Kapuzenpulli, Turnschuhe und ein Schweißband über der Stirn. Ihr dunkles Haar war kurz geschnitten, ähnlich wie ein Bob - die Mädchen nannten es einen „Pixie-Schnitt“. Während die Züge ihrer jüngeren Schwester eher ihrer Mutter ähnlich waren, glich Mayas jugendliches Gesicht viel mehr Null.

Auch Maya wohnte bei ihm, was die Zwei-Zimmerwohnung zwar sehr gemütlich, aber auch gleichzeitig ein wenig eng machte. Seine zwei Töchter, fast siebzehn und neunzehn, teilten sich ein Zimmer, aber hatten sich kein Mal darüber beschwert. Null dachte, dass das daran lag, dass sie so viel Zeit getrennt verbracht hatten, als Sara in Florida gelebt und Maya in West Point studiert hatte. Doch seine Älteste hatte den Rest des Wintersemesters ausgesetzt und blieb jetzt auch noch das Sommersemester bei ihm. Er hatte das Thema zwar noch nicht angesprochen, doch er hoffte, dass sie letztendlich zurückkehren und ihre Ausbildung abschließen würde.

Sara gab Maya den Orangensaft, die einen ordentlichen Schluck davon trank. „Maya, findest du Dad in letzter Zeit nicht komisch?“

„Du meinst komischer als normal? Ja. Absolut.“

„Erstens“, sagte Null, „holt euch Gläser. Wir sind hier nicht bei den Hottentotten. Zweitens, inwiefern bin ich komisch?“

„Du singst viel“, bemerkte Maya.

„Ich habe damit aufgehört, als ihr mich darum gebeten habt.“

„Jetzt pfeifst du die ganze Zeit“, erwiderte Sara.

„Und wo liegt da das Problem?“

„Machst du eine Frittata?“, fragte Maya.

„Er kocht viel“, sagte Sara, als ob er gar nicht im Zimmer wäre.

„Ja, das ist schon komisch“, stimmte Maya zu. „Irgendwie scheint er … glücklicher.“

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